Selbstbedienungsautomat

Selbstbedienungsautomat
Erster Stollwerck-Münzautomat „Rhenania“ von 1887

Ein Selbstbedienungsautomat ist ein Apparat, der Waren gegen Bezahlung ausgibt (Verkaufsautomat) oder den Zugang zu abgesperrten Räumen oder Dienstleistungen ermöglicht.

Rechtlich betrachtet ergibt sich ein stillschweigender Vertragsabschluss. Das Einwerfen von Geld oder das Einführen einer Geld- oder Kreditkarte gelten als Willenserklärung. In der Vergangenheit oft ausschließlich für den Münzeinwurf ausgelegt, akzeptieren manche Münzgeldwechsler der Automaten auch Kredit-, Bank- oder Kundenkarten. An modernen Automaten (wie Fahrkarten- oder Parkhausautomaten) kann ohnehin mit Banknoten oder Geldkarten bezahlt werden. Münzprüfer und Banknoten-Kontroll-Einrichtungen verhindern das Bezahlen mit Falschgeld. Gegenstände des Kaufvertrages können materieller (Süßigkeiten, Getränke, Fahrkarten) oder immaterieller (Parkzeit) Art sein.

Verkaufsautomaten werden überwiegend im Vertrieb von Gegenständen mit geringem Stückpreis eingesetzt. In einigen Ländern sind jedoch bereits Automaten zum Bezahlen an Tankstellen im Einsatz. Das Ladenschlussgesetz in Deutschland gilt hierbei nicht. Da ein Automat den Verkauf an jedermann ermöglicht, werden die erzielten Automatenumsätze dem Einzelhandel zugerechnet. Ein Automat erspart Personal und arbeitet rund um die Uhr. Nachteilig ist, dass dem Kunden bei Problemen kein direkter Ansprechpartner zur Verfügung steht, zudem sind Automaten für ältere Menschen oft schwer zu bedienen. Aus Sicht der Handelspsychologie muss der Automatenbetreiber einige Nachteile des Verkaufsautomaten - keine Rabatt- oder Kreditgewährung, keine Reklamation, kein individueller Service - ausgleichen. Da der Automat von sich aus keinen Verkauf anbahnen kann, sind ein günstiger Aufstellort mit hoher Passantenfrequenz und Impulskauf-geeignete Waren zu wählen. Der Automat muss ferner selbst für sich werben, z.B. durch auffällige farbliche Gestaltung, Leuchtschrift oder Blinkzeichen, ggf. auch durch dezente akustische Signale. Der Automatenvertrieb kennt zahlreiche betriebswirtschaftliche Besonderheiten (Standort-, Preis-, Kredit-, Service-, Organisations- und Informationspolitik; erschwerte demographische und/oder psychologische Marktsegmentierung).[1] Auch sind spezifische Probleme der Beschickungsoptimierung und der Rentabilitätsrechnung zu lösen. Zu den betriebswirtschaftlichen Grenzen des Automatenvertriebs zählen fehlende Energiezufuhr und Überwachungsmöglichkeit.[2]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Den ersten überlieferten Verkaufsautomaten konstruierte der Grieche Heron von Alexandria im 1. Jahrhundert n. Chr. auf Grund des von ihm gefundenen Prinzips der kommunizierenden Gefäße (siehe Heronsbrunnen). Nach Münzeinwurf (eine Tetradrachme) gab er die gleiche Masse an Weihwasser ab.

Stollwerck-Automat von Volkmann aus dem Jahr 1892

Die ersten modernen Münzautomaten entstanden in den 1870er-Jahren in den USA, gegen Ende der 1880er-Jahre dann auch in England. In Anlehnung an Automaten, die dem Verkauf von Postkarten dienten, erfand der englische Verleger Richard Carlisle um dieselbe Zeit einen Automaten, der Bücher verkaufte. Der Ursprung der deutschen Verkaufsautomaten geht auf den Kölner Schokoladeproduzenten Ludwig Stollwerck zurück, der während einer USA-Reise 1886 dort die ersten Münzautomaten gesehen hatte. Gemeinsam mit Max Sielaff und Theodor Bergmann entwickelte er die ersten Warenautomaten Modell „Rhenania“ und „Merkur“ mit gusseisernen Gehäusen von Bergmann und einem patentierten Münzprüfsystem von Max Sielaff.[3] 1887 kamen die ersten Verkaufsautomaten für Proben der Produkte der Firma Stollwerck auf den Markt. 1895 gründete Stollwerck die Deutsche Automaten Gesellschaft Stollwerck & Co. in Köln, die die Produktion, Aufstellung, Bestückung und Wartung der Automaten übernahm.[4] Die Abtrennung des Automatengeschäftes zielte auch darauf ab, Ansehensverlusten der Stollwerk-Produkte durch Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit den Verkaufsautomaten zu begegnen. Kritiker äußerten öffentlich ihre Besorgnis um die Volksgesundheit, die Kirche äußerte Bedenken wegen des sonntäglichen Verkaufs von Süßwaren und möglicher Verführung von Gläubigen während der Fastenzeit. Insbesondere Konkurrenten reklamierten gerichtlich Verstöße gegen örtliche Gewerbeordnungen, Verkaufsverbote an Sonn- und Feiertagen und sogar die Anstiftung zu Kriminalität von Kindern, die versuchten, durch Einwurf von Hosenknöpfen an Schokolade zu gelangen. Und natürlich stellten die Finanzämter Forderungen nach einer speziellen Besteuerung von Automatenverkäufen.[5]

Gemeinsam mit seinem Freund John Volkmann hatte Stollwerck bereits 1887 die „Volkmann, Stollwerck & Co.“ in New York gegründet. Volkmann importierte Stollwerck-Halbfabrikate aus Deutschland und ließ diese in New York zu Automatenware verarbeiten, womit er seine Automaten bestückte. 1892 produzierte Volkmann den ersten Stollwerck-Automaten für die USA. Der Automat verkaufte die Produkte Chocolate, Dentyne Gum, Wintergreen Gum with Pepsin und Chiclets zu jeweils 1 Cent. Ab 1898 eröffnete Volkmann, Stollwerck & Co. Automatenrestaurants in San Francisco, New York, Philadelphia, St. Louis und anderen amerikanischen Städten.[6] Bis zum 1. Weltkrieg blieb Stollwerck Marktführer für Schokoladeautomaten in den USA.

1888 wurden auf den Bahnsteigen der New Yorker Hochbahn durch die Thomas Adams Gum Company die ersten Kaugummiautomaten installiert. 1902 eröffneten Joseph Horn und Frank Hardart in Philadelphia ein Selbstbedienungslokal, in dem die Speisen und Gerichte ausschließlich in Verkaufsautomaten angeboten wurden. Die Horn & Hardart Automats expandierte 1912 nach New York und war in den 1940er- und 1950er-Jahren mit über 180 Filialen die damals weltgrößte Restaurantkette, die letzte Niederlassung schloss 1991. Um 1920 wurden die ersten Getränkeautomaten gebaut, die Erfrischungsgetränke in Becher abfüllten. 1926 erfand der Amerikaner William Rowe den Zigarettenautomaten.

Arten von Selbstbedienungsautomaten

Historische Briefmarkenautomaten: (von links nach rechts) Zwei mit Drehkurbel für Rollenmarken, Automat zum Ziehen von Briefmarkenheftchen und ein moderner für Automatenbriefmarken
Historische Briefmarkenautomaten: (von links nach rechts) Zwei mit Drehkurbel für Rollenmarken, Automat zum Ziehen von Briefmarkenheftchen und ein moderner für Automatenbriefmarken

Mittels Verkaufsautomaten werden die unterschiedlichsten Waren angeboten, dabei ist es möglich an bestimmten Orten unabhängig von Ladenöffnungszeiten den Artikel zu erhalten. Dadurch werden Kundenwünsche an 7 Tagen in 24 Stunden erfüllt ohne ein ständige Verkaufskraft zu bezahlen. So können termingebundene Artikel wie jede Art von Tickets, Kondome oder auch Geld oder Wechselgeld bereitgestellt werden. Die Palette reicht von Zigaretten über Grablichter bis hin zu Calling Cards.

Messen

Alle zwei Jahre präsentieren die Hersteller von Automaten, Automatenbechern, Füllprodukten, Zahlungssystemen und Dienstleister ihre Neuheiten auf der Branchenmesse Eu'Vend in Köln.

Einzelnachweise

  1. Vgl. Hans-Otto Schenk: Der Automatenvertrieb. Theoretische, empirische und literarische Untersuchungen über eine "vergessene" Betriebsform des Einzelhandels, Diskussionsbeitrag Nr. 115 des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft der Universität Duisburg, Duisburg 1988.
  2. Vgl. Hans-Otto Schenk: Psychologie im Handel, 2. Aufl., München-Wien 2007, ISBN 978-3-486-58379-3.
  3. Uwe Spiekermann: Basis der Konsumgesellschaft. Entstehung und Entwicklung des modernen Kleinhandels in Deutschland 1850-1914. C.H.Beck, 1999, ISBN 978-3-406-44874-4
  4. RWWA, Abt. 208: Stollwerck AG, Unterlagen Deutsche Automatengesellschaft, Köln, (DAG)
  5. Bruno Kuske: 100 Jahre Stollwerck-Geschichte 1839-1939. Köln 1939.
  6. Mira Wilkins: The History of Foreign Investment in the United States to 1914. Harvard Studies, 1989, ISBN 0-674-39666-9.

Weblinks

 Commons: Verkaufsautomaten – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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