Grande Coupure

Grande Coupure

Als Grande Coupure wird in der Paläontologie ein bedeutender Faunenaustausch bezeichnet, der sich an der Wende Oligozän (Grenze Priabonium/Rupelium) ereignete. Dieser Einschnitt war mit einer Klimaverschlechterung und einem großen Artensterben einhergegangen, dem ein Großteil der damaligen Palaeotherien (frühe Pferde), Primaten (Herrentiere), Creodonta (Urraubtiere) und andere Tiergruppen zum Opfer fielen. Neu entstandene Formen ersetzten daraufhin die ausgestorbenen Taxa.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte und Terminologie

Der Begriff Grande Coupure, Französisch großer (Ein)Schnitt, wurde 1909 vom schweizerischen Paläontologen Hans Georg Stehlin geprägt und in die wissenschaftliche Literatur eingeführt [1]. Im Englischen wird die Bezeichnung Eocene-Oligocene extinction event oder manchmal auch nur MP 21 event verwendet (MP für Mammal Paleogene).

Auswirkungen

Die Bilanz der Grande Coupure für Europa stellt sich folgendermaßen dar:

  • Etwa 60 % der eozänen Säugetiergattungen starben zu Beginn des Rupeliums (Unteres Oligozän) aus.
  • 66 % der während des Rupels existierenden Säugetiergattungen waren im Eozän noch nicht vorhanden (so treten im Rupel 13 völlig neue Familien mit 20 neuen Gattungen auf).

Insgesamt gesehen führte die Grande Coupure zu einer entwicklungsgeschichtlichen Umwälzung, Diversifizierung und Faunenerneuerung (Faunenaustauch).

Im Einzelnen wurden folgende Faunengruppen vom Aussterben an der Wende Priabon/Rupel betroffen:

Betroffene Faunengruppen

Der urtümliche Insektenfresser Leptictidium auderiense
  • Apatotheria (Spitzmausähnliche), deren Familie
    • Apatemyidae vollständig ausstarb.
  • Artiodactyla (Paarhufer). Waren weniger betroffen, verloren aber einige Linien unter den:
    • Anoplotherioidea
    • Dacrytheroidea
    • Xiphodontoidea
    • Die Familie der Choeropotamidae starb aus.
  • Carnivora (Raubtiere), wurden schwer betroffen.
    • Ihre Überfamilie Arctoidea (Marderartige, Seehunde, Bären etc.) verlor die Gattung Cynodictis, die jedoch von Amphicyonodon ersetzt wurde.
  • Cetacea (Wale). Die Basilosauridae, ein Seitenzweig der Archaeoceti, sind wahrscheinlich unmittelbar nach der Grande Coupure erloschen.
  • Creodonta (Urraubtiere). Sie waren relativ wenig betroffen. Pterodon erlosch, Hyaenodon wurde allmählich durch asiatische Taxa verdrängt.
  • Insectivora (Insektenfresser). Sie verloren die Amphilemuridae und die Nyctitheriidae.
  • Leptictida (frühe Insektenfresser). Sie starben vollständig aus.
  • Mesonychia. Auch sie erloschen vollständig.
  • Perissodactyla (Unpaarhufer)
    • Equidae (Pferde). Bei ihnen wurden die Palaeotheriidae (ein Urpferde-Seitenzweig) schwer getroffen. Es überlebten nur wenige Gattungen wie Palaeotherium und Plagiolophus, das aber dann 2 Millionen Jahre nach dem Faunenschnitt ebenfalls ausstarb.
  • Primaten (Herrentiere). Sie verschwanden mit dem Aussterben der Plesiadapiformes fast vollständig aus Europa, nur das Taxon Pseudoloris überlebte in Spanien, starb aber dann während des Oligozäns ebenfalls aus.
  • Proboscidea (Rüsseltiere). Sie verloren die Frühform Barytherium.
  • Rodentia (Nagetiere). Bei ihnen endeten die Familien:
    • Isochromyidae (Hörnchenverwandte)
    • Protoptychidae
    • Reithroparomyidae
    • Sciuravidae
  • Tapiroidea (Tapire). Sie verloren die Familien:

Neu erschienene Faunengruppen

Eusmilus, ein nach der Grande Coupure aufgetretener Nimravide

Neuerscheinungen im Rupel waren:

Gemäß J. J. Hooker u. a. (2004) wird die Grande Coupure in Europa durch den Übergang von einer rein endemischen Fauna zu einer Mischfauna mit asiatischen Elementen gekennzeichnet. Für sie wurde die Fauna vor der Grande Coupure eindeutig von der perissodaktylen Familie der Palaeotheriidae, von 6 artiodaktylen Familien (Amphimerycidae, Anoplotheriidae, Cebochoeridae, Choeropotamidae, Dichobunidae und Xiphodontidae), von der Nagerfamilie der Pseudosciuridae, von den beiden Primatenfamilien Omomyidae und Adapidae sowie von der sehr urtümlichen Insektenfresserfamilie der Nyctitheriidae beherrscht.

Die Fauna nach der Grande Coupure beinhaltet echte Nashörner (Familie Rhinocerotidae), 3 artiodaktyle Familien (Anthracotheriidae, Entelodontidae und Gelocidae, Vorläufer resp. der Flusspferde, Schweine und Wiederkäuer), die Nagetierfamilien Castoridae (Biber), Cricetidae (Hamster) und die Insektenfresserfamilie Eomyidae (Igel).

Nur die Beutelsäugerfamilie Herpetotheriidae, die artiodaktyle Familie Cainotheriidae und die beiden Nagetierfamilien Theridomyidae und Gliridae wurden von der Grande Coupure nicht berührt [2].

Geochemische Trends in Tiefseesedimenten

Geochemische Untersuchungen an benthischen Foraminiferen aus Tiefseesedimenten haben für die Grande Coupure folgende Ergebnisse geliefert:

  • Am auffälligsten ist ein sehr rascher Anstieg in den δ18O-Werten, die so genannte Sauerstoffanomalie Oi 1. Dies deutet auf einen ausgeprägten Temperaturabfall der Weltmeere an der Eozän-Oligozän-Grenze. Ein genereller Temperaturabfall hatte zwar bereits am Ende des Ypresiums begonnen, der Temperaturabfall an der Grande Coupure war mit 1 ‰ δ18O PDB jedoch markant. Erst im Chattium stabilisierten sich die Temperaturen wieder.
  • Ab der Grande Coupure setzt ein sehr deutlicher Anstieg im Strontiumisotopenverhältnis 87Sr/86Sr ein, der sich ins Neogen hin fortsetzt. Erhöhte Strontiumisotopenverhältnisse lassen auf einen erhöhten Sedimenteintrag schließen, welcher durch verstärkte orogene Aktivitäten ausgelöst wird.
  • Gekoppelt an den Anstieg des Sauerstoffisotopenverhältnisses ist ein leichter kurzzeitiger Anstieg des Kohlenstoffisotops δ13C zu beobachten (um ebenfalls knapp 1 ‰), der im Verlauf des Rupels wieder zurückgeht und dann im Chattium wieder unter das alte Niveau absinkt. Dieser etwas eigenartige Befund (normalerweise fallen die Kohlenstoffwerte bei steigenden Sauerstoffwerten) lässt sich eventuell durch eine erhöhte biologische Produktion in den Weltmeeren erklären.
  • In Sedimenten des Priabons wurden (mindestens) zwei Iridiumanomalien entdeckt, die mit Meteoriteneinschlägen in Verbindung stehen und möglicherweise den generellen Abkühlungstrend noch beschleunigten [3]

Mögliche Ursachen

Die möglichen Ursachen für den Faunenschnitt sind vielfältig, folgende Möglichkeiten werden in Betracht gezogen:

Plattentektonische Ursachen

Klimatische Veränderungen

Die klimatischen Veränderungen sind kausal mit den plattendynamischen Bewegungen verknüpft. So brechen aufgrund der Norddrift der Südkontinente (Australien und Südamerika) erstmals Meeresarme auf und die Antarktis wird isoliert. Dies führt zu Beginn des Oligozäns zum Einsetzen des zirkumpolaren Meerestromes um die Antarktis. Auf der Nordhalbkugel öffnet sich der Nordatlantik und ermöglicht dadurch eine Verbindung zum Polarmeer.

Diese beiden Neukonstellationen bewirken zusammen ein globales Abkühlen der Meerestemperaturen um 5°C. Gleichzeitig bilden sich in der Antarktis erstmals wieder Gletscherkappen. Als Rückkoppelungseffekt sinkt der Meeresspiegel daher um zirka 30 Meter ab und Schelfmeere fallen trocken, darunter auch die zwischen Europa und Asien gelegene Turgai-Straße. Dies ermöglichte es asiatischen Faunengruppen nach Europa einzuwändern und die faunistischen Umwälzungen der Grande Coupure einzuleiten.

Das weltweite Absinken der Temperaturen zog bedeutende klimatische Veränderungen nach sich, die sich ihrerseits auf Pflanzen- und Tierwelt auswirkten. Herrschte beispielsweise in Europa während des Eozäns noch eine subtropische Vegetation, so konnten sich ab der Grande Coupure aufgrund des kühleren und gleichzeitig trockeneren Klimas ausgedehnte Steppengebiete etablieren. Die endemische Fauna Europas sah sich somit einem mehrfachen evolutiven Stress ausgesetzt, der durch neue Nahrungskonkurenten, Klimaverschlechterung und Umweltveränderungen bewirkt wurde.

Extraterrestrische Ursachen

Wie bei anderen großen faunistischen Umwälzungen im Fossilbericht werden auch für die Grande Coupure extraterrestrische Ursachen ins Feld geführt. So liegen z. B. die Meteoritenkrater der Chesapeake Bay, von Toms Canyon und von Popigai zeitlich recht nah (sie sind etwa 1 Million Jahre älter) an der Grande Coupure und könnten möglicherweise ursächlich mit dem Faunenschnitt verknüpft sein.

Alter

Die Wende Priabon/Rupel und damit die Grande Coupure wird absolut mit 33,9 ± 0,1 Millionen Jahre BP datiert [4]. Der GSSP für dieses Ereignis befindet sich in marinen Schichten bei Massignano in Italien. Er ist durch das Verschwinden der planktonischen hantkeniniden Foraminiferen definiert (letztes Auftreten von Turborotalia azulensis). Der GSSP entspricht ferner dem Ende der planktonischen Foraminiferenstufe P 17 innerhalb der Nannofossilzone NP 21 und liegt innerhalb der magnetischen Anomalie C 13r.1.

Das Auftreten erster asiatischer Faunen lässt sich in Nordwesteuropa im untersten Oligozän um 33, 5 Millionen Jahre nachweisen, d. h. die Grande Coupure erstreckte sich über einen Zeitraum von etwa 350 000 Jahren [2].

Datierung anhand von Landsäuger-Faunengemeinschaften

Für das Paläogen wurde eine ausführliche Chronologie anhand der gefundenen Landsäugerassoziationen aufgestellt (engl. land mammal ages oder LMA). Diese fossilen Faunengemeinschaften fallen für die einzelnen Kontinente sehr unterschiedlich aus, folglich besitzt jeder Kontinent seine eigenen chronologischen Stufen (Asien = ALMA, Europa = ELMA, Nordamerika = NALMA und Südamerika = SALMA).

In Europa liegt die Grande Coupure zwischen den Stufen Headonium und Suevium bzw. zwischen den Stufen MP 20 und MP 21, gekennzeichnet durch das letzte Auftreten (engl. last appearance date oder LAD) der Xiphodontidae und kurz darauf der Amphimerycidae sowie von Palaeotherium; erstmalig auftraten (engl. first appearance oder FAD) die Castoridae, Cricetidae, Entelodon und die Rhinocerotidae.

In Asien wird die Grande Coupure als Mongolische Umwälzung (engl. Mongolian Revolution) bezeichnet, die zwischen den Stufen Ergilium und Shandgolium erfolgte. In Nordamerika liegt die Grande Coupure zwischen den Stufen Chadronium und Orellum, gekennzeichnet durch das letzte Auftreten der Brontotheriidae, Cylindrodontidae und Oromerycidae sowie dem erstmaligen Erscheinen der Suoidea (Schweine) und der Gattung Hypertragulus calcaratus. In Südamerika ist sie zwischen den Stufen Mustersum und Tinguiriricum angesiedelt.,

Abschließende Betrachtung

Die Grande Coupure im Vergleich zu anderen Ereignissen im Verlauf der Erdgeschichte

Die Grande Coupure war zweifellos ein bedeutender Einschnitt in die Faunenvielfalt, insbesondere in Europa. Das mit ihr verknüpfte Artensterben, vorwiegend bei den Säugetieren, erreichte aber bei weitem nicht die Ausmaße der als "Big Five" (die "Großen Fünf") bezeichneten Ereignisse (Wenden Ordovizium/Silur, Devon/Karbon (Kellwasser-Ereignis), Perm/Trias, Trias/Jura und Kreide/Paläogen).

Außerdem steht die Grande Coupure im Zeitabschnitt Mittleres Eozän (Lutetium) bis Unteres Oligozän nicht vollkommen allein, sondern wird von mehreren kleineren Zäsuren begleitet.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Stehlin, H.G.: Remarques sur les faunules de Mammifères des couches eocenes et oligocenes du Bassin de Paris. In: Bulletin de la Société Géologique de France. 9, vierte Serie, 1909, S. 488-520.
  2. a b Hooker, J.J., Collinson, M.E. & Sille, N.P.: Eocene-Oligocene mammalian faunal turnover in the Hampshire Basin, UK: calibration to the global time scale and the major cooling event. In: Journal of the Geological Society. 161, 2004.
  3. Coccioni, R. et al.: Marine biotic signals across a late Eocene impact layer at Massignano, Italy. In: Terra Nova. 12, 2000, S. 258-263.
  4. Premoli-Silva, I. & Jenkins, D.G.: Decision on the Eocene-Oligocene boundary stratotype. In: Episodes. 16, 1993, S. 379-382.

Literatur

Weblinks


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