Heinrich von Pfalzpaint

Heinrich von Pfalzpaint

Heinrich von Pfalzpaint (* um 1400 in Pfalzpaint im Altmühltal; † 1465/67) war ein deutscher Wundarzt (Chirurg).

Inhaltsverzeichnis

Leben

Heinrich von Pfalzpaint entstammte einem bayerischen Ministerialengeschlecht. Der Vater war vermutlich Heinrich Pfalzpeunter.

Seine wundärztliche Lehre führte ihn durch den bayerischen (Eichstätt, Weißenburg, München, Tegernsee) und fränkischen (Bamberg, Bayreuth) Raum sowie bis nach Basel und Metz. Zu seine Lehrern zählten: Hans von Bayreuth (später, um 1474/1479 Leibarzt der Herzöge von Bayern-Landshut und Ingolstädter Professor[1]), Johann von Bires (Hans von Beris, Birer in Lothringer[2]), der ihn in der kunstgerechten Behandlung der Pfeilschüsse unterrichtete, Conrad von Nürnberg, Linhardt von Basel, Hans von Halberstadt und Otto von Heideck zu Weissenburg (Odon von Heydelbergk, Chirurg in Wissembourg[3]). Bei italienischen Wundärzten lernte er die Kunst der Rhinoplastik.

Seine Schwester Margarethe heiratete den Eichstätter Patrizier Michael Muggenthaler. 1452 verkaufte Heinrich ihr die Burg Pfalzpaint.[4]

Vor 1450 trat er in den Deutschen Orden ein (wahrscheinlich in die heimatnahe Kommende Ellingen), wurde an den preußischen Ordenszweig überstellt und gehörte dem Konvent Marienburg an. 1453 unternahm er eine Visitationsreise auf die Burg Rehden im kriegsgefährdeten Kulmerland, von wo er dem Hochmeister Ludwig von Erlichshausen am 11. August 1453 einen Visitationsbericht sandte, in dem er den trostlosen Zustand von Mannschaft und Waffen schildert sowie Verbesserungsvorschläge unterbreitet, und am 8. November 1453 einen Antrag auf Niederschlagung einer Klage gegen den Hauskomtur stellte, der aufgrund rüstungsbedingter Sparmaßnahmen des Ordens die Verpflegungsrationen einschränken ließ. Bei der Belagerung der Marienburg 1554–57 organisierte er mit des Hochmeisters Leibarzt, Jakob Schillingholz, das Heeressanitätswesen und versorgte (nach eigenen Angaben) über 4000 Ritter und Söldner chirurgisch.

Er bildete den späteren Hochmeister Hans von Tiefen sowie Heinrich von Baldenstetten zu Wundärzten aus. Ab 1460 verfasste er sein Lehrbuch für Wundärzte. Anscheinend ist er wenig später gestorben, denn 1465 wird er in einer Erbschafts-Urkunde seiner Schwester nicht mehr genannt.

Bedeutung

Als Wundarzt ist Heinrich von Pfalzpaint ein erfahrener Praktiker, verfügt über ein hervorragendes fachliches Können auf der Höhe des Leistungsstandes der oberdeutschen Chirurgie des Spätmittelalters, und ist einer verantwortungsvollen ärztlichen Ethik verpflichtet. In der Wundarznei sind die Kenntnisse der Lehrer sowie eigene Erfahrungen, aber auch ältere Schriften verarbeitet, auch wenn er diese selbst nicht gekannt haben muss. Das Werk ist in einen allgemeinen und einen speziellen Teil gegliedert, zwischen die ein Register gestellt ist. Die Binnengliederung erfolgt nach verfahrenstechnischen und therapeutischen Prinzipien, zum Teil auch nach Herkunft. Im Vordergrund steht wie meist bei den Werken der mittelalterlichen Chirurgie die Materia medica, während an praktisch-wundärztlichen Anweisungen seine Narkosetechnik (Schlafschwämme), die Darmnaht über einem Silberrohr, die Behandlung von Schusswunden durch Pulver und Blei und Frakturen sowie eine Lippenplastik bei Hasenscharte beachtenswert ist; besonders herausragend ist aber die Erstbeschreibung der Nasenplastik, die aus italienischer Quelle stammt. Er mobilisiert einen gestielten Hautlappen an der Oberarm-Innenseite und geht – weit einfacher als Gaspare Tagliacozzi (1597) – in drei Operationsschritten vor; das Verfahren wurde erst Anfang des 19. Jhs. durch Carl Ferdinand von Graefe neu geschaffen: Die Wundarznei konnte die Chirurgie der Neuzeit nicht beeinflussen, da ihr Wirkungskreis durch die Beschränkung auf die Schüler eingeengt war, sie deshalb nicht gedruckt und erst 1858 wiederentdeckt (1868 ediert) wurde, als der operative Kenntnisstand bereits eingeholt war.

Die bairisch-ostmitteldeutsche Mundart und die schwierige Orthographie Heinrichs von Pfalzpaint war häufig verwirrend für die Fachgeschichte, die den Werktitel 'Wundarznei' in der Schreibung Bündth-Ertznei als 'Binde-Arznei' (Verbandlehre) fehldeutete. Dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß der erfahrene Wundarzt die wehrtechnische und chirurgische Fachsprache meisterlich beherrscht, überall klar und eindeutig ist, und auch ein schwieriges plastisch-rekonstruktives Verfahren sicher beschreiben kann. Deshalb gilt Heinrich von Pfalzpaint als bedeutendster Chirurg des ausgehenden deutschen Mittelalters.

Werk

Literatur

  • Christian Probst: Zwei unbekannte Briefe des Chirurgen Heinrich von Pfalzpaint aus dem Jahr 1453, in: Sudhoffs Archiv, 50 (1966), S. 69–78
  • Gundolf Keil: Heinrich von Pfalzpaint, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 2. Aufl., Bd. 3, Berlin/New York 1981, Sp. 856–862
  • Gundolf Keil: Heinrich von Pfalzpaint und die plastische Chirurgie der Haut, in: Onkologische Dermatologie, Berlin u.a. 1992, S. 3-11
  • Christoph Weißer: Die Nasenersatzplastik nach Heinrich von Pfalzpaint. Ein Beitrag zur Geschichte der plastischen Chirurgie im Spätmittelalter mit Edition des Textes, in: J. Domes, W. E. Gerabek, B. D. Haage, Ch. Weißer, V. Zimmermann (Hrsg.): Licht der Natur. Medizin in Fachliteratur und Dichtung. Festschrift für Gundolf Keil zum 60. Geburtstag, Göppingen 1994 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik. Bd. 585), S. 485–505
  • Christoph Weißer: Heinrich von Pfalzpaint, in: W. E. Gerabek, B. D. Haage, G. Keil und W. Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte, Berlin/New York 2005, S. 563f.
  • Gustav Roethe, Hermann Frölich: Pholspeunt, Heinrich von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 26, Duncker & Humblot, Leipzig 1888, S. 91 f.

Einzelnachweise

  1. http://books.google.com/books?id=LLoOUP-y54YC&pg=PA532&lpg=PA532
  2. http://books.google.com/books?id=Sx8IO93ovsQC&pg=PA347
  3. http://books.google.com/books?id=inlmGzmRmycC&pg=PA584&lpg=PA584
  4. Felix Mader: Bezirksamt Eichstätt; Band 2; Band 5, S. 260

Weblinks


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