Charles de Foucauld

Charles de Foucauld
Charles de Foucauld

Charles Eugène Vicomte de Foucauld (dt. auch Bruder Karl von Jesus) (* 15. September 1858 in Straßburg; † 1. Dezember 1916 in Tamanrasset, Algerien) war ein französischer Forscher, Offizier des französischen Heeres, Priester, Mönch und Eremit. Er wurde im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg vor seiner Klause ermordet und am 13. November 2005 von Papst Benedikt XVI. seliggesprochen. Nach seinem Tod wurden elf Ordensgemeinschaften und acht weitere Gemeinschaften und Säkularinstitute gegründet, die sich auf Charles de Foucauld berufen.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Kindheit und Jugend

Charles de Foucauld wurde am 15. September 1858 in Straßburg als älteres von zwei Kindern des Grafen de Foucauld, damals eine der reichsten Familien Frankreichs, geboren. 1863 ging die Ehe seiner Eltern zu Bruch, 1864 starb der Vater an Tuberkulose und im selben Jahr kurz darauf die Mutter im Wochenbett. Foucauld kam daraufhin gemeinsam mit seiner Schwester Marie in die Obhut seines Großvaters mütterlicherseits. Während des deutsch-französischen Krieges floh die Familie 1870 vor den Deutschen über die Schweiz nach Nancy, wo Foucauld das Gymnasium besuchte. 1874 wechselte er an das Jesuitengymnasium in Paris; von diesem 1875 wegen Faulheit und asozialem Benehmen relegiert, legte er 1876 an einer staatlichen Schule das Abitur ab. Im selben Jahr trat er in die Militärschule Saint-Cyr ein, die er 1878 als Unterleutnant verließ. Während der zweijährigen Offiziersausbildung in Saint-Cyr erhielt er 45 Strafen wegen Ungehorsams, Faulheit und Nachlässigkeit. Das Examen bestand er mit Mühe als einer der letzten.

Leichtes Leben, in der Armee und als Forscher

Nach der Militärschule begann er 1878 beim 4. Husarenregiment in Saumur seinen Dienst. 1879 nach Pont-à-Mousson versetzt, folgte im Dezember 1880 die Verlegung nach Algerien, wo er am 20. März 1881 wegen anstößigem Benehmen und Ungehorsam unehrenhaft aus der Armee entlassen wurde.

Bereits während der Schulzeit führte Charles de Foucauld einen ausschweifenden Lebenswandel, der zu Skandalen Anlass gab. Nachdem 1878 sein Großvater De Morlet gestorben war, erbte Foucauld 840.000 Goldfranken, die er in wenigen Jahren bei Prostituierten und mit nahezu täglichen Trink- und Essorgien mit Freunden vergeudete. Seine Favoritin Mimi, die er sogar in die Kaserne eingeschmuggelt haben soll, begleitete ihn auch nach Algerien, wo diese Beziehung schließlich seine Entlassung als Offizier nach sich zog. Nach dreimonatiger Algerienrundreise mit Mimi las Foucauld in der Zeitung von einem Aufstand, woraufhin er seine Geliebte verließ und in Paris die Zustimmung für seine dienstliche Reaktivierung durchsetzte. Im Gegensatz zu seinem bisherigen Verhalten erwies er sich nun als tapferer Soldat und erwarb sich erstmals Achtung.

Seine Soldatenzeit in Algerien brachte ihn mit der arabischen Welt und dem Islam in Berührung und weckte seinen Entschluss, Marokko, Algerien und Tunesien zu erforschen. Als sein Ersuchen um Studienurlaub abgelehnt wurde, verließ er am 28. Januar 1882 auf eigenen Wunsch die Armee und begann Hebräisch zu lernen. Zusammen mit Rabbiner Mardochi Abi Serur, der eine ähnlich bewegte Vergangenheit wie Foucauld hinter sich hatte, begann er nun Marokko zu erforschen. Am 25. Juni 1883 überquerten die beiden die Grenze zum damals für Christen verbotenen Marokko, Foucauld gab sich dabei als russischer „Rabbi Joseph Aleman“ aus, da Juden die Einreise gestattet war. Über Fès und Meknes kamen die beiden am 6. September in die Pilgerstadt Boujad, die nicht im Einflussbereich des Sultans lag, sondern vom Marabout eines Sufi-Ordens, Sidi Ben Daud, beherrscht wurde. Foucauld liefert ein detailliertes Bild von den sozialen Verhältnissen in den besuchten Städten. Er schildert, wie sie vom Marabout herzlich empfangen und in einem jüdischen Haus in der Stadt untergebracht wurden. Nach ihrer Weiterreise am 17. September gelangten sie über Beni-Mellal nach Süden in unsichere, von kleinen Berber-Stämmen kontrollierte Gebiete in den Hohen Atlas. Allein mit Sextant und Kompass als technischer Ausrüstung ausgestattet, fertigten sie erstmals Kartenskizzen des Atlas-Gebirges an, das bis dahin nur ein weißer Fleck auf den Landkarten war.

Nach elfmonatiger Reise kehrte Foucauld im Mai 1884 nach Paris zurück und schrieb mit Unterstützung des berühmten Saharareisenden Henri Duveyrier über seine Erlebnisse das Werk Forschungsreise durch Marokko, das ihn berühmt machte. Die Französische Geographische Gesellschaft verlieh ihm 1885 für die Ergebnisse seiner Arbeit die Goldmedaille, die englische Presse war voll des Lobes über Foucaulds Leistungen. Als angesehener Forscher arbeitete er in den folgenden Jahren in Algier und Paris in Bibliotheken. Seine Familie, die ihn wegen seines früheren skandalösen Lebenswandels am 12. Juni 1882 gerichtlich hatte entmündigen lassen, machte diese Anordnung aber erst im Januar 1889 wieder rückgängig.

In der Kirche

Das Assekrem-Plateau, wo sich die Einsiedelei de Foucaulds befand
Ermitage von Charles de Foucauld, 1911 gebaut, auf dem Assekrem-Plateau (2780 m) im Hoggar (80 km von Tamanrasset im Süden Algeriens).

Bereits 1873, im Alter von 15 Jahren, hatte Foucauld nach eigenem Bekunden jeglichen Glauben an Gott und die Kirche verloren. Im Laufe seines bisherigen Lebens hatte er die beiden anderen monotheistischen Religionen Judentum und Islam genau studiert. In Nordafrika begegnete er oftmals tiefgläubigen Muslimen, die fünfmal am Tag auf die Erde niederknieten und beteten. Seitdem ließ ihn die Frage nach Gott nicht mehr los. In Paris ging er immer wieder in die Kirche von St. Augustin und wiederholte denselben Satz: „Mein Gott, wenn es dich gibt, dann lass mich Dich erkennen.“[1] Am 30. Oktober 1886 vollzog sich bei ihm ein weiterer radikaler Wandel, er wandte sich der Kirche endgültig wieder zu. An diesem Tag begegnete er Abbé Henri Huvelin, mit dem er bis an sein Lebensende befreundet blieb und legte vor diesem eine Generalbeichte über sein bisheriges Leben ab. Immer größeren Stellenwert nahm nun der Glaube in seinem Leben ein. Am 16. Januar 1890 trat er in den Orden der Trappisten ein und bekam zur Einkleidung den Ordensnamen Marie-Albéric. Von der Abtei Notre-Dame des Neiges in Saint-Laurent-les-Bains ließ er sich im Juni desselben Jahres nach Syrien in die Abtei Notre-Dame du Sacré-Coeur in Midan Akbes (Maydan Akbes) im Bezirk Afrin entsenden und am 10. September 1896 nach Algerien, in das dortige Kloster Staoueli in der Provinz Algier.

Obwohl die Trappisten einer der asketischsten Orden der katholischen Kirche sind, beklagte sich Foucauld nach wenigen Monaten im Kloster Akbes beim Abt, das Leben im Kloster sei ihm nicht hart genug. Am 2. Februar 1897 verließ Charles de Foucauld das Kloster, um einer Berufung zu folgen, und lebte unter ärmlichsten Verhältnissen ein eremitisches Leben als Klosterknecht bei den Armen Klarissen in Nazaret und Jerusalem. Dort wurde ihm nahegelegt, die Priesterweihe anzustreben. So begab er sich wieder ins Kloster Akbes, um sich auf die Weihen vorzubereiten, und wurde am 9. Juni 1901 im Alter von 43 Jahren in Frankreich zum Priester geweiht.

Daraufhin ging er nach Beni Abbes in der algerischen Provinz Bechar, wo es kaum Priester gab. Hier errichtete er eine Einsiedelei, betreute seelsorglich die dort stationierten französischen Soldaten und pflegte Kontakt zur einheimischen Bevölkerung. Auf Einladung von General François-Henry Laperrine, Befehlshaber des französischen Kamelreiter-Korps, übersiedelte Foucauld am 13. Januar 1914 nach Tamanrasset, um als Vermittler zwischen den dort lebenden Tuareg und den Franzosen zu wirken. Einige Zeit später errichtete er etwa 70 km von Tamanrasset entfernt auf dem Plateau des Assekrem (2804 m), eines Gipfels des Ahaggar-Gebirges, in 2700 m Höhe eine neue Einsiedelei.

Eine Seite aus Foucaulds Wörterbuch Tuareg-Französisch

Er lernte Tamascheq, die Sprache der Tuareg, erstellte ein 2.000 Seiten umfassendes Wörterbuch dieser Sprache und sammelte auf 800 Seiten die Gedichte und Fabeln dieses Volkes. Seine Forschungen zur Literatur und Sprache der Kel Ahaggar zählen noch heute zu den wertvollsten Arbeiten aus der Frühzeit der wissenschaftlichen Afrikanistik. Eine tiefe Freundschaft verband ihn mit Moussa ag Amastan, dem Amenokal (König) der Tuareg, ebenso half er bei der Schlichtung von Streitigkeiten. Mission betrieb Foucauld nicht, sondern widmete sich in seiner kargen Freizeit der eigenen spirituellen Entwicklung.

Am 1. Dezember 1916, während des Ersten Weltkriegs, der auch die Sahara nicht verschonte, wurde seine von ihm in Tamanrasset errichtete Klause von plündernden Tuareg und aufständischen Senussi besetzt. Foucauld sollte verschleppt werden, um zu verhindern, dass er militärisch wertvolle Information an die Armee leitete. Als in einiger Entfernung Reiter auftauchen, die für Méharisten (arabische Söldner in französischen Diensten) gehalten wurden, geriet einer der Bewacher in Panik und erschoss den Gefangenen. Seine Hütte wie auch Foucauld selbst wurden geplündert.

Anfangs war Foucaulds nackter Leichnam in einem Graben neben seiner Hütte verscharrt, am 26. April 1929 überführte man seine sterblichen Überreste zu einem für ihn errichteten Grabmal in der Oase El Golea.

Die geistliche Familie Charles de Foucaulds

Grabstätte von de Foucauld bei El Golea

Während Foucaulds Zeit bei den Trappisten in Syrien tauchte in seinen Briefen zum ersten Mal der Gedanke einer neuen Gemeinschaft auf. In Beni Abbes baute er diesen Gedanken aus und brachte ihn bei den Tuareg zu Klarheit. In einer neuen geistlichen Familie, die in kleinen Gruppen mitten unter den Menschen leben sollte, sah er die Verwirklichung seines Lebensideals, Jesus Christus nachzufolgen. Dieses Konzept eines Mönchsordens, dessen Mitglieder mitten in der Welt lebten, stellte das damalige Ordensideal der katholischen Kirche völlig in Frage. Tief erfüllte Foucauld der Wunsch nach wenigstens einem Gefährten, der sein Werk fortsetzen könnte, zu seinen Lebzeiten aber blieb er allein.

Charles de Foucauld suchte beim Heiligen Stuhl um die Genehmigung seines Ideals Gemeinschaft nach, erhielt aber niemals Antwort. Mehrere Vorsprachen bei französischen Bischöfen blieben ebenso erfolglos. Erst 17 Jahre nach seinem Tod, 1933, entstand in Algerien die erste Gemeinschaft nach seinem Vorbild. Maßgeblich beteiligt war der 1929 zum Priester geweihte René Voillaume. Nachdem er in Tunis zwei Jahre lang Arabisch gelernt hatte, zog er mit vier jungen Priestern in die Oase El Abiodh Sidi Cheikh in der Sahara und richtete dort 1933 die erste Fraternität in Anlehnung an die Regeln ein, die Foucauld bereits in den Grundzügen ausgearbeitet und vorgelebt hatte. 1968 wurde die Kongregation der Kleinen Brüder Jesu kirchlich anerkannt.

1939 gründete die Französin Magdeleine Hutin (besser bekannt als „Kleine Schwester Magdeleine von Jesus") mit einer Gefährtin in der Sahara die Kleinen Schwestern Jesu. Mit weiteren jungen Frauen, die sich ihr anschlossen, führte sie ein Leben unter den Nomaden und in der Folge auch unter den Fabrikarbeiterinnen in Frankreich. Heute sind die Fraternitäten der Kleinen Schwestern überall auf der Welt verbreitet. 1963 wurde dann die Gemeinschaft der Kleinen Schwestern vom Evangelium gegründet. Innerhalb der geistlichen Familie Charles de Foucaulds leben sie ein kontemplativ-missionarisches Ordensleben mitten in der Welt und widmen sich vor allem der Evangelisierung der Armen und am Rande Stehenden.

Seligsprechung

Statue von de Foucauld in Straßburg

Nachdem Papst Benedikt XVI. die Seligsprechung mit dem Apostolischen Schreiben Hoc est corpus bestätigt hatte, wurde Charles de Foucauld am 13. November 2005 in Rom seliggesprochen. An dem von José Kardinal Saraiva Martins geleiteten Gottesdienst nahmen auch mehrere Angehörige von Tuareg-Stämmen teil. Charles de Foucaulds Gedenktag in der Liturgie der katholischen Kirche ist der 1. Dezember.

Werke

  • Reconnaissance au Maroc 1883-1884. Paris 1888, 2 Bde. Neuaufl. Paris 1995 ISBN 2-7307-0262-8
  • Chants touaregs. Recueillis et traduits par C. de. Foucauld. Hrsg. Dominique Casajus, Paris 1997. [1]
  • Dictionnaire touareg-francais. René Basset (Hrsg.) Paris 1951-52, 4 Bde.
  • mit Anatole de Calassanti-Motylinski: Textes touaregs en prose. René Basset (Hrsg.), Paris 1922
  • Textes touaregs en prose. Chaker, H. Claudot, M. Gast (Hrsg.), Aix-en-Provence 1984 (wiss. kommentierte Ausgabe des Werks von 1922, herausgegeben von drei führenden Tuaregfachleuten)

Literatur

Weblinks

 Commons: Charles de Foucauld – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Kleine Schwester Waltraud Irene von Jesus: Eucharistie und Anbetung im Leben von Charles de Foucauld 1. September 2007

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