Pépinière-Corps

Pépinière-Corps
Kasino der Kaiser-Wilhelms-Akademie in Berlin, um 1904

Die Pépinière-Corps waren drei Studentenverbindungen an der Kaiser-Wilhelm-Akademie für das militärärztliche Bildungswesen in Berlin, die 1919 an die Universität Hamburg verlegten. Es waren die Corps Franconia, Suevoborussia und Saxonia.

Inhaltsverzeichnis

Berlin

Ab 1860 wurde am Medicinisch-chirurgischen Friedrich-Wilhelm-Institut von Studentenvereinigungen gesprochen, die bald feste Form erhielten. Die Bünder sollten die Exklusivität der einzelnen Semester untereinander durch eine Gemeinschaft von Jung und Alt ersetzen. Im Wintersemester 1897/98 gründeten Friderico-Guilelmia (später Franconia) und Suevo-Borussia den Militärärztlichen Chargierten-Convent, der zur unbedingten Satisfaktion stand. Im Sommersemester 1903 beschloss er die Bestimmungsmensur. Im Wintersemester 1904/05 wurde Couleur eingeführt.[1]

Die drei Bünder führten ein Verbindungsleben wie Corps, mit Pauken, Bestimmtag und gelegentlichen Säbelpartien, mit Convent, Kneipen und Mittagstisch. Dem (Kösener) Senioren-Convent zu Berlin gehörten die drei Bünder nicht an, weil ihre Mitglieder nicht an einer Universität studierten. Sie bildeten einen eigenen SC, der mit dem SC zu Berlin in einem Paukverhältnis stand.

Die Rivalität der beiden Vereinigungen und die Einführung der Bestimmungsmensur mit der Notwendigkeit eines Unparteiischen machte eine dritte Verbindung wünschenswert. Das führte am 18. Oktober 1907 zur Gründung des Corps Saxonia − wie beim Militär durch Abgaben der beiden anderen Corps. Mit der Annahme der Bezeichnung „Corps“ am 19. Oktober wurde der Verband in SC an der Kaiser-Wilhelm-Akademie (Berliner Militärärztlicher SC) umbenannt.

Schon während des einjährigen Militärdienstes, dem sich die „Pfeifhähne“ beim Garde-Füsilier-Regiment (den „Maikäfern“) oder anderen Garderegimentern unterzogen, wurden Militärfüchse aufgenommen. Fünf Aktivensemester und fünf Partien waren Pflicht. Das Medizinische Staatsexamen stand nach dem 12. Semester an. Die Auswahl der Corps war sorgsam; nach der damals strengen Abiturauslese und der Zulassung zur Akademie war die Admission die dritte Prüfung. Von den siebzig Erstsemestern, die 1913 an der Akademie aufgenommen wurden, nahm Saxonia fünf, Franconia elf auf.

Der Besuch beim Altreichskanzler Otto von Bismarck (1895), die Einweihung des neuen Akademiegebäudes (1910) und das 25jährige Regierungsjubiläum von Kaiser Wilhelm II. (1913) waren Höhepunkte des Corpslebens an der Kaiser-Wilhelm-Akademie.

Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, wurden die Akademieangehörigen von ihren jeweiligen Truppenteilen sogleich angefordert, die älteren Semester als Unterärzte, die jüngeren als Sanitätsdienstgrade, die Erstsemester als Feldsoldaten.

Nach dem verlorenen Krieg feierten die drei Corps gemeinsam „Kaisers Geburtstag“ am 27. Januar 1919 mit Kommers und Landesvater. Der Studentenalltag wurde bald durch die inneren Unruhen in der Reichshauptstadt unterbrochen. Schon Ende Dezember 1918 hatte Oberst Reinhard zur Bildung einer Offizierkompanie aufgefordert, um die Regierung vor den aufständischen Spartakisten zu schützen. 140 Studenten der Akademie, darunter alle Angehörigen der Saxonia, folgten dem Ruf. Fünf Tage lang bildete die Kompanie den einzigen Schutz der Regierung. Im März 1919 bat die Regierung erneut um Hilfe. Die „Sachsen“ nahmen an den Kämpfen in Berlin-Lichtenberg und Adlershof teil.

Am 1. Oktober 1919 wurde die Kaiser-Wilhelm-Akademie nach dem Versailler Vertrag geschlossen. Die drei Corps sahen keine Überlebenschancen, zumal es in Berlin nicht nur die sechs Kösener Corps, sondern auch andere schlagende Verbindungen gab. Mithin suspendierten die drei Pépinière-Corps am 5. Oktober 1919.

Hamburg

Auf der Suche nach einer anderen Universität fiel man auf die im Mai 1919 gegründete Universität Hamburg. An ihr gab es im WS 1919/1920 zwar schon dreißig Verbindungen, aber keine Corps. Das Corps Irminsul und die Landsmannschaft Hammonia waren pflichtschlagende Korporationen, die noch vor der Universität Hamburg gegründet worden waren. Die Pépinière-Corps waren in Hamburg erwünscht und sollten die vaterländischen Kräfte im Kampf gegen die an der Universität einflussreichen Linksradikalen stärken. Da auch die von der Reichsuniversität Straßburg vertriebenen Corps eine Übersiedlung nach Hamburg erwogen, war Eile geboten. Zwei Probleme waren zu lösen: Die Mitgliedschaft im Kösener SC-Verband durch Renoncierung bei einem Corps oder SC und die Übernahme der Alten Herren.

Die Renoncierungsfrage wurde gelöst, indem Alte Herren des AHSC Hamburg die drei Corps neu gründeten und die Aktiven des betreffenden Berliner Corps aufnahmen. Die Alten Herren konnten, wenn sie gefochten hatten, mit Band übernommen werden (was vom oKC 1920 gebilligt wurde). Die Vorverbindungen wurden als corpsähnlich anerkannt. Diejenigen ihrer Angehörigen, die mangels eigener leichter Waffen auf Waffen eines anderen Corps gefochten hatten, konnten ebenfalls mit Band übernommen werden; die anderen konnten die Schleife erhalten.

Die Lage verlangte schwerwiegende und komplizierte Entscheidungen: die Beschlüsse der drei Corps und ihres SC, die Befürwortung durch den SC zu Berlin, der Antrag beim KSCV und die (abändernde) Entscheidung des Vororts München, neue Beschlüsse des SC an der KWA und seiner drei Corps, die Zustimmung des AHSC Hamburg und die Findung hilfsbereiter Alter Herren. Diese Entscheidungen wurden in den Semesterferien getroffen. Sie bedeuteten, dass nicht wenige Angehörige der drei Corps das Band ablegen mussten, damit ihr Bund überleben konnte. Einer brachte es auf den Punkt: „Wir hätten uns eine Mensur nur durch schlechtes Benehmen auf der Straße besorgen können. Fast bedauere ich mein damaliges gutes Benehmen.“

Am 11. Oktober wurden die Pépinière-Corps von Kösener Corpsstudenten in Hamburg rekonstituiert. Ihre Stammkneipe in Hamburg war das Bierhaus Rieper in der Schaumburger Straße. Gefochten wurde wie bei den meisten Hamburger Verbindungen auf Korb.

Mit der Verlegung der Saxonia nach Hann. Münden (1930) und der Suspension der Suevo-Borussia (1976) und späterer Fusion nach Marburg (1978) sowie der Suspension der Franconia im Jahre 1979 fand die Hamburger Zeit der Pépinière-Corps ihr Ende.

Bekannte Mitglieder

Verurteilt in den Nürnberger Prozessen

Umgekommen in russischer Kriegsgefangenschaft

Die Korpsärzte
  • Generalarzt Curt Oehlmann Franconiae
  • Generalarzt Hermann Kayser Saxoniae, Franconiae
  • Generalarzt Prof. Jungbluth Saxoniae

Einzelnachweise

  1. Paulgerhard Gladen: Geschichte der studentischen Korporationsverbände, Band II, Würzburg 1985, S. 20

Literatur

  • Georg Bacmeister: Franconia und Saxonia. In: Georg Bacmeister: Geschichte des Corps Brunsviga, Teil II: 1924 – 1993. Selbstverlag des Vereins Alter Herren des Corps Brunsviga zu Göttingen, 2002 (Ströher Druckerei und Verlag KG, Celle)
  • Hans Brettner: Das Corps Franconia zu Hamburg 1911 - 1929, II.Teil. Hamburg 1929
  • Paulgerhard Gladen: Der SC an der Kaiser-Wilhelm-Akademie Berlin. Einst und Jetzt 51 (2006), S. 211-217

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