Ravensberger Urbar

Ravensberger Urbar

Das Ravensberg Urbar von 1556 ist eine der wichtigsten Quellen zur Siedlungs- und Wirtschaftsgeschichte der Grafschaft Ravensberg in der Frühen Neuzeit.

Der Landesherr der Grafschaft Ravensberg, Herzog Johann III. von Jülich-Kleve-Berg und Mark (1490–1539), hatte bereits 1532 eine Kirchenvisitation in seinen Territorien angeordnet und 1533 durch Matthias von Altenbockum († nach 1563), Drost zu Hörde, durchführen lassen, um sich genau über die Verhältnisse zu unterrichten.

Johanns Nachfolger Wilhelm V. von Jülich-Kleve-Berg (1516–1592) ordnete 1550 an, ein Urkataster für die Grafschaft zu erstellen: Das sogenannte „Ravensberger Urbar“ wurde 1556 abgeschlossen. Es enthält eine vollständige Auflistung der in den Ämtern vorhandenen 3.389 Häuser und Hofstellen, ihrer Hörigkeit und ihrer Abgabepflichten. Eine Kommission aus dem Rentmeister, dem Vogt und dem Untervogt befragte die Untertanen und hielt Vorname, Name, gelegentlich eine Lagebeschreibung, Qualität, Größe und Ländereien der Hofstätte, Hörigkeit (Leibeigenschaft) und Abgaben fest. Ein Beispiel[1]:

  • Name: „Temme Gussenbergk, Pauper[2],
  • Hofqualität: „ist ein halbspenniger,
  • Hörigkeit: „Meinem Gnedigen Hern[3] mit wief und kindern eigen, sytzet uf seiner Furstlichen Gnade gute und gehort Seinen Furstlichen Gnaden die besate[4] daranne.
  • Größe des Grundstücks: „Sein haus, hof und garde ist von ½ schepfel[5] roggen.
  • Saatland: „Sedig landt[6]: ein kamp[7] bei Schwopperhaus gelegen von 6 schepfel roggen, de Nasse Kamp von 3 schepfel roggen, ein kamp vorm Berge, de Schliegk genannt, von 3 schepfel roggen, im Kleikamperfelde liggen verscheiden an cleinen pletzen oder brocken 18 stucke, darin seiget man 9 schepfel roggen, im Barthuser Felde 16 cleine stucke von 8 schepfel roggen.
  • Wiese: (hat keine)
  • Mastholz: „zu 6 schweinen eichenbeume wans wechset.
  • Abgaben: „Schulde: gibt Meinem Gnedigen Hern 4 goltgulden 6 schillinge, 1 schlachtekoe, 1 schultschwein, 3 honer.
  • Dienste: „Dienst: gibt Meinem Gnedigen Hern zu dienstgelde 1 goltgulden.
  • Zehnte: „Zehenden und afhorst: gibt der von Rennenbergden zehenden, noch den Vincken 1 schepfel gersten zu zehenden; in die kirchen zu Boickhorst ½ schepfel habern; in die kirchen zu Holtzhusen 3 schillinge.
  • Zusätze: „Nota: dieser Temme Gussenberg beclagt sich mit grosser bekommernuß, das diß sein erbe mit den jerlichen schulden und pechten, auch dem korne und fleißzehenden vil zu hoich beschwert sei, habe auch uber alle kein wiesewachs und weinich ackers wie zu befinden sei; woe ime sulchs mit gnaden nit moderirt werde, musse ehr von noit wegen davon entlaufen, alse dan auch die warheit davon also erkundet ist.
Grafschaft Ravensberg im 17. Jahrhundert

Zur Grafschaft Ravensberg gehörten 1556 folgende Gebiete in den heutigen Kreisen Gütersloh, Herford (ohne die Kerngebiete der früheren Freien Reichsstadt Herford, der Fürstabtei Herford und des Stiftes auf dem Berge), Minden-Lübbecke und der Stadt Bielefeld sowie einzelne Höfe in den heutigen Kreisen Lippe und Osnabrück:

Auch in den angrenzenden Territorien waren einzelne Höfe ravensbergisch und werden im Urbar erwähnt.

Die Grafschaft Ravensberg fiel 1609/14/48 an Brandenburg-Preußen. Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm (1620–1688) gab 1678 ein neues Landvermessungs- und Taxationsregister für die Grafschaft in Auftrag, das 1685/86 fertiggestellt wurde.

Quellen

  • Franz Darpe: Einkünfte- und Lehnsregister der Fürstabtei Herford sowie Heberollen des Stifts auf dem Berge bei Herford (Codex traditionum Westfalicarum 4), Münster 1892
  • Franz Herberhold (Hrsg.): Das Urbar der Grafschaft Ravensberg von 1556, Bd. I: Text, Bd. II Register (Veröffentlichungen der Historischen Kommission Westfalens 29/1-2), Münster: Aschendorff 1960/1981
  • Wolfgang Mager / Petra Möller (Hrsg.): Das Urbar der Grafschaft Ravensberg von 1556, Teil III: Ergänzende Quellen zur Landes- und Grundherrschaft in Ravensberg (1535-1559) (Veröffentlichungen der Historischen Kommission Westfalens 29/3), Münster 1997
  • Acten der Kirchenvisitation in den Landen Jülich und Ravensberg im Jahre 1533 - Visitation in der Grafschaft Ravensberg. In: Carl Adolf Cornelius: Geschichte des münsterischen Aufruhrs in drei Büchern, Bd. I Die Reformation, Leipzig: T. O. Weigel 1855, S. 216–248
  • Adolf Schmidt: Protokoll der kirchlichen Visitation der Grafschaft Ravensberg vom Jahre 1533. Nach den Quellen des StA Düsseldorf mitgeteilt. In: Jahrbuch des Vereins für die evangelische Kirchengeschichte Westfalens 6 (1904), S. 135–169

Literatur

  • Gertrud Angermann: Volksleben im Nordosten Westfalens zu Beginn der Neuzeit. Eine wachsende Bevölkerung im Kräftefeld von Reformation und Renaissance, Obrigkeit und Wirtschaft (Minden, Herford, Ravensberg, Lippe) (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland 89), Münster: Waxmann Verlag, 1995
  • Franz Herberhold: Das Ravensberger Urbar von 1550. In: Westfalen 21 (1936), S. 1–8
  • Karl Schreiber: Das Urbar der Grafschaft Ravensberg vom Jahre 1550 (zugleich diss. phil.), in: Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg 21 (1907), S. 1–107
  • Rico Quaschny: 450 Jahre Ravensberger Urbar. Das Güterverzeichnis der Grafschaft Ravensberg von 1556 und seine Bedeutung für den Raum Bad Oeynhausen. In: Beiträge zur Heimatkunde der Städte Löhne und Bad Oeynhausen 20 (2006), S. 13–24

Einzelnachweise und Erläuterungen

  1. Vgl. Kommune Kleekamp, Das Urbar (Letzter Zugriff am 1. November 2010); nach Herberhold: Urbar Bd. I, S. 464.
  2. Lateinisch = „arm“.
  3. Herzog Wilhelm V. Herzog von Jülich-Kleve-Berg, Graf von Mark und Ravensberg.
  4. Abgaben von der Ernte.
  5. Scheffelsaat.
  6. Saatland.
  7. Feld.
52.0158.525369

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