Coniin

Coniin
Strukturformel
Struktur von Coniin
Allgemeines
Name Coniin
Andere Namen

(S)-2-Propylpiperidin

Summenformel
CAS-Nummer
  • 458-88-8 [(S)-Coniin]
  • 3238-60-6 [(RS)-Coniin]
  • 637-49-0 {(S)-Coniin·Hydrobromid}
  • 555-92-0 {(S)-Coniin·Hydrochlorid}
Kurzbeschreibung

farblose bis gelb-grünliche Flüssigkeit[1]

Eigenschaften
Molare Masse 127,23 g·mol−1
Aggregatzustand

flüssig

Dichte

0,84–0,85 g·cm−3 [2]

Schmelzpunkt
Siedepunkt

166−166,5 °C {(S)-Coniin}[3]

Dampfdruck

23 hPa (61 °C)[2]

Löslichkeit
Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [1]
02 – Leicht-/Hochentzündlich 06 – Giftig oder sehr giftig 08 – Gesundheitsgefährdend

Gefahr

H- und P-Sätze H: 226-301-311-331-351
EUH: keine EUH-Sätze
P: 261-​280-​301+310-​311 [1]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [1]
keine Einstufung verfügbar
R- und S-Sätze R: siehe oben
S: siehe oben
LD50
  • 100 mg·kg−1 (Maus, peroral)[5]
  • 5 mg·kg−1 (Ratte, oral)[6]
  • 6-7 mg·kg−1 (Mensch, oral)[7]
  • 19 mg·kg−1 (Maus, i.v.)[5]
  • 3 mg·kg−1 (Katze, i.v.)[8]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche vorhanden

Coniin ist ein Pseudoalkaloid, das sich vom Piperidin ableitet. Es kommt in Pflanzen wie dem Gefleckten Schierling (Conium maculatum) vor und wirkt neurotoxisch.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte und natürliches Vorkommen

Als Entdecker des Coniins gilt der Heidelberger Pharmazeut Philipp Lorenz Geiger.[9] 1886 gelang Albert Ladenburg die Synthese des Coniins über eine Knoevenagel-Kondensation als erste Synthese eines Alkaloids.[10] Bekanntestes Opfer des Coniins ist der griechische Philosoph Sokrates, der durch Gabe eines Schierlingsbechers im Jahre 399 v. Chr. hingerichtet wurde.

Coniin kommt außer im Gefleckten Schierling auch in anderen Pflanzen wie der Hundspetersilie (Aethusa cynapium) und der Gelben Schlauchpflanze vor. Alle Teile der Pflanzen enthalten den Giftstoff, besonders reichhaltig jedoch die Samen. Der Gefleckte Schierling enthält zwischen 1,5 und 2,0 % Piperidinalkaloide.

Eigenschaften

Coniin ist eine klare, ölige Flüssigkeit mit brennend scharfem Geschmack und Geruch nach Mäuseharn. An der Luft färbt sich die Substanz schnell braun. Coniin löst sich wenig in Wasser (1 ml in 100 ml Wasser), aber sehr gut in Ethanol und Ether. Die spezifische Drehung [α]D beträgt +15,7°, der Brechungsindex (nD20) 1,4505.

Synthese

2-Picolin reagiert mit Acetaldehyd unter Anwesenheit einer Base zu 2-Propenylpyridin, das an einem Katalysator zu racemischem Coniin hydriert wird. Dies ist die historische Synthese, die Albert Ladenburg 1886 gelang, wobei er das Picolin mit Acetaldehyd für 10 Stunden auf 250 bis 260 °C erhitzte und danach mit Natrium in alkoholischer Lösung reduzierte.[10] Coniin wird heute technisch nicht mehr auf diese Weise hergestellt.

Coniinsynthese aus Picolin und Acetaldehyd

Biosynthese der Conium-Alkaloide

Coniin gehört wie N-Methylconiin, Conhydrin und Pseudoconhydrin zur Gruppe der Conium-Alkaloide, die alle im Gefleckten Schierling vorkommen. Die Piperidin-Derivate werden in der Pflanze synthetisiert, indem zunächst vier C2-Einheiten zu einer 3,5,7-Trioxo-octansäure tetramerisiert, diese reduziert und nach einer Transaminierung zum γ-Conicein cyclisiert werden. Aus diesem Ausgangsstoff kann die Pflanze alle Conium-Alkaloide herstellen.[11] Ein früher diskutierter Biosyntheseweg über Lysin wurde inzwischen widerlegt.

Verwendung

Früher wurde Coniin als Hydrobromid oder Hydrochlorid als äußerliches Schmerzmittel in Einreibungen verwendet. Aktuell sind aufgrund der hohen Toxizität der Substanz keine medizinischen Verwendungen mehr bekannt.[4]

Sicherheitshinweise und Toxikologie

Coniin wird von Schleimhäuten und der intakten Haut gut resorbiert und entfaltet eine Nicotin- und Curare-ähnliche Giftwirkung, wobei die motorischen Nerven zunächst erregt, später jedoch gelähmt werden. Bei Berührung mit dem Saft der Pflanze kann eine Hautreizung, einhergehend mit Brennen, auftreten. Coniin ist bei der Einnahme durch einen besonders charakteristischen, brennenden Geschmack erkennbar. Im Hals- und Rachenbereich ruft es nach der Einnahme Mundschleimhautreizungen sowie vermehrten Speichelfluss hervor. Schwindel, Atemnot, Bronchialspasmen, Bewusstseinstrübung, Sehstörungen und Lähmungserscheinungen sind weitere Symptome. Die tödliche Dosis des Stoffes beträgt bei erwachsenen Menschen etwa 500 mg, was sechs bis sieben Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht entspricht.[7] Der Tod tritt nach 0,5 bis 5 Stunden bei vollem Bewusstsein durch Lähmung der Brustkorbmuskulatur ein.

Coniin wirkt auch auf Insekten betäubend, im Sekret der Nektarien der (fleischfressenden) Gelben Schlauchpflanze unterstützt es den Beutefang der Pflanze.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d Datenblatt (±)-Coniine bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 23. März 2011.
  2. a b c Eintrag zu Coniin in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 9.10.2007 (JavaScript erforderlich).
  3. a b c The Merck_Index: An Encyclopedia of Chemicals, Drugs, and Biologicals, 14. Auflage (Merck & Co., Inc.), Whitehouse Station, NJ, USA, 2006; S. 421, ISBN 978-0-911910-00-1.
  4. a b c H. P. T. Ammon: Hunnius pharmazeutisches Wörterbuch. de Gruyter, 2004, ISBN 3-11-017487-1.
  5. a b Coniin bei ChemIDplus.
  6. W. R. Carlile: Pesticide Selectivity, Health and the Environment. S. 259, Cambridge University Press, 2006, ISBN 978-0-521-81194-1.
  7. a b K. Aktories, U. Förstermann, F. B. Hofmann: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 9. Auflage, S. 1076, Elsevier, Urban & Fischer, 2006, ISBN 978-3-437-44490-6.
  8. Proceedings of the Society for Experimental Biology and Medicine. Vol. 35, Pg. 316, 1936.
  9. Geiger, Philipp Lorenz. In: Edward Kremers, George Urdang, Glenn Sonnedecker: Kremers and Urdang's History of Pharmacy. American Institute of the History of Pharmacy, Madison WI 1986, ISBN 0-931292-17-4, S. 459.
  10. a b M. Hesse: Alkaloide, Helvetica Chimica Acta, 2000, ISBN 3-906390-19-5.
  11. E. Glotter, L. Zechmeister: Fortschritte Der Chemie Organischer Naturstoffe. Springer, 1971, ISBN 3-211-81024-2.

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