DR-Baureihe 270

DR-Baureihe 270
DR-Baureihe 270
DBAG-Baureihe 485/885
DBAG-Baureihe 485/885
Nummerierung: 005–170
Anzahl: 166 Triebwagen
166 Beiwagen
Hersteller: LEW
Baujahr(e): 1987
1990–1992
Achsformel: Bo'Bo'+2'2'
Spurweite: 1435 mm (Normalspur)
Länge über Kupplung: 36.200 mm
Breite: 3.000 mm
Drehzapfenabstand: 12.100 mm
Drehgestellachsstand: 2.200 mm
Leermasse: 59,0 t
Höchstgeschwindigkeit: 90 km/h
Stundenleistung: 600 kW
Beschleunigung: 0,68 m/s²
Motorentyp: Gleichstromreihenschluss
Stromsystem: 750 V =
Stromübertragung: seitliche, von unten bestrichene Stromschiene
Anzahl der Fahrmotoren: 4
Kupplungstyp: Scharfenbergkupplung
Sitzplätze: 110
Stehplätze: 253
Fußbodenhöhe: 1.120 mm

Als Baureihe 270 (DBAG: Baureihe 485) wird eine Serie von elektrischen S-Bahn-Triebzügen der Deutschen Reichsbahn bezeichnet, die ab 1979 entwickelt wurde, um die alten Vorkriegsbaureihen zu ersetzen. Diese hatten lediglich deshalb immer wieder noch eine Verlängerung der Laufzeit erhalten, da vorherige Neuentwicklungen von S-Bahn-Fahrzeugen gescheitert waren. So kam in den 1950er Jahren die Baureihe ET 170 über zwei Versuchs-Halbzüge nicht hinaus, da diese technisch unausgereift waren und daher rasch wieder verworfen wurden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Den Auftrag zur Entwicklung der Triebzüge der Baureihe 270 hatte der VEB Lokomotivbau Elektrotechnische Werke „Hans Beimler“ Hennigsdorf Ende der 1970er Jahre erhalten. Das Äußere der Fahrzeuge wurde von der Hochschule für industrielle Formgestaltung in Halle entworfen. Die Züge dieser Baureihe wurden erst etwas höher geplant, dann aber dem Lichtraumprofil des (damals nicht vom Ost-Berliner Netz aus befahrenen) Nord-Süd-Tunnels angepasst.

Die Fahrzeuge wurden vollkommen neu entwickelt, wobei man sich in den Außenmaßen an den Altfahrzeugen orientierte, um Probleme bei der Unterbringung in den Werkstätten zu verhindern.

Statt Innenschiebetüren wurden nun Außenschiebetüren verwendet, was mehr Platz für Fenster ermöglichte und durch Wegfall der Innentaschen die Wartung und Reinigung erleichterte. Durch die Leichtbauweise in Aluminium, die neue elektrodynamische Bremse und die Möglichkeit zur Rückspeisung der Bremsenergie ins Netz konnte im Mittel eine Energieersparnis von etwa 30 Prozent im Vergleich zu den Altbauzügen erreicht werden. Dazu mussten alle Stromabnehmer des gesamten Zuges über eine durchgehende Starkstromleitung verbunden werden, was zu Überbrückungen von Stromschienentrennstellen und damit oft zu Auslösungen der Streckenspannung führte. Deshalb mussten vor Aufnahme des Regelbetriebes aufwändig Übergangstrennstellen eingebaut werden. Die Fahrgeschwindigkeit ist stufenlos wählbar, muss allerdings bei jeder Anfahrt erneut eingestellt werden, da nur ein Fahrhebel für Brems-, Fahr- und Geschwindigkeitsvorwahl existiert.

Später wurde jedem Triebwagen eine transportable Rampe mitgegeben, die vom Lokführer angelegt werden kann, um Rollstuhlfahrern die Zufahrt zu ermöglichen. Die Fahrzeuge sind mit einer optisch-akustischen Türschließwarnanlage ausgestattet, wobei ein Dreiklang den bisher üblichen Klingelton der Rekobaureihen ablöste und der später auch in jene übernommen wurde.

270 005 auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1980

Als Musterfahrzeuge wurden je vier Viertelzüge aus je einem Triebwagen (ET) und Beiwagen (EB) gebaut, wobei die kleinste betrieblich mögliche Zugeinheit aus zwei Viertelzügen bestand. Diese unterschieden sich in Details von den späteren Serienfahrzeugen. Die Prototypen erhielten die damals typische Farbgebung der Ost-Berliner S-Bahnwagen in weinrot-elfenbein.

Auch eine Vorserie von zwölf Viertelzügen wurde 1987 zunächst in weinrot-elfenbeinfarbener Hauptstadtlackierung ausgeliefert, die von einigen Lokführern recht rustikal als „Spermalack“ bezeichnet wurde. Die vom Hersteller vorgeschlagene rote Lackierung brachte den Fahrzeugen den Spitznamen „Coladosen“ ein.

Die Scheinwerfer und Rücklichter der Musterfahrzeuge waren rund und nicht wie später zusammen in Rechtecken untergebracht, dazu wurden die Türen noch durch Griffe geöffnet und nicht durch Druckknöpfe. Dieser Musterzug wurde 1990 abgestellt, da er äußerst störanfällig war und überdies dessen Viertelzüge nicht mit den Serienfahrzeugen kuppelbar waren. Ein Viertelzug ist nicht betriebsfähig erhalten geblieben und wird vom Verein Historische S-Bahn aufbewahrt.

Die ersten Exemplare dieser S-Bahnzüge wurden 1980 auf der Leipziger Frühjahrsmesse vorgestellt. Die Baureihe wurde jedoch erst 1987 mit jeweils acht ET und EB als Nullserie in Dienst gestellt; 1990 bis 1992 wurden je 158 Trieb- und Beiwagen beschafft.

BR 485 mit alter Lackierung im „Colalook“

Ursprünglich waren von dieser Baureihe 300 Viertelzüge vorgesehen. Nach dem Viertelzug 485/885 170 wurde die Lieferung abgebrochen und stattdessen 40 weitere Doppel-Triebwagen der BVG-Reihe Baureihe 480 bestellt. 2000–2001 stattete man die Fahrzeuge mit einem Leistungspaket (LP2) aus, welches Detailverbesserungen brachte. Ab 2002 wurde begonnen, die Fahrzeuge bei Hauptuntersuchungen in den traditionellen S-Bahnfarben bordeauxrot-ocker zu lackieren.

Vorgesehenes Ende der Baureihe 485

Ab Herbst 2003 erfolgten erste Abstellungen von Fahrzeugen nach deren Fristablauf. Die bis dahin hauptuntersuchten Fahrzeuge und solche mit Leistungspaket 2 wurden als Reserve abgestellt. Die zum Fahrplanwechsel 2006 abgestellten 485 kamen teilweise während der WM 2006 nochmals zum Einsatz. Abgestellte Fahrzeuge, die nicht modernisiert wurden, haben das zweite Leistungspaket nicht erhalten. Einige Fahrzeuge wurden wegen Unfällen vorher ausgemustert und verschrottet, beispielsweise der Wagen 485 009. Ein Verkauf kam mangels Käuferinteresse nicht zustande. Auch eine „Herrichtung zum Weiterbetrieb“ oder ein Redesign (wie beispielsweise bei der Baureihe 420/421) kommt nicht in Frage, deshalb werden alle schadhaften Züge der BR 485 sofort und alle anderen bei Fristablauf abgestellt.

Seit 2005 wurden Züge dieser Baureihe zunächst betriebsfähig abgestellt. Ab dem 25. Juli 2007 wurden dann die ersten von 65 abgestellten Viertelzüge der Baureihe 485 in Königs Wusterhausen verschrottet. Die Zerlegung wurde im Januar 2008 abgeschlossen.

Dennoch konnte auf die Baureihe 485 auch weiterhin nicht verzichtet werden. Die Berechnungen zeigten, dass etwa 50 Viertelzüge bis 2017 im Einsatz bleiben müssten. Deshalb wurden ab 2009 wieder 485er hauptuntersucht und erhielten eine sogenannte Auslauffrist. Im Juni 2007 beschloss die Geschäftsführung der S-Bahn, die noch nicht in bordeauxrot-ockergelb lackierten 485 (30 Stück) bis Mitte 2008 umzulackieren. Im Januar 2008 wurde damit begonnen, im Juni 2008 wurde die Umlackierung abgeschlossen. Ab 2013 sollte dann mit der endgültigen Ausmusterung der BR 485 begonnen werden. Nach Aufkommen von Problemen der BR 481 im Sommer 2009 wurden jedoch wieder vermehrt 485 reaktiviert. Zum Jahreswechsel 2009/10 waren mindestens 10 Viertelzüge reaktiviert worden, dabei erhielten alle die aktuelle Lackierung.

Mitte März 2010 wurde bekannt, dass sämtliche S-Bahnzüge der Reihe 485 wegen des Austauschs der gusseisernen Räder gegen geschmiedete bereits seit etwa fünf Jahren ohne Zulassung unterwegs waren. Ihr Betrieb wurde durch das Eisenbahn-Bundesamt bis zur erneuten Zulassung untersagt.[1]

Seit März 2011 werden die abgestellten S-Bahnzüge der Reihe 485 schrittweise überarbeitet und reaktiviert.

Einsatz und Beheimatung

BR 485 mit neuer Lackierung

Die Züge der Baureihe werden auf immer weniger Linien im Berliner S-Bahnnetz eingesetzt, während sie früher zum Alltagsbild von Berlin gehörten, trifft man sie jetzt nur noch sporadisch an. Alle noch im Einsatz befindlichen Viertelzüge der Baureihe 485 sind im Bw Grünau beheimatet. Momentan werden noch 58 Viertelzüge im Fahrgastverkehr eingesetzt, zwei Viertelzüge sind als Probezüge im Einsatz.

Wegen der notwendigen Wartungs- und Sanierungsarbeiten an allen noch betriebsfähigen Viertelzügen der Baureihe 485 kommen zurzeit nur ein paar Dreiviertelzüge auf den Linien S5: Hoppegarten - Charlottenburg, auf der S75: Wartenberg - Spandau und auf der S9: Blankenburg – Flughafen Schönefeld zum Einsatz (Stand: 18. Juli 2011).

Am 4. März 2011 wurde gemeldet, dass bereits abgestellte Viertelzüge der Baureihe 485 reaktiviert werden. Die Züge werden in den Ausbesserungswerken Dessau antriebsseitig und Wittenberge kabinenseitig instandgesetzt. Die Sanierungskosten betragen lt. S-Bahn-Chef Peter Buchner 800.000 € je Zug.[2]

Zum Jahresende sollen so wieder 80 Viertelzüge zur Verfügung stehen.[3]

Duo S-Bahn

Duo-S-Bahnlinie S19 in Oranienburg

Um kostengünstig und schnell das bestehende Streckennetz zu erweitern, schlug 1993 der Hersteller AEG Schienenfahrzeuge Hennigsdorf den Bau einer Duo-S-Bahn vor. Für den dieselbetriebenen S-Bahn-Vorlaufbetrieb sollten Triebfahrzeuge der Baureihe 485 mit zusätzlichem Dieselantrieb ausgerüstet werden. Der Einsatz sollte zunächst auf der Strecke Oranienburg–Birkenwerder–Hohen Neuendorf West–Hennigsdorf erfolgen. Von dieser 17 Kilometer langen Strecke waren etwa acht Kilometer mit Stromschiene ausgerüstet. Die Fahrzeit betrug rund 23 Minuten.

AEG Hennigsdorf rüstete auf eigene Kosten den Halbzug 485 114/115 um. Unter die elektrischen Beiwagen wurde ein Diesel-Generator-Aggregat mit einer Leistung von 304 Kilowatt installiert. Nach Versetzen des Luftverdichters und des Umformers wurden noch die Ladeluftkühlanlage, die Wasserkühlanlage, Starterbatterie, Generatorsteuerung, Kraftstoffbehälter (670 Liter Inhalt) und das Motor-Stellgerät unterflur angebaut. Dadurch erhöhte sich die Dienstmasse des Beiwagens um fünf Tonnen auf insgesamt 31 Tonnen.

Erste regelmäßige Versuchsfahrten absolvierte der umgebaute Halbzug 485 114/115 ab dem 29. Mai 1994. Der Zug verkehrte von Montag bis Freitag jeweils achtmal am Tag. In der Außenstelle Oranienburg wurden die Wartung und Instandhaltung der Fahrzeuge durchgeführt. Der Versuchsbetrieb dieser als S 19 bezeichneten Linie endete am 28. Mai 1995. Die Ergebnisse und Erfahrungen waren zweigeteilt: Einerseits wurde dem System eine große Zuverlässigkeit attestiert, andererseits konnten nicht alle wirtschaftlichen und betrieblichen Fragen geklärt werden. Betrieblich größtes Manko war die Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h, welche bei einem Mischbetrieb mit bis zu 160 km/h schnellen Zügen breite Fahrplantrassen erforderlich machte.

Durch die Länder Berlin und Brandenburg wurden nach dem Versuchseinsatz keine Verkehrsleistungen bestellt, die mit der Duo-S-Bahn hätten bedient werden können. Deshalb wurden die Fahrzeuge abgestellt und erst in den Jahren 1999/2000 erfolgte der Ausbau der Dieselmotoren und der zusätzlichen Aggregate. Damit konnten die Fahrzeuge wieder in den planmäßigen Einsatz gehen.

Literatur

  • Joachim Wegner: Die Baureihe 485 der Berliner S-Bahn im Wandel der Zeit. In: Eisenbahn-Revue International, Heft 8-9/2002, ISSN 1421-2811, S. 394–397.
  • Martin Pabst: U- und S-Bahn-Fahrzeuge in Deutschland. 1. Auflage. GeraMond, München 2000. ISBN 3-932785-18-5
  • Daniel Riechers: S-Bahn-Triebzüge – Neue Fahrzeuge für Deutschlands Stadtschnellverkehr. 1. Auflage. transpress, Stuttgart 2000. ISBN 3-613-71128-1

Weblinks

 Commons: Baureihe 485 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Markus Falkner: S-Bahn-Züge fuhren jahrelang ohne Zulassung. In: Berliner Morgenpost. 25. März 2010, abgerufen am 20. April 2010.
  2. welt.de: Berliner S-Bahn reaktiviert Wagen aus der DDR
  3. Nina Dennert: Hier kommt Verstärkung! 16 Millionen Euro-Investition in 20 reaktivierte Viertelzüge der BR 485. S-Bahn Berlin GmbH, 15.3, abgerufen am 1. April 2011 (html, deutsch).

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