Deonomastik

Deonomastik

Die Deonomastik ist eine Teildisziplin der historischen Sprachwissenschaft und beschäftigt sich mit Ableitungen von Eigennamen (Propria), Gattungsnamen (Appellativa) sowie anderen Nomina auf der Basis von Eigennamen. Das Ergebnis einer solchen Ableitung wird nach englischsprachiger Sprachwissenschaft Eponym, in der Romanistik Deonym genannt; sonst bezeichnet Eponym das namensgebende Wort.

Ein Wörterbuch, das Deonyme und deren Erklärungen sammelt, wird Deonomastikon genannt. Die Deonomastik leistet durch die Erforschung von Deonymen einen Beitrag zur Etymologie, Lexikographie und Wortbildungsforschung und verbessert zugleich das Verständnis der sozio-kulturellen und kognitiven Aspekte des Sprachwandels.

Inhaltsverzeichnis

Deonym, Eponym und Epotoponym, Generischer Begriff

Ableitungen nennt man nach der Wortart des Stammes deonymisch und das Ergebnis der Ableitung ein Deonym, wenn der Stamm ein Eigenname (Personenname, Ortsname, Firmen- oder Markenbezeichnung und ähnliches) ist.

Ein Eponym ist ein Name, der das Bezeichnete mit einer realen oder fiktiven Personen oder anderen Figuren (Namensgeber) verbindet. Dem entspricht das Epotoponym, bei dem der Name von Namen eines geographischen Objekts (Ort, Landschaft, usw.) herstammt. Eponymie ist die Hauptbildungsform innerhalb der Deonomastik.

Generischer Begriff nennt man den Namensgeber, also das Objekt, von dem sich der Name ableitet.

Beispiele für Deonyme

Eponyme, aus Personennamen (und vergleichbaren Figuren wie Göttern oder mythischen Tieren):

aus  Toponymen (Ort- und Örtlichkeitsnamen, dem Epotoponym):

  • Berliner (Gebäck nach Berliner Art)
  • Pils (nach der Brauart der Stadt Pilsen)
  • wienern, ‚blank putzen‘ (ursprünglich weißes Leder mit Wiener Kalk reinigen)

aus Firmen- und Markennamen:

Eponymie in strengeren Sinne

Im strengeren Sinne der Etymologie als Teilgebiet der Sprachwissenschaften bezieht sich der Ausdruck Eponymie nur auf echte Namen der Begrifflichkeiten (Nomina):[1]

Beispiele für Eponyme im strengen Sinne sind:

Januar – nach dem Gott Janus (mythisches Derivativ); Boykott, boykottieren – zu Charles Cunningham Boycott, Sandwich – zum John Montagu, Fourth Earl of Sandwich, Mansarde – François Mansart (jeweils echte Erfindungen); Amerika – Amerigo Vespucci (Entdecker); Juli – nach Gaius Iulius Caesar ; Kaiser, ders., das Cognomen (Ehrung); Champagner zu Champagne (Epotoponym, Herkunftsname).

Was das Namensgut der Personen und Personengruppen und das der Orts- und Örtlichkeitsnamen betrifft, liegt fast ausnahmslos eine epomyme Ableitung zugrunde, die letztendlich auf reine Apellativa (Gattungsnamen) oder Kontinuativa (Stoffnamen) zurückgehen, „frei erfundene“ Eigennamen (originäre Propria) gibt es wohl nur selten – die alten Wurzeln verschwinden in der Zeit der Quellenlosigkeit und erloschenen Sprachen. Daher nennt man konkret in der Toponomastik:[2]

  • Eponym ein Anthroponym, auf das ein Toponym oder ein Teil eines solchen zurückgeht. Beispiele: Iago (Jakob) – in Santiago; Everest – in Mount Everest; Kruger – in Krugersdorp[3]
  • Epotoponym ein Toponym, auf das ein Gattungsname zurückgeht. Beispiele: Jerez (für Sherry); Olympia (für die Olympiade); Orange/Oranje (für Orange und die Farbe Orange), Portugal (für burtuqāl, ‚Orange‘ im Arabischen)[4]
    (Gattungsname ist ein Gattungswort, englisch generic term, „ein appellativisches Substantiv, ein das ein [topographisches] Objekt durch seine Wesensmerkmale und nicht durch seinen Eigennamen bezeichnet.“)[5]

Typische Phänomengruppen sind etwa die eponymen Ortsnamen der fränkisch/bairischen Landnahme im Deutschen (nach dem Siedlungsgründer im Modell Personenname + -ing, -heim, -hausen, -rod[ung] oder -weiler), Stiftersiedlungen der Hochmittelalters bis in die Frühneuzeit, oder das weltweite Feld der Heiligenpatronanz (Orte, Kirchen, usw.).

In der Personennamenkunde, auf die Namen der einzelnen Personen (Personennamen i.e.S.) und der Familien, Sippen und ethnischen Gruppen (Ethnonyme) bezogen, werden diese Begriff unter Herkunftsname, Wohnstättenname und ähnlichem zusammengefasst.

Eponymie in weiteren Sinne

Pseudo-Eponyme[1] nennt man Begrifflichkeiten, die eine reine deskriptive Zuschreibung sind, wie Keplersche Gesetze, Marxismus, Rittberger, kafkaesk: Eine sprachwissenschaftliche Herkunftsanalyse ist da nicht notwendig, das ist primär von kulturgeschichtlichem Interesse.

Deneben wird der Begriff im weiteren Sinne verwendet, und meint alles Namensgut, das durch personalisierte oder räumliche Ableitung gebildet wird, einschließlich dem enormen Schatz an wissenschaftlichen Neubildungen, vom Element Einsteinium (wohl aber im strengen Sinne: Kupfer – zu Zypern), der Einheit Grad Celsius über den Neanderthalermensch bis hin zum Höhlenkäfer Anophthalmus hitleri (wohl aber tradiertes wie Petersfisch – zum Hl. Petrus, oder etabliertes wie Fuchsien – Leonart Fuchs). In diesem, nicht unbedingt streng sprachwissenschaftlichen Sinne ist der Begriff etwa in der Archäologie in Gebrauch, wo man von eponymem Fundort für einen typbildenden Befund spricht (Erstbeschrieb, Leitfund oder Hauptfundstelle), und der Ursprung des Begriffs in der Altphilologie, der Archon eponymos (ein Amtsträger im antiken Athen, von dessen Name die Bezeichnung des Jahres abgeleitet ist, in dem er dieses Amt innehatte) und sonstige genealogische und politische Kalendersysteme (in denen die Zeitrechnung eponym datiert ist).

Dasselbe gilt für die Bildung reinen Eigennamen wie Firmen- und Markennamen, etwa Adidas als Akronym zum Gründer Adolf Dassler (deonomasisches Phänomen im Sinne des Begriffs ist aber, wenn ein Firmen- oder Markennamen übertragen in den Sprachschatz übergehen, also US-englisch Adidas ‚Sportschuh‘ im allgemeinen, oder veraltet französisch klaxon [Auto-]Hupe).

Siehe auch

Literatur

  • Fritz C. Müller: Wer steckt dahinter? Namen, die Begriffe wurden. 1964; ISBN 3881020144

Deonomastika und Sprachenspezifisches:

  • Rudolf Köster: Eigennamen im deutschen Wortschatz. Ein Lexikon, 2003, ISBN 3-11-017702-1
  • Heike Hornbruch: Deonomastika: Adjektivbildungen auf der Basis von Eigennamen in der älteren Überlieferung des Deutschen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1996 (Studien zum Althochdeutschen, 31), ISBN 3-525-20346-2
  • Wolfgang Schweickard: Deonomastik. Ableitungen auf der Basis von Eigennamen im Französischen, unter vergleichender Berücksichtigung des Italienischen, Rumänischen und Spanischen. Niemeyer, Tübingen 1992 (Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie, 241), ISBN 3-484-52241-0.
  • Enzo T. La Stella: Dalie, dedali e damigiane: dal nome proprio al nome comune. Dizionario storico di deonomastica, vocaboli derivati da nomi propri, con le corrispondenti forme francesi, inglesi, spagnole e tedesche. Zanichelli, Bologna 1990, ISBN 88-08-07024-7.
  • Consuelo García Gallarín, Celeste García Gallarin: Deonomástica Hispánica: vocabulario científico, humanístico y jergal. Ed. Complutense, Madrid 1997, ISBN 84-89784-12-4.
  • Wolfgang Schweickard: Deonomasticon Italicum. Dizionario storico dei derivati da nomi geografici e da nomi di persona. Vol. 1: Derivati da nomi geografici: A-E. Niemeyer, Tübingen 2002 [fasc. 1: Abano Terme – Arno, 1997, fasc. 2: Arona – Bordeaux, 1998, fasc. 3: Bordighera – Carinzia, 1999, fasc. 4: Carioca – Cinto, 2000, fasc. 5: Ciociaria – Dalmazia, 2001, fasc. 6: Danimarca – Exeter, 2002], ISBN 3-484-50295-9.

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Deonymisierung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary Wiktionary: Eponym – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. a b Robert E. Beard: What is an Eponym? What isn't an Eponym? In: alphadictionary.com. Lexiteria LLC, 2004, abgerufen am 21. Mai 2010 (englisch): „[Pseudo-eponyms are …] phrases and words that are common phrases or ordinary derivations [normale Ableitungen]. While the term eponym is often extended to such constructions, their interpretation is usually more a matter of history than etymology […]“
  2. Deutsches Glossar zur toponymischen Terminologie. (Version 2002) Deutsches Wörterverzeichnis zur Fachsprache der geographischen Namenkunde. Bearbeitet vom Ständigen Ausschuss für geographische Namen (StAGN) auf der Grundlage der vom Arbeitskreis Terminologie der Sachverständigengruppe der Vereinten Nationen für geographische Namen (UNGEGN) zusammengestellten englischen Versionen des Glossary of Topomymic Terminology, Frankfurt am Main 2002 (pdf, abgerufen am 9. Juni 2009).
  3. Definition und Bsp.: StAGN 2002, Nr. 089, S. 20
  4. Definition und Bsp.: StAGN 2002, Nr. 090
  5. Zitat StAGN 2002, Nr. 331, S. 40

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