Elektrischer Bahnbetrieb in Schlesien vor 1945

Elektrischer Bahnbetrieb in Schlesien vor 1945
Elektrifizierte Bahnlinien 15 kV in Schlesien 1939

Der Elektrische Bahnbetrieb in Schlesien wurde von der Preußischen Staatsbahn ab 1914 zunächst versuchsweise durchgeführt und durch die Deutsche Reichsbahn bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zu einem immer größeren Netz ausgebaut. Die wichtigste Strecke des elektrifizierten Netzes war die ab 1928 durchgehend elektrisch betriebene Hauptbahn von (Schlauroth -) Görlitz über Waldenburg nach Breslau. Dabei wird von Lauban bis Waldenburg die von Berlin über Kohfurt kommende Stammstrecke, die auf der Relation Görlitz - Lauban - Glatz auch als Schlesische Gebirgsbahn bekannt ist, genutzt.

Der Vollständigkeit halber ist hier auch die private und mit 1000 V Gleichspannung elektrifizierte Wüstewaltersdorfer Kleinbahn zu nennen, die 1914 ebenfalls den Betrieb aufnahm. Diese Bahn wird hier thematisch nicht behandelt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Im Gebiet zwischen Görlitz und Breslau wurden einige Bahnlinien mit einer Oberleitung mit Einphasenwechselstrom 15 kV, 16 2/3 Hertz versehen, Zunächst war es ein Versuchsbetrieb, um die elektrische Traktion auch unter den Anforderungen eines Gebirgsbetriebes testen zu können. Die Erfahrungen waren aber so gut, dass auch weitere Linien elektrifiziert wurden, so dass ein Netz entstand. Das elektrisch betriebene Streckennetz erreichte 1938 mit 390,5 Kilometern [1] seine größte Ausdehnung. Nach 1945 wurden die Fahrleitungen demontiert.

Strecken

Reste des elektrischen Bahnbetriebes bei Neuwelt an der Zackenbahn (2006)

Hauptbahnen:

Nebenbahnen:

Situation nach 1945

Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet Schlesien unter polnische Verwaltung und die dortigen Bahnstrecken gelangten ins Eigentum der Polnischen Staatsbahn PKP.

Nach Beseitigung der Schäden an der Energieversorgung konnte 1945 der elektrische Zugbetrieb mit den wenigen verbliebenen Fahrzeugen wieder aufgenommen werden. Wegen mehrerer gesprengter Brücken und Tunnel konnten allerdings nur die Verbindungen Hirschberg–Waldenburg über Landeshut und Hirschberg West–Polaun wieder in Betrieb genommen werden. Eine Wiederaufnahme des elektrischen Betriebes zwischen Görlitz und Hirschberg bzw. Waldenburg und Breslau war wegen starker Kriegszerstörungen nicht möglich. Nach einer ungenauen polnischen Quelle wird die Zahl der nach Kriegsende noch einsatzfähigen elektrischen Triebfahrzeuge mit 26 angegeben.

Schon im Juli 1945 fielen die in Schlesien gelegenen elektrifizierten Strecken unter die Reparationsforderungen der Sowjetunion.[2] Im August 1945 begannen sowjetische Soldaten mit der Demontage sämtlicher elektrischen Anlagen. Abgebaut wurden:

  • das Kraftwerk Mittelsteine
  • die Unterwerke Niedersalzbrunn, Hirschberg und Lauban
  • die Ausrüstung des RAW Lauban
  • 47 km Bahnstromleitung
  • 900 km Fahrleitung

Dazu kamen insgesamt 31 Ellokomotiven, 11 Triebwagen sowie 12 dazugehörige Bei- und Steuerwagen, welche ebenso in die Sowjetunion gelangten.[3] In Schlesien blieben nur einige wenige elektrische Fahrzeuge zurück. So diente etwa ein einstiger EB 51 in Lauban bis in die 1970er Jahre als Fahrleitungsmontagewagen.[4]

Von der Demontage ausgenommen blieben:

  • sämtliche Fahrleitungmasten samt Auslegern
  • 80 km Bahnstromleitungen
  • die Strecke Hirschberg West-Polaun[5]

1952 verkaufte die Sowjetunion die bis dahin ungenutzten elektrischen Ausrüstungen und Fahrzeuge an die Deutsche Reichsbahn in der DDR, welche sie für den Wiederaufbau des mitteldeutschen Netzes nutzte.

Interessanterweise blieben die meisten Oberleitungsmasten aus den 1920er Jahren erhalten und wurden zum Teil für die Wiederelektrifizierung mit 3 kV Gleichstrom durch die PKP ab den 1960er Jahren genutzt. Am 17. Dezember 1966 konnte der elektrische Betrieb von Breslau ausgehend durchgehend bis Jelenia Góra (Hirschberg) aufgenommen werden. Seit dem 20. Dezember 1986 kann auch bis Lubań Śląski (Lauban) wieder elektrisch gefahren werden.

Triebfahrzeuge

Loks für Personenzüge

  • Preußische EP 235 (DRG E 50 35)
  • Preußische EP 236 bis EP 246 (DRG E 50.3)
  • Preußische EP 247 bis EP 252 (DRG E 50.4)

Loks für Güterzüge

Triebwagen

Bahnstromversorgung

Kraftwerke

Die Erzeugung des nötigen Bahnstromes erfolgte einzig im Bahnkraftwerk Mittelsteine (heute: Ścinawka Średnia) bei Neurode (heute: Nowa Ruda). Das abseits der elektrifizierten Strecken errichtete Wärmekraftwerk wurde mit geringwertiger Steinkohle aus dem Neuroder Revier betrieben. Nach einer Erweiterung Ende der 1920er Jahre stand insgesamt eine elektrische Leistung von 24 MW für den Betrieb der schlesischen Strecken zur Verfügung. Über 80 kV-Bahnstromleitungen wurde der erzeugte Strom zu den Unterwerken weitergeleitet.

Unterwerke

Vier Unterwerke dienten der Einspeisung des im Kraftwerk Mittelsteine erzeugten Bahnstroms in die Fahrleitungen. Bemerkenswert an den Unterwerken war, dass im Unterschied zu modernen Anlagen ursprünglich alle Schaltanlagen in geschlossenen Gebäuden mit einem zentralen Turm und zahlreichen Anbauten untergebracht waren. Auch die Unterwerke wurden 1945 demontiert, erhalten blieben nur die baulichen Hüllen, die später oft anderen Zwecken zugeführt wurden.

Unterwerk Niedersalzbrunn

Das Unterwerk Niedersalzbrunn ging schon 1914 für die Versorgung der Strecke Niedersalzbrunn–Halbstadt in Betrieb. Ende der 1920er Jahre wurde das Unterwerk durch eine Freiluftschaltanlage erweitert.

Unterwerk Hirschberg

Das Unterwerk wurde 1921 ab- und wsl. auch in Betrieb genommen. Das Gebäude wurde im Rahmen des Baus einer vierspurigen Straße in den 70er (?) Jahren abgerissen.

Unterwerk Ruhbank

Das Unterwerk in Ruhbank (heute: Sedzisław) wurde 1919 für die Versorgung der Schlesischen Gebirgsbahn in Betrieb genommen und 1924 in eine reine Schaltstelle 80 kV umgebau. Die Gebäude des ehemaligen Unterwerkes Ruhbank existieren noch und werden heute von einem Sägewerk genutzt.

Unterwerk Lauban

Das Unterwerk in Lauban (heute: Lubań) wurde 1922 in Betrieb genommen. Es versorgte neben der Schlesischen Gebirgsbahn später auch die abzweigenden Strecken nach Kohlfurt und Marklissa. Die bauliche Hülle des Unterwerkes ist noch erhalten, aber ungenutzt und stark devastiert.

Unterwerk Breslau

Diese Unterwerk taucht in zeitgenössischen Veröffentlichungen der 20er Jahre vereinzelt auf, ist aber über den Planungsstatus nie hinausgekommen. Auch einige heutige Veröffentlichungen nennen fälschlicherweise die Existenz des Unterwerkes Breslau.

Bahnstromfernleitungen

Die Freileitungen auf Gittermasten mit zwei Systemen für Einphasenwechselstrom 80 kV, 16 2/3 Hertz wurden verschieden ausgeführt. Anfänglich wurde die Zweiebenenanordnung genutzt. Durch Belastungen bei Sturm, Eis und Raureif erwies sich die ursprüngliche Anordnung als störanfällig und wurde schließlich abschnittsweise bishin zur Einebenenanordnung geändert. Folgende Leitungen wurden errichtet:

Ende der vom polnischen Landesnetz 3AC/50 Hz genutzten Fernleitungstrasse bei Gryfów (2005)
  • Abschnitt 1: Kraftwerk Mittelsteine - Niedersalzbrunn
  • Abschnitt 2: Niedersalzbrunn - Ruhbank
  • Abschnitt 3: Ruhbank - Hirschberg
  • Abschnitt 4: Hirschberg - Lauban
  • Abschnitt 5: Niedersalzbrunn - Mettkau (betrieben als Speiseleitung 15 kV)

Die in der Sekundärliteratur teilweise genannte Führung der 80 kV Leitung über Mettkau hinaus zum Unterwerk Breslau entspringt Planungen der Rbd Breslau aus den 20er Jahren, die jedoch nicht realisiert wurden.

Die bis heute erhaltenen Bahnstromleitungen werden heute für das 50 Hz-Landesnetz genutzt. Dafür wurde eines der früher vier Leiterseile entfernt, da für Drehstrom nur drei Leiter benötigt werden.

Oberleitungsmaste

Es wurden teilweise schon Betonmaste verwendet und konsequent die Einheitsfahrleitung der Reichsbahn angewandt. Vor Signalen kamen Oberleitungsmasten mit zweigleisigen Auslegern zum Einsatz, damit die Signale nicht verdeckt wurden. Auf der Strecke Königszelt - Breslau Freiburger Bf betrug der Abstand der Oberleitungsmaste 120 Meter.

Daten

Elektrischer
Betrieb ab
Streckenabschnitt Länge
(km)
1. Juni 1914 Nieder Salzbrunn - Bad Salzbrunn - Fellhammer - Halbstadt 34,49
15. Juli 1915 Fellhammer - Gottesberg 1,7
1. Januar 1916 Freiburg (Schlesien) - Nieder Salzbrunn - Dittersbach - Gottesberg 27,9
1. April 1917 Freiburg (Schlesien) - Königszelt 9,2
22. Oktober 1919 Gottesberg - Ruhbank 13,3
8. Dezember 1919 Ruhbank - Merzdorf (Schlesien) 6,3
16. Januar 1920 Merzdorf (Schlesien) - Schildau (Bober) 15,6
21. Juni 1920 Schildau (Bober) - Hirschberg (Rsgb) 5,1
17. August 1921 Ruhbank - Landeshut (Schlesien) - Liebau (Schlesien) 16,10
15. April 1922 Hirschberg (Rsgb) - Lauban 51,9
15. Februar 1923 Hirschberg (Rsgb) Abzw. Boberbrücke - Grünthal (Polaun) 48,93
1. September 1923 Lauban - Görlitz 25,58
20. März 1924 Görlitz - Schlauroth Rbf 3,24
28. Januar 1928 Breslau Freiburger Bf. - Königszelt 48,31
3. April 1928 Lauban - Kohlfurt 21,75
22. Juni 1928 Lauban - Marklissa 10,81
25. Juni 1928 Breslau Freiburger Bf. - Breslau-Mochbern - Lohbrück 8,6
9. Dezember 1932 Hirschberg (Rsgb) - Zillerthal-Erdmannsdorf - Schmiedeberg (Rsgb) - Landeshut (Schlesien) 38,8
29. Juni 1934 Zillerthal-Erdmannsdorf - Krummhübel 6,9
15. Oktober 1938 [Merzdorf (Schlesien) -] Bk. Obermerzdorf - Bk. Krausendorf [- Landeshut (Schlesien)] 1,85

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Jahresbericht über die elektrische Zugförderung, Rbd Breslau 1938 Primärquelle
  2. Die Eisenbahn in Schlesien, Eisenbahnkurier Special 3/2005, Seite 85
  3. Die Eisenbahn in Schlesien Teil 2, Eisenbahnkurier Special 85/2007, Seite 57
  4. Die Eisenbahn in Schlesien Teil 2, Eisenbahnkurier Special 85/2007, Seite 65
  5. Die Eisenbahn in Schlesien Teil 2, Eisenbahnkurier Special 85/2007, Seite 57

Literatur

Weblinks


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