Elektrischer Bahnbetrieb in Schlesien

Elektrischer Bahnbetrieb in Schlesien
Elektrifizierte Bahnlinien 15 kV in Schlesien 1939

Der Elektrische Bahnbetrieb in Schlesien wurde von der Preußischen Staatsbahn ab 1914 zunächst versuchsweise durchgeführt und durch die Deutsche Reichsbahn bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ausgebaut. Die wichtigste Strecke des elektrifizierten Netzes war die ab 1928 durchgehend elektrisch betriebene Hauptbahn von (Schlauroth -) Görlitz über Waldenburg nach Breslau. Diese Strecke mit zahlreichen Steilrampen und Kurven wurde von schweren Kohlenzügen nebst einem beachtlichen Berufs-, Urlauber- und Ausflugsverkehr befahren. Da bislang noch wenig Erfahrungen mit einem elektrischen Vollbahnverkehr vorlagen, wurde das elektrifizierte Netz in Schlesien ein ausgedehntes Experimentierfeld für elektrische Antriebssysteme und die Infrastruktur der Energieversorgung.

Der Vollständigkeit halber ist hier auch die private und mit 1000 V Gleichspannung elektrifizierte Wüstewaltersdorfer Kleinbahn zu nennen, die 1914 ebenfalls den Betrieb aufnahm. Diese Bahn wird hier thematisch nicht behandelt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Vorgeschichte

Positive Erfahrungen mit der elektrischen Hamburg-Altonaer Stadt- und Vorortbahn veranlassten die preußische Bahnverwaltung, probehalber die Bahnstrecke Bitterfeld–Dessau als Fernstrecke zu elektrifizieren. Der elektrische Versuchsbetrieb wurde am 18. Januar 1911 aufgenommen und erwies sich als erfolgreich. Dies führte wiederum zu Überlegungen, die elektrische Traktion auch auf schwierigeren Strecken zu erproben. Am 30. Juni 1911 bewilligte der preußische Landtag für die Elektrifizierung der Strecke LaubanKönigszelt sowie der Seitenstrecken Nieder Salzbrunn–Fellhammer–Halbstadt, Ruhbank–Liebau, HirschbergGrünthal und HirschbergLandeshut 9,9 Millionen Mark. Die zeitgenössische Literatur bezeichnet das Vorhaben fortan als Elektrisierung der schlesischen Gebirgsbahnen, obwohl zur eigentlichen schlesischen Gebirgsbahn nur der Abschnitt Lauban–Dittersbach zählt.

Erste Streckenelektrifizierung und Betriebsaufnahme

Als erster Abschnitt wurde die eingleisige Hauptbahn Nieder Salzbrunn–Fellhammer/Gottesberg–Halbstadt in Betrieb genommen. Man hatte sich zur Fertigstellung des Abschnittes entschlossen, nach dem klar war, dass im Gegensatz zu den Triebwagen ET831 ff, spätere E.T.501 ff, spätere elT1001 ff, spätere Baureihe ET 87 die bestellten elektrischen Lokomotiven vorerst nicht lieferbar waren. In Mittelsteine wurde ab 1911 ein Bahnkraftwerk errichtet, das mit geringerwertiger Kohle aus den benachbarten Gruben wirtschaftlich elektrische Energie erzeugte. Mit vier Generatoren wurde eine elektrische Leistung von 20.000 Kilowatt erbracht. Den Auftrag zur Ausrüstung mit Fahrleitungen erhielten die Firmen AEG, Siemens-Schuckert und BEW. Der elektrisch betriebenen Personenverkehr wurde am 1. Juni 1914 Triebwagen aufgenommen. Für den Güterverkehr kam vorerst die aus Mitteldeutschland ausgeliehene Lokomotive E.G.506 versuchsweise zum Einsatz.

Bei Beginn des ersten Weltkrieges wurde der elektrische Betrieb zunächst eingestellt, aber bereits wenige Wochen später wieder aufgenommen. Der kupferne Fahrdraht auf den fertiggestellten Abschnitten wurde jedoch teilweise wieder für Kriegszwecke demontiert. Die Fahrleitung wurde ähnlich der Bauarten auf der Strecke Dessau–Bitterfeld–Leipzig–Halle auf zweigleisiger Strecke und in Bahnhöfen in Jochbauweise sowie auf eingleisiger Strecke mit Einzelmasten errichtet. Einzelne Bahnhöfe - wie der Bahnhof Jannowitz - wurden versuchsweise mit Querseiltragwerken ausgerüstet. Zwischen Petersdorf und dem Niederschreiberhau wurden Schleuderbetonmasten aufgestellt.

Aufgrund der Erfahrungen begann man Anfang der 20er Jahre die Bauart der Oberleitung zu vereinfachen. Auch auf der freien Strecke zwischen Lauban und Görlitz wurde erstmals nach Vereinheitlichungsgrundsätzen gebaut, wobei zur Einzelmastbauweise übergegangen wurde. Dabei kamen auch wieder Betonmasten zur Anwendung. Zur besseren Signalsicht ging man von diesem Prinzip im Bereich der Bahnhofseinfahrten ab und nutzte Einzelmasten mit Doppelausleger für beide Gleise. In den Bahnhöfen setzte sich die Querseilaufhängung endgültig durch. Im Bahnhof Nikolausdorf (heute: Mikułowa) wurden 1923 Schleuderbetonmasten für die Querseiltragwerke errichtet.

Im elektrifizierten Streckenabschnitt Ruhbank – Waldenburg-Dittersbach wurden in den Jahren 1927 - 1929 erstmals in Deutschland Tageslichtsignale auf einer Fernbahnstrecke versuchsweise eingebaut. In den Jahren 1931 - 1933 wurde der Versuchsbetrieb auf den Abschnitt Waldenburg-Dittersbach – Königszelt ausgeweitet. Mit diesem Versuchsbetrieb wurden wertvolle Erfahrungen gesammelt, die nach dem Zweiten Weltkrieg in die Entwicklung moderner Tageslichtsignale einflossen.

Streckenabschnitt Nieder-Salzbrunn- Königszelt

Ab 1916 wurde auch auf dem trotz des Krieges fertiggestellten Abschnitt Nieder Salzbrunn bis Königszelt der elektrische Betrieb aufgenommen. Hier wurde teilweise Fahrdraht aus Eisen eingesetzt, der zur besseren Stromleitung mit einem Aluminumseil verstärkt wurde. Nach dem Weltkrieg wurde die Elektrifizierung nunmehr von der Reichsbahn bis 1923 von Fellhammer/Gottesberg über Hirschberg nach Görlitz sowie an der Zackenbahn in das Riesengebirge fortgeführt, wobei teilweise weiterhin eiserner Fahrdraht verwendet wurde. 1922 wurden die eigentlich für den Flachland-Betrieb konstruierten mitteldeutschen Lokomotiven an die Reichsbahndirektion Halle zurückgegeben.

Endphase der Elektrifizierung unter Reichsbahn-Regie

Die Elektrifizierung weiterer Hauptbahnen in Schlesien unterblieb aufgrund der favorisierten Elektrifizierung der Strecke Berlin–München und schließlich des Zweiten Weltkriegs. Mit den Nebenstreckenabschnitten hatte das elektrifizierte Streckennetz in Schlesien bis 1938 mit 390,5 Kilometern [1] seine größte Ausdehnung. Im Januar 1945 wurden vor der heranrückenden Ostfront die neueren Elektrolokomotiven und elektrischen Triebwagen nach Mittel- und Süddeutschland verlegt.

Wiederaufbau und Demontage der Anlagen nach 1945

Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet Schlesien unter polnische Verwaltung, und die dortigen Bahnstrecken gelangten ins Eigentum der Polnischen Staatsbahn PKP.

Nach Beseitigung der Schäden an der Energieversorgung konnte 1945 der elektrische Zugbetrieb mit den wenigen verbliebenen Fahrzeugen wieder aufgenommen werden. Eine ungenaue polnische Quelle gibt die Zahl der nach Kriegsende noch einsatzfähigen elektrischen Triebfahrzeuge mit 26 an.

Wegen mehrerer gesprengter Brücken und Tunnel konnten allerdings nur die Verbindungen Hirschberg–Waldenburg über Landeshut und Hirschberg West–Polaun wieder in Betrieb genommen werden. Eine Wiederaufnahme des elektrischen Betriebes zwischen Görlitz und Hirschberg bzw. Waldenburg und Breslau war wegen starker Kriegszerstörungen nicht möglich.

Schon im Juli 1945 fielen die in Schlesien gelegenen elektrifizierten Strecken unter die Reparationsforderungen der Sowjetunion.[2] Im August 1945 begannen sowjetische Soldaten mit der Demontage vieler elektrischer Anlagen. Abgebaut wurden:

  • das Kraftwerk Mittelsteine
  • die Unterwerke Niedersalzbrunn, Hirschberg und Lauban
  • die Ausrüstung des RAW Lauban
  • 47 km Bahnstromleitung
  • 900 km Fahrleitung

Dazu kamen insgesamt 31 Elektrolokomotiven, 11 Triebwagen sowie 12 zugehörige Bei- und Steuerwagen, welche ebenso in die Sowjetunion gelangten.[3] In Schlesien blieben nur einige wenige elektrische Fahrzeuge zurück. So diente etwa ein einstiger EB 51 in Lauban bis in die 1970er Jahre als Fahrleitungsmontagewagen.[4]

Von der Demontage ausgenommen blieben:

  • sämtliche Fahrleitungmasten samt Auslegern
  • 80 km Bahnstromleitungen
  • die Strecke Hirschberg West–Polaun[2]

1952 verkaufte die Sowjetunion die bis dahin ungenutzten elektrischen Ausrüstungen und Fahrzeuge an die Deutsche Reichsbahn in der DDR, welche sie für den Wiederaufbau des mitteldeutschen Netzes nutzte.

Die Strecken

Elektrischer
Betrieb ab
Streckenabschnitt Länge
(km)
1. Juni 1914 Nieder Salzbrunn - Bad Salzbrunn - Fellhammer - Halbstadt 34,49
15. Juli 1915 Fellhammer - Gottesberg 1,7
1. Januar 1916 Freiburg (Schlesien) - Nieder Salzbrunn - Dittersbach - Gottesberg 27,9
1. April 1917 Freiburg (Schlesien) - Königszelt 9,2
22. Oktober 1919 Gottesberg - Ruhbank 13,3
8. Dezember 1919 Ruhbank - Merzdorf (Schlesien) 6,3
16. Januar 1920 Merzdorf (Schlesien) - Schildau (Bober) 15,6
21. Juni 1920 Schildau (Bober) - Hirschberg (Rsgb) 5,1
17. August 1921 Ruhbank - Landeshut (Schlesien) - Liebau (Schlesien) 16,10
15. April 1922 Hirschberg (Rsgb) - Lauban 51,9
15. Februar 1923 Hirschberg (Rsgb) Abzw. Boberbrücke - Grünthal (Polaun) 48,93
1. September 1923 Lauban - Görlitz 25,58
20. März 1924 Görlitz - Schlauroth Rbf 3,24
28. Januar 1928 Breslau Freiburger Bf. - Königszelt 48,31
3. April 1928 Lauban - Kohlfurt 21,75
22. Juni 1928 Lauban - Marklissa 10,81
25. Juni 1928 Breslau Freiburger Bf. - Breslau-Mochbern - Lohbrück 8,6
9. Dezember 1932 Hirschberg (Rsgb) - Zillerthal-Erdmannsdorf - Schmiedeberg (Rsgb) - Landeshut (Schlesien) 38,8
29. Juni 1934 Zillerthal-Erdmannsdorf - Krummhübel 6,9
15. Oktober 1938 Obermerzdorf - Krausendorf (Strecke Merzdorf - Landeshut) 1,85


Streckenübersicht
Reste des elektrischen Bahnbetriebes bei Neuwelt an der Zackenbahn (2006)

Hauptbahnen:

Nebenbahnen:

Fahrzeugeinsatz

Elektrische Lokomotiven vom mitteldeutschen Netz

Ab 1915 in Schlesien im Einsatz: Baureihe E 71

Nach der vorläufigen Einstellung des elektrischen Betriebes in Mitteldeutschland kamen im Frühsommer 1915 verschiedene mitteldeutsche Elektrolokomotiven nach Schlesien, u. a. die EG 511 und 512 (spätere Baureihe E 71.1), weil die für Schlesien bestellten Maschinen noch nicht geliefert waren. Zwar waren diese Lokomotiven für den Einsatz auf den Gebirgsstrecken denkbar ungeeignet, aber weil Mangel an Lokomotiven bestand, setzte die KED Breslau die teilweise viel zu schwachen Maschinen auf der Strecke von Nieder Salzbrunn nach Halbstadt und später insbesondere für Vorspannzwecke auf dem Abschnitt Freiburg–Dittersbach ein.

Auch weitere für Mitteldeutschland bestellte Maschinen wurden in Schlesien in Betrieb genommen, so die EG 513 und der überwiegende Teil der ES 09 ff. Weiterhin kommen auch die beiden Triebgestelle EB 1 und EB 2 zusammen mit der Berliner Stadtbahnversuchsgarnitur nach Schlesien und werden später durch das dritte Triebgestell EB 3 ergänzt.

Lokomotivübersicht

Erste eigene Lokomotiven

Ende 1915 wurden dann auch die ersten für Schlesien bestimmten Lokomotiven ausgeliefert. Dabei handelte es sich um eine 1C1-Maschine, EP 202 (spätere E 30 02 ), der Hersteller BMAG (mechan. Teil) und MSW (elektr. Teil), aus einer Serie von 7 Lokomotiven und eine B+B+B-Maschine, EG 538 abc (spätere E 91 38), Hersteller LHW (mechan. Teil) und SSW (elektr. Teil) aus einer Serie von letztendlich 12 Maschinen, die wegen ihres eingebauten Gepäckabteils als „Möbelwagen“ bezeichnet wurden. Der Begriff "schlesische Kolosse" entstammt wohl der mehr dem Vokabular moderner Eisenbahnfreunde.

Bis zum Ende des 1. Weltkrieges werden nur noch wenige weitere der o. g. Serienmaschinen geliefert. Im Sommer 1917 kommt dann mit der EP 235 auch der Prototyp der 2D1-Maschinen der späteren Baureihe E 50 zum Einsatz. Hersteller der EP 235 waren LHW (mechan. Teil) und BEW (elektr. Teil).

Weitere Triebfahrzeuge nach dem Ersten Weltkrieg

Bei der Entwicklung einer schweren Reisezuglokomotive in Schlesien wurden zunächst unterschiedliche Konzepte verfolgt, nämlich das einer besonders kurvengängigen 1'B+B1'-Gelenklokomotive und einer einrahmigen 1'D1'-Maschine. Entgegen den Erwartungen zeigte die 1917 nunmehr aus Gewichtsgründen als 2'D1' ausgeführte Einrahmenlok mit der Nummer EP 235 [5] einen ruhigen Kurvenlauf. Deren Fahrmotor mit einem Ständerdurchmesser von 3,6 m und einem Gewicht von 25,5 Tonnen ist bis heute der größte jemals gebaute Elektrolokomotiv-Fahrmotor. Aus der EP 235 wurden ab 1923 die EP 236 bis 246 (spätere E 50 36–46) und die verbesserte EP 247 bis 252 (spätere E 50 47–52) entwickelt; von den zunächst bevorzugten Gelenklokomotiven wurden dagegen nur die zwei Maschinen EP 209/210 und EP 211/212 gebaut. Die Maschinen der zweiten Serie wurden sämtlich mit dem Erscheinen der DRG-Baureihe E 17 ab 1928 nach Mitteldeutschland versetzt.

Für eine eventuelle Elektrifizierung der Berliner Stadtbahn mit 15 Kilovolt und 16 2/3 Hertz bewilligte der Preußische Landtag am 9. Juni 1913 25 Millionen Mark. Davon sollten zehn vierachsige Elektrolokomotiven, vier Triebwagen und drei zweiachsige Triebgestelle (EB 1 bis EB 3) beschafft werden. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurden jedoch nur die Triebgestelle sowie zwei Elektrolokomotiven fertiggestellt. Nach dem Krieg entschied die neugegründete Deutsche Reichsbahn jedoch, die Berliner Stadtbahn mit 750 Volt Gleichstrom zu elektrifizieren. Daher wurden die beiden Elektrolokomotiven (EG 507 und 508 Breslau) zunächst in Schlesien und ab 1923 als Rangierlokomotiven in Bayern eingesetzt. Die Triebgestelle wurden (mit elf weiteren gelieferten Gestellen und elektrischer Ausrüstung) 1924 zu je zweien zu den Lokomotiven EP 213 und EP 214 (spätere Baureihe E 42.1) und den nachfolgenden EP 215-219 (Baureihe E 42.2) zusammengebaut. Diese „Improvisationen“ erwiesen sich als sehr gebrauchstauglich und robust und waren bis 1945 in Schlesien in Betrieb.

1913 wurde der Bau großer Lokomotiven mit Einzelachsantrieb statt des gekuppelten Stangenantriebes erwogen. Wegen der kurvenreichen Strecken wurde abermals eine Gelenklokomotive konzipiert. Der Auftrag für neun Lokomotiven gingen an die Firmen Linke-Hofmann-Werke in Breslau (Mechanischer Teil) und an die Siemens-Schuckert-Werke (Elektrischer Teil). Kriegsbedingt erfolgte die Lieferung erst zwischen 1923 und 1925. Die Radsätze wurden von je einem Reihenschlussmotor über eine „Tatzlager“-Aufhängung angetrieben. Die Lokomotiven erbrachten im schweren Güterzugdienst auf der Strecke Görlitz–Königszelt Laufleistungen von mehr als 70.000 Kilometern pro Jahr. 1926 reihte die DRG diese Maschinen als Baureihe E 92.7 in ihren Bestand ein. In Schlesien blieben sie bis Februar 1945 im Einsatz.

Lokomotivübersicht

Elektrische Lokomotiven und Triebwagen der Deutschen Reichsbahn für Schlesien

Lokomotivübersicht

Infrastruktur

Kraftwerke

Bahnkraftwerk Mittelsteine (2010)

Die Erzeugung des nötigen Bahnstromes erfolgte einzig im Bahnkraftwerk Mittelsteine (heute: Ścinawka Średnia) bei Neurode (heute: Nowa Ruda). Das abseits der elektrifizierten Strecken errichtete Wärmekraftwerk wurde mit geringwertiger Steinkohle aus dem Neuroder Revier betrieben. Nach einer Erweiterung Ende der 1920er Jahre stand insgesamt eine elektrische Leistung von 24 MW für den Betrieb der schlesischen Strecken zur Verfügung. Über 80 kV-Bahnstromleitungen wurde der erzeugte Strom zu den Unterwerken weitergeleitet.

Unterwerke

Vier Unterwerke dienten der Einspeisung des im Kraftwerk Mittelsteine erzeugten Bahnstroms in die Fahrleitungen. Bemerkenswert an den Unterwerken war, dass im Unterschied zu modernen Anlagen ursprünglich alle Schaltanlagen in geschlossenen Gebäuden mit einem zentralen Turm und zahlreichen Anbauten untergebracht waren. Auch die Unterwerke wurden 1945 demontiert, erhalten blieben nur die baulichen Hüllen, die später oft anderen Zwecken zugeführt wurden.

Unterwerk Niedersalzbrunn !550.8111115516.300833550° 48′ 40″ N, 016° 18′ 03″ O50.81111111111116.300833333333

Das Unterwerk Niedersalzbrunn ging schon 1914 für die Versorgung der Strecke Niedersalzbrunn–Halbstadt in Betrieb. Ende der 1920er Jahre wurde das Unterwerk durch eine Freiluftschaltanlage erweitert.

Unterwerk Hirschberg !550.9136115515.738889550° 54′ 49″ N, 015° 44′ 20″ O50.91361111111115.738888888889

Das Unterwerk wurde 1921 ab- und wahrscheinlich auch in Betrieb genommen. Das Gebäude wurde im Rahmen des Baus einer vierspurigen Straße vermutlich in den 70er-Jahren abgerissen. Fundamentreste sind aber noch vorhanden [1].

Unterwerk Ruhbank !550.8138895516.069167550° 48′ 50″ N, 016° 04′ 09″ O50.81388888888916.069166666667

Das Unterwerk in Ruhbank (heute: Sedzisław) wurde 1919 für die Versorgung der Schlesischen Gebirgsbahn in Betrieb genommen und 1924 in eine reine Schaltstelle 80 kV umgebau. Die Gebäude des ehemaligen Unterwerkes Ruhbank existieren noch und werden heute von einem Sägewerk genutzt.

Unterwerk Lauban !551.1030565515.296389551° 06′ 11″ N, 015° 17′ 47″ O51.10305555555615.296388888889

Das Unterwerk in Lauban (heute: Lubań) wurde 1922 in Betrieb genommen. Es versorgte neben der Schlesischen Gebirgsbahn später auch die abzweigenden Strecken nach Kohlfurt und Marklissa. Die bauliche Hülle des Unterwerkes ist noch erhalten, aber ungenutzt und stark devastiert. 100 Meter weiter östlich befindet sich das Unterwerk Lauban der PKP zur Versorgung der Oberleitung mit 3 kV Gleichstrom.

Unterwerk Breslau

Dieses Unterwerk taucht in zeitgenössischen Veröffentlichungen der 20er Jahre vereinzelt auf, ist aber über den Planungsstatus nie hinausgekommen. Auch einige heutige Veröffentlichungen nennen fälschlicherweise die Existenz des Unterwerkes Breslau.

Bahnstromfernleitungen

Die Freileitungen auf Gittermasten mit zwei Systemen für Einphasenwechselstrom 80 kV, 16 2/3 Hertz wurden verschieden ausgeführt. Anfänglich wurde die Zweiebenenanordnung genutzt. Durch Belastungen bei Sturm, Eis und Raureif erwies sich die ursprüngliche Anordnung als störanfällig und wurde schließlich abschnittsweise bis hin zur Einebenenanordnung geändert. Am 5. Januar 1929 kam es in Folge starker Vereisung bei Gaablau und Juliansdorf zu Mastbrüchen, was zeitweilig zur Einstellung des elektrischen Bahnbetriebs führte. Erst am 7. Januar 1929 war die Leitung durch die Errichtung von provisorischen Holzmasten soweit instand gesetzt, dass der elektrische Bahnbetrieb wieder in vollem Umfang aufgenommen werden konnte. Nur unweit der Störungsstelle waren nach einer ähnlichen Störung schon 1921 neue Masten errichtet worden, die für die 8-fache Eislast ausgelegt waren und die Vereisung 1929 schadlos überstanden. In der Folge wurden bis 1934 fast alle Leitungsabschnitte für die 10-fache Eislast ausgelegt, was durch Verringerung der Mastabstände und Ersatz der kupfernen Leiterseile durch solche aus Bronze erfolgte. Die ursprünglich für das Unterwerk Breslau vorgesehenen Transformatoren wurden für eine Heizschaltung im Unterwerk Niedersalzbrunn verwendet [2]. Folgende Leitungen wurden errichtet:

Ende der vom polnischen Landesnetz 3AC/50 Hz genutzten Fernleitungstrasse bei Gryfów (2005)
  • Abschnitt 1: Kraftwerk Mittelsteine - Niedersalzbrunn
  • Abschnitt 2: Niedersalzbrunn - Ruhbank
  • Abschnitt 3: Ruhbank - Hirschberg
  • Abschnitt 4: Hirschberg - Lauban
  • Abschnitt 5: Niedersalzbrunn - Mettkau (betrieben als Speiseleitung 15 kV)

Die in der Sekundärliteratur mitunter genannte Führung der 80-kV-Leitung über Mettkau hinaus zum Unterwerk Breslau entspringt Planungen der Rbd Breslau aus den 20er Jahren, die jedoch nicht umgesetzt wurden.

Die bis heute erhaltenen Bahnstromleitungen werden heute für das 50-Hz-Landesnetz genutzt. Dafür wurde eines der früher vier Leiterseile entfernt, da für Drehstrom nur drei Leiter benötigt werden.

Oberleitungsmaste

Anfänglich beschaffte die Eisenbahnverwaltung einheitliche Maste einschließlich Isolatoren, der Joche bzw. Ausleger. Teilweise wurden bereits Betonmaste verwendet. Ab 1922 wurden die bis dahin errichteten Oberleitungsabschitte schrittweise konsequent auf Einheitskettenwerk der Reichsbahn mit festen Tragseil und nachgespannten Fahrdraht umgebaut. Dieses Prinzip wurde nun auch bei Neuelektrifizierungen angewandt. Vor Signalen kamen Oberleitungsmasten mit zweigleisigen Auslegern zum Einsatz, damit die Signale nicht verdeckt wurden. Auf der Strecke Königszelt - Breslau Freiburger Bf betrug die Feldlänge 120 Meter bei einer Systemhöhe von 4 m. Die Stützpunkte hielten das Kettenwerk auf Druck während leichte Zwischenmasten die Oberleitung auf Zug hielten. Damit ergab sich im geraden Regelfeld ein Mastabstand von 60 m.

Wiederelektrifizierung durch die PKP

Interessanterweise blieben die meisten Oberleitungsmasten aus den 1920er Jahren erhalten und wurden zum Teil für die Wiederelektrifizierung mit 3 kV Gleichspannung durch die PKP ab den 1960er Jahren genutzt. Am 17. Dezember 1966 konnte der elektrische Betrieb von Wrocław (Breslau) ausgehend durchgehend bis Jelenia Góra (Hirschberg) aufgenommen werden. Seit dem 20. Dezember 1986 kann auch bis Lubań Śląski (Lauban) wieder elektrisch gefahren werden.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Jahresbericht über die elektrische Zugförderung, Rbd Breslau 1938.
  2. a b Die Eisenbahn in Schlesien, Eisenbahnkurier Special 3/2005, Seite 85
  3. Die Eisenbahn in Schlesien Teil 2, Eisenbahnkurier Special 85/2007, Seite 57
  4. Die Eisenbahn in Schlesien Teil 2, Eisenbahnkurier Special 85/2007, Seite 65
  5. EP 235 Daten

Literatur

Weblinks


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