- Erna Dorn
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Erna Dorn (* nach eigenen Angaben 17. Juli 1911 als Erna Kaminsky in Tilsit, Ostpreußen; † 1. Oktober 1953 in Dresden) behauptete, im KZ Ravensbrück in der „Politischen Abteilung“ gearbeitet zu haben und für den Tod von achtzig bis neunzig Häftlingen verantwortlich gewesen zu sein. Sie wurde am 22. Juni 1953 vom Bezirksgericht Halle wegen „faschistischer und Kriegshetze“ gegen die Deutsche Demokratische Republik zum Tode verurteilt und am 1. Oktober 1953 durch das Fallbeil hingerichtet. Das Urteil wurde am 22. März 1994 durch die Staatsanwaltschaft Halle aufgehoben.[1]
Inhaltsverzeichnis
Leben
Die einzige Quelle für das Leben der Erna Dorn ist die 1949 bis 1953 in Halle angelegte Gerichtsakte.
Danach wurde sie 1911 als Tochter des kaufmännischen Angestellten Arthur Kaminsky in Tilsit geboren. Sie besuchte die höhere Mädchenschule und machte eine Ausbildung in der Industrie- und Handelskammer Königsberg.
Ab 1932 arbeitete sie im Polizeipräsidium Königsberg, ob als Stenotypistin oder als Polizeiassistentin ist ungeklärt. Von Ende 1934 oder Anfang 1935 war sie bis 1941 für die Gestapo tätig, danach wurde sie zur politischen Abteilung ins KZ Ravensbrück beordert.
Ab dem Jahr 1945 gibt es Dokumente, die das Leben der Erna Dorn belegen. Ein vom 12. Mai 1945 datierter, gefälschter Entlassungsschein aus dem KZ Hertine wies sie als Erna Brüser, geborene Scheffler aus. Sie zog nach Kriegsende nach Halle und beantragte ihre Anerkennung als Verfolgte des Nazi-Regimes, was ihr das privilegierte Leben eines ehemaligen KZ-Häftlings ermöglichen sollte.
Im Dezember 1945 heiratete sie den Spanienkämpfer und angehenden Volkspolizeioffizier Max Gewald und führte ab März 1946 das Leben einer Hausfrau.
Im Jahr 1948 fand der Prozess gegen die berüchtigte KZ-Aufseherin und Hundeführerin Gertrud Rabestein in Halle statt. Erna Dorn sollte als Zeugin aussagen, entzog sich aber zwei Jahre lang der Aufforderung, mit der Begründung schwanger zu sein. Ihre „Schwangerschaft“ ermöglichte ihr den Bezug von Sonderzuteilungen für Schwangere.
In der folgenden Zeit wird sie bei diversen kleineren Wirtschaftsdelikten ertappt und 1949 zum ersten Mal inhaftiert. Im Januar 1950 wurde sie wegen Betrugs und Wirtschaftsvergehen zu elf Monaten Gefängnis verurteilt. Sie wurde aus der SED ausgeschlossen. Schon im Dezember 1949 wurde sie von ihrem Mann geschieden, der ihr untersagte, den Familiennamen zu führen.
Nur wenige Wochen in Freiheit, wurde sie im Januar 1951 erneut festgenommen und zu einer Zuchthausstrafe von einem Jahr und sechs Monaten wegen Diebstahls verurteilt. Im November kam sie dank einer Amnestie frei, war aber schon im Dezember erneut in Haft.
In der Haft erzählte sie von einer angeblichen Agenten- und Spionagetätigkeit für den Westen und ihrer NS-Vergangenheit. Diese Prahlereien wurden von Spitzeln der neugegründeten Staatssicherheit gemeldet. In den folgenden Verhören bekräftigte Erna ihre Geschichten und nannte als Hintermann und amerikanischen Geheimdienstoffizier ihren geschiedenen Mann.
Ihre immer vehementer vorgetragenen Selbstanschuldigungen führen schließlich zu einer Anklage wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Sie behauptete, Hundeführerin in Ravensbrück gewesen zu sein und habe mehrere Menschen von ihren Hunden zerfleischen lassen. Ihr Mann soll der Lagerkommandant Max Baer gewesen sein.
Trotz intensiver Bemühungen, vor allem des VVN, konnten keine Beweise für eine Nazivergangenheit von Erna Dorn oder Max Gewald gefunden werden. Zeitweilig auftauchende Zeugen revidierten ihre Aussagen bei der ersten kritischen Nachfrage. Der echte Max Baer stand in der Bundesrepublik vor Gericht und die grausame Hundeführerin von Ravensbrück war jene Gertrud Rabestein, bei deren Prozess Erna Dorn zwei Jahre zuvor aussagen sollte.
Erna Dorn wurde trotz mangelnder Beweise und dem Unglauben des Vernehmers Leutnant Bischoff am 21. Mai 1953 wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt.
In Halle war sie in der Strafvollzugsanstalt II inhaftiert und wurde dort am 17. Juni 1953 von den Aufständischen gegen sechzehn Uhr befreit. Nach Erna Dorns Aussage sei sie zur „Evangelischen Stadtmission“ im Weidenplan gegangen, um sich Zivilkleidung, etwas zu essen und eine Schlafmöglichkeit zu besorgen. Ob sie danach die Mission noch einmal verließ, ist ungeklärt.
Augenzeugen für ihr Auftreten auf dem Hallmarkt gab es nicht. Nicht einmal im anschließenden Prozess sagte ein Zeuge zu diesem Thema aus. Am 18. Juni mittags war sie jedenfalls wieder in Haft. Alle Berichte über die Handlungen Erna Dorns zwischen 16.00 Uhr und 21.00 Uhr beruhen ausschließlich auf ihren eigenen Aussagen, die sie im Verhör am 21. Juni beim Ministerium für Staatssicherheit gemacht hat.
Nach einer dreieinhalbstündigen „Abendsitzung“ vor dem Bezirksgericht Halle, wurde sie ohne Zeugenvernehmung und unter Ausschluss der Öffentlichkeit am 22. Juni 1953 zum Tode verurteilt. Ihr Gnadengesuch und das ihres Pflichtverteidigers an den DDR-Präsidenten Wilhelm Pieck wurden abgelehnt, weil sie als Haupträdelsführerin des Aufstandes in Halle galt.
Am 28. September wurde sie in das Dresdner Gefängnis am Münchner Platz verbracht, wo sie am 1. Oktober 1953 in der Zentralen Hinrichtungsstätte der DDR hingerichtet wurde.
Prozesse und Verurteilungen
Der Fall wirft, auch nach Öffnung der Stasi-Archive, Rätsel auf, denn fast alles, was über diese Frau bekannt ist, stammt aus den Verhörprotokollen des Ministeriums für Staatssicherheit. Daher sind zumindest alle nach dem Aufstand am 17. Juni 1953 verfassten Protokolle der bewussten Einflussnahme bzw. Fälschung verdächtig, da sie unter dem direkten Druck des Regimes entstanden, Kronzeugen für den angeblich faschistischen Charakter des Aufstandes zu finden.
Der Prozess wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit erscheint ausschließlich in den für das Todesurteil nach dem Aufstand erstellten Akten auf. Keine Zeitung berichtet darüber. Zudem scheint das Urteil angesichts der damaligen DDR-Justiz-Praxis ungewöhnlich milde zu sein. Es muss also ernsthaft bezweifelt werden, ob diese erste Verurteilung als Naziverbrecherin überhaupt stattgefunden hat. Zumal sich Erna Dorn am 17. Juni noch immer in Untersuchungshaft in der Kleinen Steinstraße befand, was als verurteilte Kommandeuse kaum möglich gewesen wäre.
Am 21. Juni 1953 war der Aufstand bereits von russischen Panzern niedergeschlagen worden und die neue Justizministerin Hilde Benjamin verlangte exemplarische Todesurteile, die den faschistischen Hintergrund des Aufstandes beweisen sollten. Die Vernehmer wussten also schon im Vorhinein, was Erna Dorn aussagen musste. Und tatsächlich ist die Sprache dieser letzten Protokolle deutlich im Parteijargon abgefasst, nicht in der aus früheren Protokollen bekannten, etwas ungelenken Sprache der Dorn.
Der heutige Wissensstand lässt diesen letzten Prozess hingegen klar als Justizskandal und politisches Propagandaurteil erscheinen. Das Urteil wurde am 22. März 1994 durch die Staatsanwaltschaft Halle aufgehoben.
Literatur und Rezeption
Am 20. Juni veröffentlichte das Hallenser SED-Organ Freiheit einen Artikel, der Erna Dorn als SS-Kommandeuse und Anführerin des Aufstands bezeichnet.
1954 erschien Stephan Hermlins Novelle „Die Kommandeuse“ in der er den Fall ganz im Sinne der DDR-Propaganda aufarbeitete.
In seinem 2005 erschienenen Roman Sommergewitter schildert Erich Loest die Ereignisse um den 17. Juni 1953 im Raum Bitterfeld, Wolfen und Halle aus der Sicht der Streikenden und arbeitete dabei Erna Dorn als Figur ein.
Einzelnachweise
- ↑ Christoph Diekmann: „Der Fall Erna Dorn - Stephan Hermlin, die ‚SS-Kommandeuse‘ und der 17. Juni“, in: Die Zeit, Nr. 25, 12. Juni 2003.
Quellen
- Jens Ebert, Insa Eschebach (Hrsg.): "Die Kommandeuse" - Erna Dorn zwischen Nationalsozialismus und Kaltem Krieg. Berlin: Dietz, 1994. ISBN 3-320-01838-8
- André Gursky, Erna Dorn: "KZ-Kommandeuse" und "Rädelsführerin" von Halle – Rekonstruktion einer Legende, in: Hermann-Josef Rupieper (Hg.), " … und das Wichtigste ist doch die Einheit". Der 17. Juni 1953 in den Bezirken Halle und Magdeburg, Münster/Hamburg/London 2003, S. 350-380. ISBN 3-8258-6775-7
- Löhn, Hans-Peter: Spitzbart, Bauch und Brille - sind nicht des Volkes Wille : der Volksaufstand am 17. Juni 1953 in Halle an der Saale. - 2., korr. Aufl. - Bremen: Edition Temmen, 2003. ISBN 3-86108-373-6
- Erich Loest: Sommergewitter. - Göttingen: Steidel, 2005. ISBN 3-86521-177-1
Weblinks
- „Erna Dorn“ auf 17Juni53.de
- Christoph Diekmann: „Der Fall Erna Dorn - Stephan Hermlin, die ‚SS-Kommandeuse‘ und der 17. Juni“, in: Die Zeit, Nr. 25, 12. Juni 2003.
- H.-P. Löhn: „Der Aufstand im Bezirk Halle“, BStU Halle
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