Ferdinand Piëch

Ferdinand Piëch
Ferdinand Karl Piëch

Ferdinand Karl Piëch (* 17. April 1937 in Wien) ist ein österreichischer Manager, Großaktionär der Porsche Automobil Holding SE, seit 2002 Vorsitzender des Aufsichtsrates der Volkswagen AG und seit 2007 der MAN SE.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Frühe Jahre

Ferdinand Piëch ist ein Enkel Ferdinand Porsches, dessen Tochter Louise den Wiener Anwalt Anton Piëch heiratete.

Er besuchte ein Internat im Engadin.[1] Nach dem Studium des Maschinenbaus an der ETH Zürich – in seiner Diplomarbeit befasste er sich mit der Entwicklung eines Formel-1-Motors – begann er 1963 seine Karriere unter seinem Onkel Ferry Porsche bei der Dr. Ing. h.c. F. Porsche KG in Stuttgart-Zuffenhausen. Dort leitete er zum Schluss die Entwicklungsabteilung und wurde 1971 „Technischer Geschäftsführer“.

1972 mussten sich aufgrund eines Familienbeschlusses alle Familienmitglieder aus der Geschäftsführung bei Porsche zurückziehen. Piëch gründete daher zunächst ein eigenes Konstruktionsbüro, ehe er noch im selben Jahr als Hauptabteilungsleiter für Sonderaufgaben der technischen Entwicklung bei der VW-Tochtergesellschaft Audi NSU Auto Union AG in Ingolstadt eintrat. 1975 wurde er in den Vorstand berufen und avancierte 1983 zum stellvertretenden Vorsitzenden. 1988 wurde Ferdinand Piëch Chef des seit 1985 unter dem Namen Audi AG firmierenden Unternehmens, wo er maßgeblicher Gestalter des Markenbildes war. Entscheidende Innovationen der Audi AG zu dieser Zeit waren unter anderem ein permanenter Allradantrieb („Quattro“) und der TDI-Motor.

Zeit bei Volkswagen

Am 1. Januar 1993 wurde Ferdinand Piëch als Nachfolger von Carl Hahn Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, die damals tief in der Verlustzone steckte.[2]

Piëch holte 1993 José Ignacio López und sieben seiner Mitarbeiter von General Motors mit einer Kompetenzausweitung zum damals angeschlagenen Volkswagen-Konzern nach Wolfsburg, wo dieser den neuen Vorstandsbereich „Produktionsoptimierung und Beschaffung“ übernahm. Auf Grund der Umstände des Übertritts – Lopéz hatte offenbar Firmeninterna mitgenommen – erstattete Opel bzw. General Motors Strafanzeige gegen die neuen VW-Mitarbeiter. Parallel wurde in den USA eine Klage auf Grundlage des RICO-Acts, einem Gesetz, das ursprünglich zur Bekämpfung organisierten Verbrechens geschaffen wurde, erhoben, von der auch Piëch betroffen war. In beiden Fällen unterstellte General Motors Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und Industriespionage. Die Klagen wurden nach einem Vergleich zurückgezogen. Piëch musste dazu López 1996 zum Rücktritt drängen, außerdem zahlte VW 100 Millionen US-Dollar Schadensersatz an GM und bezog für 1 Milliarde US-$ Bauteile von GM.[3]

Mit umfangreichen Umstrukturierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen zur Kostensenkung gelang es Piëch, den Volkswagenkonzern in den ersten Jahren wieder in die Gewinnzone zu bringen, jedoch traten zahlreiche Qualitätsprobleme bei den neueren Modellen auf.[4] In Piëchs Amtszeit als Vorstandsvorsitzender bei Volkswagen kam es zusätzlich zum Einstieg ins Hochpreissegment, unter anderem wurden Rolls-Royce Motor Cars und Bugatti gekauft, sowie der VW Phaeton als Oberklassemodell gebaut. Bis 2002 war Ferdinand Piëch Vorstandsvorsitzender von Volkswagen, seitdem ist er Vorsitzender des Aufsichtsrates.

Porsche und Volkswagen

Die Familien Porsche und Piëch kontrollieren den Sportwagenhersteller Porsche. Ferdinand Piëch allein besitzt 13,16 Prozent der Stammaktien. Er ist nicht nur Aufsichtsratsvorsitzender von VW und Mitglied in den Porsche-Aufsichtsgremien, sondern auch zu 10 Prozent Miteigentümer sowie Mitglied des Aufsichtsrats der Porsche Holding in Salzburg, dem Generalimporteur für die Marken des VW-Konzerns in Österreich und Osteuropa. In der Zeit seines Aufsichtsratsvorsitzes bei der Volkswagen AG und seiner gleichzeitigen Mitgliedschaft im Aufsichtsrat bei der Porsche AG erwarb die Porsche AG Anfang des Jahres 2005 einen Anteil von zirka 21 Prozent der Stammaktien der Volkswagen AG und baute diesen bis Oktober 2008 auf gut 42,6 Prozent aus, was einer faktischen Mehrheit auf der Hauptversammlung des Konzerns entspricht.[5]

Privates

Ferdinand Piech hat nach eigenen Angaben zwölf[6] Kinder aus vier Beziehungen. Unter anderem lebte er zwölf Jahre mit Marlene Porsche zusammen, der später geschiedenen Frau seines Vetters Gerd Porsche.[7] Er ist eine der wenigen Persönlichkeiten im deutschsprachigen Raum, die sich zu ihrer Legasthenie bekannt haben.

Vermächtnis

Ferdinand Piech übertrug im September 2010 sein Vermögen an zwei Stiftungen "Ferdinand Karl Alpha" und "Ferdinand Karl Beta" in Österreich. In zwei je 38-seitigen Stiftungsurkunden versucht er eine "nachhaltige" Lösung für die "gesicherte Zukunft" der Autofirmen. Demzufolge wird während seiner Lebenszeit Piech allein die Verfügungsgewalt haben; ferner übernimmt Ehefrau Ursula bei Einhaltung gewisser Klauseln eine bedeutende Rolle im Stiftungsrat und eheliche Kinder werden besser gestellt als uneheliche. [8] [9]

Rezeption

Leistungen

Als Leistungen Piëchs im VW-Konzern können unter anderem der (während seiner Zeit als VW-Vorstandsvorsitzender jedoch wieder relativierte) Aufbau von Audi als Premium-Marke und der Auf- und Ausbau von Seat und Škoda genannt werden. Anzuführen sind auch die Entwicklungen des kommerziell relativ erfolglosen „Dreiliter“-Lupo und die Studie eines straßentauglichen Einliterautos. Auch der Kauf der Nobelmarken Bentley und Bugatti fiel unter seine Ägide.

Wegen seiner Detailversessenheit auf schmale Spaltmaße, die nach seiner Vermutung die Qualitätsanmutung erhöhen, erhielt er den Spitznamen „Fugen-Ferdl“.[10]

Auszeichnungen

Kritik

Der Kauf der Rolls-Royce Motor Cars vom Rüstungskonzern Vickers erwies sich als problematische Investition. Volkswagen führte sie zunächst als 'Rolls-Royce & Bentley Motor Cars Ltd.' weiter. Da aber die Namensrechte an Rolls-Royce indirekt bei BMW lagen, musste Volkswagen die prestigeträchtige Marke Rolls-Royce an BMW verkaufen und konnte selbst nur den Markennamen Bentley nutzen.

Entwicklung und Bau des Oberklassemodells Phaeton sowie der Kauf und Aufbau der Luxusmarke Bugatti erwiesen sich trotz technischer Innovationen als wirtschaftliche Misserfolge und kosten Volkswagen jährlich große Beträge.

Ähnliches gilt für den Passat W8. Obwohl die Entwicklung schon weit fortgeschritten war, wechselte Piëch beim wichtigen Mittelklassemodell Passat von einer am VW Golf orientierten Plattform auf die des Audi A4 und somit vom Quereinbau des Motors zum Längseinbau, um auch in dieser Klasse Fahrzeuge mit mehr als sechs Zylindern anbieten zu können. Mit enormem Aufwand wurde eigens für diesen Zweck ein Achtzylindermotor in W-Form entwickelt. Dieses W8-Modell wurde selten verkauft, und der Motor wurde in keinem anderen Konzernmodell eingesetzt, was die anschließende Einstellung der Produktion bedingte. Der aktuelle VW Passat ist, wie auch das bis 1996 gebaute Modell, wieder ein Quermotorfahrzeug.

Darüber hinaus führte die Sparpolitik unter Piëch und López zu erheblichen Qualitätsproblemen, insbesondere bei den VW Golf IV der ersten Produktionsjahre (zum Beispiel Zahnriemenschäden, Motorvereisung, Karosseriemängel), die durch hohe Gewährleistungskosten den VW-Konzern belasteten und zu Imageproblemen führten.

Als Vorstandsvorsitzender des Volkswagenkonzerns war er mitverantwortlich für die Entlassung zahlreicher Angestellter des oberen Managements sowie einer Vielzahl von Vorständen, sowohl bei Volkswagen als auch insbesondere bei Audi. Beispiele:

  • der Audi-Chef Franz-Josef Kortüm, der 1993 schon nach 13 Monaten verabschiedet wurde, weil Piëch mit den Absatzzahlen nicht zufrieden war.
  • Auch dessen Nachfolger Herbert Demel musste den Posten nach wiederholten Auseinandersetzungen mit Piëch bald wieder räumen.
  • Darauf folgte Franz-Josef Paefgen. Piëch entließ ihn 2001[14].

Auch die Diskussion um die Zukunft des VW-Vorstandschefs Bernd Pischetsrieder Anfang 2006, welcher einst von Piëch als dessen Nachfolger aufgebaut wurde, wurde von einer Aussage Piëchs angestoßen. Dieser stellte im Februar 2006 öffentlich die Unterstützung Pischetsrieders seitens der Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat von VW in Frage. Dennoch wurde der Vertrag Pischetsrieders im Mai 2006 verlängert. Das hinderte den Aufsichtsrat allerdings nicht daran, Pischetsrieder zum 31. Dezember 2006 seines Vorstandspostens zu entheben.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Portrait auf der Seite der FAZ, abgerufen am 12. Juni 2011
  2. Alfons Frese: Wer ist Ferdinand Piëch?. In: Tagesspiegel, 6. März 2006.
  3. Industriespionage. Verdächtige bei Opel, Oracle und Ferrari. In: Die Welt, 12. Mai 2007.
    Heinz Blüthmann: López hat VW mehr gebracht als geschadet. In: Die Zeit, 17. Januar 1997.
  4. Richard Rickelmann, Hawranek: Das verflixte fünfte Jahr. In: Der Spiegel. Nr. 52, 1997 (online).
  5. Porsche bringt VW unter seine Kontrolle. In: Spiegel Online – Wirtschaft, 16. September 2008.
  6. Ferdinand Piëch – Umstrittene Krawatten und unbekannte Kinder. In: manager magazin, 8. Februar 2006
  7. Wolfgang Helmer: Ferdinand Piëch: Unberührt und ungerührt. In: FAZ, 8. Dezember 2006.
  8. Nachlass auf 38 Seiten genau geregelt - Krieg um VW-Erbe zeichnet sich ab In: ORF, 18. September 2010 unter Berufung auf FOCUS
  9. focus.de: Das diskrete Vermächtnis des Auto-Tycoons
  10. Rafaela von Bredow: Der Rowdy steckt in uns allen. In: Der Spiegel. Nr. 37, 2001, S. 148 (online).
  11. „Piech wird Ehrenbürger der Stadt Ingolstadt“, Stadt Ingolstadt
  12. James G. Cobb: This Just In: Model T Gets Award. In: New York Times, 24. Dezember 1999.
  13. http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/0,2828,792662,00.html
  14. Henning Peitsmeier: Ferdinand Piech: Die Intrigen des Porsche-Enkels. In: FAZ, 5. März 2006. zuvor hatte er ihm in einem FAZ-Interview „Stillstand” bei Audi vorgeworfen

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