Fritz Schachermayr

Fritz Schachermayr

Fritz Schachermeyr (* 10. Januar 1895 in Urfahr bei Linz; † 26. Dezember 1987 in Eisenstadt) war ein österreichischer Althistoriker. Wegen seiner Verbindungen mit den Nationalsozialisten und seinen ideologisch-rassistischen Ansichten gilt Schachermeyr als einer der umstrittensten Vertreter seines Faches im 20. Jahrhundert.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Fritz Schachermeyr studierte ab 1914 Altertumswissenschaften in Graz, wo er unter anderem bei Adolf Bauer lernte, in Berlin (bei Eduard Meyer) und in Wien, wo Adolf Wilhelm sein Lehrer wurde. Sein Studium wurde ab Ende 1915 unterbrochen durch Kriegsdienst in Siebenbürgen, Kleinasien und Mesopotamien, wo er Interesse für den alten Orient entwickelte. Schachermeyr schloss sein Studium 1920 in Innsbruck bei Carl Lehmann-Haupt mit einer Dissertation über die Beziehungen zwischen Ägypten und Vorderasien ab. Zwischen 1919 und 1929 war er zunächst im Schuldienst an einem Innsbrucker Mädchengymnasium tätig. Er habilitierte sich 1928 über etruskische Frühgeschichte an der Universität Innsbruck. 1931 wurde Schachermeyr zum Professor für Alte Geschichte an der Universität Jena ernannt, zunächst als Extraordinarius, noch im selben Jahr als „persönlicher“ Ordinarius. Eine Berufung auf den Lehrstuhl Lehmann-Haupts in Innsbruck scheiterte 1932, vermutlich aus finanziellen Gründen, da das bisherige Ordinariat in eine außerordentliche Professur umgewandelt worden war.[1] Bei der Bewerbung um die Nachfolge Wilhelms in Wien wurde 1934 Josef Keil vorgezogen, wohl auch wegen Schachermeyrs nationalsozialistischer Aktivitäten.

Schachermeyr blieb zunächst in Jena und war dort von Oktober 1934 bis März 1936 Dekan der Philosophischen Fakultät. 1936 ging er als ordentlicher Professor an die Universität Heidelberg als Nachfolger des bereits 1933 aus „rassischen“ Gründen vertriebenen Eugen Täubler. 1941 wechselte er an die Universität Graz. Zwischen 1945 und 1952 war Schachermeyr wegen seiner nationalsozialistischen Weltanschauung zwangspensioniert, er wurde aber 1952 als Nachfolger Keils auf die Lehrkanzel (den Lehrstuhl) für Griechische Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik an der Universität Wien berufen. Er wurde 1963 emeritiert, hatte die Lehrkanzel aber noch bis 1970 inne.

Schachermeyr gab in der Zeit des Nationalsozialismus eine sehr fragwürdige Figur ab und wird mit Grund als „einer der profiliertesten Nationalsozialisten unter den Historikern“[2] bezeichnet. Seit der Übernahme der Professur in Jena 1931 begann er sich politisch für die NSDAP zu betätigen[3] und war nach eigenen Angaben Mitbegründer des „Nationalsozialistischen Kampfringes der Deutschösterreicher im Reich“, dessen Gauleiter von Thüringen er 1933 wurde. Er versuchte, die nationalsozialistische Bewegung durch Vorträge und Veröffentlichungen wissenschaftlich und kulturpolitisch zu unterstützen. 1933 veröffentlichte er im Völkischen Beobachter, dem Parteiorgan der NSDAP, einen Artikel über „die nordische Führerpersönlichkeit“. Einen Sonderdruck dieses Aufsatzes übersandte er sogar dem zuständigen Reichsinnenminister für Hochschulangelegenheiten, Wilhelm Frick. In einem beiliegenden Brief schilderte er sein aktuelles Arbeitsvorhaben, einen „Versuch zur Grundlegung der nationalsozialistischen Weltanschauung aus dem Geiste der Historie“ zu verfassen. Ebenfalls 1933 versuchte Schachermeyr in einem kleineren Aufsatz, die „Aufgaben der Alten Geschichte im Rahmen der nordischen Weltgeschichte“ zu bestimmen. In zahlreichen Publikationen der folgenden Jahre verbreitete er nationalsozialistisches Gedankengut und ging dabei weiter als die meisten seiner Kollegen. Die Ergebnisse seiner Bemühungen waren (auch aus damaliger Sicht) mitunter grotesk; so erklärte Schachermeyr in der Annahme, historische Größe sei grundsätzlich mit der Zugehörigkeit zur „nordischen Rasse“ verbunden, Gestalten wie Peisistratos oder Hannibal im Umkehrschluss zu „Ariern“.

Nach 1945 versuchte Schachermeyr, diesen Lebensabschnitt möglichst vergessen zu machen, und ging in seinen Lebenserinnerungen nicht darauf ein: Er springt darin von seiner Antrittsvorlesung in Jena, die Alexander den Großen zum Thema hatte, direkt zu seiner Alexanderbiografie, die er nach 1945 verfasst hatte. In seiner Grazer Zeit kooperierte Schachermeyr sowohl mit dem „Ahnenerbe“ der SS als auch mit der konkurrierenden „Dienststelle Rosenberg“.[4] In Anlehnung an Oswald Spengler vertrat Schachermeyr später die Auffassung, dass nicht Rasse, sondern die Kultur der Faktor sei, der Menschen unterscheidet. Zumindest seine frühen Arbeiten über Griechenland und den alten Orient hatten aber durchaus die „nordische Rasse“ hervorgehoben.

Schachermeyr forschte hauptsächlich auf dem Gebiet der griechischen Antike. Vor allem zur griechischen Frühzeit (etwa Minoer und Mykene) leistete er größere Beiträge und ging dabei auch häufig auf die altorientalischen Nachbarn der Griechen ein. So beschäftigte er sich neben den Griechen auch mit Hethitern, Etruskern, ja selbst mit Bandkeramik. Da seine Arbeiten vor 1945 (und teils auch noch danach) aber stark von der nationalsozialistischen Ideologie beeinflusst waren, sind Schachermeyrs Ergebnisse oft nur mit Vorsicht und unter Vorbehalt zu übernehmen. Seine Sammlung von Keramikscherben verschiedener vor allem mediterraner und vorderasiatischer Provinienz, eine der bedeutendsten Lehrsammlungen ihrer Art, die der Forscher seit seiner Studienzeit auf vielen Reisen zusammengetragen hat, hinterließ er der Mykenischen Kommission.

Schachermeyr war ordentliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (seit 1957) und korrespondierendes Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Von den Universitäten Athen (1961) und Wien (1984) wurde er mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet. Schachermeyr erhielt das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse, das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst, das Große Goldene Ehrenzeichen mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich, die Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold und die Medaille für Verdienste auf dem Gebiet der Wissenschaft seiner Heimatstadt Linz.

Schriften

  • Etruskische Frühgeschichte, Berlin, Leipzig 1929
  • Zur Rasse und Kultur im minoischen Kreta, Carl Winter, Heidelberg 1939
  • Lebensgesetzlichkeit in der Geschichte. Versuch einer Einführung in das geschichtsbiologische Denken, Klostermann, Frankfurt/M. 1940
  • Indogermanen und Orient. Ihre kulturelle und machpolitische Auseinandersetzung im Altertum, Stuttgart 1944
  • Alexander, der Grosse. Ingenium und Macht, Pustet, Graz–Salzburg–Wien 1949
  • Alexander der Grosse. Das Problem seiner Persönlichkeit und seines Wirkens, Wien 1973 (umfassende und erweiterte Fassung des Buches von 1949 und wie diese eine kritische Biographie Alexanders)
  • Griechische Geschichte. Mit besonderer Berücksichtigung der geistesgeschichtlichen und kulturmorphologischen Zusammenhänge, Kohlhammer, Stuttgart 1960
  • Perikles, Kohlhammer, Stuttgart–Berlin–Köln–Mainz 1969
  • Geistesgeschichte der Perikleischen Zeit, Stuttgart–Berlin–Köln–Mainz 1971
  • Die Tragik der Voll-Endung. Stirb und Werde in der Vergangenheit. Europa im Würgegriff der Gegenwart, Koska, Wien–Berlin 1981
  • Ein Leben zwischen Wissenschaft und Kunst, hrsg. von Gerhard Dobesch und Hilde Schachermeyr, Wien, Köln, Graz 1984

Literatur

  • Karl Christ: Klios Wandlungen. Die deutsche Althistorie vom Neuhumanismus bis zur Gegenwart. München 2006, S. 65–68.
  • Beat Näf: Der Althistoriker Fritz Schachermeyr und seine Geschichtsauffassung im wissenschaftsgeschichtlichen Rückblick. In: Storia della Storiograifia. Band 26, 1994.
  • Sigrid Deger-Jalkotzy: Fritz Schachermeyr (1895–1987). In: Anzeiger für die Altertumswissenschaften. Band 41, 1988, S. 125–128.
  • Sigrid Deger-Jalkotzy (Hrsg.): Sammlung Fritz Schachermeyr. Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien 1991 (Denkschriften der Österreichischen Akademie der Wissenschaften).
  • Volker Losemann: Nationalsozialismus und Antike. Studien zur Entwicklung des Faches Alte Geschichte 1933–1945. Hamburg 1977 (Historische Perspektiven 7).
  • Martina Pesditschek: Die Karriere des Althistorikers Fritz Schachermeyr im Dritten Reich und in der Zweiten Republik. In: Mensch – Wissenschaft – Magie. Mitteilungen der Österreichischen Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte. Band 25, 2007, S. 41–71.
  • Wolfgang SchullerSchachermeyr, Fritz. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, S. 488.

Weblinks

Anmerkungen

  1. Martina Pesditschek: Die Karriere des Althistorikers Fritz Schachermeyr im Dritten Reich und in der Zweiten Republik. In: Mensch – Wissenschaft – Magie 25 (2007), S. 47.
  2. Pesditschek: Die Karriere des Althistorikers Fritz Schachermeyr im Dritten Reich und in der Zweiten Republik. S. 41.
  3. Pesditschek: Die Karriere des Althistorikers Fritz Schachermeyr im Dritten Reich und in der Zweiten Republik. S. 45–46.
  4. Pesditschek: Die Karriere des Althistorikers Fritz Schachermeyr im Dritten Reich und in der Zweiten Republik. S. 56–57.

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