Geschichte der Stadt Gelnhausen

Geschichte der Stadt Gelnhausen
Reichstag zu Gelnhausen 1180 (Briefmarke der Deutschen Bundespost, 1980)

Die Geschichte der Stadt Gelnhausen beginnt mit ihrer Gründung 1170.

Inhaltsverzeichnis

Frühgeschichte

In der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts nannte sich ein (zuvor in Langenselbold ansässiger) Zweig des Adelsgeschlechts der Reginbodonen nach Gelnhausen. Der Ahnherr dieses Familienzweiges, Graf Dietmar von Selbold-Gelnhausen, erwarb durch seine den Ludowingern und Wettinern nahe stehende Gattin Adelheid Besitz in Thüringen, insbesondere in Camburg und weiteren Orten im heutigen Saale-Holzland-Kreis. Auf Nachkommen des Ehepaares gehen dort die Gründungen mehrerer Burgen und Klöster zurück. Der – obwohl mit den Saliern verwandt – kaiserfeindlich gesinnte Graf Dietmar fiel wahrscheinlich 1115 in der Schlacht am Welfesholz. Statuen Dietmars, seiner Gattin Adelheid und seines Sohnes Timo stehen unter den berühmten Stifterfiguren im Naumburger Dom und prägen die politische Programmatik dieses Skulpturenzyklus.

Stauferzeit

Gelnhausen wurde im Jahr 1170 als geplante Stadtanlage durch Kaiser Friedrich I. (Barbarossa) gegründet. Der Ort wurde gewählt, weil er verkehrsgünstig an der Via Regia, der Handelsstraße von Frankfurt am Main nach Leipzig, lag. Hier trafen verschiedene Handelswege aus Wetterau und Rhein-Main-Gebiet zusammen, weil sich das Kinzigtal an dieser Stelle zwischen Spessart und Vogelsberg verengt und in östlicher Richtung nur noch diese eine Route zulässt.

Gegründet wurde die Stadt baulich, indem drei Dörfer am Hang nördlich der Kinzig zusammengeschlossen, ein Straßennetz angelegt und dem ganzen eine Umfassungsmauer gegeben wurden. Rechtlich erfolgte die Gründung durch das verliehene Stadtrecht. Zusätzlich bedeutend wurde die Gründung dadurch, dass in der Kinzigniederung, auf einer Insel im Fluss, eine Kaiserpfalz errichtet wurde. In dieser fand 1180 ein historisch bedeutender Reichstag statt, auf dem Heinrich der Löwe entmachtet wurde. Die entsprechende Urkunde wird nach dem Tagungsort als Gelnhäuser Urkunde bezeichnet. In den Jahren 1186 und 1195 fanden weitere Hoftage statt.

Kaiserliche Handelsprivilegien, wie etwa eine Zollbefreiung, führten dazu, dass Kaufleute sich ansiedelten und es sehr schnell zu einem wirtschaftlichen Aufschwung und Ausbau kam. Das in diesem Zusammenhang verliehene Stapelrecht trug sein übriges dazu bei, dass der Handel in Gelnhausen florierte.

Ende des Mittelalters und Verpfändung

Wappen der Pfandherrschaft Kurpfalz
Wappen der Pfandherrschaft Hanau

Gelnhausen war damit einer der vier städtischen Stützpunkte kaiserlicher Macht im Bereich der Wetterau neben Frankfurt am Main, Wetzlar und Friedberg. Es war – gemessen am Steueraufkommen – eine der reichsten Städte im Deutschen Reich und wurde zum Oberhof von 16 anderen Städten. Die Blüte dauerte aber keine 150 Jahre. Gelnhausen hatte damals etwa 3000 Einwohner. Ab 1326 wurde die Stadt seitens des Kaisers mehrfach und für steigende Summen an Territorialherren verpfändet. Das bedeutete, dass die Stadt als dingliche Sicherheit für einen Kredit diente, der durch einen entsprechenden Anteil an den sonst dem Reich zustehenden Steuern aus dem Aufkommen der Stadt bedient wurde. Da das Reich nicht mehr in der Lage war – und wohl auch kein Interesse hatte – diese Pfandschaften auszulösen, geriet die Stadt zunehmend in die Abhängigkeit dieser Territorialherren.

1326 wurde die Reichsstadt Gelnhausen durch König Ludwig IV. an Ulrich II. von Hanau verpfändet. 1330 wurden die Bürger von ihrem Treueeid gegenüber dem Kaiser entbunden und diesbezüglich auf Hanau verwiesen. Kurz darauf aber wurde, vermutlich gegen einen Rheinzoll, Gelnhausen vom Reich zurück getauscht.

Am 26. Mai 1349 verpfändete Kaiser Karl IV. Gelnhausen erneut, diesmal an Graf Günther von Schwarzburg und die Grafen von Hohnstein als Gegenleistung für den Thronverzicht Günthers. Dies wurde am 12. Juni veröffentlicht. Am 15. Juni stellte Karl IV. eine Huldigungsanweisung über Gelnhausen zugunsten von Graf Günther aus, und schon am 26. Juni 1349 huldigte die Stadt ihrem neuen Herren.

Am 22. Juli 1431 verkauften die Grafen von Hohnstein ihren Anteil an der Pfandschaft an die Grafen von Schwarzburg. Am 26. Mai 1435 wiederum verkaufte Heinrich IX. von Schwarzburg – zunächst mit einem Wiederkaufsrecht – die Pfandschaft je zur Hälfte an Reinhard II. von Hanau und Kurfürst Ludwig III. von der Pfalz, die die Stadt nun als Kondominium regierten. Das Wiederkaufsrecht wurde dann im Rahmen der Mitgift anlässlich der Heirat des Grafen Reinhard IV. mit Katharina von Schwarzburg-Blankenburg 1496 abgelöst.

Verfall

Gelnhausen - Auszug aus der Topographia Hassiae von Matthäus Merian 1655

Im Dreißigjährigen Krieg wurde Gelnhausen mehrfach geplündert. Eine dieser Episoden hat der in Gelnhausen geborene Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen in seinem Roman Der abenteuerliche Simplicissimus festgehalten. Von den Folgen des Krieges hat sich Gelnhausen erst Mitte des 19. Jahrhunderts wieder erholt.

Seit dem 16. Jahrhundert kam es zu langwierigen Streitereien der Pfandherrschaften Kurpfalz und Hanau mit der Stadt vor Reichshofrat und Reichskammergericht, den höchsten Gerichten des Reiches, um die Rechte und Privilegien der Stadt, vor allem um die Frage, ob sie trotz Verpfändung weiter reichsunmittelbar sei, da die Pfandherren versuchten, sie ihrem Territorium einzuverleiben. Rechtlich ging es um die Frage, ob die Stadt dem Kaiser oder der Pfandherrschaft zu huldigen verpflichtet war. In dem Streit kam es zu gewaltsamen Übergriffen. Die militärische Macht lag dabei auf der Seite der Pfandherrschaft. Dem hatten die Bürger wenig entgegen zu setzen.

Mit dem Tod des letzten Hanauer Grafen, Johann Reinhard III., 1736 fiel die Hanauer Hälfte der Pfandschaft zusammen mit der Grafschaft Hanau-Münzenberg an die Landgrafschaft Hessen-Kassel, die 1803 zum Kurfürstentum Hessen wurde. 1746 kaufte Hessen-Kassel die Kurpfälzer Hälfte der Pfandschaft.

19. bis 21. Jahrhundert

Mit der in Kurhessen 1821 durchgeführten Verwaltungsreform wurde Gelnhausen Sitz der Kreisverwaltung des gleichnamigen Kreises. Nach dem Deutschen Krieg wurde Kurhessen 1866 von Preußen annektiert, womit auch Gelnhausen preußisch wurde.

Im 19. Jahrhundert erhielt die Stadt mit der Kinzigtalbahn, Teil der Bebraer Bahn, Anschluss an eine überregional bedeutende Bahnstrecke. Gummiindustrie siedelt sich in der Stadt an und sorgte für wirtschaftlichen Aufschwung.

1945 kam Gelnhausen an das neu gegründete Bundesland Hessen. Mit der hessischen Gebietsreform von 1974 verlor es zunächst seinen Status als Kreisstadt. Der Landkreis Gelnhausen wurde Teil des Main-Kinzig-Kreises. Die Stadt Gelnhausen blieb jedoch ein regionales Zentrum im Kinzigtal und erhielt eine Außenstelle der Kreisverwaltung. Diese wurde zu einem zentralen Landratsamt für den Main-Kinzig-Kreis ausgebaut und die Kreisverwaltung zog von Hanau nach hier um. Damit wurde Gelnhausen im Juli 2005 wieder Kreisstadt.

Literatur

  • Ackermann, Jürgen, Immediat oder exemt? Die verpfändete Reichsstadt Gelnhausen, in: Neues Magazin für Hanauische Geschichte 2005, S. 3–10.
  • Ackermann, Jürgen, Gelnhausen. Die verpfändete Reichsstadt, Bürgerfreiheit und Herrschermacht (Untersuchungen und Materialien zur Verfassungs- und Landesgeschichte 22), Marburg 2006.
  • Barbarossastadt Gelnhausen. Eine kleine Stadt mit großer Geschichte. Gelnhausen 1990.
  • Bickell, Ludwig, Bau und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel, Bd. I, Kreis Gelnhausen, Marburg 1901.
  • Dietrich, Reinhard, Hanauer Deduktionsschriften, in: Hanauer Geschichtsblätter 31 (1993), S. 149–175 [zahlreiche zeitgenössische Veröffentlichungen zu den Rechtsstreiten zwischen der Stadt Gelnhausen und ihren Pfandherren sind hier gelistet].
  • Engelhard, Regenerus, Erdbeschreibung der Hessischen Lande Casselischen Antheiles mit Anmerkungen aus der Geschichte und aus Urkunden erläutert, Teil 2, Cassel 1778, ND 2004, S. 810f
  • Erler, Adalbert, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 1: Berlin 1971, Sp. 1489.
  • Eulner, Ludwig Heinrich, Zur Rechtsgeschichte der Reichsstadt Gelnhausen = Neujahrsblatt des Vereins für Geschichte und Altertumskunde zu Frankfurt am Main für das Jahr 1874.
  • Haase, Franziska, Ulrich I., Herr von Hanau 1281–1306, masch. Diss. Münster 1924, S. 40.
  • Hartmann, Wolfgang, Vom Main zur Burg Trifels – vom Kloster Hirsau zum Naumburger Dom. Auf hochmittelalterlichen Spuren des fränkischen Adelsgeschlechts der Reginbodonen, in: Veröffentlichungen des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg e. V. 52, Aschaffenburg 2004 (s. Informationen zum Buch). ISSN 0433-843X
  • Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen, Heft 2: Gebietsänderungen der hessischen Gemeinden und Kreise 1834 bis 1967 [Hrsg.: Hessisches Statistisches Landesamt], Wiesbaden o.J., S. 17, 56.
  • Hugo, Gustav Wilhelm, Die Mediatisierung der deutschen Reichsstädte, Karlsruhe 1938.
  • Junghans, Friedrich Wilhelm, Versuch einer Geschichte der freien Reichsstadt Gelnhausen, in: Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde NF 12 (1886), S. 103–463.
  • Landwehr, Götz, Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte im Mittelalter (Forschungen zur deutschen Rechtsgeschichte 5), Köln etc. 1967.
  • Leucht, Christian Leonhard, Neue europäische Staats-Canzley, Bd. 38, 1-45
  • Moser, Johann Jacob, Teutsches Staatsrecht 39, Kap. 188; 40, Kap. 188–191; 41, Kap. 191 (insb. S. 268); 42, Kap. 191; 43, Kap. 193–195.
  • Orth, Elsbet, Die Reichsstädte in der Wetterau, in: Die Geschichte Hessens (Hrsg.: U. Schultz), Stuttgart 1983, S. 82–85.
  • Reimer, Heinrich, Historisches Ortslexikon für Kurhessen, Marburg 1926, ND 1974, S. 161.
  • Reimer, Heinrich, Urkundenbuch zur Geschichte der Herren von Hanau und der ehemaligen Provinz Hanau (Publicationen aus den Königlich Preußischen Staatsarchiven), 4 Bde., Leipzig 1891–1897, ND Osnabrück 1965.
  • Reuß, Johann August, Hessen-Hanauischer Rekurs, die Gelnhauser Exemtions- und Immedietäts-Sache betreffend, in: Teutsche Staats-Canzley (Hrsg.: Reuß, Johann August), Ulm 1783; 1. Theil, S. 212ff; 5. Theil, S. 348ff; 6. Theil, S. 444ff; 7. Theil, S. 283ff; 8. Theil, S. 341ff:
  • Reuß, Johann August, Von dem Gelnhausischen Exemtionsstreit und dem in demselben von der Hessen-Hanauischen Regierung an den Reichstag genommenen Rekurs, in: Teutsche Staats-Canzley (Hrsg.: Reuß, Johann August), 2. Theil, Ulm 1783, S. 106–130.
  • Schwind, Fred, Reichsstadt und Kaiserpfalz, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte.
  • Stoob, Heinz, Gelnhausen = Deutscher Städteatlas, Lieferung I Nr. 4, 1973 (Veröffentlichung des Instituts für vergleichende Städtegeschichte, Münster, (Westf.)),Dortmund 1973.
  • Thomas Weyrauch: Zunft- und Handwerksurkunden der freien Reichsstadt Gelnhausen. Laufersweiler, Wettenberg 2004 (2. Aufl.). ISBN 3-930954-01-X
  • Zimmermann, Ernst Julius, Hanau Stadt und Land, 3. Auflage, Hanau 1919, ND 1978.

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