- Gütertrolleybus
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Ein Güter-Obus (auch Güterobus, Gütertrolleybus, Trolleylastwagen oder Trolley-LKW) ist ein spurungebundenes elektrisch angetriebenes Verkehrsmittel für den Gütertransport. Er ist technisch mit Oberleitungsbussen vergleichbar. Moderne Trolleylastwagen verwenden Stromabnehmer.
Inhaltsverzeichnis
Etymologie
Die Bezeichnung „Güter-Obus“ ist in Deutschland und Österreich gebräuchlich, in der Schweiz „Gütertrolleybus“ und „Trolleylastwagen“. In den USA und Großbritannien finden die Begriffe „Trolleytruck“ und „Freight trolley“ Verwendung. Mit Trolley (von englisch trolley = Laufkatze) wurde das Wägelchen bezeichnet, das bei den ersten Fahrzeugen dieser Art an der Oberleitung hinter den Trolleylastwagen und Oberleitungsbussen an einer losen Schnur herfuhr, bevor die Stromabnahme über Stangen erfolgte. In der Geschichte wurde dieser Fahrzeugtyp verschieden benannt. Das erste Exemplar von Werner Siemens 1882 hieß „Elektromote“, später (etwa um die Jahrhundertwende) nannte man sie „gleislose Bahn“. Andere Bezeichnungen waren „gleisloser Spurwagen“, „Oberleitungskraftwagen“ und „Oberleitungs-Automobil“.
Funktionsprinzip
Ein Güter-Obus ist wie ein Lastkraftwagen gebaut, der von einem oder mehreren Elektromotoren angetrieben wird und über zwei (früher auch selten einen) Stangenstromabnehmer die für den Antrieb benötigte Energie aus der über der Straße oder dem Gelände gespannten zweipoligen Oberleitung (Gleichstrom) bezieht. Die Stromabnehmer werden durch starke Zug-Spiralfedern an die Oberleitungen gepresst, so dass der Trolleylastwagen immer eine Welle auf der Fahrleitung vor sich herschiebt.
Ganz selten passiert es noch heute, dass die Stromabnehmer aus den Leitungen fallen (Stangenentgleisung) – bis in die 1960er Jahre geschah dies im Fahrbetrieb noch regelmäßig. Der Fahrer muss dann aussteigen und den Stromabnehmer mit dem am Heck des Fahrzeuges angebrachten Fangseil (Trolley-Retriever, nicht überall in Verwendung) wieder in die Fahrleitung einfädeln.
Da lange Strecken selten nur eine Stromversorgungsquelle haben, sind kurze (etwa 300 Millimeter) stromlose Stellen im Fahrleitungsdraht erforderlich. Diese sind so angeordnet, dass sie an Stellen liegen, an denen ein Halten der Fahrzeuge unwahrscheinlich ist (Kreuzungen etc.). Als Fahrspannung sind heute zwischen 600 und 750 Volt Gleichspannung üblich. Die meisten modernen Fahrzeuge besitzen zusätzlich eine kleine Akkureserve, Super- oder Ultrakapazitäten (Kondensatoren), ein Schwungrad oder einen zusätzlichen Antrieb (Gas/Dieselmotor). Dadurch wird es möglich, auch ohne den Strom aus der Oberleitung mit verminderter Geschwindigkeit weiter zu fahren.
Moderne Trolleylastwagen haben eine maximale Leistungsaufnahme von über 700 kW und erreichen Beschleunigungen, die über denen der meisten Lkw liegen. Sie sind deshalb auch in topografisch schwierigen Gegenden einsetzbar und erweisen sich bis heute den Diesel-Lastwagen als überlegen. Besonders auf Straßen mit extremen Steigungswerten sind Trolleylastwagen im Vorteil.
Diese Strecken können mit verbrennungsmotorgetriebenen Fahrzeugen nur schwer befahren werden. Die benötigten Drehmomente werden nur erreicht, wenn die Getriebeübersetzungen derart groß eingestellt werden, dass die Motoren bei relativ geringen Geschwindigkeiten fast ständig auf ihrer höchsten Drehzahl laufen. Der elektrische Antrieb ist die einzige praktikable Alternative, sobald die im Durchschnittsbetrieb erforderlichen Drehmomentwerte eine gewisse Schwelle überschreiten. Güter-Obusse sind streckengebunden, jedoch nicht spurgebunden, sondern können sich auf dem durch die Fahrleitung vorgegebenen Fahrweg so flexibel bewegen wie Omnibusse und Hindernisse umfahren.
Muldenkipper nutzen in Bergwerken oft Oberleitungen zur Stromzufuhr. Solche Strecken werden aus finanziellen Gründen nur in großen Tagebauen angelegt und nur von Schwerkraftwagen mit dieselelektrischen Antrieb benutzt. Das ist meist bei Fahrzeugen ab einer Nutzlast von 100 Tonnen der Fall. Die Strecken müssen aufgrund hoher Investitionskosten mehrere Jahre benutzbar sein. Ein ausreichend großes Gelände muss zur Verfügung stehen, da die Strecke meist nur in eine Richtung befahren wird und oft für die Berg- und Leerfahrten eine weitere Fahrspur zur Verfügung gestellt werden muss.
Der Muldenkipper fährt direkt unter die Oberleitung und der Kraftfahrer gibt dann manuell das Signal zum Herausfahren der Stromabnehmer. Nach dessen Kontakt mit der Oberleitung regelt die Elektronik des Fahrzeugs den Dieselantrieb herunter, die Radnabenmotoren werden über die Oberleitung direkt mit Strom versorgt. Am Ende der Strecke stellt die Fahrzeug-Elektronik den dieselbetriebenen Motor wieder auf die gewünschte Leistung ein und der Muldenkipper fährt wieder mit Dieselantrieb. Die Strecke kann von mehreren Fahrzeugen gleichzeitig benutzt werden, ein seitliches Ein- oder Herausfahren ist jederzeit möglich.
Geschichte
Deutschland
Am Anfang der Entwicklung stand der Bau des Elektromote, eines offenen und eisenbereiften Jagdwagens. Er befuhr ab 29. April 1882 für zwei Monate eine 540 Meter lange Versuchsstrecke in Halensee bei Berlin. Der Strom für den Betrieb wurde der zweipoligen Oberleitung durch einen achträdrigen Kontaktwagen entnommen, der auf den Fahrleitungsdrähten fuhr. Ein biegsames Kabel zog den Kontaktwagen auf der Oberleitung nach. Dieses führte zu einem auf einem Wagen montierten Holzmast und versorgte zwei Elektromotoren von je 2,2 Kilowatt Leistung, die über einen Kettenantrieb auf die Hinterräder wirkten, mit 550 Volt Gleichspannung.
Eine Weiterentwicklung der Technologie war die erstmalige Verwendung von Stangen mit Schleifschuhen auf der Bielatalbahn in Königstein (Sächsische Schweiz). Der Ingenieur Max Schiemann eröffnete am 10. Juli 1901 die 2,8 Kilometer lange Strecke zwischen den Orten Königstein und Hütten für den Personen- und Güterverkehr. 1904 wurde der Betrieb der „Gleislosen Bahn“ eingestellt.
Von 1903 bis 1907 fuhren auf der Kalkbahn Grevenbrück (heute Lennestadt) Güter-Obusse. Die Strecke war ausschließlich für den Transport von Kalksteinen vom Steinbruch zum Bahnhof Grevenbrück gebaut worden. Zum Einsatz kamen ein Motorwagen und verschiedene Anhängewagen. Die 1,5 Kilometer lange Strecke wies Steigungen von über vier Prozent auf. Die Verlegung des Steinbruchs führte zur Stilllegung. Außerdem verkehrte von Grevenbrück aus die Veischedetalbahn, auf welcher in den Anfangsjahren zusätzlich zum Personenverkehr ebenfalls Güterverkehr durchgeführt wurde.
Im Rheinland verkehrte von 1904 bis 1908 die Gleislose Bahn Monheim–Langenfeld, auch sie wurde sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr betrieben. Aufgrund der starken Beschädigungen der Straßen durch die schweren Fahrzeuge wurde die Bahn bereits nach vier Betriebsjahren durch eine Eisenbahnstrecke, die heute noch existierenden Bahnen der Stadt Monheim, ersetzt.
In Wurzen transportierte die Industriebahn Wurzen von 1905 bis 1929 Güter. Zwischen 1905 und 1914 kam das Transportmittel auf der Mühlenbahn Großbauchlitz (heute Döbeln) zum Einsatz. Auf der Hafenschleppbahn Altona verkehrten von 1911 bis 1949 zwischen Hafen und Rathaus elektrische Schleppfahrzeuge. Die vier Fahrzeuge ersetzten den Pferdevorspann auf dem Anstieg von der Elbe nach Altona.
In Bitterfeld verkehrte zwischen 1984 und 1988 ein umgebauter sowjetischer Belaz-Kipper als Güter-Obus. In den Kalkwerken Elbingerode wurde von März 1988 bis Februar 1989 eine Anlage zum Transport von Gütern errichtet. Wegen wirtschaftlicher Existenzprobleme des Werkes während der Wende in der DDR führte der Güter-Obus, ebenfalls ein Belaz-Kipper, nur am 27. November 1989 eine Probefahrt durch.
Österreich
In Österreich wurden Güter-Obusse in Sankt Lambrecht zwischen 1945 und 1951 eingesetzt. Die Dynamit Nobel AG verwendete die Trolleylastwagen für den Werksverkehr vom Bahnhof Mariahof-Sankt Lambrecht nach Heiligenstadt. Auf der drei Kilometer langen Strecke kamen dreiachsige Fahrzeuge, aufgebaut auf Fahrgestellen der Firma Lohner, zum Einsatz.
Schweiz
In der Schweiz verkehrten Trolleylastwagen zum einen auf der Gleislosen Bahn Gümmenen–Mühleberg (1918 bis 1922) und zum anderen auf der Linie Fribourg–Farvagny, wo jedoch überwiegend Personenverkehr stattfand.
Weitere Länder
Im Veltlintal, Italien, kamen beim Bau der beiden Staudämme Güter-Obusse zum Einsatz. Auf zwei Linien (Tirano-Bormio-Boscopiano, 66 Kilometer, 1940–1950 und Bivio Molina-Digapoli, 14 Kilometer, 1952–1956) transportierten 20 Trolleylastwagen Güter und zwei Oberleitungsbusse Personen zur Baustelle.
Viele Städte in der Sowjetunion benutzten Güter-Obusse. Das Modell MAZ-525 wurde 1954 in Charkiw, Ukraine, zu einem Trolleylastwagen umgebaut. Wegen zahlreicher Probleme kam es dann aber später zur Einstellung des Experimentes. Weitere Modelle von Güter-Obussen sind heute in zahlreichen Städten Russlands in Dienst. Der KTG-1 dient beispielsweise zur Ausführung von Reparatur- und Wartungsarbeiten städtischer Obusnetze, der KTG-2 dagegen zum Transport von Gütern.
In Australien, Kanada, DR Kongo, Namibia, Schweden, Südafrika und weiteren Ländern kommen Trolleylastwagen heute als Muldenkipper mit Oberleitung in Bergbaubetrieben zum Einsatz. Diese Schwerkraftwagen können durch ihre Antriebsweise und Bauart (Räder mit sehr großem Durchmesser) große Mengen und Gewichte auch in unwegsamem Gelände transportieren. Diese Geräte erreichen Einsatzgewichte bis zu 600 Tonnen und können Nutzlasten bis zu 360 Tonnen befördern. Oft werden diese Fahrzeuge zum Transport von der Abbaustelle zu Förderanlagen oder Brechern benutzt.
Literatur
- Gerhard Bauer: Von der Gleislosen zum Oberleitungsomnibus. Die Entwicklung zwischen 1882 und 1945. Verlag für Verkehrsliteratur, Dresden 1997, ISBN 3-9804303-1-6.
- Alan Murray: World Trolleybus Encyclopaedia. Trolleybooks, Yateley (Hampshire) 2001, ISBN 0-904235-18-1.
- Werner Stock: Obus-Anlagen in Deutschland. Die Entwicklung der Oberleitungs-Omnibus-Betriebe im Deutschen Reich, in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik seit 1930. Hermann-Busch-Verlag, Bielefeld 1987, ISBN 3-926882-00-X.
Siehe auch
Weblinks
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