Hans Purrmann

Hans Purrmann
Wieland Förster, Porträtstele Hans Purrmann, 1980

Hans Marsilius Purrmann (* 10. April 1880 in Speyer; † 17. April 1966 in Basel) war ein deutscher Maler, Grafiker, Kunstschriftsteller und Sammler, der in München, Paris, Berlin, Langenargen, Florenz und schließlich Montagnola im Tessin lebte und arbeitete. Purrmann fand als Schüler und Freund von Henri Matisse in Paris seine eigene, vom Expressionismus unberührte malerische Form. Er schuf Stillleben, Akte, Bildnisse und meist südlich-lichterfüllte Landschaftsgemälde. Sein Werk besteht aus fast 1400 Ölgemälden, über 400 Aquarellen, zahlreiche Grafiken und vier Plastiken.

Inhaltsverzeichnis

Stationen des Lebens

Speyer und München

Nach Abschluss der Volksschule erlernte Purrmann im väterlichen Betrieb das Malerhandwerk, das ihn jedoch nicht zufriedenstellte. Bald besuchte er die Kunstgewerbeschule in Karlsruhe; ab 1897 studierte er an der Akademie der Bildenden Künste München. Durch seinen Lehrer Franz von Stuck erhielt er die erste akademische Kunstausbildung. Er lernte dort unter anderem Eugen von Kahler, Paul Klee, Wassily Kandinsky und Albert Weisgerber kennen. Mit dem letzteren verband ihn eine herzliche Freundschaft.

Paris

Im Jahre 1905 ging er für etwa ein halbes Jahr nach Berlin, angezogen besonders von Max Liebermann und Max Slevogt. Auf Vorschlag Liebermanns wurde er in die Berliner Secession aufgenommen; fortan vertrat der Galerist Paul Cassirer sein Werk. Trotz dieser Erfolge zog es ihn 1906 nach Paris, wo er im Café du Dôme seinen alten Freund Weisgerber und Rudolf Levy traf, aber auch neue Freunde, darunter Oskar und Margarethe Moll sowie den späteren Bundespräsidenten Theodor Heuss, kennenlernte.

Matisse und seine Studenten im Atelier, 1909

Im Hause Gertrude Steins machte er die Bekanntschaft mit Pablo Picasso und Henri Matisse. Mit diesem zusammen baute er die „Académie Matisse“ auf: Matisse als Lehrer, Purrmann als „massier“ (Obmann), zuständig für Organisation und Verwaltung. Durch Matisse erhielt Purrmann seine endgültige „formation“, er fand zu seinem ihm gemäßen Stil, der die Einflüsse von Matisse, Paul Cézanne und Pierre-Auguste Renoir erkennen lässt; bis ans Lebensende behielt er in seinen Arbeiten individuelle, charakteristische Züge bei, auch wenn er den Expressionismus, den Kubismus und auch die abstrakte Malerei eifrig studierte und zur Kenntnis nahm.

Berlin und Langenargen

Nach der Hochzeit 1912 mit Mathilde Vollmoeller und der Hochzeitsreise lebte die Familie Purrmann bis 1914 in Paris. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges erzwang ihre Rückkehr nach Deutschland. Von 1914 bis 1916 lebten sie im „Unteren Schloss“ des Unternehmers Robert Vollmoeller in Beilstein, danach nahmen sie bis 1935 ihren Hauptwohnsitz in Berlin. Ab 1921 verbrachten sie die Sommer in Langenargen am Bodensee, wo sie ein Fischerhaus erwarben. Purrmann zog es nach Italien; dorthin führten ihn mehrere Reisen. Von 1923 bis 1928 lebte die Familie in Rom und verbrachte nur die Sommermonate am Bodensee. In dieser Zeit entstanden farbkräftige, licht durchflutete Landschaftsbilder.

Nach der Machtergreifung Hitlers wurde Purrmanns Kunst als „entartet“ geächtet, weil er ein „Französling“ sei.

Florenz

1935 nahm er zusammen mit einigen Malerfreunden an der Beerdigung von Max Liebermann teil; danach konnte er sich nicht mehr in Deutschland halten. Freunde verhalfen ihm zur ehrenamtlichen Leitung der Villa Romana in Florenz. Es gelang ihm, diese mit tatkräftiger Mithilfe seiner Frau wieder neu aufzubauen; dort trafen sich zahlreiche Künstler und Kunstinteressierte, die sich wie er im nationalsozialistischen Deutschland nicht halten konnten, darunter Monika Mann, Kasimir Edschmid, Toni Stadler, Werner Gilles und Eduard Bargheer. Purrmann gelang es dank der Hilfe des Vorstands der Villa (Präsident war Carl Goerdeler), in Florenz eine freie Insel der Kunst zu unterhalten.

„Hesse, Purrmann, Böhmer“, Tuschzeichnung von Gunter Böhmer, 1956. Purrmann (rechts), Schüler von Henri Matisse, im Gespräch mit Gunter Böhmer (Mitte vorn mit Rücken zum Betrachter) und Hermann Hesse (links)

Montagnola

Das Jahr 1943 führte Purrmann in eine tiefe Krise: Seine Frau Mathilde starb nach langer Krankheit. Nach dem Sturz von Mussolini besetzten deutsche Truppen Florenz. Purrmann fühlte sich bedroht und floh in die Schweiz. Dort fand er 1944 in Montagnola/Tessin eine neue Heimat. Er freundete sich mit dem Dichter Hermann Hesse, der ihm später das Gedicht „Alter Maler in der Werkstatt“ widmete, und mit dem Maler Gunter Böhmer an und fand in der Gobelinweberin Maria („Mareili“) Geroe-Tobler (1895-1963), der Tante von Böhmers Frau Ursula, eine neue Lebensgefährtin.

Nach Deutschland kehrte Purrmann erst ab 1950 und auch nur zeitweilig zurück. Sein Einfluss auf die geistige und künstlerische Entwicklung Deutschlands in der Nachkriegszeit war dennoch erheblich. Davon zeugen nicht nur seine zahlreichen großen Ausstellungen, sondern noch mehr seine Mitgliedschaft in verschiedenen neu gegründeten Künstlervereinigungen, etwa in der Pfälzischen Sezession und im Deutschen Künstlerbund, deren Jurymitglied er jahrelang war. Dabei kam ihm zwar zugute, dass er politisch nicht belastet war. Bedeutsamer war jedoch sein unbestechliches Qualitätsempfinden: Sein Urteil wurde allseits geschätzt, weshalb er in entscheidenden Sitzungen zwischen den Anhängern der gegenständlichen und der abstrakten Malerei zu vermitteln vermochte. Seinem Engagement war es auch zu verdanken, dass die Villa Romana wieder in deutschen Besitz kam.

Seinem eigenen Stil blieb Purrmann bis zuletzt treu: Die in Montagnola und bei seinen Italienaufenthalten entstandenen Landschaftsbilder, Stillleben und Porträts sind von großer Farbigkeit geprägt und zeugen von sorgfältiger Komposition. Er starb 1966 und wurde in Langenargen am Bodensee begraben.

Mathilde Vollmoeller, Malerin und Ehefrau

Purrmann lernte in Paris 1908 seine spätere Frau Mathilde Vollmoeller kennen, die großen Einfluss auf ihn ausübte. Sie entstammte einer reichen und angesehenen Textilindustriellen-Familie in Stuttgart, die sich engagiert den sozialen Fragen der Zeit zuwendete und offen für kulturelle Entwicklungen war. Ihr Bruder war der damals bekannte Dichter Karl Gustav Vollmoeller. Sie selbst fand erst nach literarischen und musikalischen Versuchen, angeregt durch Sabine Lepsius und Leo von König zur Malerei. Als junge Frau hatte sie den Roman „Liebesbriefe eines englischen Mädchens“ ins Deutsche übersetzt. In Berlin war sie durch ihre Lehrerin Sabine Lepsius in den George-Kreis gekommen; dort hatte sie auch den jungen Rainer Maria Rilke kennengelernt, den sie in das Werk Cézannes einführte und mit dem sie später eine lebendige Korrespondenz pflegte. Im Jahr 1906 ging sie nach Paris in der Absicht, sich die Existenz einer selbstständigen Malerin aufzubauen. In mehreren Ausstellungen konnte sie ihre Werke mit gutem Erfolg präsentieren. Angesehen war sie unter den deutschen und französischen Künstlern auch wegen ihrer Sprachkompetenz und ihres vermittelnden Wesens. Nach der Hochzeit mit Purrmann im Jahr 1912 stellte sie sich ganz in den Dienst ihrer Familie und ordnete ihr künstlerisches Schaffen dem Hans Purrmanns unter. Ihr Werk wurde im Jahr 1999 wieder entdeckt und durch mehrere Ausstellungen der Öffentlichkeit bekannt gemacht. Das Purrmann-Haus in Speyer zeigt in einer Dauerausstellung einen repräsentativen Ausschnitt ihres Werkes.

Purrmann als Sammler

Hans Purrmann hat zeitlebens auch Gemälde, Grafik, Teppiche und Antiquitäten gesammelt, dazu gehörte beispielsweise das Gemälde von Henri Matisse „Goldfisch“ von 1911, das heute dem MoMA in New York gehört. 1963 war in Kaiserslautern seine beachtliche Grafik-Sammlung, in der hauptsächlich französische Künstler vertreten sind, ausgestellt.

Eigene Schriften (Auswahl)

Sämtliche Schriften Hans Purrmanns bis 1961 sind gesammelt in:

  • Göpel, Erhard und Barbara: Leben und Meinung des Malers Hans Purrmann, Wiesbaden 1961:
  • Aus der Werkstatt Henri Matisses (1922)
  • Van Gogh und wir (1928)
  • Dem sechzigjährigen Max Slevogt (1929)
  • Henri Matisse (1930)
  • Über Henri Matisse (1946)
  • Erinnerungen an meine Studienzeit (1947)
  • Die Einheit des Kunstwerks (1949)
  • Wandel ist der Künste Weg (um 1950; 1958/59 überarbeitet)
  • Erinnerungen an den Maler Rudolf Levy (1951)
  • Kunst ohne Publikum. Offener Brief an einen Pfälzer Maler (1953)
  • Versuch über Cézanne (um 1958/59)
  • Landschaften und Stilleben (1960)
  • Das verlorene Menschenbild (1961)

Werkverzeichnisse

  • Heilmann, Angela: „Hans Purrmann: Das druckgrafische Werk. Gesamtverzeichnis. Hg. Eduard Hindelang, Museum Langenargen 1981
  • Lenz, Christian/ Billeter, Felix: Hans Purrmann. Die Gemälde. Werkverzeichnis. 2 Bände. München 2004
  • Lenz, Christian/ Billeter, Felix: Hans Purrmann. Werkverzeichnis. Aquarelle und Gouachen, Ostfildern 2008

Ausstellungen (Auswahl)

  • Hans Purrmann, Galerie Paul Cassirer, Berlin 1918
  • Hans Purrmann, Gewerbemuseum, Kaiserslautern 1927
  • Richard Seewald – Hans Purrmann, Kunstmuseum, Luzern u. a. 1950
  • Hans Purrmann, Haus der Kunst, München u. a. 1962/63
  • Hans Purrmann: Das graphische Werk, Pfälzische Landesgewerbeanstalt, Kaiserslautern u. a. 1963
  • Hans Purrmann 1880-1966: Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Druckgraphik, Museum Villa Stuck, München 1976/77
  • Hans Purrmann (1880-1966) zum 100. Geburtstag, Museum Langenargen 1980
  • Hans Purrmann zum 100. Geburtstag, Mittelrheinisches Landesmuseum, Mainz 1980
  • Hans Purrmann: Malerei – Graphik – Zeichnungen – Plastik, Akademie der Künste, Berlin (Ost) 1982
  • Hans Purrmann: Aquarelle. Kunstverein, Speyer/ Museum Langenargen 1986
  • Der Maler Hans Purrmann, Bundeskanzleramt Bonn u. a. 1987/1988
  • Im Licht der Farbe. Hans Purrmann. Stilleben, Akte, Interieurs, Gerhard-Marcks-Haus, Bremen 1995/1996
  • Im Raum der Farbe. Hans Purrmann 1880-1966, Historisches Museum der Pfalz, Speyer 1996/1997
  • Hans Purrmann 1880-1966: Aquarelle und ausgewählte Leinwände,Museum Lothar Fischer Neumarkt i. d. OPf. 2005/2006
  • Hans Purrmann: „Im Kräftespiel der Farben“. Gemälde – Aquarelle. Kunsthalle Tübingen u. a 2006
  • Hans Purrmann (1880-1966): Zauber südlichen Lichts, Kunstforum Berliner Volksbank 2006/2007
  • Hans Purrmann: Ständige Ausstellung im Museum Langenargen

Literatur (Auswahl)

  • Böhmer, Gunter: Das Tagebuch von Gunter Böhmer PURRMANIANA. Stuttgart 2000
  • Dittmann, Lorenz: Hans Purrmanns farbige Bildgestaltung. In: Kat. Ausst. Speyer 1996/97, S. 30-45
  • Glaser, Kurt: Hans Purrmann. In: Kunst und Künstler 16, 1918, S. 453-464
  • Hausen, Edmund: Der Maler Hans Purrmann. Berlin 1950
  • Verfemte Kunst. Bildende Künstler der inneren und äußeren Emigration in der Zeit des Nationalsozialismus. Bearb. von W. Haftmann, mit Beitr. von L. Reidemeister u. Geleitwort von H. Kohl. Hg. B. Roland. Köln 1986
  • Heilmann, Angela: Bildgegenstände und Bildvorstellungen – Bemerkungen zur Motivwahl bei Hans Purrmann. In: Kat. Ausst. Speyer 1990, S. 11-23
  • Hesse, Hermann: Alter Maler in der Werkstatt. In Freundschaft Professor Hans Purrmann gewidmet In: Die Zeit, 27. Mai 1954 (Gedicht)
  • Jedlicka, Gotthard: Hans Purrmann. In: Jahresring 60/61. Beiträge zur deutschen Literatur und Kunst der Gegenwart 1960, S. 55-65
  • Jöckle, Clemens: Hans Purrmanns Triptychon im Kreistagssaal zu Speyer. Hg. Kunstverein Speyer/ Purrmann-Haus Speyer. Speyer 1993
  • Kiesel, Carl M.: Ein deutscher Maler sammelt französische Graphik. In: Kat. Ausst. Kaiserslautern, Sammlung Purrmann 1963, S. 1-3
  • Kinkel, Hans: Hans Purrmann in Montagnola. Ein Bildbericht. St. Ingbert 1973
  • Kropmanns, Peter: Matisse in Deutschland, Bde. 1-4 (Typoskript). Diss. Humboldt-Universität Berlin 2000
  • Leisen, Adolf: Hans Marsilius Purrmann (1880-1966). Ein biografischer Gang durch das Purrmann-Haus. In: Speyer. Das Vierteljahresheft des Verkehrsvereins 40, 2000 (H. 1). S. 15-27
  • Lenz, Christian: Die Kunst Hans Purrmanns. Einführung in das malerische Werk. In: * Lenz/ Billeter 2004, S. 21 ff.,
  • Reden über Hans Purrmann. Hg. Friedrich Seel, Kunstverein Speyer in Verbindung mit dem Purrmann-Haus, Speyer. Mit Beiträgen von F. Rintelen, P. Santi u.a. Lindenberg 1996
  • Roland, Berthold: Hans Purrmann und seine Vaterstadt – Zweifel und Zuneigung. Rede zur Verleihung des Hans Purrmann Preises 1969
  • Scheffler, Karl: Hans Purrmann und der moderne Kolorismus. In: Kunst und Künstler 19, 1921, S. 3-18.
  • Volkmann, Karen: Die Skulpturen Hans Purrmanns. In: Kat. Ausst. Bremen 1995/96, S. 34-43
  • Weber, Wilhelm: Zum Leben und Werk des Malers Hans Purrmann. In. Kat. Ausst. Mainz 1980, S. 5-53
  • Zweite, Arnim: Hans Purrmann in seinem Atelier Montagnola 1962. In: Filmdokumente zur Zeitgeschichte. Institut für den wissenschaftlichen Film, Göttingen, G 94/ 1964, Göttingen 1970

Ehrungen

Hans Purrmann-Haus, Speyer

Das ehemalige Elternhaus von Hans Purrmann in Speyer, Kleine Greifengasse 14, konnte der Öffentlichkeit 1990 als Museum und Gedenkstätte zu Ehren des Malers übergeben werden. Dort ist mit rund 70 Exponaten (Gemälde, Druckgrafiken, Aquarelle, Plastiken) das Werk Purrmanns repräsentativ vertreten. Sein außergewöhnliches Leben – vom einfachen Tünchergesellen zum Maler von internationaler Bedeutung – wird in Vitrinen dokumentiert. Ein Besuch lässt das Ambiente eines Handwerkerhauses aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts erleben. Ebenso werden seit 2001 in einem eigenen Raum Werke seiner Ehefrau, Mathilde Vollmoeller, zugänglich gemacht. In wechselnden Kabinettausstellungen sind ferner Werke von Künstlern aus dem Freundeskreise Purrmanns oder auch lebender Künstler zu sehen, die sich mit Purrmann auseinandergesetzt haben.

Hans Purrmann Archiv, München

Seit 2008 befindet sich das Hans Purrmann Archiv in München. Dort werden Leben und Werk des Künstlers dokumentiert, große Teile der Korrespondenz, Foto- und Pressematerial gesammelt und fortlaufend ergänzt. Zu Echtheitsfragen in Bezug auf das Oeuvre Purrmanns oder dessen Leben können hier Auskünfte eingeholt werden.

Hans-Purrmann-Gymnasium, Speyer

Seit 1967 befindet sich das Hans-Purrmann-Gymnasium[1] in der Otto-Mayer-Straße in Speyer. Im Jahr 2000 erreichte die Schülerzahl des HPG die Marke von 1000. In der Pausenhalle befindet sich eine Skulptur von Hans Purrmann.

Purrmann-Straßen

In Kandel (Pfalz) befindet sich eine Straße in der Nähe des Bahnhofs, die nach dem Künstler benannt ist. Auch in Beilstein (Württemberg) ist eine Straße im Neubaugebiet West III nach ihm benannt. In Langenargen befindet sich eine Hans-Purrmann Straße.

Einzelnachweise

  1. http://www.hpg-speyer.de

Weblinks


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