Investitionsschutzabkommen

Investitionsschutzabkommen

Investitionsschutzabkommen (engl. International Investment Treaties oder International Investment Agreements) sind völkerrechtliche Verträge zwischen Staaten. Sie bieten Direktinvestitionen ausländischer natürlicher oder juristischer Personen (z. B. Unternehmen) in einem fremden Staat rechtlichen Schutz, insbesondere gegen eigentumsbeeinträchtigende Maßnahmen wie entschädigungslose Enteignungen. Investitionsschutzabkommen werden häufig als bilaterale Abkommen abgeschlossen (Bilateral Investment Treaty, BIT). Es existieren aber auch multilaterale Abkommen mit entsprechenden Regelungen.[1].

Inhaltsverzeichnis

Funktionsweise

Erleidet beispielsweise ein ausländischer Investor Schäden an seiner Investition aufgrund einer Verletzung der Investitionsschutzpflichten des Gaststaates, so kann dieser den fremden Staat vor einem internationalen Schiedsgericht verklagen.

Das zuständige Schiedsgericht ist in dem Investitionsschutzabkommen festgelegt. Das Verfahren und der institutionelle Rahmen des Schiedsgerichts kann dabei zum Beispiel dem Regelungsrahmen des Internationalen Zentrums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) folgen.

Bei Verfahren nach ICSID muss, anders als bei der Berufung auf das diplomatische Schutzrecht, nicht zunächst der Instanzenzug im Gaststaat ausgeschöpft sein. Hierdurch wird erreicht, dass der Gaststaat dem ausländischen Investor nicht durch einseitige nationale Maßnahmen den Klageweg verbauen und dessen Rechtsdurchsetzung verzögern oder verhindern kann. ICSID-Schiedssprüche sind wie ein rechtskräftiges, innerstaatliches Urteil vollstreckbar, ohne Einspruchsmöglichkeit des betroffenen Staates. Weiters führt die Nähe der ICSID zur Weltbank dazu, dass die betroffenen Staaten Regel auf eine rechtswidrige Nicht-Umsetzung der ICSID-Schiedssprüche verzichten.

Bei anderen Schiedsgerichtsverfahren, zum Beispiel nach UNCITRAL oder der internationalen Handelskammer in Paris, sind die erwirkten Schiedssprüche in der Regel nach der New York Konvention international vollstreckbar, dabei gibt es jedoch sieben Ablehnungsgründe des unterliegenden Staates, einer davon ist ordre public.

Geschichte und Entwicklung

Vorläufer der Investitionsschutzabkommen waren verschiedene Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsverträge, die zwischen einzelnen Staaten bereits in früheren Jahrhunderten bestanden und die teilweise u. a. auch investitionsschützende Vorschriften enthielten. Die ersten Investitionsschutzabkommen der heutigen Art wurden in den fünfziger Jahren entwickelt (insbesondere von der Bundesrepublik Deutschland) und typischerweise zwischen einem Industrieland und einem Entwicklungs- bzw. Schwellenland abgeschlossen. Nach dem Fall des "Eisernen Vorhangs" kam es zu einer Welle neuer Vertragsschlüsse, so dass heutzutage weltweit über 2000 derartiger Verträge in Kraft sind. Allein die Bundesrepublik Deutschland unterhält bilaterale Investitionsschutzabkommen mit mehr als 140 Staaten.

Neben den Investitionsschutzabkommen finden sich völkerrechtliche Investitionsschutzvorschriften auch in einer Reihe regionaler Wirtschaftsabkommen (z. B. NAFTA, MERCOSUR) sowie in internationalen Übereinkommen, etwa im Rahmen der WTO (TRIPS-Abkommen, GATS-Abkommen, TRIMs-Abkommen). Ein Versuch, das zunehmend unübersichtliche System weltweit tausender Investitionsschutzabkommen durch ein einheitliches multilaterales Abkommen zu ersetzen, ist Ende der neunziger Jahre mit dem Multilateral Agreement on Investment (MAI) innerhalb der OECD vorerst gescheitert.

Während ältere Investitionsschutzabkommen sich im Wesentlichen auf den Schutz bereits getätigter Investitionen beschränken, beziehen neuere Verträge zunehmend auch die vorgeschaltete Frage des Marktzugangs, also der Möglichkeit, überhaupt als Ausländer eine bestimmte Investition vornehmen zu dürfen, in ihren Anwendungsbereich ein.

EU-Recht und Investitionsschutzabkommen

Fast 200[2] der weltweit abgeschlossenen Investitionsschutzabkommen entfallen auf die EU-Mitgliedstaaten, die diese zwischen sich abgeschlossen haben. Diese werden auch als Intra-EU-BITs bezeichnet. Die Intra-EU-BITs sind kein Teil des Unionsrechts.

Durch das Bestehen der EU und der Teilnahme am EU-Binnenmarkt tangieren diese Intra-EU-BITs das Unionsrecht. Die Niederlassungsfreiheit (Art 49 ff. AEUV) und die Dienstleistungsfreiheit (Art 63 ff. AEUV) sowie das EU-Beihilfenrecht und das EU-Kartellrecht stehen in einem Spannungsverhältnis zu diesen BITs.

Die Vorschriften des EU-Binnenmarktes gehen den BITs, auch wenn diese älteren Datum sein sollten (wie z.B. bei den Ostmitteleuropäischen Staaten die am 1. Mai 2004 beigetreten sind) jedenfalls vor, falls es zu Überschneidungen der Regelungsinhalte zwischen EU-Recht und den Regelungen in einem BIT kommt[3].

EU-Recht und BIT-Panels

BIT-Schiedsgerichte (Panel) arbeiten auf völkerrechtlicher Basis. Entscheidungen eines BIT-Panels können, da auf völkerrechtlicher Basis entschieden wird, EU-Recht verletzen. EU-Mitgliedstaaten, welche aus einem solchen Schiedsspruch zugunsten eines bestimmten Investors verpflichtet werden, und wenn der Schiedsspruch gleichzeitig gegen EU-Recht verstößt, werden, wenn sie diesen Schiedsspruch befolgen unter Umständen mit einem Vertragsverletzungsverfahren konfrontiert.

Intra-EU-BIT-Panels sind keine innerstaatlichen Gerichte im Sinne von Art 267 AEUV und daher sind diese gegenüber dem EuGH nicht vorlageberechtigt und auch nicht vorlageverpflichtet[4]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Beispielsweise Kapitel 11 des North American Free Trade Agreement oder der Vertrag über die Energiecharta.
  2. Wehland, "Schiedsverfahren auf der Grundlage bilateraler Investitionsschutzabkommen zwischen EU-Mitgliedstaaten und die Einwendung des entgegenstehenden Gemeinschaftsrechts", SchiedsVZ 2008, S. 222, nennt eine Zahl von etwa 190 BITs.
  3. Die Regelungsinhalte zwischen dem Unionsrecht und den völkerrechtlichen BITs ist nicht zwingend gleich. Daher werden BITs auch nicht automatisch vom Unionsrecht derogiert und müssen diese Verträge nicht zwingend von den Unionsmitgliedstaaten gekündigt werden.
  4. Vorlageverpflichtet sind Entscheidungen letztinstanzlicher Gerichte der Unionsmitgliedstaaten, deren Entscheidungen im innerstaatlichen Rechtszug nicht mehr angefochten werden können.
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