- Jenissei
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Der Jenissei (russisch Енисей) ist ein 4.092 Kilometer langer Strom in Sibirien (Russland, Asien). Er wird auch als sibirischer Meridian bezeichnet, da er etwa in der Mitte von Sibirien entlang des 90. Längengrades von Süd nach Nord in die Karasee des Polarmeeres fließt.
Inhaltsverzeichnis
Flussname
Seinen ursprünglichen Namen – Ioanessi – verdankt der Jenissei dem Volksstamm der Evenken. Erst im 17. Jahrhundert gaben die aus dem Westen kommenden Kosaken dem Fluss seinen jetzigen Namen: Jenissei.
Das Wort Jenissei stammt aus der Sprache von den alten Stämmen. Die Einwohner von Ulug Chem benannten den Fluss Jenissei, das bedeutet 'unruhig'. In einem andern Dialekt sagt man Joanessi, was soviel wie 'das Großwasser' heißt.
Die Flussbezeichnung Jenissei ist auf einen turksprachigen Ursprung zurückzuführen. Die Bezeichnung ist dabei eine Zusammensetzung aus den Begriffen ana (Mutter) und say (Fluss). Die zweite, nächstmögliche Deutung ist, dass in der türkischen Sprache Yeni = Neu (ausgesprochen wie Jeni) und das Wort Su (wie ßu) = Wasser bedeuten. Demnach bedeutet Jenissei/Jenissej nach der (neu-) türkischen Schreibweise "Yenisu" ⇔ Yenisuy ⇔ Yenissey = Neues Wasser; Neuer Fluss.
Geographie
Flusslauf
Der Fluss Jenissei entsteht in der Stadt Kysyl durch die Vereinigung seiner beiden Quellflüsse – Großer (russ. Большой Енисей) und Kleiner Jenissei (russ. Малый Енисей; tuwinisch Bii- (Бии-Хем) und Kao-Chem (Каа-Хем)) in Kysyl (631 m). Ab hier heißt er Ulug-Chem (Верхний Енисей, oberer Jenisesej). Die beiden Zuflüsse entspringen im südsibirischen Ostsajan-Gebirge in der Republik Tuwa an der Grenze zur Mongolei bzw. in der Nordmongolei.
Während der Große Jenissei (605 Kilometer lang) rund 600 Kilometer westlich vom Südende des Baikalsees im Ostsajan-Gebirge (200 Kilometer nordwestlich des mit 3492 Meter höchsten Berges (russ. Гора (Gora)) Munku Sardyk) nahe der Mongolei entspringt, liegen die Quellen des Kleinen Jenissei (680 Kilometer lang) nahe und in der Nordmongolei. Obwohl er Kleiner Jenissei heißt, ist er 75 Kilometer länger als sein "großer Bruder". Er spaltet sich nochmals in den längeren Hauptquellarm "Kysyl-Chem" (Кызыл-Хем) und den kürzeren "Balyktyg-Chem" (Балыктыг-Хем) mit Quelle vor der mongolischen Grenze auf. Die Quelle des "Kysyl-Chem" liegt 660 km östlich von Kysyl, 300 km jenseits der mongolischen Grenze im Darhat-Tal westlich des süßwasserführenden, als heilig betrachteten Chöwsgölsees in der nördlichsten Mongolei; von ihren Quellen fließen der "Kleine Jenissei" direkt westlich, der "Große Jenissei" zunächst hauptsächlich westlich, dann südlich nach Kysyl. Dort entsteht aus ihrem Zusammenfluss der Jenissei. Nur etwas unterhalb dieser Stadt durchfließt er den über 300 km langen, aber nur wenige Kilometer breiten Sajano-Schuschensker Stausee.[2]
Ab dort fließt der Jenissei in Richtung Norden in einem Durchbruchstal durch die Gebirgswelt des Westsajans. Bei der Stadt Abakan mündet er - wie der Abakan - in den Südteil des rund 400 km langen Krasnojarsker Stausees (182 m) ein. Seine Staumauer befindet sich bei Diwnogorsk. Vom Minussinsker Becken, das zwischen den Nachbarstädten Abakan und Minussinsk am Einlauf der zwei genannten Flüsse in den Krasnojarsker Stausee liegt, ist der Strom schiffbar; möglich wird dies durch ein großes Schiffshebewerk, durch das Binnenschiffe in 90 Minuten den Höhenunterschied an der Staumauer überwinden können. Etwa 35 Kilometer unterhalb beziehungsweise östlich der Staumauer liegt Krasnojarsk, die größte Stadt am Fluss. Nordöstlich dieser Großstadt mündet der Kan in den Jenissei ein, wonach sich das Tal zu einer breiten Niederung weitet. In deren Nordbereich mündet die von Osten kommende Angara ein, die ihm nach dem Durchfließen des Mittelteils der Jenisseiberge bei Strelka zufließt. Etwas unterhalb der Angaraeinmündung passiert der Jenissei das an seinem Westufer gelegene Jenisseisk (ca. 67 m).
Von dort an fließt der Jenissei, der eine wichtige Schifffahrtsstraße darstellt, direkt westlich des großen Mittelsibirischen Berglands weiter nach Norden. Westlich des Flusses liegt die große Westsibirische Tiefebene, die zwischen dem Ural und dem zuletzt erwähnten Bergland liegt. Hier durchfließt der Jenissei weit ausgedehnte Nadelwaldgürtel. An der Westabdachung dieses Gebirges mündet direkt nördlich der Jenisseiberge und nahe dem am Westufers des Jenisseis gelegenen Bor (ca. 28 m) die Steinige Tunguska ein.
Rund 600 km weiter flussabwärts mündet in den Unterlauf des Jenisseis, in dem er als Tieflandfluss die weit ausgedehnten nordsibirischen Tundren durchfließt, bei Turuchansk (65° 46′ 9″ N, 87° 58′ 0″ O65.76916666666787.966666666667, ca. 20 m) die Untere Tunguska ein. Danach entfernt er sich in leicht nordwestlicher Richtung etwas vom Mittelsibirischen Bergland und überquert den Nördlichen Polarkreis, vor dem das Wasser der von Nordosten kommenden Kureika bei der gleichnamigen Siedlung einmündet. Etwas weiter nördlich erreicht er Igarka und später Dudinka, dessen Hafen zur Verschiffung der in der Gegend der rund 100 km östlich von Dudinka liegenden Großstadt Norilsk gewonnenen Bodenschätze von Bedeutung ist.
Anschließend ist es für russisch-sibirische Verhältnisse nur noch ein "Katzensprung" bis zur Mündung des Jenisseis in die weiter nördlich bei Karaul beginnende und 435 km lange sowie bis zu 60 km breite Jenissei-Bucht ("Jenisejskij zal."); diese ist kein Flusslauf mehr, sondern als Ästuar bereits eine Meeresbucht der Karasee, die wiederum ein Teil des eisigen Nordpolarmeers ist. Allerdings weist sie - angetrieben von den unaufhaltsamen Wassermassen des Jenissei - eine starke, nach Norden fließende Strömung auf.
Flusslänge
Die Länge des Jenisseis kann auf verschiedene Weise gemessen werden:
- 3.412 km = Länge Jenissei ohne "Kleinen Jenissei" (sein längster Quellfluss)
- 4.092 km = Länge Jenissei mit "Kleinem Jenissei"
- 5.539 km = Ider–Selenga–Angara–Jenissei = Gesamtlänge der drei zuerst genannten Flüsse und Länge des Jenissei-Unterlaufs
Zu diesen Längen kann man je noch die 435 km lange Jenissei-Bucht dazuzählen.
Einzugsgebiet, Jahresabfluss und "Eiszeit"
Das Einzugsgebiet des Jenissei beträgt 2.554.482 km² (mehr als die 7,2-fache Fläche Deutschlands ); bei Igarka (67° 28′ N, 86° 34′ O67.46666666666786.566666666667) wird 2.440.000 km²[3] angegeben, eine andere Quelle berichtet sogar von 2.605.000 km². Der mittlere Jahresabfluss beträgt etwa 19.600 m³/s, bei Igarka im Januar 1995 7.960 m³/s und im Juni 1995 62.613 m³/s. Er gilt als der wasserreichste Fluss Sibiriens. Ab November bildet sich Eis auf dem Jenissei, das nach und nach zu Eisschollen verhärtet, die den Fluss schließlich ganz zufrieren lassen. Dies dauert in der Regel bis Mai, wenn es zu tauen beginnt. Das daraus resultierende Hochwasser, das dem Jenissei auch von seinen Nebenflüssen zufließt, lässt ihn im Ober- und Mittellauf um bis zu 10 m, im Unterlauf bis zu 20 m ansteigen.
Nebenflüsse
In den Jenissei münden unter anderen diese Nebenflüsse:
Orographie: L = Linker Nebenfluss; R = Rechter Nebenfluss:
- L - Abakan – von Südwesten kommend - Mündung in Krasnojarsker Stausee
- R - Tuba – von Osten kommend - Mündung in Krasnojarsker Stausee
- R - Mana – von Südosten kommend - Mündung bei Diwnogorsk
- R - Kan – von Südosten kommend - Mündung bei Ust-Kan
- R - Angara – von Osten kommend - Abfluss des Baikalsee mündet bei Strelka
- R - Steinige Tunguska – von Osten kommend - Mündung bei Bor
- R - Untere Tunguska – von Osten kommend - Mündung bei Turuchansk
- L - Turuchan – Mündung unterhalb Turuchansk
- R - Kureika – von Osten kommend - Mündung bei Kureika
- L - Große Cheta – Mündung unterhalb Dudinka
Orte am Fluss
- Kysyl – Hauptstadt von Tuwa am Zusammenfluss von Bi- und Kao-Chem zum Jenissei
- Tschernogorsk – etwas abseits des Jenisseis
- Schuschenskoje – Verbannungsort von Lenin
- Abakan – an der Einmündung des Abakan
- Diwnogorsk – an der Staumauer des Krasnojarsker Stausees
- Krasnojarsk – die größte Stadt am Jenissei - etwas unterhalb des Krasnojarsker Stausees
- Lessosibirsk - russische "Hauptstadt" der Holzindustrie.
- Jenisseisk – "Vater der Sibirischen Städte"
- Bor – an Mündung der Steinigen Tunguska
- Turuchansk – an der Mündung der Unteren Tunguska; Verbannungsort von Josef Stalin
- Kureika – nahe dem nördlichen Polarkreis
- Igarka – bis zu diesem Seehafen kann der Jenissei mit Seeschiffen befahren werden
- Norilsk – 100 km östlich von Dudinka, einzige Großstadt am Unterlauf des Jenissei.
- Dudinka – Stadt mit Seehafen, wo die Bodenschätze von Norilsk verschifft werden.
- Ust-Port – mit einem "natürlichem Kühlraum" im Permafrostboden und ehemaliger Pelztierzucht.
- Karaul – an der Mündung des Jenissei in die Jenissei-Bucht
- Dikson – am Nordende der Jenissei-Bucht an der Karasee
Wirtschaftliche Bedeutung
Stauseen und Kraftwerke
Die Energiegewinnung ist vor allem wichtig für die (Aluminium-)Industrie um Krasnojarsk.
- Sajano-Schuschensker Stausee (621 km²; 31.300 Mio m³; 6.400 MW-Kraftwerk)
- Mainskaja Stausee (11,5 km²; 116 Mio m³; 321 MW-Kraftwerk)
- Krasnojarsker Stausee (2.130 km²; 73.300 Mio m³; 6.000 MW-Kraftwerk)
- Irkutsker Stausee am Nebenfluss Angara (60 km lang; 45.800 Mio km³; 660 MW-Kraftwerk)
- Bratsker Stausee am Nebenfluss Angara (5.426 km²; 169.270 Mio m³; 4.500 MW-Kraftwerk)
- Ust-Ilimsker Stausee am Nebenfluss Angara (1.873 km²; 59.300 Mio m³; 4.320 MW-Kraftwerk)
Schifffahrt
- Der Jenissei hat eine große Bedeutung für die Versorgung der Gebiete nördlich der Transsibirischen Eisenbahn, obwohl der Fluss von etwa November bis Mai zugefroren ist.
- Die Hochseeschifffahrt ist bis Igarka möglich, die Flussschifffahrt dank eines Schiffshebewerkes bei Diwnogorsk über den Krasnojarsker Stausee bis Abakan in Chakassien.
- Der Fluss ist auch zum Flößen von Holz aus der Taiga von Bedeutung.
Fischfang
Jenissei-Fische (Stör, Muksun, Tschir etc.) werden bei Igarka gefangen und in Ust-Port wurde dazu ein großer natürlicher Kühlraum in den Permafrostboden gebaut.
Verweise
Siehe auch
Literatur
- Georgij I. Kublickij: Der Jenissei: ein sibirischer Fluss. Brockhaus-Verlag, Leipzig, 1952
- Hermann Mattes, Kai Pagenkopf: Natur und Mensch am Jenissei. Lienau, Münster 2001, ISBN 3-9801245-9-2.
- Viktor Nikolaevič Pavlov: Lenin-Gedenkstätten in Sibirien. Planeta-Verlag, Moskau 1988, ISBN 5-85250-076-3 (formal falsche ISBN).
Einzelnachweise
- ↑ http://www.grdc.sr.unh.edu/html/Polygons/P2914450.html Global River Discharge Monitoring
- ↑ Dirk Sager: Sibiriens Schicksalsstrom: Der Jenissei. 3Sat-Reportage in drei Teilen [1]
- ↑ Jenissei am Pegel Igarka – hydrographische Daten bei R-ArcticNET
Weblinks
Commons: Jenissei – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Sibiriens Schicksalsstrom: Der Jenissei (3Sat-Reportage von Dirk Sager in drei Teilen)
- Sibirisches Abenteuer mit Tretboot auf dem Jenissei (11 Teile, 74 min) als CD/herunterladbar
- R-ArcticNet: Messpunkte in Einzugsgebiet des Jenissei und benachbarter Flusssysteme
- UNESCO Water
- Schiffshebewerk (russisch)
- Historische Fotos vom Jenissei
- Watersheds of the World: Asia and Oceania - Yenisey Watershed
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