- Anders Fogh Rasmussen
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Anders Fogh Rasmussen [ˈanɐs fɔ ˈʁasmusn̩] (* 26. Januar 1953 in Ginnerup, Jütland) ist ein dänischer Politiker und seit August 2009 Generalsekretär der NATO. Von 2001 bis 2009 war er Ministerpräsident von Dänemark und von 1998 bis 2009 Vorsitzender der rechtsliberalen Venstre-Partei.
Inhaltsverzeichnis
Politischer Aufstieg
Rasmussen studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Aarhus und erhielt dort 1978 seinen Abschluss. Er war früh in den Jugendorganisationen der rechtsliberalen Venstre aktiv und wurde bereits mit 25 Jahren in das Parlament Folketing gewählt.
Von 1987 bis 1990 war er Steuerminister im Kabinett von Poul Schlüter, ab 1990 zusätzlich Wirtschaftsminister. 1992 musste Rasmussen als Minister zurücktreten, nachdem eine Untersuchungskommission zu dem Schluss gekommen war, dass er dem Parlament ungenaue und unvollständige Informationen über die „kreative Buchführung“ in seinem Ministerium geliefert hatte.
1998 wurde er zum Vorsitzenden der Venstre gewählt. Bei der Parlamentswahl im November 2001 gewann die Venstre 31,3 % der Stimmen. Das Ergebnis bedeutete eine Zäsur für die politische Landschaft Dänemarks, da zum ersten Mal seit 1920 die Sozialdemokraten nicht mehr stärkste politische Kraft im Folketing waren. Anders Fogh Rasmussen wurde als Ministerpräsident Nachfolger des Sozialdemokraten Poul Nyrup Rasmussen. Er bildete eine Minderheitskoalition mit der Konservativen Volkspartei, die im Parlament von der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei unterstützt wurde.
Amtszeit als Ministerpräsident
Rasmussen vertrat wirtschaftsliberale Grundsätze. In seinem Buch Fra socialstat til minimalstat (dt. Vom Sozialstaat zum Minimalstaat) plädierte er für eine Umformung des dänischen Wohlfahrtsstaates im Geiste neoliberaler Politik. Nach den Wahlen 2001 initiierte seine Partei einen „Steuerstopp“, was von Anhängern der Opposition als „antisozial“ und „Umschichtung zu Gunsten der Reichen“ verurteilt wurde. 2004 wurden die Steuersätze leicht gesenkt. Insgesamt stiegen die Staatsausgaben jedoch auch unter seiner Regierung stärker als die Inflationsrate.
Im Jahr 2002 übte Fogh Rasmussen die EU-Ratspräsidentschaft aus. Seine Hauptaufgabe bestand darin, Beitrittsverhandlungen zu leiten. Er befürwortete den Beitritt Maltas und Zyperns zur Europäischen Union, äußerte sich aber wiederholt kritisch zu einer EU-Mitgliedschaft der Türkei. Auf dem Brüsseler EU-Gipfel 2005 lehnte aber nur Österreich eine Aufnahme der Türkei in die EU ab, so dass Beitrittsverhandlungen beginnen konnten.
Im Golfkrieg 2003 unterstützte die Regierung Fogh Rasmussen die USA und entsandte ein dänisches Kontingent in den Irak. Wie in anderen europäischen Staaten war dieser Krieg auch in Dänemark sehr umstritten.
Die Regierung nahm restriktive Änderungen in der Ausländerpolitik vor. Das dänische Ausländerrecht gilt seitdem als das schärfste Europas und wurde 2004 vom Menschenrechtskommissar des Europarats gerügt.
Bei der Folketingswahl 2005 verlor Venstre vier Parlamentssitze, konnte die Minderheitsregierung aber aufgrund von Gewinnen seiner Koalitionspartner fortsetzen. Im Wahlkampf stand Fogh Rasmussen insbesondere für sein Krisenmanagement nach der Tsunami-Katastrophe in Südostasien in der Kritik; auch zahlreiche dänische Touristen waren unter den Opfern gewesen.
Aufgrund zunehmender politischer Diskrepanzen innerhalb der Regierung schrieb Fogh Rasmussen im Oktober 2007 vorzeitig Neuwahlen aus, die am 13. November 2007 stattfanden (Folketingswahl 2007). Die von Fogh erhofften „klareren Verhältnisse“ stellten sich jedoch nicht ein. Zwar blieb die Verteilung der Mandate zwischen dem „roten Block“, der Helle Thorning-Schmidt unterstützte, und dem „blauen Block“ der bürgerlichen Parteien unverändert, doch verlor Venstre weitere sechs Mandate. Da diese von Dansk Folkeparti und der neuen Partei Ny Alliance um Naser Khader aufgeglichen wurden, war die Stellung der Regierungskoalition gegenüber ihren parlamentarischen Unterstützungsparteien weiter geschwächt. Dennoch setzte Fogh Rasmussen die bisherige Regierung mit nur einer personellen Umbesetzung fort. Nach seiner Nominierung für den Posten des NATO-Generalsekretärs trat er am 5. April 2009 als dänischer Regierungschef zurück. Er übergab das Amt an seinen Stellvertreter in der Partei und Finanzminister Lars Løkke Rasmussen.
NATO-Generalsekretär
Am 1. August 2009 wurde Fogh Rasmussen Generalsekretär der NATO. Bis Ende 2010 formulierte er in Rücksprache mit den Bündnispartnern ein neues NATO-Strategiekonzept, das auf breite Zustimmung innerhalb des Bündnisses stieß.[1]
Kritik
Nachdem er 1998 den Vorsitz der Venstre übernommen hatte, rückte er die Partei in die rechte Mitte[2] und versprach im Wahlkampf von 2001 eine Änderung des Ausländerrechts, um "mehr Platz zum Atmen" zu bekommen.[3]
So kündigte er unter anderem die Ernennung eines "Ausländerministers" an, der den Zuzug von Ausländern begrenzen sollte, und begab sich durch die Forderung, vor allem die Zahl der Eheschließungen von Einwanderen mit Partnern aus ihrer Heimat zu reduzieren, auf eine Gratwanderung im Bereich der Menschenrechte.[4] Auch die in Aussicht gestellte Wende bei der Ausländer- und Flüchtlingspolitik, die praktisch auf eine Abschaffung des politischen Asyls hinausliefe, wäre mit geltenden EU-Regelungen nicht vereinbar gewesen.[5] Auf einem Wahlplakat wurden kriminelle Muslime abgebildet, und die Forderung "Zeit für Veränderung".[6] Im humanitären Bereich engagierte Politiker wie die linksliberale Entwicklungshilfeministerin Anita Bay Bundegaard wurde von Parteigängern als "weiße Unschuld" verspottet.[3]
Nachdem der erfolgreiche Wahlkampf die Venstre zum ersten Mal nach 80 Jahren wieder zur stärksten Partei im dänischen Parlament gemacht hatte, war Rasmussens erste Amtszeit unter anderem durch eine scharfe Ausländer- und Asylpolitik gekennzeichnet[2]; auch Entwicklungshilfe und die Ausgaben für die Umwelt wurden gekürzt.[6] Berichte etwa des Europarats, die Dänemark ein zunehmendes Klima der Intoleranz und des Ausländerhasses attestierten, befahl Rasmussen noch 2006 "In den Papierkorb" zu werfen, er könne solche Kritik aus dem Ausland nicht ernst nehmen.[7]
Trivia
Anfang 2003 düpierte er europäische Regierungschefs, weil er heimlich seine Gespräche mit ihnen für ein TV-Porträt über sich aufnehmen ließ.[8]
2007 lief in Dänemark die Mockumentary AFR – I sandhed en utrolig løgn („AFR – In Wahrheit eine unglaubliche Lüge“) an, in der Anders Fogh Rasmussen ermordet wird. Der Film hatte bereits im Vorfeld für Aufsehen gesorgt und stark polarisiert. AFR wurde größtenteils aus Originalaufnahmen zusammengeschnitten und manipuliert den Sinngehalt dieses Materials. Der Regisseur Morten Hartz Kapler rechtfertigte die fiktiven Aussagen der Collagen, indem er auf die Meinungsfreiheit verwies und die These vertrat, eine freie Gesellschaft komme nur durch mutige Menschen voran, die es wagten, Autoritäten zu kritisieren.
Weblinks
- Anders Fogh Rasmussen in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database
- Homepage von Anders Fogh Rasmussen. Abgerufen am 24. März 2011 (dänisch).
- Lebenslauf Fogh Rasmussen 2009. Abgerufen am 24. März 2011 (dänisch).
- Gunnar Herrmann: Rasmussen im Portrait. Der Bündnis-Experte. In: Süddeutsche Zeitung, 5. April 2009
- Horst Bacia, Stephan Löwenstein, Eckart Lohse: Neue Bedrohungen, neue Partnerschaften. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 25. Oktober 2010, abgerufen am 24. März 2011 (deutsch, Ausführliches Interview mit Anders Fogh Rasmussen).
Einzelnachweise
- ↑ Nikolas Busse: Respekt vor Rasmussens Gesellenstück. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 19. November 2010.
- ↑ a b Bundeszentrale für Politische Bildung: Rasmussen, Anders Fogh. Zitat aus: Fischer Weltalmanach: Biographien. Fischer Weltalmanach Ausgabe 2010.
- ↑ a b Manfred Ertel: Platz zum Atmen. In: Der Spiegel. Nr. 48, 2001, S. 186f (online).
- ↑ Rasmussen gegen Rasmussen. In: Deutsche Welle, 20. November 2001.
- ↑ Manfred Ertel: Platz zum Atmen. In: Der Spiegel. Nr. 48, 2001, S. 186f (online).
- ↑ a b Gerhard Fischer: Jyllands-Posten - Publizistischer Begleitschutz. In: Süddeutsche Zeitung. 6. Februar 2006.
- ↑ Bruno Kaufmann: Noch ist etwas faul im Staate Dänemark. In: Tages-Anzeiger, 22. Mai 2006.
- ↑ Manfred Ertel, Sylvia Schreiber, Thomas Schulz: Voll in die Presse. In: Der Spiegel. Nr. 18, 2003, S. 74f (online).
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