Konjunkturpolitik

Konjunkturpolitik

Unter Konjunkturpolitik versteht man wirtschaftspolitische Maßnahmen, die darauf zielen, Konjunkturschwankungen in Grenzen zu halten und ein möglichst gleichmäßiges Wirtschaftswachstum zu erreichen[1]. Die Ziele der Konjunkturpolitik sind in Deutschland im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz (§ 1 StWG von 1967) geregelt.

Mögliche Instrumente der Konjunkturpolitik sind dabei die Fiskalpolitik, die Geldpolitik und die Einkommenspolitik[2].

Inhaltsverzeichnis

Wirtschaftspolitische Einordnung

Nachfrageorientierte Positionen

Hauptartikel: Nachfragepolitik

Bei der nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik (basierend auf Keynesianismus und antizyklischer Finanzpolitik nach Keynes) kommt dem Staat die Aufgabe zu, in konjunkturellen Rezessionen die Wirtschaft durch „Konjunkturimpulse“ anzukurbeln, ggf. auch durch staatliche Schuldenaufnahme (Deficit Spending). Hierzu können Steuern gesenkt, zeitlich begrenzte Investitionsanreize für Unternehmen gesetzt und/oder staatliche Investitionen in Infrastrukturprojekte getätigt werden. Nicht alle Arten von Ausgaben sind rasch oder in gleicher Höhe nachfragewirksam. So werden bei einer Senkung der Einkommenssteuer oder der Unternehmenssteuern nicht sofort diese betreffenden Geldbeträge in derselben Höhe für wachstumsfördernden Konsum oder Investitionen ausgegeben, sondern werden angespart oder zur Schuldentilgung eingesetzt.[3] Schneller und zu einem größeren Teil nachfragewirksam (Multiplikatorwirkung) sind Erhöhungen des verfügbaren Einkommens der einkommensschwachen Privathaushalte sowie schnell umsetzbare Infrastrukturinvestitionen.[4] Ergänzt wird eine nachfrageorientierte Konjunkturpolitik durch eine antizyklische Geldpolitik. In einer Krise soll eine Niedrigzinspolitik (Politik des billigen Geldes) Investitionen und die Finanzierung staatlicher Budgetdefizite erleichtern.[5]

Dem Einwand einer drohenden Staatsverschuldung wird entgegengewirkt, indem darauf hingewiesen wird, dass die durch die Schuldenaufnahme finanzierten Investitionen in die Infrastruktur ebenfalls als Basis für den wachsenden Wohlstand einer Volkswirtschaft ebenfalls von Bedeutung sind. Wenn man die Schuldenaufnahme auf die Größe des Bruttosozialprodukts bezieht, so wird durch die staatlichen Maßnahmen ebenfalls die Größe des Nenners dieser Bruchzahl verändert. „Kreditfinanzierung heißt nicht, dass sich der Saldo aus Staatsausgaben und -einnahmen in gleicher Höhe verschlechtert.“


Kurzer Überblick:

  • Basiert auf der Theorie von Keynes,

d.h. ein Marktgleichgewicht ist auch bei Unterbeschäftigung möglich und zum anderen führt eine Nachfrageschwäche bzw. ein Nachfragerückgang zu niedrigen Absatzerwartungen der Unternehmen, was wiederum die Investitionen verhindert (beeinflusst).

  • Steuerung der Staatsausgaben,

d.h. dass diese von der Konjunkturlage abhängig und eine Stabilisierung der Gesamtnachfrage ermöglichen.

  • Antizyklische Politik,

d.h. Entgegensteuerung durch kurzfristige Eingriffe.

Mögliche Maßnahmen:

  1. Steuersenkung bzw. -anhebung um damit die Konsumgüternachfrage zu beeinflussen.
  2. Variation des Zinssatzes um damit die Konsum- und Investitionsnachfrage zu beeinflussen.
  3. Kompensation privater Nachfrage durch Staatsnachfrage.
  4. Staatliche Investitionen.

Nachteile sind u.a.:

  • höhere Staatsquote
  • Erhöhung der Bürokratie
  • zeitliche Verzögerung
  • hektische Entscheidungen (stop-and-go-policy)
  • erhebliche politische Widerstände
  • Gefahr einer hohen Staatsverschuldung

Angebotsorientierte Positionen

Hauptartikel: Angebotspolitik

Die monetaristisch-neoklassisch orientierte Angebotspolitik geht von der Stabilität des privaten Sektors aus. Abgesehen von exogenen Schocks beruhen Konjunkturschwankungen demnach im Wesentlichen auf Unvollkommenheiten des Marktes. Zur Vermeidung von Konjunkturschwankungen gelte es also, die Marktunvollkommenheiten zu beseitigen [6]. Aktive Konjunkturpolitik (Diskretionäre Geldpolitik und Fiskalpolitik) wird grundsätzlich für schädlich gehalten. Der Monetarismus fordert eine regelgebundene Geldpolitik. Durch Anpassung der Geldmenge am Produktionspotenzial sollen gesamtwirtschaftliche Ungleichgewichte vermieden werden. [7]


Klassische Positionen sind dabei:

  • Geldpolitik (Zinsen, Geldmenge)
  • Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für Investitionen der Unternehmen
  • Verstetigung der Wirtschaftspolitik (mehr Markt, weniger Staat)
  • Konjunkturneutraler Einfluss (langfristig)
  • Gesetzliche Vorschriften lockern (beseitigen) z.B. arbeitsrechtliche Regelungen

Die Angebotsorientierte Wirtschaftspolitik hat ihre Aufgabe darin, Hemmnisse für die privatwirtschaftlichen Aktivitäten, besonders bei Investitionen, abzubauen, um so zu einer "Revitalisierung" der Wirtschaft zu gelangen.

Kurzer Überblick:

  • basiert auf der Sayschen Theorie,

d.h. jedes Angebot schafft sich selbst eine Nachfrage, durch Stärkung der Leistungsanreize und Abbau von Leistungshemmnissen soll das Investitions- und Produktionsklima auf lange Sicht verbessert werden.

  • Verstetigungspolitik (Glättung): stetige Beseitigung von Angebotshemmnissen

Mögliche Maßnahmen:

  1. Senkung von Steuern und Abgaben für Unternehmen und private Haushalte.
  2. Ausgleich des Staatsbudgets auf niedrigem Niveau.
  3. Gemäßigte Lohnpolitik.
  4. Preisstabilitätsorientierte Geld- und Kreditpolitik.
  5. Weitgehender Verzicht des Staates auf Eingriffe in die Märkte.

Nachteile sind u.a.:

  • Investitionsbereitschaft der Unternehmen ist ungewiss
  • gefährdet soziale Strukturen
  • eine genaue Geldmengensteuerung ist nicht möglich
  • bei niedriger Kapazitätsauslastung werden die Unternehmen nur Rationalisierungsinvestitionen durchführen, wodurch die Beschäftigung weiter sinkt
  • Konsolidierung der Staatsfinanzen führt bei schlechter Konjunktur zu steigender Arbeitslosigkeit

Des Weiteren können mit Hilfe von Stabilisatoren die Konjunkturausschläge geglättet werden. Dabei wird zwischen automatischen und halbautomatischen Stabilisatoren unterschieden.

Automatische Stabilisatoren:

  • haben ohne Aktionen der Wirtschaftspolitik eine antizyklische Wirkung auf den Konjunkturverlauf (Bsp.: Arbeitslosenversicherung, Lohn- und Einkommensteuer, Umsatzerlöse)

Halbautomatische Stabilisatoren (Gesteuerte):

  • Weisen Ist-Werte eine bestimmte Abweichung zum Soll-Wert auf, dann reagiert dieser Stabilisator antizyklisch
  • Reaktion kann dabei exakt festgelegt sein oder liegt im Ermessungsspielraum des Verantwortlichen

Konjunkturtheorien als Grundlage für Konjunkturpolitik

Hauptartikel: Konjunkturtheorien

Die Konjunkturtheorie untersucht und beschreibt die Ursachen und Auswirkungen der Konjunktur und des Konjunkturzyklus. Im Jahre 1937 wurde von Gottfried von Haberler, im Auftrag des damaligen Völkerbundes, eine Systematik sowie ein Überblick über die ersten Konjunkturtheorien erstellt. Gottfried von Haberler gilt als Pionier der Konjunkturtheorien. Seit seiner Aufstellung der oben genannten Theorien, haben Vertreter dieser Theorien unterschiedliche Ursachen für Konjunkturzyklen in Betracht gezogen und weitere Theorien aufgestellt.[8]

Arten der Konjunkturpolitik

Die Konjunkturpolitik lässt sich nach ihrer Wirkung folgendermaßen einteilen:

Expansive Konjunkturpolitik:

  • wirkt positiv auf das Wirtschaftswachstum

Kontraktive Konjunkturpolitik:

  • wirkt negativ auf das Wirtschaftswachstum

Die Konjunktur lässt sich auch nach ihrer Wirkung auf aktuelle Konjunkturphasen einteilen:

Prozyklische Konjunkturpolitik:

  • diese wird betrieben, um eine Entwicklung zu fördern und zu festigen

Antizyklische Konjunkturpolitik:

  • diese soll einer Entwicklung entgegenwirken

Die Konjunkturpolitik basiert vor allem auf den Erkenntnissen von John Maynard Keynes.[9]

Aufgabe der Konjunkturpolitik

Die Aufgabe der Konjunkturpolitik ist es, den Wirtschaftsprozess auf einem idealen Auslastungsniveau zu stabilisieren. Dadurch versucht man die konjunkturellen Zielverletzungen des Geldwertstabilitätsziels und des Beschäftigungsziels so minimal wie möglich zu halten. Wichtig zu erwähnen ist, dass nur die konjunkturellen Teilkomponenten der Zielverletzungen Bestandteil der Konjunkturpolitik sind. Die Maßnahmen zur Bekämpfung der nicht-konjunkturell bedingten Fehlentwicklungen (z.B. strukturelle Arbeitslosigkeit, machtbedingte (Lohnkosten-) Inflation) gehören nicht zum Aufgabengebiet der Konjunkturpolitik. Arbeitslosigkeit kann aus unterschiedlichen Gründen hervorgehen und ist entsprechend zu bekämpfen. Sie ist nur dann Sache der Konjunkturpolitik, wenn sie durch konjunkturelle Faktoren begründet ist.

Ziele der Konjunkturpolitik

Ziel des Staates ist es mit der Konjunkturpolitik die nachteiligen Auswirkungen der Konjunkturausschläge auf die Wirtschaft zu vermindern, indem er zum einen den Aufschwung fördert und zum anderenversucht, den Abschwung zu verhindern. Das heißt, dass durch einen rechtzeitigen Einsatz der konjunkturpolitischer Mittel kann eine Überforderung des Produktionspotentials (die Gefahr eines starken Preisanstiegs und struktureller Fehlentwicklungen durch überzogene Wachstumsrate) sowie eine Unterauslastung des Produktionspotentials (die Gefahr eines Beschäftigungsrückganges und sich weiter verschlechternder Situation aufgrund pessimistischer Perspektiven) vermieden werden. Dabei kann es durchaus zu Zielkonflikten kommen, wenn z.B. der Staat mit aller Macht versucht die Beschäftigungszahlen zu erhöhen, denn dies würde sich wiederum negativ auf die Geldwertstabilität auswirken.

Es wird eine Verstetigung (Stabilisierung) der konjunkturellen Entwicklung angestrebt, was als Stabilitätspolitik zu verstehen ist. Bevor die Politik Handlungsmaßnahmen entwickeln kann, müssen die Ursachen für die Entstehung von Konjunkturzyklen definiert werden.[10]

Instrumente der Konjunkturpolitik

Fiskalpolitik

Hauptartikel: Fiskalpolitik

Mittels der Fiskalpolitik können im Fall einer Rezession die öffentlichen Ausgaben (z.B. öffentliche Investitionen) erhöht und/oder die öffentlichen Einnahmen (z.B. Steuern) gesenkt werden, um damit die Kaufkraft im privaten Sektor zu stärken. Infolgedessen wird ein negatives Budgetsaldo der öffentlichen Haushalte bewirkt, um die Gesamtnachfrage anzukurbeln (deficit Spending) und in einer Konjunkturschwankung einen Budgetüberschuss zu erwirtschaften, um einer Überbeanspruchung des Produktionspotenzials entgegenzuwirken. Diese antizyklische Entwicklung des Budgetsaldos ergibt sich aufgrund der Ausgestaltung des dt. Steuersystems, weil das Steueraufkommen in den Rezessionsphasen zurückgeht, während sich die meisten Staatsausgaben (z.B. Arbeitslosengeld) in der Rezession erhöhen. Somit hat der öffentliche Haushalt eine automatisch stabilisierende Wirkung auf die Konjunktur (automatische Stabilisierung). Voraussetzung für eine stabilisierende Wirkung des öffentlichen Budgets ist, dass in den Aufschwungphasen genügend Steuermittel stillgelegt wurden, damit diese in der Rezession für zusätzliche Ausgaben verwendet werden können. Der Staat betreibt dann Fiskalpolitik, wenn er fiskalpolitische Instrumente im Rahmen der Konjunkturpolitik einsetzt.[11]


Fiskalpolitische Instrumente

Der Staat setzt folgende Instrumente zur Steuerung der Konjunkturpolitik ein:

  • Staatsausgaben
  • Abschreibungen (je höher die erlaubten Abschreibungen, desto höher die Investitionen)
  • Steuern
  • Schaffung günstiger Arbeits- und Produktionsumgebung (z.B. flexiblere Tarifverträge)
  • Subventionen
  • Sozialleistungen (verändern das verfügbare Einkommen und wirken sich dadurch auf den Konsum aus)

Je nachdem, welche wirtschaftspolitischen Ziele verfolgt werden, können Instrumente unterschiedlich eingesetzt werden.[12]


Arten der Fiskalpolitik

Fiskalpolitik lässt sich nach der Wirkung folgend einteilen:

Expansive Fiskalpolitik:

  • Instrumente werden zur Förderung des Wachstums eingesetzt, z.B. durch Erhöhung der Staatsausgaben, Auflösung der Konjunkturausgleichsrücklagen. Notfalls müssen Budgetdefizite in Kauf genommen werden, damit sich die öffentlichen Ausgaben erhöhen und somit die Konjunktur belebt wird (deficit spending).

Kontraktive Fiskalpolitik:

  • Hier werden Instrumente zur Dämpfung der Konjunktur eingesetzt, z.B. durch Senkung der Staatsausgaben und Bildung von Konjunkturausgleichsrücklagen (surplus saving).[12]


Probleme der Fiskalpolitik
  • Sind Zielkonflikte vorhanden ist es unmöglich alle Ziele gleichzeitig zu erreichen. Somit muss der Staat Prioritäten zwischen den Zielen setzten.
  • Parlamentarische Hürden schränken die Handlungsfähigkeit des Staates ein. D.h. einmal gewährte Privilegien lassen sich nur schwer rückgängig machen.
  • Indirekte Einflussnahme auf wirtschaftliche Größen macht es dem Staat schwer, diese direkt zu beeinflussen. Demnach hat der Staat nur durch die Staatsausgaben eine direkte Einflussnahme auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage.
  • Eine zeitliche Verzögerung der Maßnahmen aufgrund von indirekten Einflussnahmen, führt dazu, dass bestimmte Maßnahmen sich erst in Folgeperioden auswirken. Wenn sich die Wirtschaftsentwicklung bis dahin umkehrt, wirken staatlichen Maßnahme kontraproduktiv.[11]

Geldpolitik

Hauptartikel: Geldpolitik

Diese kann mit ihren Instrumenten die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nicht unmittelbar beeinflussen. Folglich kann die Geldpolitik aber über Zinssatz- und Geldmengenänderung indirekt auf die Ausgabendispositionen der privaten Haushalte und Unternehmen Einfluss nehmen. Hierbei ist die Stärke des Zusammenhangs zwischen monetärem und realem Bereich einer Wirtschaft ausschlaggebend für die Wirksamkeit einer konjunkturpolitisch orientierten Geldpolitik. Dabei betont die keynesianische Erklärung die Liquiditätskomponente geldpolitischer Maßnahmen. Demnach führt eine Erhöhung der Bankenliquidität zur Senkung der Zinssätze und auch der Kreditkosten und beeinflusst dadurch die realen Investitionen.

Die monetäre Erklärung betont hingegen die Vermögenskomponenten. D.h. Geldmengenerhöhungen setzen eine lange Kette von Substitutionsvorgängen frei. Folglich steigt zunächst die Nachfrage nach Wertpapieren und an Finanzaktiva, während deren Rendite sinkt und es am Ende der Kette zu steigender Geldnachfrage kommt. Zu beachten ist, dass reale Effekte der Geldpolitik nur vorübergehend sind und langfristig gesehen nur das Preisniveau steigt.[11]


Siehe auch Kreditplafondierung, als rigide konjunkturdämpfende Massnahme bei Überhitzungs-Tendenz.

Einkommenspolitik

Hauptartikel: Einkommenspolitik

Neoklassischer-monetaristischer Ansatz

Hier gilt der Grundsatz, dass eine anhaltende Arbeitslosigkeit immer und überall auf ein zu hohes Reallohnniveau zurückzuführen ist. Dies bedeutet, dass es bei einer Vollbeschäftigung zu Lohnerhöhungen kommt und über die Produktionsentwicklung hinweg zur Steigerung der Kosten und damit zur Inflation führt. Deshalb werden je nach Lage kostenniveauneutrale Lohnregeln (kostenniveauneutrale Lohnpolitik) bzw. vollbeschäftigungskonforme Richtlinien (vollbeschäftigungskonforme Lohnpolitik) empfohlen, wodurch die Einkommenspolitik zum Instrument der Konjunkturpolitik wird. Da der Marktmechanismus auch das Ziel der verteilenden Gerechtigkeit erfüllt, werden deshalb aktive Umverteilungsbemühungen abgelehnt, weil die Lohnregeln und -empfehlungen sowieso nur die stattfindende marktmäßige Entwicklung vorwegnehmen und beschleunigen. Dabei geht es nicht um die Lösung des Verteilungskonflikts sondern darum, die Gegenseite (Arbeitnehmer, Gewerkschaften) davon zu überzeugen, dass sie ihre autonomen Verteilungspläne aufgeben.[11]

Ansätze keynesianischer Prägung

Auch hier wird laut keynesianischer und postkeynesianischer Annahme zugrundegelegt, dass die traditionelle Konjunkturpolitik mit den Zielen Preisstabilität und Vollbeschäftigung teilweise aufgrund des Verteilungskonflikts zwischen den Gruppen versagt. Laut der Ansicht dieser Konjunkturmodelle dient Einkommens- bzw. Lohnpolitik nicht nur zur konjunkturpolitischen Absicherung, sondern hat auch einen Umverteilungscharakter, solange ungerechtfertigte Ungleichheiten vorliegen.[11]

Begriffserklärung

Konjunkturerklärungen

Exogene Konjunkturerklärung:

  • Hier werden die äußeren Faktoren wie Bevölkerungsentwicklung oder der technische Fortschritt für Schwankungen in der Wirtschaft verantwortlich gemacht.

Endogene Konjunkturerklärung:

  • Bei der endogenen Konjunkturtheorie werden dagegen die Veränderungen der konjunkturellen Entwicklung mit Einflussfaktoren innerhalb des Wirtschaftsprozesses, z. B. durch eine niedrige gesamtwirtschaftliche Nachfrage, erklärt.

Monetäre Konjunkturerklärung:

  • Die monetäre Konjunkturtheorie sieht als Ursache des wirtschaftlichen Auf und Ab die im Zeitablauf unterschiedliche Versorgung der Wirtschaft mit Geld und Krediten. Die Zinsen spielen dabei eine wichtige Rolle.

Konjunktureller Impuls

Der Begriff „Konjunkturimpuls“, auch „fiskalischer Impuls“ genannt, bezieht sich auf die erhöhten Staatsausgaben, die gezielt zur Bekämpfung des konjunkturellen Abschwungs beschlossen werden.[13] Im Hintergrund steht die Überlegung, dass die staatlichen Ausgaben den Nachfrage-Ausfall am Markte kurzfristig ersetzen sollen. Die Produktionslücke (die Differenz zwischen dem Sozialprodukt, das mit dem vorhandenen Potenzial produziert werden könnte, und dem, was tatsächlich aufgrund der zurückbleibenden Nachfrage produziert wird) soll möglichst geschlossen werden.

Die Wirtschaftshistorikerin und Regierungsberaterin Christina D. Romer zieht aus der Weltwirtschaftskrise von 1929 und einer Evaluation der damaligen Wirtschaftspolitik des New Deal folgende konjunkturpolitische Lehren: Der Stimulus muss gesamtwirtschaftlich ins Gewicht fallen und darf nicht vorschnell ausgesetzt werden. Die Bundesstaaten und die Kommunen dürfen nicht rigider Budgetregeln wegen zu prozyklischen Ausgabekürzungen gezwungen werden. Die Geldpolitik kann auch bei einem extrem niedrigen Zinsniveau unterstützend wirken, indem sie der Bildung deflationärer Erwartungen entgegenwirkt.[14]

Konjunkturelles Defizit

Hierdurch wird der Teil des Gesamtdefizites von öffentlichen Haushalten beschrieben, der eindeutig konjunkturell entstanden ist. Zum einen durch konjunkturbedingte Steuerausfälle, da die Menschen aus Unsicherheit vor einer etwaigen schlechten wirtschaftlichen Zukunft weniger konsumieren. Aber auch durch Mehrausgaben von staatlichen Einrichtungen, wie die Agentur für Arbeit in Form von Arbeitslosengeld 1 bzw. Arbeitslosengeld 2, da man erwarten kann, dass in der Abschwung- bzw. Rezessionsphase die Arbeitslosenzahl steigen wird.

Konjunkturgerechter Haushalt

Hierdurch wird auf den konjunkturellen Impuls von öffentlichen Haushalten abgezielt. Die aufgrund des konjunkturneutralen Haushaltes ermittelten tatsächlichen expansiven oder kontraktiven Impulse werden mit denjenigen verglichen, die notwendig gewesen wären, wenn bei einer gegebenen Abweichung vom Gleichgewichtspfad der Haushaltspolitik ein Nachfragedefizit oder ein Nachfrageüberschuss ausgeglichen werden sollte. Es werden hier die quantitativen Effekte der jeweiligen Haushaltspläne aufgezeigt.

Konjunkturneutraler Haushalt

Es handelt sich um ein Budgetkonzept des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Erstmals hat der Sachverständigenrat 1967/68 den konjunkturneutralen Haushalt in seinen Jahresgutachten entwickelt und angewandt. Das Haushaltsvolumen ist in diesem Konzept konjunkturneutral, wenn es unmittelbar keine Abweichung der Auslastung des Produktionspotenzials von dem bewirkt, was mittelfristig als normal angesehen wird. Die Regeln des konjunkturneutralen Haushaltes sind:

  • Konjunkturneutral sind die öffentlichen Ausgaben, wenn sie auf ein Basisjahr bezogen proportional zum Produktionspotenzial zu- oder abnehmen.
  • Basisjahr ist der Zeitraum, in dem die öffentlichen Ausgaben einen allokativen und distributiven Zielinhalt gemäß Quote aufweisen.
  • Steuereinnahmen, die den gleichen prozentualen Zuwachs wie das Volkseinkommen haben.
  • Wenn die öffentliche Verschuldung den gleichen Zuwachs aufweist wie der des Produktionspotenzials.

Konjunkturrisiken

Jede Rezession ist mit einem Rückgang der Nachfrage verbunden, was die Anbieter zu Preissenkungen veranlasst. Bei einem flexiblen Arbeitsmarkt gehen damit auch Senkungen des Reallohns einher. Es besteht daher die große Gefahr, dass die stagnierende Volkswirtschaft in eine Deflations-Spirale gerät.[15] Paradebeispiel für dieses wirtschaftspolitische Dilemma einer stagnierenden Volkswirtschaft ist die japanische Krise Anfang der 1990er Jahre.

Allgemeines

Maßnahmen

Konjunkturpolitische Maßnahmen können zum Beispiel sein:


Beispiele für Konjunkturmaßnahmen (Konjunkturpakete)

Im Zuge der Finanzkrise ab 2007 und der daraus resultierenden Probleme beschlossene Konjunkturprogramme:

Bewertung

Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hat am 22. Januar 2009 ein Papier mit dem Thema „Konjunkturprogramme in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland: Einordnung und Bewertung der Globalsteuerung von 1967-1982“ vorgelegt. Ein Kernsatz dieses Gutachtens lautet: „In der nachträglichen Bewertung der Globalsteuerung von 1967 bis 1982 wird deutlich, dass dieses Politikkonzept und damit die in diesem Rahmen verabschiedeten Konjunkturprogramme insgesamt als gescheitert gelten können.[17].

Ein wesentlicher Kritikpunkt an der antizyklischen Konjunkturpolitik ist der sogenannte Crowding-out-Effekt: Demzufolge wird eine expansive Neuverschuldung des Staates die Kreditmärkte austrocknen, wodurch zu wenig Kredite für die Privatwirtschaft und den privaten Konsum zur Verfügung stehen, die gerade in einer Rezession wichtig wären. Außerdem wird eingewandt, dass nur selten Industriestaaten die Keynessche Forderung eingehalten haben, in der Krise aufgenommene Schulden während einer wirtschaftlich guten Phase wieder zu tilgen. Deshalb sei antizyklische Konjunkturpolitik in der Vergangenheit einer der wichtigsten Gründe für die immer weiter angestiegene Verschuldung der Industrienationen.

Einige häufig genannte Kritikpunkte an der keynesianischen Konjunkturpolitik sind:[18]

  • zunehmende strukturelle Staatsverschuldung
  • Vernachlässigung der Angebotsseite führe zu Verlangsamung der Wachstumsdynamik durch private Investitionstätigkeit.
  • In der Realität fallen die multiplikativen Wirkungen von staatlichen Beschäftigungsprogrammen wesentlich geringer aus, als im Modell unterstellt. Vielfach treten nur kurzfristige „Strohfeuereffekte“ auf, während langfristig sogar negative Effekte auf Produktions- und Beschäftigungsentwicklung zu verzeichnen sind.
  • Tendenz zur Inflation durch eine immer wieder von neuem expansive Geldpolitik, die auf Dauer die Geldmenge zu stark ausweitet
  • Die positiven Wirkungen von „Reinigungskrisen“ werden außer Kraft gesetzt – mit auf Dauer negativen Wirkungen für Wachstum und Beschäftigung.
  • Kurzfristige Orientierung. Die Summe kurzfristig „richtiger“ Maßnahmen könnte in der mittleren und langen Frist zu Problemen führen.
  • Antizyklische Konjunkturpolitik kann mit langen time-lags verbunden sein. Besonders lang und unberechenbar sind die time-lags einer expansiven Geldpolitik.
  • Ein Versagen der antizyklischen Politik könne zu zunehmendem Staatsinterventionismus führen, der die marktwirtschaftliche Ordnung untergrabe.

Ein Arbeitspapier von Daniel Leigh and Sven Jari Stehn kommt zum Ergebnis, dass die Geldpolitik in der Regel im Sinne einer erfolgreichen Konjunkturpolitik antizyklisch eingesetzt werden konnte, während das Bild für die Fiskalpolitik gemischt ausfällt. Angelsächsische Länder hätten auch mit Fiskalpolitik konjunkturpolitische Erfolge erzielt, während dies bei kontinentaleuropäischen Ländern so nicht zu beobachten war.[19]

Rechtslage in Deutschland

§ 1 StWG:

„Bund und Länder haben bei ihren wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten. Die Maßnahmen sind so zu treffen, dass sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichen Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen.“

Literatur

  • Alfred Maußner: Konjunkturtheorie. Springer 1994. ISBN 3-540-57790-4
  • Gunther Tichy: Konjunkturpolitik: Quantitative Stabilisierungspolitik bei Unsicherheit. Springer 1999. 4. Auflage. ISBN 3-540-65910-2
  • Helmut Wagner: Stabilitätspolitik: theoretische Grundlagen und institutionelle Alternativen. 2004. ISBN 3-486-20031-3
  • Jürgen Heubes: Konjunktur und Wachstum. Vahlen 1991. ISBN 3-8006-1485-5
  • Jürgen Pätzold: Stabilisierungspolitik : Grundlagen der nachfrage- und angebotsorientierten Wirtschaftspolitik. 2008. ISBN 978-3-8006-3492-7
  • Maximilian Walter: Stabilisierungspolitik. 2004. ISBN 3-89673-199-8
  • Michael Grömling: Fiskalpolitik kontrovers: Konjunkturpolitische Optionen für Deutschland. DIV 2005. Nr. 18. ISBN 3-602-24115-7
  • Michael Holstein: Moderne Konjunkturtheorie: Reale Schocks, multiple Gleichgewichte und die Rolle der Geldpolitik. Metropolis 1998. ISBN 3-89518-197-8
  • Ulrich Teichmann: Grundriß der Konjunkturpolitik: Wachstum in Stabilität als Ziel. Vahlen 1997. 5. Auflage. ISBN 3-8006-2191-6
  • Walter Assenmacher: Konjunkturtheorie. Oldenburg 1998. 8. Auflage. ISBN 3-486-23998-8
  • Werner Glastetter: Konjunkturpolitik: Ziele, Instrumente, Alternative Strategien. Bund Verlag 1987. ISBN 3-7663-3048-9

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ulrich van Suntum: Die unsichtbare Hand. ISBN 978-3-540-25235-1 S.122
  2. Werner Vomfelde: Einführung in die Konjunkturpolitik. Duncker & Humblot 1977. ISBN 3-428-03990-4. S.53 ff
  3. Lawrence Mishel: Tax cut approach has already been tried and failed as stimulus
  4. J. Bradford DeLong: Sind Programme zur Konjunkturbelebung sinnlos? Project Syndicate, 2010.
  5. Synopse stabilisierungspolitischer Konzeptionen.
  6. Wolfgang Cezanne: Allgemeine Volkswirtschaftslehre. Oldenbourg 2005. ISBN 978-3-486-57770-9 S.490-494
  7. Ulrich van Suntum: Die unsichtbare Hand, S.124
  8. Alfred Maußner: Konjunkturtheorie. Springer Verlag 1994. Berlin/Heidelberg. ISBN 3-540-57790-4. S. 25 ff.
  9. Jürgen Heubes: Konjunktur und Wachstum. Vahlen Verlag 1991. München. ISBN 3-8006-1485-5. S. 28 ff.
  10. Walter Assenmacher: Konjunkturtheorie. 8. Auflage. Oldenbourg Verlag. München/Wien. ISBN 3-486-23998-8
  11. a b c d e Gunther Tichy: Konjunkturpolitik, Quantitative Stabilisierungspolitik bei Unsicherheiten. 4. Auflage. Sptinger Verlag. Berlin/Heidelberg 1999. ISBN 3-540-65910-2. S. 79 ff.
  12. a b Michael Grömling: Fiskalpolitik kontrovers: Konjunkturpolitische Optionen für Deutschland. Nr. 18. DIV Verlag. Köln. ISBN 3-602-24115-7. S. 9 ff.
  13. Elmendorf, D.W./Furman, J. (2008): If, when, how: A primer on fiscal stimulus, The Brookings Institution, Washington, D.C.
  14. Christina D. Romer: Lessons from the Great Depression for Economic Recovery in 2009 Vortrag Brookings Institution, Washington, D.C., 9. März 2009
  15. Deflation am Horizont Böckler Impuls 03/2009
  16. Hans-Ulrich Thamer: Wirtschaft und Gesellschaft unterm Hakenkreuz in Nationalsozialismus II, Informationen zur politischen Bildung, Heft 266, 2004
  17. [1] Deutscher Bundestag Wissenschaftliche Dienste. „Konjunkturprogramme in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Einordnung und Bewertung der Globalsteuerung 1967 bis 1982“. Von Dr. Claus-Martin Gaul. Deutscher Bundestag 2008
  18. Jürgen Pätzold: Stabilisierungspolitik, zitiert nach http://www.juergen-paetzold.de/stabpol/BG+Infl/Stabpol%20Strategien.html
  19. IMF Working Paper WP/09/50 „Fiscal and Monetary Policy During Downturns: Evidence from the G7“ von Daniel Leigh und Sven Jari Stehn

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