- Linux in staatlichen Einrichtungen
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Linux wird zunehmend als Alternative für kommerzielle Software auf Computern in öffentlichen Einrichtungen eingesetzt. Vorreiter dieser Entwicklung sind im deutschsprachigen Raum die Großstädte Wien und München, die wesentliche Bereiche ihrer EDV auf Linux umrüsten wollen; auch zahlreiche kleine Kommunen wie Schwäbisch Hall und Mülheim an der Ruhr nutzen zunehmend Linux. In Spanien rüsten die Regionalregierungen von Extremadura und Andalusien auf Linux um. Die deutsche Bundesregierung bietet mit dem Behördendesktop eine Basis, um die Clients in den Verwaltungen umzurüsten.
Laut einer Umfrage der Universität Maastricht arbeiten bereits etwa 50 % aller öffentlichen Verwaltungen in Europa mit freier Software. Allerdings meist in kleinerem Umfang und teilweise, ohne sich darüber im Klaren zu sein.
Inhaltsverzeichnis
Gründe für den Umstieg
Ein Grund für die Umstellung ist, dass Softwarelizenzen teuer sind und nach Beendigung der Unterstützung durch die Hersteller nach einigen Jahren Sicherheitslücken entdeckt werden können und bei Problemen keine Unterstützung mehr stattfindet. Viel Geld wird dann in neue Lizenzen, die Migration und die Mitarbeiterschulung investiert.
Die Stadt München nennt die Abhängigkeit von einer einzelnen Firma als einen weiteren Hauptgrund, warum sie auf freie Software umrüstet. Vorteile bringt auch der frei verfügbare Quellcode. Dieser kann gut angepasst werden an die individuellen Bedürfnisse – auch an komplexeste Netzwerke. Die meisten Distributionen sind auch als frei erhältliche Downloadversionen kostenlos verwendbar.
Die von den Behörden selbst programmierten Linux-Distributionen basieren nahezu alle auf Debian (z. B. Wienux, LinEx, Behördendesktop). Neue Versionen werden je nach Distribution erst nach mehr oder weniger eingehender Prüfung freigegeben. Insbesondere die Variante „stable“ von Debian gilt als sehr sicher. Kurze Versionszyklen sind bei vielen Linux-Distributionen wie SuSE durchaus üblich, so dass hier ein hoher administrativer Aufwand entstehen kann. Zwar fällt hier in der Regel das Hinzukaufen von Lizenzen wie z. B. bei Produktaktualisierungen von Windows weg, aber der Aufwand ist nicht unerheblich.
Sicherheit
Selbstprogrammierte bzw. abgewandelte vorhandene Open-Source-Versionen können jederzeit verändert werden, weil der Quellcode bekannt ist, Sicherheitslöcher können so schnell erkannt werden, da an Linux weltweit eine große Programmierergemeinschaft arbeitet. Linux hat auf Servern seit Jahren bewiesen, dass es extrem absturzsicher ist und oft Monate läuft, ohne heruntergefahren werden zu müssen. Das häufig verwendete Windows ist da meist anfälliger. Linux ist bei fachgerechter Wartung sicherer im Vergleich zu Windows, wenn es um Angriffe auf das Netzwerk geht. Linux ist nahezu sicher vor Viren, da es recht wenige gibt, die zudem fast gar nicht in Umlauf sind; für Windows gibt es mehr als 80.000 Viren, viele davon sind aktuell im Umlauf. Eine Erhöhung der Anzahl der von Linux gestützten Systeme trägt dazu bei, die Verbreitung von Viren und Würmern einzudämmen. Allerdings ist auch zu erwarten, dass mit weiterer Verbreitung von Linux auch die Anzahl der Viren steigt, da Virenprogrammierer sich aus naheliegenden Gründen auf populäre Betriebssysteme konzentrieren.
Umstellung in München
München begann mit der Umsetzung des Plans für LiMux, nachdem eine Erneuerung des betagten Windows-NT-4.0-Systems angestanden hätte. Die Firma Microsoft gab die Unterstützung für Windows NT 4.0 auf, dessen weiterer Einsatz große Sicherheitslücken sowie Probleme im Bereich des Hardware-Einsatzes wegen fehlender Gerätetreiber zur Folge gehabt hätte. Nach einem längeren Entscheidungsprozess, inklusive Gegenüberstellung von Migrationsszenarien auf Basis von Windows XP und Linux, fiel 2003 die endgültige Entscheidung, große Teile der kommunalen EDV auf Linux umzustellen.
Umsetzung
Im Jahr 2005 wurden unter dem Projektnamen MigOS die Server im Deutschen Bundestag auf SuSE Linux 9.1 umgestellt. Das Land Niedersachsen hat angekündigt, 12.000 Computer im Bereich der Finanzverwaltung auf Linux umzustellen, und bereits mit der Umstellung begonnen, die niedersächsische Polizei hat etwa 11.000 Computer auf Linux umgestellt.
Kommunen
Die Stadt München entwickelt eine eigene, speziell an die Bedürfnisse der Verwaltung angepasste Linux-Distribution, LiMux. Ständige Befragungen der Mitarbeiter sollen eine enge, direkte Anpassung an die Bedürfnisse der Angestellten ermöglichen. Der Umstieg dauerte einige Jahre. Er wurde 2008 fertig gestellt.
Den Weg, eine eigene Distribution zu entwickeln, hat auch die Stadt Wien mit Wienux eingeschlagen, die Distribution steht zum freien Download bereit und wird unter der Lizenz GPL der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Seit Ende Januar 2005 wird Wienux in Wien auf behördlichen Computern eingesetzt.
Die Stadt Mannheim plant, stufenweise vorzugehen, um den Schulungsaufwand in Grenzen zu halten und die Mitarbeiter langsam an die neue Umgebung zu gewöhnen. So werden vorerst die Server umgerüstet, die 3700 Arbeitsplatz-PCs folgen dann, der Umstieg wird etwa 5 Jahre dauern.
Die Bahn
Die Deutsche Bahn AG ist dazu übergegangen, einen Großteil ihrer EDV auf Linux umzustellen. Das ist der bisher weltweit größte Umstieg von proprietärer Software auf Linux. DB Systel hat im Rahmen der Migration zunächst Applikationsserver von SAP R/3 und Bahn-net-Anwendungen sowie Lotus Notes für etwa 55.000 Nutzer auf Linux umgestellt. In Zukunft soll die gesamte Netz-Infrastruktur wie Router, Proxys und Firewalls ausschließlich unter Linux laufen. Die Anwender-Computer werden gerade auf Windows Vista umgestellt, daher erfolgt eine eventuelle Anpassung später.
Nicht-deutschsprachiges Ausland
In Spanien haben die Regionalregierungen von Extremadura (ab 2002 mit LinEx) und Andalusien (Guadalinex) eigene Linux-Distributionen entwickelt, zum Teil ab 2003 in Zusammenarbeit. Extremadura investierte 300.000 Euro und sparte dadurch 30 Millionen, etwa 200.000 LinEx-Versionen auf CD wurden in der Bevölkerung verteilt. Der Ausbau von Schulcomputern wurde massiv gefördert, so dass auf zwei Schüler ein Computer kommt.
Die Stadt Paris setzt zunehmend auf Linux und freie Software. Mehr als die Hälfte der 396 städtischen Server laufen bereits unter Linux. Viele Schulen wurden auf Linux umgestellt. Den Mitarbeitern wurde empfohlen, auf Open-Source-Software wie OpenOffice.org umzusatteln. Landesweit nutzt in Frankreich die französische Gendarmerie bereits Mozilla Firefox und Mozilla Thunderbird, weitere Open-Source-Programme, die sowohl unter Windows als auch Linux und Apple laufen, sollen eingeführt werden.
Peru hat ein Gesetz erlassen, das es verbietet, Hardware anzuschaffen, auf der ausschließlich freie oder proprietäre, kommerzielle Software läuft, um zu verhindern, dass eine einseitige Festlegung erfolgt. Kommerzielle Produkte dürfen auch weiterhin gekauft werden, allerdings erst nach eingehender Überprüfung mit einer Kostenanalyse.
Südkorea plant, eine Stadt sowie eine Universität komplett auf Linux umzustellen, da Linux in Südkorea zur Zeit ein Nischendasein führt und man sich von der Aktion eine Signalwirkung erhofft. Rund 3,6 Millionen Euro werden für die Umstellung bereitgestellt. Die südkoreanische Regierung hat außerdem 120.000 Linux-Pakete gekauft.
Die kubanische Regierung hat bereits damit begonnen, Linux auf staatlichen Rechnern einzusetzen, um so Windows zu ersetzen.
Der in Taiwan für die Anschaffung von Computern verantwortliche staatseigene Central Trust of China (CTOC) hat angeordnet, dass die 120.000 PCs, deren Anschaffung geplant ist, linux-tauglich sein müssen.
Auswahl öffentlicher Linux-Nutzer
- Deutscher Bundestag
- Deutsche Bahn (Weltgrößte Umstellung, für etwa 55.000 Nutzer, serverseitig)
- München mit LiMux (14.000 Clients)
- Wien mit Wienux (Umstellung von 4.800 der ca. 20.000 EDV Arbeitsplätze angedacht)
- Niedersachsen: Polizei (11.000 Clients; Umstellung von Unix auf Linux) und Steuerbehörde (12.000 Computer)
- Spanien: Die Regionen Extremadura mit LinEx (300.000 Euro investiert, 30 Millionen gespart) und Andalusien mit Guadalinex (auf über 100.000 Schulcomputern) sowie die Region Kastilien-La Mancha mit Molinux
- Kuba rüstet von Windows auf Linux um
- Paris
- Mannheim
- Schwäbisch Hall
- Leonberg
- Isernhagen
- Rheinland-Pfalz (Skolelinux an Grundschulen) [1]
Von Behörden entwickelte Linux-Distributionen
- Behördendesktop: Von der deutschen Bundesregierung für Verwaltungsaufgaben entwickelt; basiert auf Debian
- Guadalinex: Von der Regierung von Andalusien (Spanien) unterstützt und eingesetzt; basiert auf Ubuntu
- kmLinux: Vom Landesbildungsamt in Schleswig-Holstein entwickelt; basiert auf SUSE
- LiMux: von der Stadt München für den Verwaltungsapparat entwickeltes Linux; basiert auf Debian
- LinEx: Distribution der spanischen Region Extremadura; basiert auf Debian
- Linux-Musterlösung: für den Schuleinsatz vom Landesmedienzentrum Baden-Württemberg vertrieben; basiert auf Debian
- Red Flag Linux: Distribution, die vor allem in China ein Ersatz für Microsoft Windows werden soll
- Wienux: eine öffentliche Linux-Distribution für die Mitarbeiter der Wiener Stadtverwaltung; basiert auf Debian
Siehe auch
Literatur
- Leonhard Dobusch: Windows versus Linux: Markt - Organisation - Pfad, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2008, ISBN 978-3-531-16242-3
Einzelnachweise
- ↑ Skolelinux für Schulen in Rheinland-Pfalz. In: heise online. 16. März 2009. Abgerufen am 17. März 2009.
Weblinks
- Liste der großen Linux-Nutzer im öffentlichen Dienst.
- Bundestux.de Informationen zur Linux-Nutzung in der öffentlichen Verwaltung
- kbst.bund.de – Migrationsleitfaden der Bundesregierung
- linux-kommunale.de Infos zur Umstellung auf Linux
- Mülheim Ruhr entwickelt Open source Software
- Bundestag.de – Erfolgreiche Umstellung auf Linux
- Die Kommunen und GNU/Linux
Ausland
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