Manfred Wilke

Manfred Wilke

Manfred Wilke (* 2. August 1941 in Kassel) ist ein deutscher Soziologe und Zeithistoriker. Er war bis August 2006 Professor für Soziologie an der Fachhochschule für Wirtschaft Berlin (FHW) und bis zu seiner Pensionierung einer der beiden Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat an der FU Berlin. Seit 2005 ist er Mitglied des Vorstandes der Berliner CDU.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Manfred Wilke kam nach seiner Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann an die Hochschule für Wirtschaft und Politik in Hamburg (HWP), einer Einrichtung des Zweiten Bildungsweges. Von 1967 bis 1970 absolvierte er ein Studium der Soziologie mit dem Abschluss Diplom-Sozialwirt. An der Hamburger Universität setzte er danach sein Studium fort, Schwerpunkte waren Pädagogik, Politische Wissenschaft und Soziologie. Parallel zur wissenschaftlichen Arbeit intensivierten sich seine Kontakte zum Deutschen Gewerkschaftsbund. Im Jahre 1976 promovierte er – gemeinsam mit seinem Kommilitonen und späteren Kollegen Reinhard Crusius – an der Universität Bremen zum Thema „Gewerkschaftliche Berufs- und Jugendpolitik“.

Von 1976 bis 1980 war Wilke wissenschaftlicher Assistent an der Technischen Universität Berlin, danach von 1980 bis 1981 Landesgeschäftsführer der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Nordrhein-Westfalen. Nach seinem Ausscheiden als hauptamtlicher Gewerkschaftsfunktionär kehrte er nach Berlin zurück, wo er sich 1981 an der Freien Universität (FU) Berlin als politischer Soziologe mit der Arbeit „Gewerkschaften und Beruf“ bei Theo Pirker habilitierte.

Im Zuge seiner wissenschaftlichen Arbeit und durch persönliche Kontakte zu mittelosteuropäischen Oppositionellen, wie z. B. Jiří Pelikán, Jan Pauer, Robert Havemann, Wolf Biermann und Jürgen Fuchs aus der DDR, verstärkte sich sein politisches Engagement für Dissidenten in der DDR, in der Tschechoslowakei und in Polen. Vor dem Hintergrund der Biermann-Ausbürgerung 1976 und der Verhaftung des DDR-Schriftstellers Jürgen Fuchs gründete Wilke gemeinsam mit Hannes Schwenger, Otto Schily u. a. das Schutzkomitee Freiheit und Sozialismus, das sich für die Verhafteten und deren Freilassung einsetzte. Später regte er das friedenspolitische Engagement an, was 1982 zum „Berliner Appell“ von Havemann und Rainer Eppelmann führte.

Mit der Unterstützung Pirkers erhielt Wilke vom Bundesministerium für Innerdeutsche Beziehungen 1984 ein DDR-Forschungsprojekt zur Westarbeit der SED. Die Geschichte des Kommunismus wurde dann der zweite Themenschwerpunkt seiner wissenschaftlicher Arbeit.

1985 wurde Manfred Wilke Professor für Soziologie an der FHW Berlin, wo er in den folgenden Jahren weitere Studien zu gewerkschaftlichen Themen sowie über die DKP veröffentlichte. Die Auseinandersetzung um die Hinterlassenschaften der SED-Diktatur führten Wilke, gemeinsam mit den Wissenschaftlern Manfred Görtemaker, Siegward Lönnendonker, Bernd Rabehl und Klaus Schroeder, zu der Initiierung eines Forschungsverbundes SED-Staat. Die Freie Universität Berlin bot dazu ihre Unterstützung an. Im März 1992 wurde der Verbund offiziell gegründet. Der Name „SED-Staat“ verdeutlicht, dass es dem Verbund schwerpunktmäßig auf die Erforschung der politischen Herrschaftsordnung der DDR, der Partei und der kommunistischen Diktatur ankomme. Die Forschungsergebnisse und Publikationen des Forschungsverbundes führten häufig zu öffentlichen kontroversen Diskussionen. Als einer der beiden Leiter des Forschungsverbundes hat Wilke seit 2000 die Forschungsreihe „Diktatur und Widerstand“ in bisher 13 Bänden herausgegeben.

Seinen politischen Weg begann Manfred Wilke Anfang der 1960er unter dem Einfluss von Mitgliedern der verbotenen Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), die zugleich Gewerkschafter waren. Noch 1960 trat er selbst in die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen ein. 1961 wurde er Mitglied der SPD, später im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS). An der Akademie für Wirtschaft und Politik war er SDS-Vorsitzender. Politisch näherte er sich den Trotzkisten an. In den 1970er Jahren engagierte er sich sowohl für Oppositionelle und Dissidenten in Osteuropa als auch gegen die Versuche der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), die Gewerkschaften des DGB zu unterwandern. In den 1980er Jahren näherte es sich, obwohl noch SPD-Mitglied, immer mehr der CDU an. Seine hochschulintern umstrittene Berufung als Professor für Wirtschaftssoziologie an die Fachhochschule für Wirtschaft in Berlin im Jahr 1985 erfolgte bereits mit massiver Unterstützung durch die CDU. 1994 verließ er die SPD, 1998 wurde er Mitglied der CDU. Seit 2005 ist er Mitglied des Vorstandes der Berliner CDU.

Mitgliedschaften

Neben seiner eigentlichen wissenschaftlichen Arbeit hatte und hat Manfred Wilke auch wissenschaftspolitische Funktionen inne:

  • Von 1992 bis 1994 sachverständiges Mitglied der Enquete-Kommission des 12. Deutschen Bundestages „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“
  • Sachverständiges Mitglied der Nachfolge-Kommission des 13. Deutschen Bundestages „Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozeß der deutschen Einheit“
  • Mitglied im Beirat der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, BStU
  • Beiratsmitglied der Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen
  • Mitglied im Stiftungsrat der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (Stiftung Aufarbeitung)
  • Kuratoriumsmitglied der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO).

Beratung

Bei der Produktion des Kinofilms „Das Leben der Anderen“ von Florian Henckel von Donnersmarck wirkte er als wissenschaftlicher Berater.

Forschungsschwerpunkte

  • Geschichte und Politik der Gewerkschaften in der Bundesrepublik und der DDR
  • Geschichte des Kommunismus
  • Opposition und Widerstand im „realen Sozialismus
  • Geschichte der SED-Herrschaft

Werke (Auswahl)

  • (Hg. mit Rudi Dutschke), Die Sowjetunion, Solschenizyn und die westliche Linke, Reinbek 1975.
  • (Hg. mit Reinhard Crusius), Entstalinisierung. Der XX. Parteitag der KPdSU und seine Folgen, Frankfurt/M. 1977.
  • (Hg. mit Crusius, Schiefelbein), Betriebsräte in der Weimarer Republik, 2 Bde., Berlin 1976
  • (Hg. mit Lutz Mez), Der Atomfilz, Beiträge von Havemann, Flechtheim, Barnaby u. a., Berlin 1977
  • (Hg. mit Jiri Pelikan), Menschenrechte, Ein Jahrbuch zu Osteuropa, Reinbek 1977.
  • (mit Ossip K. Flechtheim, Wolfgang Rudzio, Fritz Vilmar), Der Marsch der DKP durch die Institutionen. Sowjetmarxistische Einflussstrategien und Ideologien, Frankfurt/M. 1980.
  • (mit Hans-Peter Müller), Zwischen Solidarität und Eigennutz. Die Gewerkschaften des DGB im deutschen Vereinigungsprozess, Melle 1992.
  • (Hg.), Die Anatomie der Parteizentrale. Die KPD/SED auf dem Weg zur Macht, Berlin 1998.
  • (Hg. mit András B. Hegedüs), Satelliten nach Stalins Tod, 17. Juni 1953 und Ungarische Revolution 1956, Berlin 2000.
  • (Hg. mit Jürgen Mahrun), Raketenpoker um Europa, München 2001.
  • (unter Mitarb. von Andreas Graudin), Die Streikbrecherzentrale. Der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund und der 17. Juni 1953, Berlin 2004.
  • (Hg. mit Hermann Weber, Erhart Neubert, Ulrich Mählert u. a.), Jahrbuch für historische Kommunismusforschung, Berlin 2006.
  • Der SED-Staat. Geschichte und Nachwirkungen, Weimar 2006. Rez.: [1]
  • Der Weg zur Mauer, Stationen der Teilungsgeschichte, Ch. Links Verlag, Berlin 2011 ISBN 978-3-86153-623-9

Weblinks


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