Hannes Schwenger

Hannes Schwenger

Hannes Schwenger (* 26. Dezember 1941 in Meiningen) ist ein deutscher Literaturwissenschaftler, Publizist und Schriftsteller.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Geboren im thüringischen Meiningen, wuchs Hannes Schwenger in Würzburg auf und lebt seit 1963 in Berlin.

In Würzburg nahm er ein Germanistikstudium auf, das er in Berlin fortsetzte und 1974 mit einer Promotion an der Freien Universität Berlin abschloss. Im selben Jahr wurde er Habilitationsstipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft und erforschte (zusammen mit Hartmut Frech) die „Autorenausbildung/Internationaler Vergleich“ für die Konferenz „Autorenausbildung an der Integrierten Gesamthochschule“. 1977/78 arbeitete Schwenger als Lehrbeauftragter am Institut für Medienwissenschaft und Literatursoziologie der TU Berlin mit Friedrich Knilli zusammen. Er nahm auch noch einen Lehrauftrag am Institut für Publizistik der FU Berlin wahr, bemühte sich jedoch nie um einen Professorentitel (apl. Prof. oder Hon.Prof.), sondern arbeitete stets als Freelancer. Nach einer längeren Pause vom Universitätsbetrieb war Schwenger wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsverbund SED-Staat, der mit Unterstützung des Präsidiums der FU Berlin gegründet wurde: von 1996 bis 1999 bei einem Projekt zur Bildenden Kunst in der DDR und erneut von 2002 bis 2004 bei einem Projekt im Auftrag der ARD.[1][2]

Neben seinen wissenschaftlichen Tätigkeiten war er bereits seit Anfang der 1960er Jahre Verleger und bei verschiedenen Kulturzeitschriften als Redakteur, Chefredakteur oder Herausgeber tätig, so für „die sonde“ (1960, u. a. mit Karl Heinz Roth), „Literatur Revue“ (1962), „Berlin im Spiegel“ (1963 ff), „Heute“ (1966) und den „Berliner Extra Dienst“ (1967 ff). Als freier Autor, Rezensent und Publizist veröffentlichte er parallel dazu u. a. im Rundfunk für den Sender Freies Berlin, den Südwestfunk, den RIAS und den Deutschlandfunk (England-Redaktion) und in Printmedien wie die Stuttgarter Zeitung, Die Zeit, Vorwärts, Tagesspiegel, Die Welt und die Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie.

Für den Deutschlandfunk produzierte er mehrere umfangreiche Sendereihen über literarische und kulturelle Themen, und von 1989 bis 1992 war er Mitherausgeber der „Edition Malerbücher“, von 1989 bis 1995 Mitherausgeber und Redakteur der Zeitschrift „Litfass“.

Als Buchautor fand u. a. seine satirisch-ironische Zitatensammlung von und über Klaus Schütz mit dem Titel Worte des Regierenden Klaus einige Aufmerksamkeit. Diese Zitatensammlung hatte nur einen Umfang von 28 Seiten und ähnelte in Aufbau, Form und Aussehen der Mao-Bibel. Ebenfalls große Beachtung fanden 1966 bzw. 1969 seine zwei kritischen Bücher über christliche Sexualpädagogik bzw. über christliche Aufklärungstraktate.

Gesellschaftspolitisches Engagement

Nach seinem Umzug nach Berlin trat Hannes Schwenger der SPD bei. 1967 entschied er sich aus Protest gegen die Große Koalition für einen vorübergehenden Austritt. Ab 1967 gehörte er mit Walter Barthel, Martin Buchholz, Carl Guggomos, Rainer Hachfeld und Horst Tomayer zum Redaktionskollektiv des Berliner Extra-Dienstes. An der „Enteignet Springer“-Kampagne der APO von 1968 war er als Redakteur des Berliner Extra-Dienstes aktiv beteiligt, entwarf das Logo[3] und verbreitete Artikel von Springer-Journalisten aus der Nazizeit. Diese bekam Schwenger in Ostberlin von Hans Joachim Kittelmann (Mitglied des DDR-Journalistenverbandes und Mitarbeiter der Stasi). Ein Sonderheft des „Extrablattes“ (Vorläufer des Berliner EXTRA-Dienstes) über „Nazis bei Springer“ wurde von der DDR finanziert. Schwenger will schon damals Einflussversuche der Stasi bemerkt haben und, im Gegensatz zu Günter Wallraff, dessen Verleger er als Geschäftsführer der „Edition Voltaire“ 1969-1972 war, widerstanden haben. Einen Boykott der Axel Springer AG hat Hannes Schwenger, ebenfalls im Gegensatz zu Günter Wallraff, stets abgelehnt und später auch selbst Texte für Springer-Blätter geschrieben. Das von ihm und anderen Intellektuellen 1976 begründete Schutzkomitee Freiheit und Sozialismus setzte sich als erstes für die Freilassung von Jürgen Fuchs und dann auch für die Freilassung anderer politischer Gefangener in der DDR ein. Schwenger nahm Kontakt zu Angehörigen der Inhaftierten auf, betreute sie und verschaffte den sonst anonymen Einzelschicksalen in der Bundesrepublik eine Öffentlichkeit. Die gesammelten Erfahrungen brachte er 1996 bis 1998 als Mitarbeiter für den Forschungsverbund SED-Staat ein.

Eine große Klammer zu seinem wissenschaftlichen und kreativen Wirken bildete nicht zuletzt seine Gewerkschaftsarbeit, die intern auch die kritische Betrachtung des gewerkschaftlich organisierten Schriftstellerverbandes nicht scheute.[4] So war Schwenger Mitinitiator der Gruppe „Literaturproduzenten“ und der Fachgruppe Buchhandel und Verlage in der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen. In der IG Medien war er von 1971 bis 1977 Vorsitzender des Verbandes deutscher Schriftsteller (VS), später dann im Vorstand des VS-Landesverbandes Berlin und bis 1995 Geschäftsführer des Bundesverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler.

1979 initiierte und führte Schwenger ehrenamtlich den Autoren- und Künstlerverlag „Edition Mariannenpresse“.[5]

Werke

Lyrik & Prosa

  • Untergang des Abendlandes durch Spinat. Gedichte und Prosa. Holzstiche von Klaus Büscher. Ed. Mariannenpresse, Berlin 1986
  • Mauerstückchen. Eine märchenhafte Geschichte. Grafik von Klaus Büscher. Ed. Mariannenpresse, Berlin 1996
  • Robert fliegt. Eine Gespenstergeschichte. Radierungen: Rainer Bonar. Ed. Mariannenpresse, Berlin 2002

Sachbücher

  • Das Weltbild des katholischen Vulgärschrifttums. Sonderreihe aus Gestern und heute. Verl. Gestern u. heute, K. Hirsch, München 1965
  • Worte des Regierenden Klaus. Extra Dienst, Berlin 1968
  • berliner wort-führer. Neue Worte des Regierenden Klaus. Extra Dienst, Berlin 1969
  • Antisexuelle Propaganda. Sexualpolitik in der Kirche. rororo sexologie, Reinbek 1969
    • Ins Italienische von Anna Giberti: La propaganda antisessuale. Bompiani, Mailand 1972
  • Literaturproduzenten!. Handbuch, zus. mit Frank Benseler und Hannelore May. Edition Voltaire, Berlin 1970
  • Für eine IG Kultur. Die Gewerkschaftsfrage, eine Bündnisfrage. Flugschrift, zus. mit Martin Walser. Edition Voltaire, Berlin 1971
  • Autorenausbildung an der Integrierten Gesamthochschule. Forschungsbericht, zus. mit Hartmut Frech. 1973
  • Das Ende der Unbescheidenheit. S. Fischer, Frankfurt am Main 1974
  • Schriftsteller und Gewerkschaft. Ideologie, Überbau, Organisation. Sammlung Luchterhand, Neuwied 1974
  • Solidarität mit Rudolf Bahro. Briefe in die DDR. rororo aktuell. 1978
  • Literaturproduktion. Zwischen Selbstverwirklichung und Vergesellschaftung. Sammlung Metzler, Stuttgart 1979
  • Im Jahr des Großen Bruders. Orwells deutsche Wirklichkeit. Serie Piper, München 1983
  • Ernst Reuter. Ein Zivilist im Kalten Krieg. Biografisches Porträt, Serie Piper, München 1987
  • Das Schutzkomitee Freiheit und Sozialismus. Sonderheft der Zeitschrift „europäische ideen“. Nachwort von Jürgen Fuchs. 1995
  • Die polnische Teilung des Verbandes Deutscher Schriftsteller. Schriftenreihe des Forschungsverbunds SED-Staat, Berlin 1999
  • Neue Beiträge zu Leonhard Frank. Zus. mit Peter Cersowsky, Hans Steidle. Leonhard Frank Gesellschaft, Würzburg 2003

Herausgeberschaften

  • In schwarzen Garnen. Gedichte. 1961
  • Berlin zum Beispiel. Lyrik Prosa und Grafik aus beiden Teilen Berlins. Staneck Verlag, Berlin 1964
  • Berlin im Widerstand. Staneck, Berlin 1965
  • Kunst machen und von Kunst leben. Tagungsbericht der Evangelischen Akademie Loccum. 1975
  • Carl Friedrich Treber. Sächsische Kindheit. Ullstein Verlag, Frankfurt am Main 1980
  • Die Stunde Eins. Anthologie zur Nachkriegsliteratur. Gemeinsam mit Bernd Schmidt. dtv, München 1982
  • Leonhard Frank: Von drei Millionen drei. Im Nachwort kommentierte Neuausgabe. Konkret-Literatur-Verlag, Hamburg 1982
  • Menschen im Büro. Von Kafka bis Martin Walser. dtv, München 1984
  • Doppeldecker. Lyrik Prosa und Grafik aus ganz Berlin. T. Müller, Berlin 1990

Einzelnachweise

  1. sed-staat.de Forschungsverbund SED-Staat an der FU Berlin
  2. fu-berlin.de Zeitschrift des Forschungsverbundes mit Artikelnachweisen von Hannes Schwenger
  3. dhm.de Logo zu „Enteignet Springer“-Kampagne, Button in der Datenbank des DHM
  4. dradio.de Tagung des Verbandes deutscher Schriftsteller (VS) in Saarbrücken in Erinnerung an den VS "beschädigende" Ereignisse von 1984. Von Jens Brüning in einem Kalenderblatt vom 2. April 2004, Deutschlandradio Berlin
  5. mariannenpresse.de Website der nach 30 Jahren seit 2009 eingestellten Mariannenpresse

Weblinks


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