Nordische Megalitharchitektur

Nordische Megalitharchitektur

Die nordische Megalitharchitektur entstand im Wesentlichen zwischen 3500 und 2800 v. Chr. Sie ist primär ein Produkt von Gruppen der Trichterbecherkultur. Unter anderem hat Ewald Schuldt in Mecklenburg-Vorpommern zwischen 1964 und 1974 über 100 Anlagen der verschiedenen Typen (Urdolmen, erweiterte Dolmen - auch Rechteckdolmen genannt -, Ganggrab, Großdolmen, Hünenbetten ohne Kammer und Steinkiste ausgegraben. Daneben existieren z.B. die teilweise später entstandenen Typen Grabkiste, Röse und Polygonaldolmen. Neolithische Monumente sind Ausdruck der Ideologie neolithischer Gesellschaften. Ihre Entstehung und Funktion ist abhängig von der sozialen Entwicklung. [1]

Nordischen Megalitharchitektur und andere artifizielle Lösungen

Inhaltsverzeichnis

Elemente

E. Schuldt unterteilte die Architekturelemente in:

Kammeraufbau

Schematischer Aufbau
Größenmuster der Typen
Überlieger
Einfassungsvarianten

Ein wesentlicher Unterschied im Kammeraufbau besteht zwischen den Anlagen, deren Decksteine ausschließlich in Dreipunkt-Auflage, und jenen Anlagen, deren Decke auch in Jochkonstruktion (Zweipunktauflage) aufgelegt wurden. Die für den Wand- und Deckenbau ausgewählten Findlinge hatten neben der entsprechenden Größe mindestens eine relativ flache Seite. Mitunter wurde diese durch Spalten eines Steines, vermutlich durch Sprengen mittels Erhitzen und Abschrecken, hergestellt. An den Schmalseiten von Großdolmen wurden statt der Findlinge auch Platten aus Rotsandstein für den Wand- oder Zwischenwandaufbau benutzt, der im Übrigen die Lücken zwischen den Tragsteinen auffüllt.

Den nurmehr wenig eingetieften Tragsteinen der Phase nach den Urdolmen wurden durch Standplatten und Verkeilsteine der nötige Halt im Boden verschafft. Durch eine leichte Neigung nach innen und eine äußere Stampflehm- oder Steinpackung wurden Tragsteine von Jochanlagen statisch besonders gesichert, während die Tragsteine von Anlagen mit dreipunktaufgelegten Decksteinen grundsätzlich senkrecht stehen.

Überlieger

In Dänemark haben einige Anlagen einen mehrschichtigen (zumeist zweischichtigen) Wandaufbau. Der Rævehøj von Dalby auf der dänischen Insel Seeland zeigt einen drei- bis vierschichtigen Wandaufbau, wodurch die Kammerhöhe der ansonsten eher unter 1,75 m hohen Kammern auf über 2,5 m anwächst. In einer der Anlagen von Neu Gaarz und Lancken-Granitz Mecklenburg ist er partiell zweischichtig. In Liepen (Mecklenburg) und an einigen anderen Plätzen ist er im Bereich der etwa 0,5 m vorstehende Überlieger mehrschichtig.

Die verarbeiteten Decksteine haben selten ein Gewicht von mehr als 20 Tonnen, dagegen sind im übrigen Megalithgebiet im Einzelfall Gewichte von über 100 Tonnen (Browneshill-Dolmen im County Carlow in Irland und Dolmen de la Pierre Folle (150 to) bei Montguyon in der Charente in Frankreich) vertreten. Der Grundriss der Kammern ist nur selten quadratisch, sondern eher oval, polygonal, rechteckig (auch gebaucht), rauten- oder trapezförmig.

Zwischenmauerwerk

Hauptartikel: Zwischenmauerwerk

Während die Wandsteine vieler kleinerer Anlagen eng aneinander stehen, können die mit Zwischenmauerwerk (in Schweden "Dichtung" genannt) gefüllten Lücken zwischen den Tragsteinen bei Großdolmen und Ganggräbern sogar über einen Meter breit sein. Auf Seeland zeigt die Kammer eines Ganggrabes auf Dysselodden allerdings das genaue Gegenteil. Hier wurden übermannshohe Tragsteine so genau aneinandergepasst, dass man kein Blatt Papier in die Fugen bekommt.

Zugänge

siehe Dolmenzugang

Dielen, Unterdielenbereich

Dielen sind für alle Kammern obligatorisch, die meist durch den Schwellenstein vom im Normalfall ungepflasterten Gang, getrennt sind. Die Vorkammern von Großdolmen blieben zumeist ohne Dielung. In einigen Fällen wurden auch die Gänge mit Dielen ausgestattet. In diesen Fällen wurde der ursprüngliche Kammerraum vielleicht mittels eines zweiten, weiter zum Eingang hin liegenden Schwellensteins erweitert.

Das Dielenmaterial ist lokal sehr verschieden, besteht aber oft aus einem sorgsam verlegten Pflaster, über das ein Lehmestrich gezogen wurde. Neben Rotsandstein als Grus und Platten kamen gelegentlich auch geglühter Feuerstein, Flintgrus, reiner Lehm, Rollsteine sowie Gneis- und Schieferplatten zum Einsatz. Auch Lagen aus Gefäßscherben und Kombinationen aus mehreren dieser Materialien kommen vor. Die Stärke der Dielung schwankt zwischen drei und zehn cm. Einmalig ist eine Dielung in Sassen, (Mecklenburg) wo dünne Rotsandsteinplatten senkrecht gestellt verlegt und nicht mit Lehmestrich versehen waren. Der Dieleneinbau bildete offenbar den Abschluss der Baumaßnahme. Welch Bedeutung die Dielen hatten, zeigt die Tatsache, dass sie von den Nachnutzern entweder entfernt und erneuert oder mittels einer höher gelegenen Diele überdeckt wurden. Dielen wurden besonders in Mecklenburg-Vorpommern und Schweden auch in Quartiere unterteilt.

Quartiere bzw. Sektionen

siehe Quartiere

Ausfeuerung

Nach Ansicht von E. Schuldt wurden die Kammern im Kontext mit Ausräumungen grundlegend gesäubert und in ihnen Feuer entfacht. Singuläre Brand- und Versengungsspuren an den Gebeinen zeigen aber an, dass Feuer auch während der sukzessiven Belegung und nicht nur in Kombination mit Konsekration oder Ausräumung brannten. 17 der 106 von Schuldt untersuchten Anlagen hatten rot geglühte Dielen.

Hügel und Hügeleinfassung (Hünenbett)

Länge der Hünenbetten Schleswig-Holsteins

Die neolithischen Hügel über den Megalithanlagen bestehen zumeist aus Erde. Das Material stammt stets aus der näheren Umgebung und war oft mit Steinen durchsetzt. "Rollsteinhügel" sind Erdhügel, die mit einer Schicht aus Rollsteinen bedeckt wurden. Eine solche Bedeckung konnte bei ca. 50% der untersuchten Anlagen in Mecklenburg nachgewiesen werden, einige wenige (Serrahn (Kuchelmiß) und Wilsen) weisen noch die komplette Rollsteinschicht auf.

Im Landkreis Cuxhaven fanden sich vom Torf überwachsene Anlagen, die heute durch die Absenkung des Wasserspiegels zutage treten. Diese Megalithanlagen haben keine Überhügelung. Sie werden von einigen Forschern als Beleg dafür gewertet, dass nicht alle Anlagen überhügelt waren. Bei diesen Anlagen ist jedoch unklar, ob der Erdhügel nicht schon bald nach der Errichtung der Erosion zum Opfer gefallen ist[2].

Die langrechteckige Einfassung des Hügels, aus mehr oder minder großen Randsteinen ist in der nordischen Megalitharchitektur verbreitet. Sie wird in Deutschland Hünenbett (in Holland Hunebed) genannt. Daneben gibt es runde, D-förmige (Lübeck-Blankensee, Gowens/Plön) und trapezförmige Einfassungen, von denen in Mecklenburg-Vorpommern 17 (bei fünf verschiedenen Kammertypen) ausgegraben wurden. Die Geometrie der Einfassung ist unabhängig vom Typ oder der Form der Kammer, die sie umgibt. Die in Hünenbetten liegenden Dolmen oder Ganggräber können rechteckig, trapezförmig oder eher oval sein. Die Kammern in den Hünenbetten können längs (zumeist bei Hünenbetten mit Urdolmen) oder quer (Querlieger - meist bei Anlagen mit Gängen) im Hügel liegen. Ein Beispiel sind die Hünenbetten von Grundoldendorf Gemeinde Apensen, Kreis Stade. Es kommen auch mehrere Dolmen und Ganggräber innerhalb einer Einfassung vor (Ellested auf Fünen (5), Waabs bei Eckernförde (3). Es kommen auch unterschiedliche Anlagentypen im selben Hünenbett vor. In Idstedt wurde eine Kammer in einem ausgegangenen Rundhügel von 10 m Durchmesser nachgewiesen, der seinerseits Ausgangspunkt für die Erweiterung der Anlage zu einem Hünenbett war, das allerdings nur in Spuren nachzuweisen war.

Abmessungen

Die Einfassungen können die eigentliche Anlage allseitig sehr eng umgeben oder z.B. als 168 m lange und 4 - 5 m breite Einfassung (Lindeskov, auf Fünen) einen kleinen Urdolmen umgeben. Lindeskov ist das zweitlängsten Hünenbett Dänemarks (nach der Kardyb Dysse zwischen Tastum und Kobberup - mit 185 m). Zum Vergleich: Das längste deutsche Hünenbett liegt im Sachsenwald in Schleswig-Holstein und misst 154 Meter.[3]. In Polen ist die die längste Einfassung eines kammerlosen Hünenbettes 130 m lang. Eine 125 m lange Einfassung ebenfalls für ein Hünenbett ohne Kammer ist die längste in Mecklenburg-Vorpommern. Der Visbeker Bräutigam ist mit 104 m das längste Hünenbett Niedersachsens.

Einzelnachweise

  1. J. Müller In: Varia neolithica VI 2009 S. 15
  2. Wiechers-Weidner: Großsteingräber in Westfalen. 1985 S. 9
  3. Oft wird ein Hünenbett in Albersdorf (Holstein) mit 160 Metern als das längste Deutschlands genannt. Dieser Irrtum beruht auf einer falschen Angabe in Ernst Sprockhoffs Atlas der Megalithgräber Deutschlands - Schleswig-Hostein. Das Hünenbett ist tatsächlich nur 60 Meter lang, und so auch in der Landesaufnahme als LA53 verzeichnet)

Literatur

  • Deutsches Archäologisches Institut – Abteilung Madrid: Probleme der Megalithgräberforschung. Vorträge zum 100. Geburtstag von Vera Leisner. New York : de Gruyter Berlin u. a. 1990, ISBN 3-11-011966-8 (Madrider Forschungen 16).
  • Ewald Schuldt: Die mecklenburgischen Megalithgräber. Untersuchungen zu ihrer Architektur und Funktion. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1972 (Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte der Bezirke Rostock, Schwerin und Neubrandenburg. 6, ISSN 0138-4279).
  • Ernst Sprockhoff: Atlas der Megalithgräber. 3 Teil. Rudolf Habelt Verlag, Bonn 1966–1975, ISBN 3-7749-1326-9.
  • Ernst Sprockhoff: Die nordische Megalithkultur. W. de Gruyter & Co., Berlin u. a. 1938 (Handbuch der Urgeschichte Deutschlands 3).
  • Märta Strömberg: Die Megalithgräber von Hagestad. Zur Problematik von Grabbauten und Grabriten. Habelt, Bonn 1971, ISBN 3-7749-0195-3 (Acta Archaeologica Lundensia. Series in 8°. No. 9).
  • Jürgen E. Walkowitz: Das Megalithsyndrom. Europäische Kultplätze der Steinzeit. Beier & Beran, Langenweißbach 2003, ISBN 3-930036-70-3 (Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas. 36).
  • B. Zich: Vom Tumulus zum Langbett In: Archäologie in Deutschland 3 1999 S. 52

Siehe auch

Weblinks


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