Nouruz

Nouruz
Nouruz fällt auf den Frühlingsanfang

Nouruz (persisch ‏نو روز ‎, DMG Naurūz, næuˈɾuːz) ist der Name des altiranischen Neujahrs- und Frühlingsfestes, das am 20. oder am 21. März vor allem im iranischen Kulturraum gefeiert wird.

Seit dem 10. Mai 2010 ist Nouruz auf Beschluss der 64. Generalversammlung der Vereinten Nationen als internationaler Nouruz-Tag[1] anerkannt. Die Generalversammlung stellte in ihrer Erklärung fest, dass „Nouruz ein Frühlingsfest ist, das von mehr als 300 Mio. Menschen seit mehr als 3000 Jahren auf der Balkanhalbinsel, in der Schwarzmeerregion, im Kaukasus, in Zentralasien und im Nahen Osten gefeiert wird“. Am 30. September 2009 hatte die UNESCO den Nouruz-Tag in die Liste des Menschheitskulturerbes bzw. als UNESCO-Welterbe aufgenommen.[2]

Inhaltsverzeichnis

Etymologie

Der Kampf zwischen Stier (Symbol für die Erde) und Löwe (Symbol für die Sonne) als Sinnbild des Zoroastristischen Nouruz, Persepolis, Iran.

Wörtlich übersetzt heißt Nouruz „Neuer Tag“ (nou oder nau: neu, Ruz: Tag). Die Wörter Ruz, Roç oder Roj in iranischen Sprachen, die für Tag stehen, gehen auf das ur-indoiranische Rauça (sprich: Rautscha) zurück, was wiederum vom ur-indoeuropäischen *Leuk- stammt, woraus auch das Luç auf Russisch, Licht auf Deutsch, Leukós auf Griechisch, Lux auf Latein und Luys auf Armenisch entstanden sind. In iranischen Sprachen erfolgte eine Lautverschiebung von „l“ nach „r“ und wie im Russischen von „k“ nach „ç“.

Im altiranischen Avestisch wurde Raôçah tatsächlich für Licht benutzt, neu hieß nava. Die altpersische Form lautete Rauçah. Auf Alt-Indoarisch war Roçiş (sprich: Rotschisch) in Verwendung.

Der heutige Begriff Nou-Roz wurde zum ersten Mal im 2. Jahrhundert erwähnt.

Geschichte

Bis ins 1. Jahrhundert v. Chr. markierte in Persien die Sommersonnenwende den Jahreswechsel, der mit großen Erntefesten begangen wurde. Unter den Achämeniden (etwa 770 bis 300 v. Chr.) wurde die Frühlings-Tagundnachtgleiche zum offiziellen Jahresbeginn. In den persischsprachigen Ländern Iran, Tadschikistan und Afghanistan wird dieser Zeitpunkt bis heute von Astronomen auf die Stunde und Minute genau berechnet. An diesem Tag wurde die Charadsch-Steuer erhoben. Die Tradition des Neujahrsfestes hat sich bis heute erhalten und bis nach Ostafrika ausgebreitet.

Eine der bekanntesten Versionen zur Entstehung des Neujahrsfestes hat der persische Dichter Firdausi (um 940 bis 1020/1026) in seinem Schāhnāme („Königsbuch“) festgehalten. Firdausi legt die Einsetzung des Neujahrsfestes Nouruz in die Regierungszeit von Dschamschid. Dschamschid war der vierte König aus dem Geschlecht der Kayaniden. Er gebot über alle Bestien, Dämonen und Engel. Er war König und gleichzeitig oberster Priester des Ormozd (mittelpersisch für Ahura Mazda). Firdausi schreibt über Dschamschid:

„Da saß, wie die glänzende Sonn' auf der Luft,
Der Schah, der kein Gebot widerruft.
Juwelen ihm streuend standen sie,
den Tag Neujahrtag nannten sie.
Jahranfang, Hormus des Ferwedin
War's, als die Freude der Welt erschien.
...
Aus jenen Tagen solch froher Tag
Blieb uns von jenem Fürsten nach.“

Firdausi[3]

Bei den Parsen in Indien heißt dieser Tag daher immer noch Jamshēd-i Nawrōz.

In Persien war der Tag über die Jahrhunderte der wichtigste weltliche Feiertag, aber auch in den kurdischen Provinzen des Osmanischen Reiches galt er als gesetzlicher Feiertag. Er wurde als großes Volksfest begangen, bei denen Reiterspiele stattfanden und sich die Menschen auf Plätzen und in den Straßen versammelten, Feuer anzündeten und sich gegenseitig mit Wasser bespritzten. Zur Zeiten der Achämeniden war an Nouruz die Bevölkerung für eine gewisse Zeit nicht mehr steuerpflichtig. Der Tag war aber auch aus ganz anderen Gründen wichtig. Denn am Nouruz kamen Vertreter der unterworfenen Völker nach Persien und brachten dem persischen König Geschenke. Zur Zeiten der Arsakiden wurde dieser Tag zum Nationalen Feiertag erklärt.

Nach der Islamisierung Persiens wurde Nouruz an unterschiedlichen Tagen begangen. Zunächst lag Nouruz auf dem 18. Juni. Der Kalif al-Mutawakkil verlegte den Tag auf den 17. und al-Mu'tadid auf den 11. Juni. Bei einer Kalenderreform unter dem Seldschukenherrscher Malik Schah I. wurde Nouruz im Jahre 1079 auf den 15. März festgelegt. Heute wird Nouruz am 20. oder 21. März gefeiert.

Im Iran und bei den Kurden hat sich bis heute sein Charakter als Übergangsritual erhalten. Zur Vorbereitung auf den neuen Lebensabschnitt werden neue Kleider angezogen und als Zeichen für das Winterende werden Feuer angezündet, über die gesprungen wird und um die herum vor allem die Jungen tanzen und singen. Die Frauen bereiten ein Festessen vor und gemeinsam gehen Verwandte und Freunde in einen Park oder zu einem Ausflugsort. Manchmal wird eine Musikkapelle engagiert, meistens ziehen die Musiker von einer Versammlung zur nächsten und spielen je nach Geschmack Liebeslieder oder traditionelle oder politische Lieder.

Mit der Verbreitung nationalistischer Ideen im 20. Jahrhundert erhielt das Fest bei den Kurden eine stärkere politische Bedeutung. Sie feiern das Neujahr am 21. März als Symbol des in der iranischen Mythologie überlieferten erfolgreichen Widerstandes gegen Unterdrückung. Im Zentrum dieser Vorstellung stehen die Legenden um den Tyrannen Zohak (Dahak, Dahaq) und seinen Bezwinger, den Schmied Kaveh. Gemeinsam mit der Bevölkerung zog Kaveh los und erschlug Zohak. Aus Freude entfachten die Menschen ein Feuer, das die Nachricht im ganzen Land verbreitete. Dies hat sich der Überlieferung nach im Jahr 612 v. Chr. zugetragen. Historisch korrespondiert dieses Jahr mit dem Sieg der Meder über die Assyrer bei Ninive. In einer ebenfalls gängigen Form wird die Legende zum Ursprungsmythos erweitert.

Eine politische und nationalistische Bedeutung kommt dem Nouruz-Fest ebenfalls im Iran zu, wo seitens der Bevölkerung ein konstanter Widerstand gegen Versuche des islamischen Klerus geleistet wurde, die Bedeutung dieses auf die vorislamische iranische Geschichte zurückgehenden Festes zu relativieren, dessen Rituale, so z. B. das Tschahar Schanb-e Suri („Mittwochsfeuer“), zu verbieten oder dies beispielsweise durch den Besuch der Friedhöfe am ersten Nouruz-Tag mit Trauerzeremonien zu koppeln.

In der Türkei und in Syrien waren die Nevruz-Feiern jahrzehntelang verboten. Seit 1994 gilt Nevruz offiziell als ein alttürkisches Fest, das 1995 erstmals landesweit offiziell gefeiert wurde.

Im Bahai-Kalender ist Nouruz (Naw-Ruz) einer von neun Feiertagen, er markiert den Beginn des neuen Jahres und das Ende der neunzehntägigen Fastenzeit der Bahai.

Seit dem letzten Jahrhundert hat sich Nouruz weit über den Iran, der Türkei, den Irak, Syrien und Zentralasien verbreitet. Außerdem feiern heute Menschen Nouruz in Russland und im Balkan. Jedes Land hat seine spezifische Schreibweise und Aussprache des Begriffs „Nouruz“.

Bräuche, Zeremonien, Vorfeierlichkeiten und Verbreitung

Haft Sin zu Nouruz

Haft Sin

Nouruz findet am Frühlingsanfang, am 21. März statt (Nawe Calنوى کال‎ oder Sperli – „Neujahr“ oder „Frühling“ in der Sprache Paschtu, Sâle Noسال نو‎ – „neues Jahr“ auf Persisch). Wichtigster Bestandteil des Neujahrsfestes ist die Zubereitung des Haft Sin („Sieben S“, dessen Bestandteile unbedingt mit den Anfangsbuchstaben des persischen „S“ beginnen müssen, welche sind: Sekke – Münzen; Sib – Apfel; Somach – ein persisches Gewürz (Gewürzsumach); Sombol – die Hyazinthen; Sir – Knoblauch; Sabsi – wörtlich „Grünzeug“, meistens Kresse; und Serke – Essig), und des aus sieben Früchten bestehenden Neujahrsgetränks Haft Mewa. Es werden sieben Speisen zubereitet, die möglichst mit dem Buchstaben „S“ beginnen sollten und die sieben Tugenden des Zoroastrismus symbolisieren, und zusammen mit Samanak (Keimlinge aus sieben Getreidesorten), einem Spiegel, einer Kerze und einem heiligen Buch (dem Koran bei Muslimen, der Bibel bei Christen, der Avesta oder einem Bild Zarathustras bei Zoroastriern) auf einem Tisch gedeckt.

Tschahar Schanbe Suri

Darstellung von Tschahar Schanbe Suri („Mittwochsfeuer“) in Tschehel-Sotun-Palast, safawidische Epoche, Isfahan, Iran.
Tschahar Shanb-e Suri („Mittwochsfeuer“) bei einer kurdischen Newrozfeier in Istanbul

Am Vorabend des letzten Mittwochs wird das Tschahar Schanbe Suri („Mittwochsfeuer“) angezündet. Dieser Brauch gehört zu den wichtigsten Ritualen des Neujahrfestes (siehe auch Feuer von Sada).

Die Begehung dieses Festes lässt sich zurückverfolgen bis zu den zoroastrischen Vorfahren der heutigen iranischen Völker. Nouruz ist offizieller Feiertag im Nord-Irak (Autonome Region Kurdistan), im Iran, in Aserbaidschan, in Afghanistan, in Kasachstan, in Kirgisistan, teilweise und inoffiziell in Pakistan, in Syrien, in Tadschikistan, in Turkmenistan, in der Türkei, in Usbekistan (zwei Tage), in Georgien (ein Tag) und in Indien bei den Parsen als Jamschidi-Fest (siehe auch Holi). Gefeiert wird Nouruz auch bei den verbliebenen osmanisch-türkischen Bevölkerungsgruppen im südosteuropäischen Raum (Balkan) wie in Albanien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Griechenland, Moldawien, Mazedonien und Rumänien. Nouruz genießt eine sehr hohe Bedeutung bei allen kurdischen sowie belutschischen Stämmen und anderen hier nicht genannten iranischen Völkern.

Vor der Kalenderkorrektur durch den Astronomen Omar Khayyām 1079 wurde das Frühlingsfest zwischen Ende Februar und Ende März etwa 40 Tage lang gefeiert. Das Fest wird seit der Islamisierung der Gegend am Mausoleum, genannt nach dem Vetter und Schwiegersohn des Propheten Mohammed ʿAlī ibn Abī Tālib, in der nordafghanischen Stadt Mazār-i Scharif der Provinz Balch (ehem. Baktra) vierzig Tage lang unter dem Titel Melâe Gole Sorx („Tulpenfest“) gefeiert. Dort soll sich ein zoroastrischer Tempel befunden haben. Die Stadt ist eine heimliche Hauptstadt des Nowruz-Festes. Auch während der Talibanherrschaft wurde dort das Fest und dessen Zeremonien gefeiert.

Kalendarische Bedeutung

Mit Nouruz beginnt im Iran das neue Jahr. Die Zählung des neuen Jahres richtet sich im Iran als Land des indo-iranischen Kulturkreises nach dem Sonnenkalender. Es beginnt mit der Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche zwischen dem 19. und 21. März und daher zusammen mit dem astrologischen Tierkreiszeichen Widder. Das Neujahrsfest gehört neben dem Herbstfest Mehrgan zu den ältesten traditionellen Festen der zentralasiatischen Region und des indischen Subkontinents.

Das islamische Neujahr Hidschra ist nicht deckungsgleich mit dem Nouruzfest, da es sich nach dem islamischen Mondkalender mit nur 355 Tagen berechnet. Es wird stets im 12. islamischen Mondmonat nach der großen Pilgerfahrt Haddsch (Id al-Adha, „Kurbanfest“ oder „Opferfest“) als Ende des islamischen Mondjahres gefeiert. Es verschiebt sich jedes Jahr rückwärts um 10 oder 11 Tage innerhalb des Sonnenjahres, so dass 34 Mondjahre 33 Sonnenjahren entsprechen.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. International Nowruz Day
  2. http://www.un.org/News/Press/docs/2010/ga10916.doc.htm
  3. Friedrich Rückert: Firdosi's Königsbuch (Schahname) Sage I-XIII. 1890. Nachdruck: epubli GmbH, Berlin, 2010, S. 20. ISBN 978-3-86931-356-6

Weblinks

 Commons: Nouruz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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