Benjamin Netanyahu

Benjamin Netanyahu
Benjamin Netanjahu, 2003

Benjamin Netanjahu (hebräisch ‏בנימין נתניהו‎, auch Binjamin Netanjahu, in Israel landläufig Bibi genannt; * 21. Oktober 1949 in Tel Aviv) ist ein israelischer Politiker des konservativen Likud-Blocks. Er ist seit Dezember 2005 Vorsitzender des Likud.

Netanjahu war von Mai 1996 bis Mai 1999 israelischer Ministerpräsident. 1998 und in den Jahren 2002 bis 2003 bekleidete er das Amt des israelischen Außenministers. 2003 wurde er zum Finanzminister ernannt, legte das Amt jedoch Mitte 2005 aus Protest gegen die Siedlungspolitik der Scharon-Regierung nieder. Seit dem 31. März 2009 ist er erneut israelischer Ministerpräsident.

Mit der Wahl der 17. Knesset in Israel übernahm er im April 2006 das Amt des Oppositionsführers. Er strebte offenbar eine Fusion der Parteien Likud und Jisra'el Beitenu an, war im Gespräch für eine eventuelle Notstandsregierung wegen des israelisches Einmarschs im Libanon und der daraus zu erwartenden Konsequenzen und forderte danach den Rücktritt des damals amtierenden Ministerpräsidenten Ehud Olmert.

Nach den Wahlen zur 18. Knesset am 10. Februar 2009, bei denen der Likud knapp hinter Kadima folgte (27 zu 28 Mandaten), wurde er vom Präsidenten Shimon Peres mit der Regierungsbildung beauftragt.[1] Am 31. März 2009 übernahm Netanjahu erneut das Amt des Ministerpräsidenten.[2]

Inhaltsverzeichnis

Familie und persönlicher Hintergrund

Benjamin ist der Sohn von Zila und Ben-Tzijon Netanjahu. Sein Vater, Ben-Tzijon, ist Professor für jüdische Geschichte und ehemaliger Herausgeber der Hebräischen Enzyklopädie. Sein älterer Bruder Jonathan kam bei der Operation Entebbe im Jahre 1976 ums Leben und gilt in Israel als Kriegsheld. Sein jüngerer Bruder Iddo ist Radiologe und Schriftsteller. Alle drei Brüder dienten in der Sajeret-Matkal-Einheit.

Netanjahu ist zum dritten Mal verheiratet; aus erster Ehe hat er eine Tochter, Noa, und mit seiner heutigen Ehefrau Sarah hat er zwei Kinder. Obwohl er in Israel geboren ist, wuchs er in Cheltenham im US-Bundesstaat Pennsylvania auf. Seinen High-School-Abschluss erlangte er an der Cheltenham High School. Er besitzt einen Bachelor of Science in Architektur des Massachusetts Institute of Technology (MIT) und einen Master of Science in Management der MIT Sloan School of Management, außerdem hat er Politische Wissenschaften an der Harvard University und am MIT studiert.

Schließlich ist er auch Autor verschiedener Bücher über den internationalen Terrorismus und gilt als Experte auf diesem Gebiet.

1. Amtszeit als Ministerpräsident (1996 bis 1999)

Wahl und Amtszeit

Netanjahu wurde im Jahre 1996 nach einer Reihe von palästinensischen Selbstmordanschlägen auf israelische Zivilisten gewählt. Schimon Peres, der in den Umfragen führte, konnte die Terrorattacken nicht stoppen, weshalb das öffentliche Vertrauen in ihn rapide nachließ. So kam es am 3. und 4. März 1996 zu zwei tödlichen Anschlägen, die von palästinensischen Terroristen verübt wurden. In ihnen kamen 32 israelische Bürger ums Leben. Diese beiden Anschläge waren der hauptsächliche Anlass für den rapiden Vertrauensverlust Peres’. Anders als Peres vertraute Netanjahu nicht auf den guten Willen Yassir Arafats und machte jeglichen Fortschritt im Friedensprozess davon abhängig, dass die palästinensische Autonomie ihren Verpflichtungen – hauptsächlich den Terror zu bekämpfen – nachkam. Der Slogan seiner Kampagne war „Netanjahu – einen sicheren Frieden schaffen“.

Als Ministerpräsident handelte er mit Yassir Arafat das Wye-Abkommen aus, aber viele meinten, er versuche jeden Fortschritt aufzuhalten. Dafür sprach auch der am 2. August 1996 sehr umstrittene Entscheid, den vorher verfügten Baustopp von israelischen Siedlungen in den Palästinensergebieten wieder aufzuheben. In den folgenden Wochen erwirkte Netanjahu die Errichtung einer großen Anzahl neuer Siedlungen.

Seine kompromisslose Politik schien zunächst zu wirken: anders als unter seinem Vorgänger und Nachfolger gab es unter seiner Regierung relativ wenige Selbstmordanschläge innerhalb Israels. Im Jahre 1996 entschieden er und der Bürgermeister Jerusalems Ehud Olmert allerdings, einen Ausgang für den Klagemauer-Tunnel zu öffnen. Dies hatte dreitägige Unruhen der Palästinenser mit zahlreichen Toten auf beiden Seiten zur Folge.

Ablehnung der Bevölkerung und Nicht-Wiederwahl

Trotz seiner teilweisen Erfolge gegen den Terrorismus lehnten erst große Teile der Medien und der intellektuellen Oberschicht Israels Netanjahus Politik ab, bevor er nach einer langen Kette von Skandalen (einschließlich Gerüchten um seine Ehefrau) auch das Vertrauen der israelischen Öffentlichkeit verlor. Eine Untersuchung, die wegen Korruptionsvorwürfen gegen ihn lanciert wurde, trug schließlich ebenfalls zum Verlust des Vertrauens bei.

Dies alles gipfelte in den Wahlen von 1999, als Netanjahu von Ehud Barak geschlagen wurde und sich deshalb zeitweise aus der Politik zurückzog.

Nach der 1. Ministerpräsidentschaft (2000 bis 2007)

Verschiedene Ministerposten unter Scharon

Im Jahre 2002, nach dem Rückzug der Arbeitspartei aus der Regierung, ernannte Ministerpräsident Ariel Scharon Netanjahu zum Außenminister. Netanjahu forderte Scharon als Vorsitzenden des Likud heraus, scheiterte aber damit, Scharon seines Amtes zu entheben. Nach den Wahlen von 2003 akzeptierte Netanjahu das Amt des Finanzministers in der neuen Regierung Scharons.

Netanjahu der „Falke“

Netanjahu gilt innerhalb des Likud als Hardliner (auch „Falke“ genannt); er gehört zu den Gegnern eines unabhängigen Palästinenserstaates (er bevorzugt eine Selbstverwaltung unter israelischer Kontrolle), stimmte jedoch für den Scharon-Plan, den er aber stets fintenreich (wenn auch letztlich ohne Erfolg) hintertrieb. Innerparteilich war er ein Konkurrent des früheren israelischen Premierministers Ariel Scharon und versuchte, dessen Position durch die Forderung nach einem Referendum über den Abzugsplan zu schwächen. Als Finanzminister unternahm Netanjahu gewagte Pläne, um Israels Wirtschaft aus den Schwierigkeiten, in die sie während der Al-Aqsa-Intifada geraten war, zu befreien. Die Pläne waren relativ wirtschaftsliberal und provozierten deshalb starke Widersprüche. Am 7. August 2005 trat Netanjahu aus Protest gegen die Zustimmung des israelischen Kabinetts zur ersten Phase des Abzugs israelischer Siedler aus dem Gazastreifen vom Amt des Finanzministers zurück. Er begründete diesen Schritt damit, dass ein unilateraler Abzug Israel keine Vorteile brächte, vielmehr sei das Gegenteil der Fall. Der Abzug unterminiere die Sicherheit, spalte die Nation und sei nicht der Weg zum Frieden. Außerdem sei dies ein Schritt zu den Grenzen von vor 1967, die nicht militärisch zu verteidigen seien. Der Aktienmarkt reagierte mit Kursverlusten auf seinen Rücktritt.

Likud-Chef und Oppositionsführer

Am Abend des 19. Dezember 2005 stand Benjamin Netanjahu als Sieger der internen Vorwahl im Likud gegen Außenminister Silvan Shalom fest. Einige Wochen zuvor verließ Premier Ariel Scharon den Likud, um eine neue Bewegung namens „Kadima“ (Vorwärts) zu gründen. In der Kadima sind viele ehemalige Führungskräfte des Likud zu finden. Sharons Kadima wurden gute Chancen eingerechnet, die Wahlen am 28. März 2006 zu gewinnen, was auch geschehen ist. Durch einen Schlaganfall fiel Scharon aber ins Koma, worauf sein Stellvertreter Ehud Olmert interimistisch Ministerpräsident wurde. Nach der Wahl vom 28. März beauftragte der Präsident Mosche Katzaw Ehud Olmert mit der Regierungsbildung. Der Likudblock verlor massiv Stimmen durch den Wahlsieg der Kadima. Likud befand sich in der Opposition – die neue israelische Regierung bestand aus Kadima, der Arbeitspartei um Amir Peretz, der Rentnerpartei Gil und Schas.

Fusion des Likud mit der Partei Jisra'el Beitenu geplatzt

Inzwischen machten Gerüchte die Runde, dass die beiden rechten Parteien Likud und Jisra'el Beitenu fusionieren wollten. Das Programm hatte offenbar drei Stufen: erstens hätten die Wahlen zum Amt des Likud-Vorsitzenden auf Oktober 2007 vorgezogen werden sollen. Danach wäre zweitens das Parteibuch des Likud geändert worden, so dass neue Kandidaten außerhalb des Likud die Möglichkeit hätten, zu wählen und gewählt zu werden. „So können wir Leute wie den ehemaligen Generalstabschef Jaalon und Staatspräsident Mosche Katzaw in den Likud holen“, meinten Vertreter des Likud. In der dritten und letzten Stufe hätten Likud und Jisra'el Beitenu einen gemeinsamen Appell gestartet, der am Ende zur Fusion der beiden Parteien führen sollte. In geschlossenen Gesprächen nannte der Likud die neue Partei „Ha-Likud Beitenu“. Likud-Chef Netanjahu, und der Vorsitzende von Israel Beteinu, Avigdor Lieberman, drückten grundsätzlich ihre Übereinstimmung in Bezug auf eine Fusion der beiden Parteien aus [3]. Zwischenzeitlich sind die Fusionspläne auf Eis gelegt, denn durch den Einzug von Jisra'el Beitenu in die Regierung [4] befindet sich Netanjahu auf der Verliererseite und muss sein Vorhaben, kurzfristig mit der neuen Partei in die Regierung einzuziehen, fallen lassen. Ihm bleiben die guten Umfragewerte und die Rolle als Oppositionsführer.

Rückkehr ins Ministerpräsidentenamt?

Durch den am 12. Juli 2006 vollzogenen israelischen Einmarsch im Libanon wurden Gerüchte laut, dass Benjamin Netanjahu als Hardliner – wie auch Avigdor Lieberman, der Vorsitzende von Jisra'el Beitenu – in einer Notstandsregierung vertreten sein soll. Beide fordern einen härteren Umgang mit den Palästinensern. Ehud Olmert hat Netanjahus Meinung nach (und diese teilen gemäß Umfrage im Moment 63 % der Israelis) die Kriegsziele verfehlt. Daher fordert er unumwunden Olmerts Rücktritt. Durch die „Wiederauferstehung“ des Likudblockes könnten sich 45 % der Bevölkerung Netanjahu als nochmaligen Premier vorstellen.

Gemäß aktuellen Umfragen würde, wenn Neuwahlen stattfinden würden, Likud die regierende Kadima-Partei sogar überholen, indem sie 35 der 120 Sitze in der Knesset für sich beanspruchen könnte [5].

Netanjahu äußerte sich unlängst zu den Vorwürfen, die wegen des aus israelischer Sicht desaströsen Libanonkrieg an Ehud Olmert gerichtet wurden und bläst in dasselbe Horn, indem er erwähnt, dass die Bevölkerung offenbar das wenige Vertrauen, das sie in die Regierung hatte, wieder verloren habe. Es sei jetzt möglich, der Bevölkerung das letzte Wort zu geben. Damit spielt er auf vorgezogene Neuwahlen an, welche ihm nach den Umfragewerten wie erwähnt durchaus zum erneuten Sitz im Ministerpräsidentenamt verhelfen könnten. [6]

Nachdem es einige Zeit ruhiger um Netanjahu geworden ist, machte er durch seine Wiederwahl am 15. August 2007 wieder Schlagzeilen: Er wurde mit 73,2% recht deutlich als Vorsitzender des Likudblocks wiedergewählt, [7] allerdings fielen über 22% der Stimmen an seinen als rechtsextrem verschrienen Herausforderer Moshe Feiglin, was als Achtungserfolg gewertet wird. [8] Sein bisheriger Herausforderer im Likud, Silvan Shalom, verzichtete im Vorfeld auf eine Kandidatur.

2. Amtszeit als Ministerpräsident (seit 2009)

Wahl und Amtszeit

Nach den Wahlen zur 18. Knesset am 10. Februar 2009, bei denen der Likud knapp hinter der Kadima folgte (27 zu 28 Mandaten), wurde Netanjahu vom Präsidenten Shimon Peres mit der Regierungsbildung beauftragt.[9] Am 31. März 2009 übernahm Netanjahu erneut das Amt des Ministerpräsidenten.[10] Natanjahus Likud regiert nun in einer Koalition u.a. mit der nationalistischen Partei Jisra'el Beitenu von Avigdor Lieberman, der Arbeitspartei mit dem Parteichef Ehud Barak und der orthodoxen Shas-Partei. Das Kabinett umfasst 30 Ministerposten.[11]

Hauptaugenmerk der neuen Regierung liegt nach eigenen Angaben einerseits auf der Sicherheitspolitik in Bezug auf den Iran und die Palästinenser. Andererseits soll die schwache Wirtschaft unterstützt werden.[12]

Einzelnachweise

  1. reuters.com, Meldung vom 20. Februar 2009
  2. Neue israelische Regierung vereidigt
  3. Jedi’ot Acharonot vom 13. Juni 2006
  4. shn.ch „Ultrarechter in der israelischen Regierung“ vom 24. Oktober 2006
  5. derStandard.at, Meldung vom 24. März 2007
  6. sueddeutsche.de, Meldung vom 09. Mai 2007
  7. Text bei Reuters vom 15. August 2007
  8. taz-Meldung vom 15. August 2007
  9. reuters.com, Meldung vom 20. Februar 2009
  10. Neue israelische Regierung vereidigt, Die Welt
  11. Netanyahu stellt Mammut-Regierung vor, nzz.ch, 01. April 2009
  12. Netanyahu krempelt die Ärmel auf, Wiener Zeitung, 02. April 2009

Literatur und Weblinks



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