- Philippe Pétain
-
Henri Philippe Benoni Omer Joseph Pétain (* 24. April 1856 in Cauchy-à-la-Tour, Département Pas-de-Calais; † 23. Juli 1951 auf der Île d’Yeu) war ein französischer Militär und Politiker.
Er wurde im Ersten Weltkrieg nach seinen Abwehrerfolgen im Jahre 1916 („Held von Verdun“) Oberbefehlshaber der französischen Armee und prägte nach dem Krieg als Marschall von Frankreich und Generalinspekteur der Armee die Verteidigungsdoktrin Frankreichs. Im Vichy-Regime bekleidete er nach kurzer Tätigkeit als Ministerpräsident das Amt des Chef de l’État (Staatschef).
Inhaltsverzeichnis
Leben
Philippe Pétain wurde als Sohn des Bauern Omer-Verant Pétain und dessen Gattin Clotilde geboren. Von 1867 bis 1875 erhielt er eine Ausbildung im Kolleg Saint-Bertin in Saint-Omer und begann 1876 mit der Offiziersausbildung in der Militärschule Saint-Cyr.
Militärische Karriere
Pétain absolvierte nach der Militärakademie noch die École Supérieure de Guerre in Paris. Er war, abgesehen von einer kurzen Verwendung in Marokko, im französischen Mutterland eingesetzt und kommandierte als Oberst von 1911 bis 1914 das Infanterieregiment 33 in Arras; zu seinen dortigen Untergebenen zählte auch der junge Charles de Gaulle. Beeindruckt von der Feuerkraft der neuen Maschinengewehre (die neben der Artillerie die wichtigste Waffe des Ersten Weltkriegs werden sollten) wurde Pétain zum Gegner der offensiven Doktrin (Offensive à outrance) des französischen Heeres. Dies hatte zur Folge, dass er bei Ausbruch des Krieges trotz seiner bereits 58 Jahre zwar Brigadekommandeur, aber noch nicht General war. Den Rang eines Brigadegenerals erhielt er Ende August 1914 und führte in der Schlacht an der Marne die 6. Division. Ende des Jahres war er bereits Kommandeur des XXIII. Armeekorps. 1915 bewährte er sich in der Schlacht im Artois und der Zweiten Schlacht in der Champagne (nun in der Funktion des Oberbefehlshabers der 2. Armee) als einer der besseren Generäle der französischen Armee. Besonders in der Abwehrschlacht von Verdun 1916 konnte Pétain seine taktischen Grundsätze erfolgreich umsetzen, was ihm den Ehrentitel „Held von Verdun“ einbrachte. 1917 stieg er zum Oberbefehlshaber der französischen Armee auf. In dieser Funktion brachte er die nach dem Scheitern der Offensive an der Aisne und in der Champagne aufgeflammten Meutereien unter Kontrolle. Mit Kriegsende wurde er zum Marschall von Frankreich befördert und war nach Ferdinand Foch die führende Persönlichkeit in der Armee. Zudem war er bei Soldaten und Bevölkerung beliebt, da das Vermeiden von Verlusten ein zentrales Element seiner Strategie war. Seit 1922 setzte sich Pétain vehement für die Errichtung der Maginot-Linie ein. 1925 beendete eine massive französische Militärintervention unter Pétains Führung den Aufstand der Rifkabylen.
Politische Karriere
Ab 1930 wurde Pétain politisch aktiv und unterstützte rechte, antiparlamentarische Kräfte. 1934 wurde er Kriegsminister im Kabinett von Gaston Doumergue, 1939 Botschafter im franquistischen Spanien.
Am 18. Mai 1940 wurde er Vizeministerpräsident. Nach der Niederlage Frankreichs im Westfeldzug 1940 drängte Pétain auf einen Waffenstillstand, um die staatliche Existenz des Landes zu retten.
Nach der Niederlage beauftragte die Nationalversammlung den bereits 84-Jährigen Pétain mit der Bildung einer Regierung, die in Vichy im unbesetzten Teil Frankreichs ihren Sitz hatte. Ihm und seiner Regierung wurde von der Nationalversammlung die Vollmacht erteilt, eine neue Verfassung auszuarbeiten. Pétain nannte sich daher Chef de l’État und verfügte über nahezu absolute Vollmachten. Das Lied Maréchal, nous voilà wurde in Vichy-Frankreich zu Ehren von „Maréchal Pétain“ während des Zweiten Weltkrieges als inoffizielle Nationalhymne meist direkt nach der Marseillaise gespielt.
Im Prozess von Riom verurteilte seine Regierung einige Vorkriegspolitiker. Seit 1941 verlor das konservativ-autoritäre Vichy-Regime immer mehr seinen Rückhalt in der Bevölkerung, vor allem, weil Pétain sein ursprüngliches Versprechen nicht einhielt, nur sehr eingeschränkt mit Deutschland zu kooperieren.
Im Juli 1942 begannen die französische Polizei und Verwaltung mit der Deportation ausländischer und französischer Juden in die deutschen Vernichtungslager. Am 11. November 1942 besetzten deutsche Truppen den bisher „unbesetzten“ Teil Frankreichs als Reaktion auf die alliierte Landung in Nordafrika. Durch die Unterstützung Hitlers gewann Pierre Laval als Ministerpräsident zunehmend an Einfluss.
Pétain wurde 1944 nach der Landung der Alliierten in der Normandie interniert und mit seinem Stab ins Schloss Sigmaringen im Besitz des Fürsten von Hohenzollern untergebracht. Mit der Regierung kamen rund 2000 Vichyfranzosen ins Exil der damals 5600 Einwohner zählenden Stadt Sigmaringen. Aus der süddeutschen Kleinstadt wurde formal bis zum 21. April 1945 die „Hauptstadt des besetzten Frankreichs“.
Pétain reiste von Sigmaringen zuerst in die Schweiz aus, wo er einige Zeit in Weesen am Walensee verbrachte. Am 26. April stellte er sich dem französischen Obersten Gerichtshof. Am 14. August 1945 wurde Pétain von einem französischen Kriegsgericht wegen Kollaboration mit Nazideutschland zum Tode verurteilt. Die Strafe wurde durch seinen späteren indirekten Nachfolger Charles de Gaulle in lebenslange Haft und Verbannung auf die Insel Île d’Yeu umgewandelt. Pétain starb 1951 in der Verbannung.
Er wurde in Port-Joinville auf dem Friedhof der Île d’Yeu beigesetzt. Bis heute existiert ein für Pétain vorgesehenes Grab im Beinhaus von Douaumont (Ossuaire de Douaumont) bei Verdun. Um eine Umbettung dorthin zu erzwingen, wurden die Gebeine Pétains zwei Wochen vor den Wahlen zur Nationalversammlung des Jahres 1973 von Anhängern des Marschalls entwendet, zwei Tage später von der Polizei gefunden und am 22. Februar 1973 auf Anweisung von Staatspräsident Georges Pompidou wieder auf die Île d’Yeu überführt.[1]
Veröffentlichungen (Auswahl)
- Actes et écrits. Flammarion, Paris 1974 (2 Bde.).
- La bataille du Verdun. Édition Avalon, Paris 1986, ISBN 2-906316-02-4 (Nachdr. d. Ausg. Paris 1929).
- Discours aux Francais. 17 juin 1940–20 août 1944. Albin Michel, Paris 1989, ISBN 2-226-03867-1.
Literatur
- Gérard Boulanger: A mort la Gueuse! Comment Pétain liquida la République à Bordeaux, 15, 16 et 17 juin 1940. Calmann-Lévy, Paris 2006, ISBN 2-7021-3650-8.
- Pierre Bourget: Der Marschall. Pétain zwischen Kollaboration und Résistance („Un certain Phillipe Pétain“). Ullstein Verlag, Frankfurt/M. 1968.
- Christiane Florin: Philippe Pétain und Pierre Laval. Das Bild zweier Kollaborateure im französischen Gedächtnis; ein Beitrag zur Vergangenheitsbewältigung in Frankreich zwischen 1945 und 1995. Peter Lang, Frankfurt/M. 1997, ISBN 9783631318829 (zugl. Dissertation, Universität Bonn 1996).
- Günther Fuchs u.a.: Werden und Vergehen einer Demokratie. Frankreichs Dritte Republik in neun Porträts. Léon Gambetta, Jules Ferry, Jean Jaurès, Georges Clemenceau, Aristide Briand, Léon Blum, Édouard Daladier, Phillipe Pétain, Charles de Gaulle. Universitätsverlag, Leipzig 2004, ISBN 3-937209-87-5.
- Henry d’Humières: Philippe Pétain, Charles de Gaulle et la France. Lettres du Monde, Paris 2007, ISBN 978-2-7301-0212-4.
- Pierre Pelissier: Philippe Pétain. Hachette, Paris 1980, ISBN 2-01-005746-5.
Weblinks
Commons: Philippe Pétain – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Literatur von und über Philippe Pétain im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Manfred Wichmann: Tabellarischer Lebenslauf von Henri Philippe Pétain im LeMO (DHM und HdG)
- Kurzbiografie der Académie française (französisch)
Einzelnachweise
- ↑ Time Magazine, März 1973.
Vorgänger Amt Nachfolger Joseph Paul-Boncour Kriegsminister von Frankreich
9. Februar 1934–8. November 1934Louis Maurin Kategorien:- Staatspräsident (Frankreich)
- Verteidigungsminister (Frankreich)
- Mitglied der Académie française
- Befehlshaber im Ersten Weltkrieg (Frankreich)
- Marschall von Frankreich
- Person im Ersten Weltkrieg (Frankreich)
- Person (Französische Kollaboration)
- Mitglied der Académie des sciences morales et politiques
- Träger des Weißen Adlerordens
- Träger des Freiheitskreuzes
- Franzose
- Geboren 1856
- Gestorben 1951
- Mann
Wikimedia Foundation.