Ruger Boskovic

Ruger Boskovic
Rugjer Josip Bošković, Gemälde von R. Edge Pine, 1760

Rugjer Josip Bošković (* 18. Mai 1711 in Ragusa, damals autonome Stadtrepublik, heute Dubrovnik, Kroatien; † 12. Februar 1787 in Mailand, Italien) geboren und war ein Jesuit, Mathematiker und bahnbrechender Physiker, der auch in der Astronomie, Naturphilosophie und Dichtkunst sowie als Techniker und Geodät tätig war.

Inhaltsverzeichnis

Vielfalt an Namen und Tätigkeiten

In der Fachliteratur ist Bošković unter folgenden Namen präsent:

  1. Ruggiero Giuseppe Boscovich (hier die Autogramme: [1])
  2. Ruđer (Roger) Bošković
  3. Ruđer Josip Bošković
  4. Ruggero Giuseppe Boscovich
  5. Roger Joseph Boscovich , bzw. Roger Boscovich
  6. Josip Ruđer Bošković
  7. Rugjer (Rudjer) Josip Bošković (bzw. ohne Akzente geschrieben).
    (Reihung nach Google: 37000, 1900, 1300, 1000, <100 Links).

Boscovich sticht unter seinen Zeitgenossen durch die Vielfalt seiner Tätigkeiten hervor. Er zählt zu den letzten Universalgelehrten Südeuropas. Seine eigentliche Heimat sah er in Italien, wo er den Großteil seines Lebens verbrachte. Als Wissenschaftler und Berater war er auch im Kirchenstaat, in Österreich und Frankreich tätig, sowie im Diplomatischen Dienst und als Lyriker.

Sein Name ist bis heute mit wichtigen Fortschritten in der Geodäsie, der Ausgleichungsrechnung und der Naturphilosophie verknüpft, sowie mit den Anfängen der Atomphysik. Auch als Gutachter bei gefährdeten Monumentalbauten hat er sich verdient gemacht.
Die sechs Jahrzehnte seiner wissenschaftlichen Tätigkeit verteilen sich auf zehn europäische Länder und etwa 15 Universitätsstädte.

Von Ragusa in die Lombardei

Josephs Eltern waren Nikola Bošković, Bauer aus dem Örtchen Orahov Do in der Herzegowina und Paola Bettera, eine Dubrovnikerin romanischer Abstammung.

Als Knabe besuchte Ruggiero das angesehene Jesuitengymnasium seiner Heimatstadt Ragusa, wo er bald durch seine hohe Begabung in Wissenschaften und Sprachen auffiel. Schon mit 14 Jahren wurde er zum Weiterstudium nach Rom gesandt, wo er später in den Jesuitenorden eintrat. Am Collegium Romanum erhielt er eine fundierte Ausbildung in Naturwissenschaften, Philosophie und Theologie.

Schon am Gymnasium (1723) publizierte Bošković erste Arbeiten aus Astronomie und Geodäsie. Die nächsten drei Jahrzehnte lebte er hauptsächlich in Rom, wo er 1740 zum Priester geweiht wurde. Im selben Jahr berief man ihn als Hochschulprofessor für Mathematik und Philosophie an das Collegium Romanum.

Wissenschaftler und Diplomat in ganz Europa

Bošković zählte mit Joseph Liesganig, Lemaine und anderen zu jenen wissenschaftlich tätigen Jesuiten, die sich intensiv mit neuen Strömungen der Physik und dem Studium des Erdkörpers befassten. Er war von Newtons Gravitationstheorie fasziniert und verteidigte sie gegen zahlreiche Angriffe.

Zwischen 1750 und 1753 leitete er im Auftrag des Papstes die Gradmessung von Rom nach Rimini, wo ein etwa 200 Kilometer langer Meridianbogen zur Bestimmung des regionalen Erdradius angelegt und astrogeodätisch vermessen wurde. Boškovićs' Kontakte zur Landesvermessung der damaligen Großmächte Österreich und Frankreich veranlassten ihn zur Suche nach Methoden der Ausgleichsrechnung, um aus mehreren - leicht widersprüchlichen - Gradmessungen die Parameter der Erdfigur optimal abzuleiten.

1756 führte ihn seine erste diplomatische Reise ins mittelitalienische Lucca und nach Wien. Drei Jahre später verließ er Rom und reiste nach Paris, ein Jahr später nach London, Flandern und Deutschland. Andere Reisen führten ihn nach Polen und Warschau, sowie in die osmanische Hauptstadt Konstantinopel.

Kontakt zu zahlreichen Forschern und Philosophen

Durch seine universelle Denkart, Kontaktfreude und fachübergreifende Interessenlage hatte Bošković Kontakt zu zahlreichen namhaften Forschern und Geistesgrößen. Unter ihnen sind besonders zu erwähnen:

  • mehrere Regenten und Päpste, zahlreiche Minister und Diplomaten,
  • Wissenschaftler wie Bradley, Clairaut, Franklin, Lalande, Laplace, Mairan, Michell und verschiedene Philosophen
  • die Geowissenschaftler Bouguer, Liesganig, Lemaine, Maire, Maupertuis u.a.
  • der in Graz und später (ab 1753) in Wien tätige Astronom Karl Scherffer,
  • jedoch auch längere fachliche Gegnerschaften, z.B. mit d'Alembert.

Astronomie und Optik in Italien und Frankreich

1763 trat er eine Professur an der Universität Pavia an, wechselte aber bald nach Paris und lehrte später in Mailand. Am nahegelegenen Kollegium von Brera betrieb er die Errichtung einer Sternwarte und ließ sie zum Teil auf eigene Kosten ausstatten. Zu seinen speziellen Forschungsthemen gehörte naturgemäß die Optik, ferner die Sonnenphysik und die Bestimmung ihrer Rotation mittels Beobachtung von Sonnenflecken.

In den folgenden Jahren war Boscovich diplomatisches Geschick erneut gefragt, als sich die (vorübergehende) Aufhebung des Jesuitenordens abzeichnete. Nach diesen Wirren wurde er 1773 in Frankreichs Marine zum „Direktor der Optik“. Der König stattete ihn mit einem Salär von 8.000 Livres aus. Bald wurde er jedoch - im Zuge der Jesuitenverfolgung - von d'Alembert und anderen französischen Gelehrten angefeindet, so dass er sein Amt niederlegte und sich nach Bassano wandte, wo er die Ausgabe seiner Werke besorgte.

Schließlich kehrte er im 72. Lebensjahr nach Mailand zurück, wo er fünf Jahre später in geistiger Verwirrung starb.

Aus Boscovich Forschungen in Physik und Astronomie

In Oberitalien wird Boscovich zu den bedeutendsten Wissenschaftlern des 18. Jahrhunderts gezählt, und gilt in Kroatien neben Nikola Tesla als herausragendster Physiker des Landes. Zahlreiche Forscher des südosteuropäischen Raums bezogen sich auf seine Pionierarbeiten, unter denen seine dynamische Atomistik herausragt.

Sie ist ein präzise formuliertes System, welches auf der Newtonschen Mechanik aufbaut. Dieses Werk inspirierte Michael Faraday zu seiner elektrischen Feld-Theorie. In einem Aufsatz über Naturphilosophie und Religionskritik heißt es dazu: Nach J. BOSCOVICH sind die »primae materiae elementa« seiner Atomtheorie »puncta penitus inextensa et indivisibilia, a se invicem aliquo intervallo disiuncta« (Theor. philos. 1763, p. 41).

Auch in anderem Zusammenhang faszinierte Bošković die gedankliche Vorstellung von Massenpunkten - er führte sie als Bestandteil mathematischer Modelle systematisch in die Physik ein.

Beiträge zu Astronomie, Geodäsie, Technik und Lyrik

Bošković leistete auch wichtige Beiträge zur Astronomie. Darunter war ein Verfahren zur Berechnung der Umlaufbahn eines Planeten aus drei gemessenen Positionen am Sternenhimmel, und das erste geometrische Verfahren zur Berechnung des Äquators eines rotierenden Himmelskörpers aus drei Beobachtungen seiner Oberflächenform. Auch bestimmte er die Rotationselemente der Sonne aus Beobachtungen von Sonnenflecken.

Für eine ähnliche Aufgabenstellung bei der oben erwähnten Gradmessung von 1750 bis 1753 entwickelte er eine Rechenmethode zur Ausgleichung der auftretenden kleinen Widersprüche, indem er die Absolutsumme der Residuen (verbleibende Restfehler) minimierte. Bei Carl Friedrich Gauß finden sich Notizen über Bošković' Arbeiten zur „Bahnbestimmung der Himmelskörper“ und zur Lotabweichung, die später für Asteroiden wie Ceres und für die Hannover'sche Landesvermessung nützlich waren.

Boscovich und die Bauphysik

In mehreren Bibliotheken Südeuropas finden sich Gutachten Roger Boscovich ' über die Statik großer Gebäude. Die zwei bekanntesten Fälle sind der Petersdom (1742) und die Palatina (1763). Zu letzterer hatte Kaiserin Maria Theresia den als Gesandten von Lucca am Wiener Hof weilenden Gelehrten ersucht, den Architekten Nikolaus Pacassi bei der Rettung der vom Einsturz bedrohten Kuppel des Prunksaales zu unterstützen.

Seine Bekanntheit als Bauingenieur verdankt Boscovich einem theoretisch und praktisch gut fundierten Gutachten zum Petersdom in Rom aus dem Jahr 1742, das er mit den Franziskaner Patres und Mathematik-Professoren Thomas Le Seur und François Jacquier erstellte. Es gilt als erste bekannte statische Berechnung und wurde (von Hans Straub) als „Geburtsstunde des Bauingenieurswesens“ bezeichnet[1]. In dieser weltweit höchsten Kuppel hatten sich deutliche Risse gezeigt; es sollten ihre Ursachen ergründet und Vorschläge zur Behebung der Schäden erarbeitet werden. Zur Theorie der Vorgänge war der „mathematische Physiker“ speziell gefragt. In der Einleitung zu ihrem Gutachten schrieben sie:
„Wir sind vielleicht verpflichtet, uns zu entschuldigen bei den vielen, die nicht nur die Praxis der Theorie vorziehen, sondern die erste allein für angebracht und notwendig halten, die zweite dagegen vielleicht sogar für schädlich.“[2]

Gedichte und Aurora Borealis

Boscovich schrieb vor allem in Latein, aber auch Französisch und Italienisch. Sein Lateinstil ist klassisch und mutet zum Teil etwas altmodisch an. Er verfasste eigene Gedichte, gab aber auch solche von Bekannten heraus und kommentierte sie wissenschaftlich.

Das erste (1747) war ein Gedicht seines Lehrers Caroli Neceti über die Aurora Borealis - das Nordlicht. Bošković' Vorstellungen von diesem Effekt der Ionosphäre waren denen von Mairan ähnlich, doch war ihre Höhe noch völlig unbekannt. Einer Erscheinung vom Dezember 1737 wies er 825 Meilen zu - was interessanterweise viel höher ist als man noch im 19. Jahrhundert der Erdatmosphäre zubilligte.

Das zweite „wissenschaftliche Gedicht“ (1755) stammte von Pater Benediktus Stay und handelte von der neueren Philosophie. Je moderner Bošković' Forschungsthemen waren (z. B. zu Newtons Theorie der Gravitation), desto freier wurde auch der Stil seiner Schriften.

Bedeutendste Werke

  • De expeditione ad dimetiendos duos meridiani gradus, Rom 1755
  • Journal d'un voyage de Constantinople en Pologne, Paris 1772
  • Theoria philosophiae naturalis redacta ad unicam legem virium in natura existentium, Venedig 1763.

Sekundärliteratur

  • Puncta, particulae et phaenomena. Der dalmatinische Gelehrte Roger Joseph Boscovich und seine Naturphilosophie. Laatzen: Wehrhahn, 2005. ISBN 3-86525-015-7

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Istvan Szabo Geschichte der mechanischen Prinzipien, 1987. Hans Straub Geschichte der Bauingenieurskunst 1992
  2. Sitzungsbericht der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

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