Schlacht bei Allenstein

Schlacht bei Allenstein
Schlacht bei Tannenberg
Teil von: Erster Weltkrieg
Russische Gefangene nach der Schlacht von Tannenberg
Russische Gefangene nach der Schlacht von Tannenberg
Datum 26. August30. August 1914
Ort Bei Allenstein
Ausgang Deutscher Sieg
Konfliktparteien
Befehlshaber
Paul von Hindenburg
Erich Ludendorff
Jakow Schilinski
Alexander Samsonow
Truppenstärke
ca. 153.000 Mann[1]
darunter:
VIII. Armee:
6 Liniendivisionen
3 Reservediv.
3 Landwehrdiv.
1 Kavalleriediv.
728 Geschütze
296 Maschinengewehre
ca. 191.000 Mann[2]
darunter:
Narew-Armee:
9 1/2 Infanteriedivisionen
3 Kavalleriedivisionen
612 Geschütze
384 Maschinengewehre
Verluste
3.436 Tote
6.800 Verwundete
ca. 30.000 Tote und Verwundete

ca. 95.000 Gefangene

Die Schlacht bei Tannenberg war eine Schlacht des Ersten Weltkrieges und fand in der Gegend südlich von Allenstein in Ostpreußen vom 26. August bis 30. August 1914 zwischen deutschen und russischen Armeen statt. Die deutsche Seite stellte hierbei 153.000 Mann, die russische Seite 191.000 Soldaten ins Feld.[3] Sie endete mit einem Sieg der deutschen Truppen und der Zerschlagung der nach Ostpreußen eingedrungenen russischen Kräfte.

Anfänglich in den deutschen Medien als „Schlacht bei Allenstein“ bezeichnet, wurde sie auf Wunsch Paul von Hindenburgs kurze Zeit danach zu Propagandazwecken in Schlacht bei Tannenberg umbenannt. Tatsächlich liegt nicht die Ortschaft Tannenberg (heute Stębark) unmittelbar im Hauptkampfgebiet sondern Hohenstein. Mit der Namensgebung sollte die in der deutschen Geschichtsschreibung als Schlacht bei Tannenberg bezeichnete Niederlage der Ritter des Deutschen Ordens gegen die Litauisch-Polnische Union überstrahlt werden.

Inhaltsverzeichnis

Strategische Voraussetzungen

Hauptartikel: Deutsche Ostfront (Erster Weltkrieg)

Ostpreußen bildete durch seine geografische Lage als Gebietsvorsprung in russisches Territorium eine strategisch besonders verwundbare Position. Infolge des Schlieffen-Plans hatte die deutsche Oberste Heeresleitung etwa 7/8 ihrer verfügbaren Kräfte an die Westfront verlegt, um einen schnellen Sieg gegen Frankreich zu erzielen. Die Provinz wurde nur durch die 8. Armee verteidigt und war somit auch der geringen Truppenstärke wegen besonders gefährdet. Diesen Umstand hatte das russische Große Hauptquartier schon in seiner Vorkriegsplanung berücksichtigt. Um seine westlichen Verbündeten zu entlasten, schickte das russische Oberkommando zwei Armeen gegen Ostpreußen. Die 1. Armee (Njemen-Armee) unter Paul von Rennenkampf stieß von Osten vor, die 2. Armee (Narew-Armee) unter Alexander Samsonow drang von Süden in Ostpreußen ein.[4]

Während der ersten Operationstage schien diese Strategie zu funktionieren. Die russische 1. Armee rückte auf ostpreußisches Territorium vor und erzielte in der Schlacht von Gumbinnen am 19. August einen ersten Erfolg. Der russische Generalstab rechnete damit, dass sich die Deutschen, die in Ostpreußen nur die 8. Armee zur Verfügung hatten, über die Weichsel zurückziehen würden. Mit dieser Einschätzung lagen sie beinahe richtig, denn der Oberbefehlshaber der 8. Armee, Generaloberst von Prittwitz, war unsicher über die Lage und verlangte von der Obersten Heeresleitung Handlungsfreiheit für das Zurücknehmen seiner Kräfte. Daraufhin wurde er am 22. August abgelöst und sein Kommando General d.Inf. von Hindenburg mit Generalmajor Ludendorff als Chef des Generalstabes übergeben. Ersterer wurde als Pensionär aus dem Ruhestand reaktiviert. Der nichtadlige Ludendorff hatte sich bereits an der Westfront bei der Eroberung von Lüttich ausgezeichnet. Für die beiden preußischen Offiziere kam eine Räumung deutschen Kernlands vor den Russen nicht in Frage. Das russische Oberkommando ging aber immer noch von dieser Annahme aus, und die 1. Armee wurde mit dem Ziel Königsberg in Marsch gesetzt, nicht ohne vorher einige Rasttage einzulegen. Die 2. Armee sollte den als geschlagen angesehenen deutschen Truppen nur noch den Rückweg abschneiden. Somit bewegten sich beide Großverbände räumlich getrennt voneinander und konnten einander keine Unterstützung leisten.[5]

Verlauf der Schlacht

Lage am 20. August 1914

Ludendorff erkannte nach dem Patt von Gumbinnen am 20. August richtig, dass man aufgrund der Passivität der 1. Armee beide Armeen getrennt schlagen und somit den zahlenmäßigen Vorteil der Russen kompensieren konnte. Schon vor seinem Eintreffen wurde ein Korps der 8. Armee unter General von François von Gumbinnen per Eisenbahn nach Süden westlich der Vormarschachse der russischen 1. Armee verschoben. Nachdem er durch Luftaufklärung und das Abhören unverschlüsselter russischer Funksprüche über die Positionen wie auch Befehle des Gegners im Klaren war, setzte der Generalstabschef Hindenburg eine generelle Absetzbewegung in Gang. Die russische Armee Rennenkampfs sollte nur durch einen kleinen Vorhang aus einer Landwehrdivision und der einzigen Kavalleriedivision an weiteren Operationen gehindert werden. Zwei Korps unter August von Mackensen und Otto von Below sollten im Eilmarsch der 2. Armee entgegen marschieren, während die restlichen Truppen bei Allenstein eine Verteidigungsstellung beziehen sollten. Dieser Plan wurde durch die Inkompetenz der russischen Befehlshaber erleichtert. Rennenkampf erkannte den Rückzug erst drei Tage nach seinem Beginn am 23. August. Der übergeordnete Frontbefehlshaber der beiden Armeen von General Schilinski interpretierte dieses Verhalten zu diesem Zeitpunkt vollkommen falsch. Er sah es als sicher an, dass die deutschen Einheiten vor dem Druck der 1. Armee ausgewichen seien und sich auf Königsberg zurückzögen. Dass die Truppen gegen die südliche 2. Armee unter Samsonow gewendet werden könnten, zog er nicht in Betracht.[6]

Während dieser Ereignisse hatte die 2. russische Armee schon ihren zehnten Marschtag hinter sich, da auf Befehl des Frontstabes aus Sicherheitsgründen die Truppen bereits tief im eigenen Hinterland aus den Eisenbahnwaggons ausgeladen wurden und den Rest des Weges zu Fuß marschieren mussten. Allerdings bewegten sich nur die zentralen Teile und der rechte Flügel der Armee auf deutschem Gebiet. Auf der linken Seite wurde das I. Korps unter Artamanow auf Befehl Schilinskis an der Grenze zurückgehalten, um die Flanke zu decken. Weiterhin drängte der Oberkommandierende auf einen schnellen Vorstoß der 2. Armee, was das Zentrum und ihre westliche Flanke vollkommen trennten. Somit wurde hier aus der geplanten Flankensicherung die Isolierung eines Viertels der russischen Streitkräfte. Genau im Bereich des I. Korps positionierten sich die zwei deutschen Divisionen von Hermann von François, ohne dass die russischen Stäbe durch Aufklärung davon erfahren hätten.[7]

Lage am 26. August 1914

Am 25. August gab Ludendorff den Befehl zum Angriff für diese Verbände. Hermann von François reagierte allerdings nicht und nahm erst am 27. nach einem Besuch des Generalstabschefs den Angriff auf. Er begründete sein Innehalten damit, dass seine Artillerie noch nicht nahe genug an die Ausgangsstellungen herangerückt sei und er einen Angriff somit noch nicht verantworten könne. Dies hatte zur Folge, dass die russischen Truppen der Mitte – in Unkenntnis der Gefahr, die ihrem linken Flügel drohte – gemäß dem Befehl des Frontstabs immer weiter ins Landesinnere vorrückten. Als von François seinen Angriff schließlich startete, durchbrach er dank materieller Überlegenheit die Stellungen des unvorbereiteten I. russischen Korps, das daraufhin den Rückzug antrat. Die deutschen Einheiten stießen bis zum Abend des Tages bis zur Grenze bei Soldau vor.[8]

Doch auch an der rechten Flanke der russischen Armee hatten sich die Ereignisse bereits überschlagen. Das russische VI. Korps unter Blagoweschtschenskij war am weitesten in deutsches Territorium vorgedrungen. Allerdings hatte es nach Samsonows Befehl nur den Vormarsch der zentralen Einheiten zu decken, und ihr Kommandeur war nicht darauf vorbereitet, auf den Gegner zu treffen. Dies rührte daher, dass das Frontkommando die beiden Großverbände in Königsberg wähnte. Unter diesen Umständen traf dieser östlichste Verband der 2. russischen Armee auf die zwei deutschen Korps unter Mackensen und Below. Diese waren aufgrund der deutschen Absetzbewegung von Gumbinnen her gegen die 2. Armee angerückt. Mit Hilfe des Überraschungsmoments gelang es den beiden deutschen Truppenführern, ihre lokale Überlegenheit von zwei zu eins auszunutzen und das russische Korps zu einem ungeordneten Rückzug zu zwingen. Ludendorff schien allerdings vom Erfolg seiner eigenen Offensive überrascht. Er sah zwar die Möglichkeit, die russische Armee einzukesseln, doch drängte er auf Konsolidierung, weil die mittleren Anteile von Samsonows Verband bereits starken Druck auf die Verteidigungsstellungen der Deutschen bei Allenstein ausübten und somit Gefahr bestand, dass die deutschen Linien im Zentrum durchbrochen werden könnten. Infolgedessen ging er daran, die eigenen Flügel zu schwächen. Belows Korps wurde abkommandiert, die eigenen Verteidigungsstellungen zu verstärken, und nur noch von Mackensens Korps sollte weiterhin an der Umfassung arbeiten. General von François erhielt von Ludendorff Order, seinen Vormarsch einzustellen und ebenso Truppen an den zentralen Abschnitt abzutreten. Allerdings verweigerte der untergeordnete Kommandeur diesen Befehl und ignorierte ihn kommentarlos.[9]

Lage am 30. August 1914

So konnten sich seine Kavalleriespitzen bei Willenberg am 28. August mit der Vorhut Mackensens vereinigen. Die 2. Armee, die eigentlich den angenommenen Rückzug der Deutschen abschneiden sollte, war dadurch selbst eingeschlossen worden.[10]

Damit waren die Russen vom Nachschub abgeschnitten, und die Nachricht, dass deutsche Verbände den Rückzugsweg versperrten, verbreitete sich wie ein Lauffeuer unter den Männern des Zaren. Zu der durch diesen Schock geschaffenen Verwirrung trug noch bei, dass die verbleibenden Einheiten im Zuge der Kampfhandlungen selbst verstreut im Kessel lagen und es Samsonow nicht gelang, Verbindung mit seinen Truppen herzustellen. Kleinere Einheiten versuchten zwar spontan den Ausbruch, so dass 10.000 Mann durch die dünne Linie der deutschen Kräfte entkommen konnten. Das Gros der Armee kapitulierte allerdings desorganisiert und demoralisiert. Den meisten Soldaten blieb das Gefühl, durch ihre Truppenführer verraten worden zu sein. General Samsonow beging in dieser verzweifelten Lage Selbstmord.[11] Der Ort wird noch heute durch den Samsonow-Stein markiert.

Gründe für das russische Scheitern

Strategische Fehler der höheren Befehlshaber

Alexander Samsonow
Russische Soldaten nach der Schlacht in Gefangenschaft

Nach dem katastrophalen Ausgang der Schlacht wurde vom verantwortlichen Frontstab unter General Schilinski versucht, möglichst viel Schuld auf den toten Samsonow abzuwälzen. Diese Vorwürfe halten einer genaueren Betrachtung jedoch nicht stand. Bereits vor dem Erreichen der Grenze zum Deutschen Reich erhielt der Befehlshaber der 2. Armee widersprüchliche und unsinnige Befehle von seinem direkten Vorgesetzten. Dies war beispielsweise die bereits genannte Ausladung der Truppen vor den Endbahnhöfen. So marschierten manche Bataillone mehr als 50 km an Eisenbahnschienen entlang, bis sie überhaupt in die Nähe der Grenze kamen. Dies führte – da auch später ein Rasttag verweigert wurde – zu einer vorzeitigen Ermüdung der Soldaten. Ebenso wurde die Armee dadurch geschwächt, dass man ihr laufend Truppen entzog. Auf politischen Druck des verbündeten Frankreich plante man im Großen Hauptquartier eine weitere Offensive, die über Schlesien den kürzesten Weg nach Berlin nehmen sollte. Für diese Operation stellte man in Westpolen die 9. Armee auf. Um diese zu bilden, wurden der 2. Armee insgesamt 5 Divisionen und 400 Geschütze entzogen. Dieser Verlust hätte die Kampfkraft alleine schon stark geschwächt, doch wurden diese Einheiten nicht planmäßig abgezogen, sondern man löste sie nach und nach aus der Formation heraus. Andere Einheiten wiederum wurden zugeteilt, was es dem Befehlshaber schwer machte, überhaupt den Überblick über die eigenen Kräfte zu bewahren.

Selbst als die Kampfhandlungen begonnen hatten, mischte sich Schilinski noch durch diverse Befehle in Samsonows Kompetenzbereich ein, so zum Beispiel durch das Verbot, das I. Korps näher zur Haupttruppe zu ziehen. Auch sein ständiges Beharren auf einem weiteren Vormarsch der zentralen Korps trug seinen Teil zur Einkesselung der Armee bei.

Fehler des Armeestabs

Samsonow selbst befand sich auch ohne Feindberührung schon in einer prekären Situation, aber anstatt das Blatt zu wenden, verschlimmerte er die Lage selbst noch. Seine Armee besaß zwar 42 Flugzeuge, doch diese waren zum größten Teil nicht einsatzbereit. Diese Kapazitäten zu nutzen und auf ihren Einsatz zu drängen, versäumte Samsonow. Während seine deutschen Gegner schon planmäßige Luftaufklärung betrieben, schien dem russischen General diese Option noch vollkommen gleichgültig zu sein. Ein weiteres Mittel zur Feinderkennung war die Kavallerie, doch sie wurde vom Armeestab zurückgehalten und sollte für Angriffsoperationen aufgespart werden. Somit marschierte die 2. Armee ohne jede Feindaufklärung gewissermaßen blind nach Ostpreußen, ohne Ludendorffs Falle zu erahnen. Generell war der Führungsstil des russischen Armeechefs einem modernen Krieg des 20. Jahrhunderts mit seinen neuen Anforderungen nicht gewachsen. Samsonow hatte sein Hauptquartier bis zu den letzten Tagen noch direkt an der Grenze und war somit von seiner eigenen Armee 24 Stunden entfernt. So lange dauerte die Überstellung einer Nachricht von der Front an seinen Standort und wieder zurück zu den Truppen. Dadurch konnte er auf etwaige Veränderungen der Lage nicht schnell genug reagieren. Zudem erteilte Samsonow lediglich einzelne Tagesbefehle, was der Koordination nicht zuträglich war.

Fehlplanungen vor dem Krieg

Herrmann von Francois (mit dem Rücken zur Kamera) nimmt den russischen General Klujew, Chef des XIII. Armeekorps, in Kriegsgefangenschaft am 31. August 1914

Auch stellte der Stand der Ausrüstung und die Logistik der Truppen zu Kriegsbeginn eine ernste Behinderung der russischen Kampfkraft dar. Das zaristische Militär hatte zwar nach den Planungen seiner Offiziere reibungslos mobil gemacht, die sonstigen Vorbereitungen waren aber mangelhaft. Während eine deutsche Artillerieeinheit im Feld pro Geschütz 3.000 Schuss Munition erhielt, waren für eine russische Einheit 1.000 Schuss veranschlagt. Die Kanonen der Armee Samsonows erhielten nur 737. Damit war die russische Artillerie weit unterlegen. Man rechnete im Hauptquartier nicht damit, dass in diesem Krieg mehr Munition gebraucht würde als im Russisch-Japanischen Krieg von 1905. Die gleiche Fehlkalkulation ergab sich auch bei der Bereitstellung von Feldlazaretten und der Versorgung mit Nahrungsmitteln.

Die Artillerie wurde auch durch eine weitere strategische Fehlentscheidung geschwächt. Das Offizierskorps der Artillerie sah die Hauptaufgabe für schwere Geschütze in der Verteidigung von Festungen, die hinter der Grenze lagen. Das Feldheer wurde dagegen nur sehr mangelhaft mit schwerer Artillerie versorgt. Schwere Geschütze hatten ihren leichteren Pendants eine höhere Feuerkraft und eine größere Reichweite voraus. Dies verstärkte die Unterlegenheit der russischen Truppen auf diesem Gebiet noch mehr, da nun ihre eigenen Geschütze durch feindliche Artillerie gefährdet wurden, ohne die Angreifer selbst bekämpfen zu können.

Taktische und technische Fehler

Eine taktische Fehleinschätzung, welche die russische Armee durch das erste Kriegsjahr begleiten sollte, war die Einschätzung der Kavallerie. Russische Generäle hielten sie immer noch für die klassische Offensivwaffe. Doch durch Maschinengewehre und Repetierwaffen, die bis zu 800 m Entfernung präzise feuern konnten, war die Defensivkraft der Infanterie dem Angriff von Reitern bereits weit überlegen. Die Kavalleriedivisionen erbrachten außer in der Aufklärungsrolle kaum Nutzen, nahmen aber große Ressourcen in Anspruch. 4.000 Mann einer Kavalleriedivision mit ihren Pferden benötigten bei einem Eisenbahntransport etwa denselben Raum wie eine 12.000 Mann starke Infanteriedivision. Zudem war der Kavallerie-Nachschub aufwendiger. Ein Pferd benötigte pro Tag mindestens 3 kg Getreide. Dadurch wurden wertvolle Nachschubressourcen für eine inzwischen ineffektive Waffengattung verwendet.[12]

Ein noch kritischerer Schwachpunkt der Operationen bei Tannenberg war jedoch rein technischer Natur. Die russische Armee war zwar mit Funkgeräten ausgerüstet, doch wurde der Umgang mit Verschlüsselungsmethoden noch nicht geübt. Während die deutschen Truppen nur chiffriert funkten, taten es ihre Gegenspieler des Öfteren in Klartext. Einer dieser Funksprüche, die zufällig von deutschen Funkern abgehört wurden, enthielt die komplette Marschanweisung für eine Armee. Nachdem Ludendorff diese Informationen durch Flugzeuge verifiziert hatte, war er im Besitz eines immensen operativen Vorteils.[13]

Bewertung der deutschen Führung

Der Stab der VIII. Armee

Die Stellungnahmen zur taktischen Leistung der deutschen Führung sind unterschiedlich. Den deutschen Operationen spielten Unregelmäßigkeiten wie die Befehlsverweigerungen Hermann von François' in die Hände. Dies heißt jedoch nicht, dass diese Schlacht unberechtigt ihren wichtigen Platz in der Kriegsgeschichte einnimmt. Dies zwar weniger aufgrund ihrer Auswirkung auf das Kriegsgeschehen als wegen der taktischen Leistung der deutschen Führung. Der Gedanke der Schlacht von Cannae, die als „Mutter der Umfassungsschlacht“ gilt, konnte seit diesen Vorzeiten noch nie so „lupenrein“ verwirklicht werden wie durch die fortschrittliche und unkonventionelle Armeeführung durch Ludendorff in Ostpreußen.

Ludendorff entwickelte den Plan der Operation aufgrund der kritischen Lage schon im Zug von der Westfront, also ohne den üblichen Blick ins Gelände. Insbesondere ist aber die fortschrittliche deutsche Luft- und Funkaufklärung zu nennen, die der deutschen Führung unmittelbar jede Bewegung der russischen Armeen meldete. Auch ist der Legende entgegenzutreten, der Sieg sei nur das Werk Ludendorffs. Die Ausarbeitung des Plans war zwar vor allem Erich Ludendorff und seinem De-facto-Stabschef Max Hoffmann zuzuschreiben. Doch war Ludendorff, das zeigte sein unglückliches Wirken in der Weimarer Zeit, aggressiv, impulsiv und oft ein Opfer seiner Nerven. Der ruhige und souveräne Hindenburg schaffte als erfahrener Offizier einen Ausgleich zu dem eigentlichen Planer der Operation bei Tannenberg. Ebenso wirkte sich sein Charisma positiv auf die Kampfmoral der kaiserlichen Truppen aus. Das Tandem Hindenburg/Ludendorff war beispielhaft für militärisches Zusammenwirken und bildete das Gegenstück zur desorganisierten russischen Führung.

Letztlich ermöglichte die Kombination aus eigenen Leistungen und den Versäumnissen der russischen Befehlshaber die Führung der Schlacht im taktischen Vorteil. So führten die Deutschen ein Angriffsgefecht bei Tannenberg und ein Verzögerungsgefecht bei Allenstein und setzten somit ihre Kräfte optimal ein. Dagegen waren die Russen durch mangelhafte Aufklärung und schlechte Organisation gezwungen Begegnungsgefechte zu führen. Dadurch war den Truppen des Zaren nie das Maß an Vorbereitung auf eine Kampfhandlung gegeben wie ihren Kontrahenten.

Folgen

Das Tannenberg-Denkmal in Ostpreußen

Die Schlacht war der erste große Sieg der deutschen Armee im Ersten Weltkrieg. Tannenberg erfuhr im Kaiserreich eine propagandistische Überhöhung, die bis heute das Bild der Schlacht verzerrt. Zwar war der Sieg in Ostpreußen ein notwendiger und auch überraschender Befreiungsschlag der kaiserlichen Armee, die russische Militärmacht war durch ihre Niederlage allerdings nur zeitweilig geschwächt. Das Zarenreich konnte die Verluste von rund 30.000 Gefallenen und Verwundeten und rund 95.000 Gefangenen[14] durch seine große Bevölkerung und durch seine industrielle Basis durchaus verkraften. Allein seine Friedensarmee bestand schon ohne Mobilisierungen aus etwa zwei Millionen Mann. Ohne weitere entscheidende Erfolge wäre es nur eine Frage der Zeit gewesen bis die russische Armee wieder Kräfte gegen deutsches Territorium in Position gebracht hätte. Man hatte bei Tannenberg zwar einen Angriff Russlands abgewehrt, doch mit seinen Reserven blieb das Zarenreich weiter ein bedrohlicher Gegner an der östlichen Flanke Deutschlands.

Weiterhin war durch den Erfolg die Bedrohung für Ostpreußen nicht vollkommen abgewendet, sondern nur gemildert, da die I. Armee unter Paul von Rennenkampf immer noch an ihren Grenzen stand. Sie sollte erst in der folgenden Schlacht an den Masurischen Seen besiegt werden, für die man nun Handlungsfreiheit erhalten hatte. Die psychologischen Auswirkungen auf Russland waren eher marginal, da die Bevölkerung durch eine gezielte Propaganda des Herrscherhauses und der politischen Parteien bis 1917 fest an einen Sieg glaubte. Denkbare positive Auswirkungen in der russischen Führung, etwa in der Form von Absetzungen der unfähigen Befehlshaber auf Armee- und Korpsebene, unterblieben allerdings ebenso. Es gelang dem militärischen Personal, allen voran Schilinski, die Schuld auf den toten Oberkommandierenden der II. Armee abzuwälzen, der sich nicht mehr verteidigen konnte.

Als weitere Folge wurde das Tannenberg-Denkmal 1924–27 bei Hohenstein (poln. Olsztynek) errichtet.

Benennung und Lokalität

Propagandistische Darstellung des Führungsduos Hindenburg und Ludendorff

Die Schlacht fand in der Gegend südlich von Allenstein in Ostpreußen statt. Dabei war es eine Umfassungsschlacht, die letztlich ein weites Territorium mit einbezieht. Das Zentrum dieses Areals lag in Hohenstein. Sie müsste daher streng genommen Schlacht bei Hohenstein heißen. Das kaiserliche Glückwunschtelegramm bezeichnet die Schlacht zunächst als Schlacht bei Allenstein.

Erst nachträglich wurde die Schlacht auf Wunsch Hindenburgs [15] [16] in Schlacht bei Tannenberg umbenannt.[17] Im Deutschen gab es bereits eine sogenannte Schlacht bei Tannenberg. Diese hatte 1410 vor dem Dorf Grünfelde, zwischen den Dörfern Tannenberg und Ludwigsdorf stattgefunden. Sie hatte mit einer entscheidenden Niederlage des Deutschen Ordens geendet und wurde von polnischen Nationalisten als Nationalmythos propagandistisch verwendet. Hindenburg wollte mit der Benennung der siegreichen Schlacht von 1914 symbolisch die „Scharte von 1410“ ausgewetzt haben. Traditionell hat der Sieger einer Schlacht das Recht der Benennung. Daher nahm Hindenburg dieses Recht in Anspruch und die Benennung ist nicht falsch, denn Tannenberg war ins Schlachtfeld mit einbezogen und nur ca. 14 km von Hohenstein entfernt. Diese Benennung wurde auch in allen anderen Sprachen übernommen.

Literarische Verarbeitungen

General Hermann von François

Der russische Autor und Literaturnobelpreisträger Alexander Solschenizyn verarbeitete die Schlacht im ersten Teil August 1914 seiner Trilogie Das rote Rad als Roman. Der Roman bezieht sich über große Teile auf historische Quellen beider Seiten. Ebenso brachte Solschenyzin die Erfahrungen seines Vaters, der in Ostpreußen gekämpft hatte und anderer Kriegsteilnehmer mit ein. Solschenizyn betont in seinem Roman die starre Hierarchie der russischen Armee und die Unfähigkeit der höheren Offiziere diese zu modernisieren. Seine Hauptfigur, ein Oberst der russischen Armee scheitert tragisch bei seinem Versuch bei seinen Vorgesetzten Veränderungen anzuregen. Als entscheidend für den Ausgang der Schlacht stellt Solschenizyn die Eigenmächtigkeit des Generals Hermann von François dar und weist Hindenburg und Ludendorff einen geringeren Anteil am Sieg der deutschen Armee bei Tannenberg zu.[18]

Einzelnachweise

  1. Christian Zentner: Der Erste Weltkrieg, Rastatt, 2000 S. 108
  2. Christian Zentner: Der Erste Weltkrieg, Rastatt, 2000 S. 108
  3. Christian Zentner: Der Erste Weltkrieg, Rastatt, 2000 S. 108
  4. Norman Stone: The Eastern Front 1914-1917, London 1998, S. 44-48
  5. Norman Stone: The Eastern Front 1914-1917, London 1998, S. 59-61
  6. Norman Stone: The Eastern Front 1914-1917, London 1998, S. 61-67
  7. Norman Stone: The Eastern Front 1914-1917, London 1998, S. 61-67
  8. Norman Stone: The Eastern Front 1914-1917, London 1998, S. 61-67
  9. Norman Stone: The Eastern Front 1914-1917, London 1998, S. 61-67
  10. Norman Stone: The Eastern Front 1914-1917, London 1998, S. 61-67
  11. Norman Stone: The Eastern Front 1914-1917, London 1998, S. 61-67
  12. Norman Stone: The Eastern Front 1914-1917, London 1998, S. 69-51
  13. Norman Stone: The Eastern Front 1914-1917, London 1998, S. 69-51
  14. Christian Zentner: Der Erste Weltkrieg, Rastatt, 2000 S. 108
  15. Anm.: Sowohl Erich Ludendorff als auch sein erster Generalstabsoffizier Max Hoffman habe später beansprucht, den Gedanken zur Umbenennung gehabt zu haben. (Hartmut Boockmann: Deutsche Geschichte im Osten Europas - Ostpreußen und Westpreußen, Siedler Verlag, 2002, S. 54)
  16. Anm.: "Die Schlacht wurde auf meinen Vorschlag die Schlacht von Tannenberg genannt, als Erinnerung an jenen Kampf, in dem der Deutsche Ritterorden den vereinigten litauischen und polnischen Armeen unterlag. Wird der Deutsche es je wieder zulassen, daß Litauer und namentlich der Pole aus unserer Ohnmacht Nutzen ziehen und uns vergewaltigen ? Soll jahrhunderte alte deutsche Kultur verloren gehen ?" (Erich Ludendorff in Meine Kriegserinnerungen, 1919, S. 44)
  17. Holger Afflerbach (Bearb.): Kaiser Wilhelm II. als Oberster Kriegsherr im Ersten Weltkrieg. Quellen aus der militärischen Umgebung des Kaisers 1914-1918. Verlag Oldenbourg, München 2005, ISBN 3-486-57581-3, S. 148
  18. Erich Pruck: Solshenizyns "August 1914" Militärisch Gesehen, Osteuropa, Heft 3, 1972, S. 215-219

Literatur

  • John Keegan: Der Erste Weltkrieg. Eine europäische Tragödie. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2001, ISBN 3-499-61194-5
  • Alexander Solschenizyn: August Vierzehn. Luchterhand, Neuwied 1973.
  • Markus Pöhlmann: Tod in Masuren: Tannenberg, 23. bis 31. August 1914. In: Stig Förster, Markus Pöhlmann und Dierk Walter (Hrsg.): Schlachten der Weltgeschichte. Von Salamis bis Sinai. C.H. Beck, München ³2002, S. 279-293. ISBN 978-3406480973
  • Dennis E. Showalter: Tannenberg. Clash of empires, 1914. Verlag Brassey’s, Washington 2004, ISBN 1-57488-781-5
  • Norman Stone: The Eastern Front 1914–1917. Penguin Books Ltd., London 1998, ISBN 0-14-026725-5
  • Barbara Tuchman: August 1914. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-596-15395-6
  • Christian Zentner: Der Erste Weltkrieg. Daten, Fakten, Kommentare. Moewig, Rastatt 2000, ISBN 3-8118-1652-7

Weblinks


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