Steinstücken

Steinstücken
Lage Steinstückens bei Berlin
Luftaufnahme von Steinstücken, 1989

Berlin-Steinstücken ist eine Ortslage im südlichsten Teil des Berliner Ortsteils Wannsee (Bezirk Steglitz-Zehlendorf) und liegt mit rund 300 Einwohnern geomorphologisch auf dem Babelsberg. Ihre Ausdehnung beträgt rund einen Kilometer in Ost-West-Richtung und etwa 300 Meter in Nord-Süd-Richtung. Bekannt geworden ist Steinstücken vor allem als die einzige permanent bewohnte unter den zehn West-Berliner Exklaven in den Jahren des Kalten Krieges. Die „Kanonenbahn“ verläuft durch Steinstücken und trennt das Gebiet in zwei Teile.

Inhaltsverzeichnis

Ursprung der Exklave

Die Exklave entstand, als Bauern des Dorfes Stolpe 1787 ein Stück Land außerhalb ihrer eigentlichen Gemeindegrenzen erwarben, auf dem sich im 19. Jahrhundert eine Kolonie bildete. Stolpe wurde später nach Wannsee eingemeindet. Der äußere Grenzverlauf von Stolpe und folglich die Exklavensituation Steinstückens blieben bestehen. Bei der Bildung Groß-Berlins 1920 wurde wiederum die Gemeindegrenze von Wannsee zur äußeren Stadtgrenze Berlins, und damit Steinstücken zur Berliner Exklave. Bis 1945 war dieser Umstand von untergeordneter Bedeutung, Exklaven zwischen Gemeinden sind nicht ungewöhnlich. Geografisch lag Steinstücken im inzwischen gewachsenen Potsdamer Vorort Neubabelsberg, das Alltagsleben war dorthin ausgerichtet, trotz der administrativen Zugehörigkeit zu Berlin.

Im Kalten Krieg

Hubschrauberlandeplatz Steinstücken

Bei Ende des Zweiten Weltkrieges wurde 1945 die Stadtgrenze zur Zonengrenze, denn Steinstücken kam als Bestandteil des damaligen Bezirks Zehlendorf zum US-Sektor, während das umgebende Babelsberg zur sowjetischen Zone kam. Die Grenze blieb jedoch zunächst für Zivilisten passierbar.

Am 18. Oktober 1951 versuchte die DDR, die Exklave zu annektieren, stieß dabei allerdings auf den Widerstand der Bewohner. Nach Einschreiten der USA machte sie diesen Akt nach wenigen Tagen rückgängig.[1] Seitdem wurde Steinstücken durch eine Postenreihe abgeriegelt, sodass die Steinstückener Einwohner die umgebenden Ortsteile Neubabelsberg, Babelsberg und Potsdam nicht mehr frei betreten durften. Der einzig verbliebene Zugang nach West-Berlin verlief nun über einen Waldweg und zwei Grenzübergänge nach Kohlhasenbrück. Am 1. Juni 1952 verbot die DDR allen West-Berlinern das Betreten der DDR mit Ausnahme Ost-Berlins und begann mit der Errichtung erster Straßensperren an der Berliner Außengrenze, so auch an den Grenzen Steinstückens.

Seit dem Bau der Berliner Mauer 1961 wurde Steinstücken zunächst das Ziel zahlreicher Fluchtwilliger aus der DDR, weil in diesem Bereich nur „Spanische Reiter“ das Hindernis bildeten. Als auch mehr als 20 Grenzsoldaten der DDR an dieser Stelle in den Westen flohen, ließ die DDR-Regierung die Exklave durch eine gesonderte Mauer abriegeln und machte damit auch hier die Grenze nahezu unüberwindlich.

Nach einem Besuch von Lucius D. Clay per Hubschrauber am 21. September 1961 wurde ein ständiger US-Militärposten in der Exklave eingerichtet. Die dort stationierten Soldaten wurden regelmäßig per Hubschrauber eingeflogen, wofür extra ein Landeplatz angelegt wurde. Ein Hubschrauber-Denkmal auf dem Spielplatz erinnert heute daran.

Korridorlösung

Im Rahmen des Viermächteabkommens vom 3. September 1971 kam eine Lösung für Steinstücken in Sicht. Das Abkommen sah vor, dass „die Probleme der kleinen Enklaven einschließlich Steinstückens […] durch Gebietsaustausch gelöst werden“. Da jede Änderung der Stadtgrenze den Viermächtestatus der geteilten Stadt berührte, war diese Vorabvereinbarung notwendig. Ein gesondertes Abkommen zwischen West-Berlin und der DDR vom 20. Dezember 1971 regelte die Details des Austauschs. Demnach trat die DDR einen 20 Meter breiten und rund einen Kilometer langen Gebietsstreifen zwischen Steinstücken und Kohlhasenbrück an West-Berlin ab. Damit war Steinstücken keine Exklave mehr, sondern an das „Festland“ West-Berlin angeschlossen. Vor dem Vollzug des Gebietsaustauschs 1972 wurde (noch auf DDR-Gebiet) durch diesen Streifen eine asphaltierte Straße (Bernhard-Beyer-Straße) gebaut, 1972 dann die Buslinie 18 (heute 118) bis in den Ort verlängert. Da die Grenze auf beiden Seiten dieser Straße verlief, war sie beidseitig von der Mauer umgeben. Seitdem endete das abgeschlossene Leben der Exklave, ein Besucherstrom von Tagesausflüglern und Touristen war die Folge.

Besondere Schwierigkeiten bei der neuen Grenzziehung ergaben sich während der Verhandlungen an der westlich abzweigenden Brücke am Ortseingang Steinstückens. Die DDR lehnte eine Gebietsübertragung hierfür ab, da die darunter liegenden Gleise der Deutschen Reichsbahn der DDR gehörten. Die Brücke und der darüber befindliche Luftraum kamen zu West-Berlin, der Luftraum unter der Brücke mit dem darunter liegenden Erdboden verblieb bei der DDR. Diese Grenzziehung von 1972 ist auch heute noch zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg gültig, hat aber kaum Bedeutung. Da auf dem Eisenbahngebiet grundsätzlich die Bundespolizei zuständig ist, gibt es auch keine Komplikationen zwischen Berlin und Brandenburg in der Polizeizuständigkeit auf der und um die Brücke.

Die Korridorlösung änderte vor dem Mauerfall nichts an der Unbegehbarkeit der Grundstücke in der Steinstraße und Rote-Kreuz-Straße. Da die Mauer unmittelbar an der Grundstücksgrenze verlief und beide Straßen als auch Bürgersteige zur DDR gehörten, waren die Grundstücke bis 1990 nur über Wegerechte in der Teltower Straße und im Malergarten erreichbar. Bis zur weiteren Erschließung Steinstückens durch den Johannes-Niemeyer-Weg und die Straße Malergarten in den 1980er Jahren gab es einen asphaltierten Notweg auf den Privatgrundstücken der östlichen Steinstraße. Der Anfang und kleine Reste dieses Notweges sind heute noch nahe der Einmündung der Bernhard-Beyer-Straße in die Steinstraße zu erkennen.

Exklaven in der Umgebung

In der Umgebung von Steinstücken gab es zwei weitere West-Berliner Exklaven auf der DDR-Gebiet. Die Wüste Mark wurde von einem West-Berliner Bauern bewirtschaftet und kam 1988 in einem Gebietsaustausch zur DDR.[2][3] In Potsdam-Drewitz gehörte ein 3,64 Hektar großes Gebiet im Winkel südlich der Nuthestraße und der Bahnstrecke zu West-Berlin. Das Gebiet war ungenutzt und wurde 1972 an die DDR abgetreten.[2][4] Im Rahmen dieses Gebietsaustausches erhielt Steinstücken die Straßenanbindung nach Zehlendorf.

Mauerfall

Die Lage Steinstückens heute – teilweise umschlossen vom Gebiet Potsdams

Nach dem Fall der Mauer wurden ab dem Frühjahr 1990[5] die Grenzanlagen abgebaut. Das Leben hat sich seitdem in der Ortslage wieder normalisiert und nach Potsdam-Drewitz und Potsdam-Babelsberg ausgerichtet. Der ungewöhnliche Grenzverlauf nach dem Stand des Gebietsaustauschs von 1972 ist bis heute unverändert, nun allerdings nur noch als Landesgrenze zwischen Berlin und Brandenburg.

Sehenswürdigkeiten

Landhaus Bejach

Siehe auch

Literatur

Weblinks

 Commons: Berlin-Steinstücken – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Manchmal flattert der rote Adler über Steinstücken. In: Berliner Zeitung vom 4. Mai 1996
  2. a b Hoffnung für Steinstücken. In: Die Zeit, Nr. 45/1971
  3. Christian Simon: Berlin Grotesk. Die Mauer im Absurden Alltag einer Millionenstadt. Christian Simon Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-936242-14-0, S. 56
  4. Christian Simon: Berlin Grotesk. Die Mauer im Absurden Alltag einer Millionenstadt. Christian Simon Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-936242-14-0, S. 57/58
  5. Mauerbesichtigung in Steinstücken 1. Mai 1990
52.38916666666713.130833333333

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