Tieng Viet

Tieng Viet
Vietnamesisch

Gesprochen in

Vietnam, USA, Kambodscha, Frankreich, Australien, Deutschland und einigen anderen Ländern
Sprecher Geschätzte 75 Millionen Muttersprachler, 10 Millionen Zweitsprachler
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache von Vietnam
Sprachcodes
ISO 639-1:

vi

ISO 639-2:

vie

ISO 639-3:

vie

Die vietnamesische Sprache (Vietnamesisch, Annamitisch, tiếng Việt, tiếng Việt Nam, oder Việt ngữ) ist die Amtssprache in Vietnam. Sie wird von etwa 75 Millionen Menschen als Muttersprache gesprochen, davon etwa 70 Millionen Menschen in Vietnam und schätzungsweise sechs bis sieben Millionen Vietnamesen im Ausland.

Vietnamesisch ist nicht mit der chinesischen Sprache verwandt, obwohl das Vietnamesische eine hohe Zahl an Lehnwörtern aus dem Chinesischen aufweist. Vietnamesisch ist eine tonale und monosyllabische Sprache (die kleinste Sinneinheit besteht aus nur einer Silbe). Aufgrund des jahrzehntelangen Vietnamkriegs und der darauf folgenden Abschottung des Landes bis in die 1980er Jahre gehört Vietnamesisch zu den linguistisch weniger erforschten Sprachen.

Inhaltsverzeichnis

Klassifikation

Die genetische Einordnung der vietnamesischen Sprache ist heute unumstritten, sie gehört zu den Mon-Khmer-Sprachen innerhalb der austroasiatischen Sprachfamilie. Dies geht auf die Sprachwissenschaftler Jean Przyluski und A.-G. Haudricourt zurück, die Vietnamesisch mit der Mường-Sprache verglichen, die zwar keine Tonsprache ist, aber trotzdem nachweislich mit dem Vietnamesischen verwandt ist. In einem viel beachteten Artikel erklärte Haudricourt 1954 die Tonogenese der vietnamesischen Sprache, nämlich dass sie ursprünglich keine Tonsprache war und sich die sechs Töne erst später herausbildeten.

Geschichte

Die Geschichte der vietnamesischen Sprache ist nicht zweifelsfrei geklärt. Die heute vorherrschende Meinung geht auf Henri Maspéro zurück. Nach dieser gab es eine Proto-Vietnamesische Sprache, die bezüglich Flexion und Konsonantenverbindungen anderen Sprachen in der Austro-Asiatischen Sprachfamilie ähnlich war. Diese Eigenschaften sind später verloren gegangen; stattdessen hat sich die vietnamesische Sprache ähnlich anderen südostasiatischen Sprachen entwickelt (etwa den Tai-Kadai-Sprachen). So kamen Töne und der isolierende Sprachbau im Vietnamesischen auf.

Diese Vorgängersprache war möglicherweise zunächst in der Region um den Roten Fluss im heutigen Nordvietnam beheimatet und kam erst mit der langsamen Ausdehnung des vietnamesischen Einflusses nach Süden in das heutige Mittel- und noch viel später erst in das heutige Südvietnam.

Gleichzeitig zu dieser Ausdehnung kam es zu einer politischen Dominanz Chinas über Vietnam, die 1.000 Jahre dauern sollte. Die Chinesen machten die chinesische Sprache zur Literatur- und Amtssprache, sie wurde damit zur Sprache der herrschenden Klasse des Landes. Bis zum 10. Jahrhundert hatte sich eine Art Sino-Vietnamesisch herausgebildet, das eine hohe Anzahl von chinesischem Vokabular enthielt und auch mit chinesischen Zeichen geschrieben wurde. Vor allem aus dem gesellschaftspolitischen und kulturellen Bereich wurden zahlreiche Wörter in die vietnamesische Sprache übernommen.

Nach dem Ende der chinesischen Herrschaft über Vietnam bekam die vietnamesische Umgangssprache wieder höhere Bedeutung. Diese Sprache wurde ebenfalls mit chinesischen Zeichen geschrieben, die die vietnamesischen Gelehrten jedoch nach und nach an ihre Bedürfnisse anpassten, das Ergebnis war chữ nôm. Diese altvietnamesische Sprache erreichte im 16. Jahrhundert ihre Blütezeit, zahlreiche Schriftsteller verfassen heute noch bedeutende Werke in chữ nôm.

Im 17. Jahrhundert entwickelten Missionare aus Europa eine Romanisierung der vietnamesischen Sprache. Gleichzeitig begannen europäische Sprachen, speziell das Französische, die vietnamesische Sprache zu beeinflussen. Langsam entwickelte sich dadurch die mittelvietnamesische Sprache heraus. Nachdem im späten 19. Jahrhundert Vietnam zur französischen Kolonie wurde, wurde die französische Sprache auch Amts- und Bildungssprache. Viele Worte aus dem Französischen kamen als Lehnwörter in die vietnamesische Sprache, und eine bedeutende Zahl von Sino-Vietnamesischen Wörtern bekam eine neue, von westlichem Gedankengut inspirierte Bedeutung. Die chinesische Schrift blieb in Verwendung, die romanisierte Schrift breitete sich jedoch im 19. Jahrhundert weiter aus. Im Jahre 1910 führte die französische Kolonialverwaltung die lateinische Schrift offiziell ein. Nach der Unabhängigkeit Vietnams 1945 wurde sie verbindlich und ermöglichte eine schnellere Alphabetisierung großer Bevölkerungsteile.

Geografische Verteilung

Offizieller Status

Vietnamesisch ist ausschließlich in Vietnam Amtssprache. In Vietnam wird es von der gesamten Bevölkerung gesprochen; die zahlreichen ethnischen Minderheiten des Landes (dazu gehören Chinesen, Inder und Kambodschaner ebenso wie zahlreiche Bergvölker) sprechen die Sprache entweder als Muttersprache oder als Zweitsprache.

Darüber hinaus hat sich die Sprache mit der Auswanderung von Millionen Vietnamesen in die ganze Welt verbreitet. So wird Vietnamesisch vor allem in den USA, Australien, Kanada und Frankreich von "Überseevietnamesen" gesprochen. In Deutschland gibt es etwa 100 000 Muttersprachler, in Frankreich etwa 200 000, in Polen sind es etwa 5 000.

Dialekte

Es gibt drei Hauptdialekte. Die Sprecher des einen Dialektes können unter Umständen den Sprecher eines anderen Dialektes verstehen, denn die Dialekte unterscheiden sich nur in der Aussprache und Wortwahl, nicht aber in Grammatik oder Syntax. Die drei Dialekte sind:

  1. Nordvietnamesischer Dialekt (Hanoi-Dialekt), früher auch Tonkinesisch genannt
  2. Zentralvietnamesischer Dialekt (Huế-Dialekt), früher auch Hoch-Annamesisch genannt
  3. Südvietnamesischer Dialekt (Saigon-Dialekt), früher auch Cochinchinesisch genannt

Hauptunterschiede bestehen bezüglich der Aussprache der Töne – die Norddialekte neigen dazu, die Töne stärker voneinander zu unterscheiden als die Süddialekte; das betrifft besonders den hỏi-Ton und den ngã-Ton.

Die Rechtschreibung ist an den Dialekt der Hauptstadt angelehnt.

Phonetik und Phonologie

In diesem Abschnitt wird die Aussprache des Vietnamesischen im Norden des Landes bzw. in Hanoi beschrieben.

Konsonanten

In der Aussprache von Hanoi gibt es 22 Konsonanten-Phoneme:

  bilabial labio-
dental
dental/
alveolar
palatal velar glottal
Plosive nicht aspiriert p       t       c      k     (ʔ)    
aspiriert               
implosiv      ɓ          ɗ      
Frikative   f     v s     z   x    ɣ h    
Nasale     m         n      ɲ     ŋ  
Approximanten labiovelar      w           j    
lateral           l      

Anmerkungen

  • /p/ am Wortanfang kommt nur in jüngeren Lehnwörtern (vor allem aus dem Französischen) vor. In rein vietnamesischen Wörtern kommt /p/ nur am Wortende vor.
  • Die implosiven Konsonanten sind stimmhaft und werden manchmal auch als präglottalisiert beschrieben: [ˀɓ, ˀɗ]. Dieser Glottisverschluss wird manchmal jedoch schon vor dem oralen Verschluss gelöst, so dass die Aussprache nicht implosiv, sondern nur stimmhaft ist: [ˀb, ˀb].
  • /tʰ, s, z, l/ werden manchmal als dental beschrieben: [t̪ʰ, s̪, z̪, l̪].
  • /t, ɗ, n/ werden manchmal als alveolar beschrieben: [t͇, ɗ͇, n͇].
  • /tʰ, l, t, ɗ, n/ werden manchmal als apikal beschrieben: [t̺ʰ, l̺, t̺, ɗ̺, n̺].
  • /s, z, c, ɲ/ werden manchmal als laminal beschrieben: [s̻, z̻, c̻, ɲ̻].
  • /c, ɲ/ werden manchmal als palato-alveolar beschrieben: [ṯ, ṉ].
  • /c/ wird manchmal als leicht affriziert beschrieben: [ṯʃ].

Phonologische Prozesse

  • Bei Wörtern, die mit einem Vokal oder dem Halbvokal /w/ beginnen, wird ein Glottisverschluss [ʔ] vorangestellt.
ăn „essen“ /ɐn/ [ʔɐn]
uỷ „delegieren“ /wi/ [ʔwij]
  • Bei den Plosiven /p, t, k/ wird der Verschluss am Wortende nicht hörbar gelöst: [p̚, t̚, k̚].
đáp „antworten“ /ɗɐːp/ [ʔɗɐːp̚]
mát „kühl“ /mɐːt/ [mɐːt̚]
khác „unterschiedlich“ /xɐːk/ [xɐːk̚]
  • Wenn die velaren Konsonanten /k, ŋ/ auf /u, w/ folgen, werden sie gleichzeitig mit einem bilabialen Verschluss ausgesprochen – [k͡p, ŋ͡m] – oder zumindest stark labialisiert: [kʷ, ŋʷ].
đục „schlammig“ /ɗuk/ [ʔɗuk͡p̚]
độc „Gift“ /ɗɜwk/ [ʔɗɜwk͡p̚]
ung „Krebs“ /uŋ/ [ʔuŋ͡m]
ong „Biene“ /ɐwŋ/ [ʔɐwŋ͡m]

Vokale

Über das Vokalsystem des Vietnamesischen besteht unter Sprachwissenschaftlern relativ große Uneinigkeit. Die einfachen Vokale können auch als Diphthonge interpretiert werden und es gibt verschiedene Ansichten über die Merkmale Länge und Qualität.

Einfache Vokale

  vorne zentral hinten
geschlossen i ɨ u
halb geschlossen e əː o
halb offen ɛ ɜ ɔ
fast offen   ɐ / ɐː  
  • /ɜ/ und /ɐ/ werden kürzer ausgesprochen als die übrigen Vokale.
  • Der Unterschied zwischen kurzem /ɐ/ (in vietnamesischer Schrift: ă) und langem /ɐː/ (in vietnamesischer Schrift a) ist bedeutungsunterscheidend.
  • Der Unterschied zwischen kurzem /ɜ/ (in vietnamesischer Schrift: â) und langem /əː/ (in vietnamesischer Schrift ơ) ist bedeutungsunterscheidend.
  • Der Vokal /ɨ/ (in vietnamesischer Schrift ư) wird manchmal auch als [ɨ̞̠] oder [ɯ] beschrieben.
  • Die geschlossenen und halb geschlossenen („hohen“) Vokale /i, ɨ, u, e, əː, o/ sind diphthongisiert, vor allem in offenen Silben: [ɪj, ɨɰ, ʊw, ej, əːɰ, ow].
chị „ältere Schwester“ /ci/ [cɪj] quê „Land“ /kwe/ [kwej]
„vierter“ /tɨ/ [tɨɰ] „träumen“ /məː/ [məːɰ]
thu „Herbst“ /tʰu/ [tʰʊw] „Tante väterlicherseits“ /ko/ [kow]

Diphthonge und Triphthonge

Außer den einfachen Vokalen (Monophthongen) hat das Vietnamesische noch eine Reihe von Diphthongen und Triphthongen. Phonologisch kann man diese Diphthonge und Triphthonge als Vokale beschreiben, auf die ein Konsonant ([j] oder [w]) folgt.

/ɜ/-Diphthonge /j/-Diphthonge/Triphthonge /w/-Diphthonge/Triphthonge
/iɜ/ /əːj/ /iw/
/ɨɜ/ /ɜj/ /ew/
/uɜ/ /ɐːj/ /ɛw/
/ɐj/ /əːw/
/ɨj/ /ɜw/
/uj/ /ɐːw/
/oj/ /ɐw/
/ɔj/ /ɨw/
/ɨɜj/ /iɜw/
/uɜj/ /ɨɜw/
  • Die Verbindungen /ɨw/ und /ɨɜw/ werden in Hanoi umgangssprachlich meist /iw/ bzw. /iɜw/ ausgesprochen.
  • Die Diphthonge /iɜ/, /ɨɜ/, und /uɜ/ werden in Hanoi umgangssprachlich manchmal /ie/, /ɨəː/, bzw. /uo/ ausgesprochen, außer vor /k, ŋ/ und in offenen Silben.

Tonsystem

Die sechs Töne der vietnamesischen Sprache

Die Höhe und der Verlauf der Tonhöhe bei der Aussprache einer Silbe ist bedeutungsunterscheidend. Dies bedeutet, dass eine falsche Aussprache des Tones sinnentstellend wirkt. Ohne die Töne hätte die vietnamesische Sprache eine extrem hohe Anzahl an Homonymen. Die Töne des Vietnamesischen unterscheiden sich in Tonhöhe und -verlauf, Länge und Glottalisierung. In der vietnamesischen Schrift werden die Töne durch diakritische Zeichen kenntlich gemacht.

Bezeichnung Kurzbeschreibung Ziffern nach Yuen Ren Chao Vietnamesische Schrift Beispiel Erklärung
ngang oder không hoch (oder mittel) und eben 33 (nicht bezeichnet) ba „drei“ Der Normalton wird mittelhoch ausgesprochen, wobei die Stimme weder steigt noch fällt.
huyền tief und fallend 21 ` „Dame“ Der fallende Ton beginnt tief und sinkt von dort noch etwas. Er wird meist etwas weniger stark als andere Silben, dafür etwas länger, ausgesprochen.
hỏi   (tief) fallend und steigend 313 ̛ bả „Gift“ Der fallend-steigende Ton wird mit etwas mehr Nachdruck gesprochen. Die Stimmhöhe sinkt zunächst und steigt dann.
ngã unterbrochen und steigend 35 ˜ „Rest“ Der unterbrochene steigende Ton steigt und die Silbe enthält einen Knacklaut.
sắc hoch (oder mittel) steigend 35 ´ „Gouverneur“ Der steigende Ton beginnt hoch und steigt kurz an. Die Silben im steigenden Ton werden meist mit etwas mehr Nachdruck gesprochen.
nặng tief, fallend und knarrig 32 oder 31  ̣ bạ „zufällig“ Der tiefe gebrochene Ton wird tief und fallend ausgesprochen, die Silbe hat ebenfalls einen Knacklaut und wird häufig mit etwas Nachdruck gesprochen.

Grammatik

Das Vietnamesische ist eine isolierende Sprache. Die Wörter werden also nicht flektiert, die Beziehung eines Wortes im Satz zu anderen Wörtern wird nur durch ihre Stellung im Satz deutlich. Deshalb wird die Satzkonstruktion SubjektPrädikatObjekt im Allgemeinen eingehalten. Ausnahmen, etwa das Vorziehen des Objekts an den Satzanfang zur Betonung, sind möglich.

Da es keine grammatischen Tempora gibt, wird die Zeitform nur aus dem Kontext sichtbar, d. h. sie geht aus dem Zusammenhang hervor oder wird durch andere Wörter (z.B. Adverbien) näher bestimmt.

Bedeutsam ist das Vorkommen von Zähleinheitswörtern in der vietnamesischen Sprache. Wie in anderen asiatischen Sprachen ist es nicht möglich, das Numeral und das Nomen direkt zu verbinden, sondern es muss ein Zähleinheitswort dazwischengestellt werden. Diese unterscheiden sich danach, ob das Nomen belebt ist oder nicht, bei unbelebten Nomen sind Eigenschaften wie die Form entscheidend.

Ähnlich wie in romanischen Sprachen steht bei Attributkonstruktionen das Attribut immer nach dem Wort, das es näher beschreibt, also etwa tiếng Việt (Sprache Vietnam).

Wortschatz

Vietnamesisch ist eine Sprache, bei welcher ursprünglich jedes Wort nur aus einer einzigen Silbe bestand. Bis heute sind das Grundvokabular und alle grammatisch bedeutsamen Wörter einsilbig. Im Laufe der Geschichte sind jedoch zahlreiche zweisilbige Wörter in den Wortschatz der Sprache aufgenommen worden. Mehrsilbige Wörter werden aber, von Eigennamen abgesehen, als mehrere Einzelsilben geschrieben.

Mehrsilbige Wörter sind entstanden, in dem man neue Formen aus existierenden Wörtern zusammengesetzt hat, etwa bàn ghế (Tisch–Stuhl, Bedeutung: „Möbel“) oder nước mắt (Wasser–Auge, „Träne“).

Weiterhin sind mehrsilbige Lehnwörter aus dem Chinesischen in die vietnamesische Sprache aufgenommen worden. Sind sie zweisilbig, so erkennt man sie leicht daran, dass das Beschreibende nicht hinter dem Beschriebenen steht, sondern davor. Die Aussprache ähnelt dabei nicht dem Hochchinesischen, sondern südchinesischen Dialekten (kantonesisch). Beispiele sind đại học (chin. da-xüe, kant. dai-hok = wörtl. Große Lehre (ein Buch des Konfuzius), moderne Bedeutung: „Universität“) oder ngữ pháp (chin. yü-fa = wörtl. Schrift-Gesetz, „Grammatik“). Es gibt eine hohe Anzahl an Synonympaaren, wobei das eine Wort aus vietnamesischen Komponenten zusammengesetzt ist, während es ein Wort chinesischen Ursprunges mit gleicher Bedeutung gibt. In der Regel wird das sino-vietnamesische Wort als archaisch empfunden und es gibt Bestrebungen, durch Standardisierungen die sino-vietnamesischen Wörter abzuschaffen.

Wörter mit neueren Bedeutungsinhalten werden in der Regel durch Umschreibung geschaffen. Dazu gehört beispielsweise máy thu thanh (Maschine–sammeln–Klang, „Radio“).

Bedingt durch die Jahrzehnte lange französische Kolonialherrschaft gibt es eine Reihe französischer Wörter im Vietnamesischen, die vor allem technische Ausdrücke wiedergeben oder Dinge des täglichen Lebens bezeichnen, die von den Franzosen im Land eingeführt wurden. Dazu gehören etwa ga (von gare, „Bahnhof“), xi-măng (von ciment, „Zement“), bia (von bière, „Bier“), pho mat (von fromage, „Käse“) oder bánh (von pain, „Brot“).

Schrift

Die vietnamesische Sprache wurde in drei Schriftsystemen geschrieben:

  1. chữ Hán, also chinesischen Schriftzeichen
  2. chữ Nôm, eine auf chinesischen Schriftzeichen aufbauende Schrift
  3. Quốc Ngữ, eine lateinische Schrift mit diakritischen Zeichen, das aktuelle Schreibsystem in Vietnam

Geschichte

Die vietnamesische Sprache wurde, ähnlich wie die koreanische oder japanische Sprache, von der chinesischen Sprache stark beeinflusst. Während der tausendjährigen chinesischen Fremdherrschaft (111 v. Chr. bis 938) war Chinesisch Amts- und Bildungssprache. Die Chinesen brachten mit ihrer Sprache auch ihre Literatur, Philosophie und Geschichte mit nach Vietnam. Dies führte zur Übernahme zahlreicher chinesischer Wörter in die vietnamesische Sprache, denn vor allem für die konfuzianistischen Beamtenprüfungen waren profunde Kenntnisse der chinesischen Sprache und Schrift unerlässlich.

Wahrscheinlich zu der Zeit, als sich die sino-vietnamesische Aussprache gefestigt hatte, also frühestens ab dem 11., sicher jedoch ab dem 13. Jahrhundert, begannen vietnamesische Gelehrte, die chinesische Schrift abzuwandeln.

Dies begann zunächst mit der Vereinheitlichung der Schreibung von vietnamesischem Wortgut, etwa Eigennamen. Später wurden eigene Zeichen eingeführt, um Wörter, die im Vietnamesischen häufig vorkamen, besser auszudrücken. Es entstand eine eigene vietnamesische Schrift, das Chữ Nôm. Diese Schrift wurde für die Chinesen letzten Endes unlesbar. Die ältesten Inschriften dieser Chữ Nôm-Zeichen finden sich auf Glocken in Tempeln und in Steininschriften. Kim Vân Kiều ist das bedeutendste literarische Werk, welches in Chữ Nôm verfasst wurde. Dieses Epos des Schriftstellers Nguyễn Du gehört bis heute zu den Klassikern der vietnamesischen Literatur und ist Standardlesestoff an vietnamesischen Schulen.

Ab dem 16. Jahrhundert begann die missionarische Tätigkeit von katholischen Priestern aus Europa (v. a. Portugal, Italien, Spanien und Frankreich). Sie benötigten eine Umschrift der vietnamesischen Aussprache in lateinische Buchstaben, um die Sprache derer, die sie vom Christentum überzeugen wollten, zu lernen. Gleichzeitig hofften sie, dass das Erlernen des lateinischen Alphabetes auch das Erlernen der jeweiligen europäischen Sprache erleichtern würde. Die Schrift, die sie entwickelten, heißt Chữ Quốc Ngữ (nationale Schrift). Die Pioniere bei der Entwicklung dieser Schrift waren Christofora Borri, Francisco de Pina und Francisco de Buzomi. Die Missionare Gaspar d’Amaral, Antoine de Barbosa und Alexandre de Rhodes erstellten in der Folge unabhängig voneinander Wörterbücher der vietnamesischen Sprache. Im Jahre 1651 wurde das Dictionarium Annamiticum Lusitinum et Latinum von Alexandre de Rhodes in Rom zum Druck freigegeben.

Chữ quốc ngữ entwickelte sich durch mehrere Modernisierungen und Vereinheitlichungen von Schreibweisen zu einer lateinischen Schrift mit zwei zusätzlichen Buchstaben für Vokale, die in westlichen Sprachen nicht existieren. Daneben werden die sechs Töne durch Diakritika dargestellt. Chữ quốc ngữ ist seit 1945 die offizielle Staats- und Verkehrsschrift Vietnams.

Es handelt sich um eine phonetische Schrift, d. h., dass man aus der Schreibweise die Aussprache sehr exakt ableiten kann.

Konsonanten

Konsonant Aussprache
b ähnlich dem b in Bett. Am Silbenende nicht-plosiv,
c nichtaspiriert, am Silbenende nicht-plosiv, wie g in gut
ch am Silbenanfang wie in tja,
d weiches s wie in Summe. Im Süden wie j ausgesprochen.
đ ähnlich dem d in dumm
g ähnlich dem r in Rasen
gi s wie in Samen
h ähnlich dem h in holen
kh Ach-Laut wie in lachen
l ähnlich dem l in laufen
m ähnlich dem m in mit
n ähnlich dem n in nicht
ng wie ng in Singen
nh ähnlich dem spanischen ñ (nj).
p nichtaspiriert, am Silbenende nicht-plosiv
ph wie das deutsche f in Fisch
r ähnlich wie r in Reis
s im Norden wie s in Biss ausgesprochen, im Süden ungerundeter als das deutsche sch, ähnlich dem englischen sh in show
t nicht aspiriert, am Silbenende nicht-plosiv
th aspiriertes t
tr wie in Kutsche
v wie das v in Vase
x stimmloses s wie in Sex

Vokale

Vokal Aussprache
a offenes a wie in Vater
ă ähnlich dem deutschen ä, aber kürzer und intensiver ausgesprochen
â halbgeschlossenes a, ähnlich dem a in hat
e halboffenes e, ähnlich Wetter
ê halbgeschlossenes e
i, y ähnlich dem deutschen i
o ähnlich dem o in Torte
ô ähnlich dem o von Ton
ơ ähnlich dem u im englischen fur
u ähnlich dem u von Kuss
ư u mit breiten Lippen, im Dt. unbekannt; sehr ähnl. türk. ı

Töne

Die Töne werden durch Diakritika bezeichnet (s.o.). Da es Vokale gibt, die bereits von Natur aus ein diakritisches Zeichen haben, sind Vokale mit zwei Diakritika keine Seltenheit.

Nicht jede Silbe existiert in jeder Tonhöhe; einige Silben ergeben nur in einem oder zwei der sechs möglichen Töne Sinn.

Vietnamesisch im Unicode

Thanh không Thanh sắc Thanh huyền Thanh hỏi Thanh ngã Thanh nặng
Đ đ
a á = á à = à ả = ả ã = ã ạ = ạ
ă = ă ắ = ắ ằ = ằ ẳ = ẳ ẵ = ẵ ặ = ặ
â = â ấ = ấ ầ = ầ ẩ = ẩ ẫ = ẫ ậ = ậ
e é = é è = è ẻ = ẻ ẽ = ẽ ẹ = ẹ
ê = ê ế = ế ề = ề ể = ể ễ = ễ ệ = ệ
i í = í ì = ì ỉ = ỉ ĩ = ĩ ị = ị
o ó = ó ò = ò ỏ = ỏ õ = õ ọ = ọ
ô = ô ố = ố ồ = ồ ổ = ổ ỗ = ỗ ộ = ộ
ơ = ơ ớ = ớ ờ = ờ ở = ở ỡ = ỡ ợ = ợ
u ú = ú ù = ù ủ = ủ ũ = ũ ụ = ụ
ư = ư ứ = ứ ừ = ừ ử = ử ữ = ữ ự = ự
y ý = ý ỳ = ỳ ỷ = ỷ ỹ = ỹ ỵ = ỵ

Beispiel

Vietnamesisch IPA (Hanoi) Deutsch
Tất cả mọi người sinh ra đều được tự do và bình đẳng về nhân phẩm và quyền. Mọi con người đều được tạo hoá ban cho lý trí và lương tâm và cần phải đối xử với nhau trong tình bằng hữu. tɜt̚ kɐː mɔj ŋɨɜj siŋ za ɗew ɗɨɜk̚ tɨɰ zɔ vɐː ɓiŋ ɗɐŋ vej ɲɜn fɜm vɐː kɨɜn. mɔj kɔn ŋɨɜj ɗeu ɗɨɜk̚ tɐːw huɜ ɓɐːn cɔ li ci vɐː lɨɜŋ tɜm vɐː kɜn fɐːj ɗoj sɨ vɜj ɲɐw cɔŋ tiŋ ɓɐŋ hɨw. Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.

Literatur

  • Đinh-Hoà Nguyễn: Vietnamese. In: Bernard Comrie (Hrsg.): The languages of East and Southeast Asia. London 1990, S. 49ff. ISBN 0-415-04739-0. (Sehr brauchbarer Überblick über Herkunft und Besonderheiten der vietnamesischen Sprache.)
  • Haudricourt, A.-G.: La place du vietnamien dans les langues austroasiatiques. in: Bulletin de la Societé Linguistique de Paris, 1953 (49), S. 122-128. (Der Aufsatz, welcher zur aktuellen Einordnung der vietnamesischen Sprache führte)
  • Haudricourt, A.-G.: De l'origine des tons en vietnamien. Journal Asiatique, 1954 (242), S. 69-82. Der Aufsatz, in dem Haudricourt die Entwicklung der Töne in der vietnamesischen Sprache belegt.
  • Thompson, Laurence E.: A Vietnamese reference grammar. Seattle, Honolulu, 1991 (1965) ISBN 0-8248-1117-8. (Standard-Grammatik)
  • Winfried Boscher, Pham trung Liên: Wörterbuch Vietnamesisch-Deutsch Leipzig, 1989. ISBN 3-324-00377-6

Weblinks

Wikipedia Wikipedia auf Vietnamesisch
Wiktionary Wiktionary auf Vietnamesisch – ein freies Wörterbuch


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