- Tod durch den Strang
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Unter Erhängen (veraltet auch. henken[1]) versteht man die Tötung durch Zusammenschnüren des Halses oder Brechen des Genicks in einer – meistens laufenden – Schlinge unter Einfluss des Körpergewichts. Das Erhängen ist eine der häufigsten Methoden des Suizids. Zugleich ist es eine der ältesten Hinrichtungsarten. Strangulation ist der rechtsmedizinische Überbegriff für Erhängen, Erdrosseln oder Erwürgen.
Inhaltsverzeichnis
Medizinische Aspekte
Suizid
Rechtsmedizinisch wird zwischen typischem und atypischem Erhängen unterschieden. Beim typischen Erhängen hängt der Körper in einer frei schwebenden Position, der Aufhängepunkt (nachweisbar über die Strangfurche) befindet sich hinten in der Mitte des Nackens. Beim atypischen Erhängen berührt der Körper teilweise den Untergrund (z.B. sitzend oder gar liegend), der Aufhängepunkt liegt dann meistens seitlich verschoben oder vorne am Hals.
Hinrichtungen
In Mittelalter und früher Neuzeit ähnelte das Erhängen langsamem Erdrosseln: Das Gewicht des Körpers drückte den Strick auf den Adamsapfel, die Drossel, und schnürte dabei die Luftröhre ab.[2]
In Österreich-Ungarn war es üblich, den Delinquenten ruckartig mit ganzer Kraft am Seil hochzuziehen und Halsschlagadern und Wirbelarterien zusammenzupressen. Manchmal drückte auch der Zungengrund gegen die Rachenhinterwand und verlegte so die Atemwege. Der Kandidat verlor rasch das Bewusstsein und starb durch Unterbrechung des Blutflusses im Gehirn (auch der venöse Abfluss des Blutes wird durch die äußere Kompression unterbunden).
Wird am Galgen der lange Fall angewandt (Großbritannien bis zur Abschaffung der Todesstrafe; aktuell noch in einigen US-Staaten, Singapur und Irak), fällt der Verurteilte durch eine plötzlich geöffnete Falltür im Boden je nach der in Abhängigkeit von seinem Gewicht und Körperbau berechneten Stricklänge etwa 1,5–2,5 Meter hinab, ehe der Strang den Sturz ruckartig bremst. Die beabsichtigte, aber nicht immer eintretende Folge ist eine Fraktur des Dens axis (Genickbruch), wobei durch die Verschiebung der Bruchstücke dieses Knochens die Medulla oblongata (verlängertes Rückenmark) durchtrennt werden soll, die sowohl den Kreislauf als auch die Atmung reguliert. Falls dies geschieht, hat es neurophysiologisch gesehen denselben Effekt wie das Enthaupten. Ist der Strick zu lang bemessen, kann es zum Abreißen des Kopfes kommen (wie im Falle von Barsan al-Tikriti); ist er zu kurz, wird der Verurteilte möglicherweise nicht sofort bewusstlos.
Strafvollzug (Todesstrafe)
Im Strafvollzug werden Hinrichtungen durch Erhängen meistens an einem Galgen durchgeführt.
Früher nannte man das Erhängen auch „Richten mit trockener Hand“ im Gegensatz zum Enthaupten, dem „Richten mit blutiger Hand“. In alter Zeit forderte die Tötung durch Erhängen kein besonderes Geschick, im Unterschied zum Enthaupten. Dadurch wurde die Suche nach Henkern entsprechend erleichtert.
Im Gegensatz zur ehrenvollen Enthauptung, die meistens Verurteilten höheren Ranges vorbehalten blieb, wurde das unehrenhafte Erhängen solchen niederen sozialen Ranges oder Vogelfreien (die dann oft auch am Galgen verbleibend von Vögeln verzehrt wurden) zuteil. Dieses wirkte teilweise bis ins 20. Jahrhundert fort. So ließ die NS-Justiz die meisten gefassten Attentäter des 20. Juli hängen. Auch die durch das Nürnberger Tribunal verhängten Todesurteile lauteten „death by hanging“.
In den USA wurde zuletzt am 25. Januar 1996 Billy Bailey in Delaware durch Erhängen hingerichtet.
Aberglaube
Das Verbleiben der Leichen am Galgen konnte höchst unerwünschte Folgen haben, denn „Schelmbein“ (Knochen) oder „Armsünderschmalz“ (Fett) galten im Mittelalter als heil- und zauberkräftig. Der Daumen eines Diebes etwa sollte im Spiel Glück bringen und der Galgenstrick diente zum Zähmen wilder Pferde. [3]
Bekannte Personen, die durch Erhängen hingerichtet wurden
- Savonarola († 23. Mai 1498), italienischer Dominikaner und Bußprediger
- Johann Georg Grasel († 31. Januar 1818), böhmisch-österreichischer Räuberhauptmann
- Ned Kelly († 11. November 1880), australischer Straßenräuber
- Charles J. Guiteau († 30. Juni 1882), Mörder von James A. Garfield
- Fazlollah Nuri († 31. Juli 1909)
- Dietrich Bonhoeffer († 9. April 1945), deutscher evangelisch-lutherischer Theologe, Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus
- Amon Göth († 13. September 1946), Kommandant des KZ Plaszow bei Krakau
- Entsprechend den Urteilen in den Nürnberger Prozessen am 16. Oktober 1946 hingerichtet:
- Hans Frank, NS-Politiker und Generalgouverneur des besetzten Polen
- Wilhelm Frick, NS-Politiker und Reichsminister des Innern
- Alfred Jodl, während des Zweiten Weltkrieges Chef des Wehrmachtführungsstabes
- Ernst Kaltenbrunner, als Nachfolger von Reinhard Heydrich Chef des RSHA
- Wilhelm Keitel, Chef des Oberkommandos der Wehrmacht
- Joachim von Ribbentrop, deutscher Politiker, NS-Außenminister
- Alfred Rosenberg, NS-Politiker deutsch-baltischer Herkunft
- Fritz Sauckel, deutscher NS-Politiker, Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz
- Arthur Seyss-Inquart, österreichischer NS-Politiker
- Julius Streicher, deutscher NS-Propagandist, Herausgeber der Wochenzeitung „Der Stürmer“
- Deniz Gezmis († 6. Mai 1972 in Ankara) Türkischer Freiheitskämpfer überzeugter Verfechter des Marxismus-Leninismus.
- Rudolf Höß († 16. April 1947), Kommandant des KZ Auschwitz
- Hideki Tojo († 23. Dezember 1948), General und 27. Premierminister Japans vor und während des Zweiten Weltkriegs.
- Imre Nagy († 16. Juni 1958), Premierminister Ungarns.
- Adnan Menderes († 17. September 1961), türkischer Politiker und Ministerpräsident mehrerer Regierungen
- Adolf Eichmann († 1. Juni 1962), SS-Obersturmbannführer, zuständig für die Deportation der Juden
- Zulfikar Ali Bhutto († 4. April 1979), 1971 bis 1973 Staats- und anschließend bis 1977 Ministerpräsident Pakistans
- Ken Saro-Wiwa († 10. November 1995 in Port Hartcourt/Nigeria), nigerianischer Bürgerrechtler
- Mohammed Nadschibullah († 27. September 1996), afghanischer Staatspräsident, durch die Taliban in Kabul erhängt
- Saddam Hussein († 30. Dezember 2006), von 1979 bis 2003 Staatspräsident des Irak
- Barsan al-Tikriti († 15. Januar 2007), Halbbruder von Saddam Hussein (unbeabsichtigte Enthauptung bei Erhängung)
- Awad al-Bandar († 15. Januar 2007), ehemaliger irakischer Richter
- Taha Yassin Ramadan († 20. März 2007), irakischer Politiker und Vizepräsident des Irak unter Saddam Hussein
- Tsutomu Miyazaki († 17. Juni 2008), japanischer Serienmörder und Kannibale
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ hen|ken <sw. V.; hat> [mhd., ahd. henken = hängen machen; (auf)hängen; →hängen (veraltend)] (Duden, Website)
- ↑ Gerd Althoff, Hans-Werner Goetz, Ernst Schubert –- Menschen im Schatten der Kathedrale, Darmstadt: Primus Verlag 1998 S. 341
- ↑ Menschen im Schatten der Kathedrale S. 339
Weblinks
- Erhängen. In: Meyers Konversations-Lexikon. Bd. 5, 4. Aufl. Leipzig: Bibliographisches Institut, 1885–1892, S. 780
- Beschreibung und Abbildung des österreichischen Richtpfahls zur Strangulierung
- Bericht im SPIEGEL über eine schlecht ausgeführte Erhängung (Barsan al-Tikriti)
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