Truppenübungsplatz Grafenwöhr

Truppenübungsplatz Grafenwöhr
Warnschild an der Grenze zum Truppenübungsplatz, 2005

Der Truppenübungsplatz Grafenwöhr liegt in der Nähe der Stadt Grafenwöhr im Landkreis Neustadt an der Waldnaab (Oberpfalz) in Bayern und gehört großteils zur Gemarkung von Grafenwöhr. Er hat eine Fläche von 226 km². Auf dem Areal, einem der größten Truppenübungsplätze Europas, wird mit scharfer Munition geschossen. Bezüglich der Fläche wird er auf dem Kontinent noch von Bergen-Hohne und Army Training Estate Salisbury Plain (SPTA) in Großbritannien übertroffen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Truppenlager Grafenwöhr, Postkarte um 1910
Kommandantur und Garnisonsverwaltung, Postkarte um 1915

Das Königreich Bayern ließ in dem dünn besiedelten, waldreichen Gebiet in der nördlichen Oberpfalz von 1907 bis 1910 einen Schießplatz für das III. Korps der Armee errichten. Dazu mussten rund 230 Menschen ihre Heimat verlassen. Folgende Ortschaften wurden aufgelöst und abgesiedelt:

Annahütte, Erzhäusl, Flügelsburg, Grünhund, Grünhunder Schmierhütte, Hirschmühle, Schwarzenhäusl, Wolfslegel und Ziegelhütte.

Nachdem das NS-Regime ab 1935 die Aufrüstung der Wehrmacht vorantrieb, wurde das Gebiet 1936 bis 1938 stark erweitert. Man gründete die Reichsumsiedlungsgesellschaft RUGES. Es gibt einen Amateurfilm über die Umsiedlung: „Das vergessene Land“ von Peter Ponnath (Telefilm, Fürth). Für die Menschen war die Aufgabe ihrer angestammten Heimat sehr schwer. Viele wurden in Wolfskofen/Mintraching bei Regensburg in einer bäuerlichen Mustersiedlung untergebracht. Dort entstand (um die Menschen zu beruhigen) der wohl einzige katholische Kirchenbau, den die Nationalsozialisten bezahlten. In dieser Kirche befinden sich die Altäre und das Marien-Gnadenbild (das Original kam im Dreißigjährigen Krieg in das Strahov-Kloster nach Prag) der Kirche von Pappenberg. Die nachfolgenden Orte sind durch die Erweiterung des Geländes durch die Nationalsozialisten erloschen:

Altenweiher, Altneuhaus, Baumühle, Beilenstein, Bergfried, Bernhof, Bernreuth, Betzlhof, Boden im Thal, Braunershof, Dorfgänlas, Dörnlasmühle, Dornbach, Ebersberg, Eibenstock, Erlbach, Fenkenhof, Fronhof, Grünwald, Haag, Hammergänlas, Hebersreuth, Hellziechen, Hermannshof, Hirschmühle, Höhenberg, Hopfenohe, Kaundorf, Kittenberg, Kotzmanns, Kühberg, Kumpf, Langenbruck, Leuzenhof, Luisenhof/Hub, Meilendorf, Netzaberg, Netzart im Thal, Nunkas, Oberfrankenohe, Pappenberg, Pinzig, Pommershof, Portenreuth, Römersbühl, Sommerhau, Schindlhof, Schloßfrankenohe, Schwarzenhäusl, Stegenthumbach, Unterfrankenohe, Walpershof, Weihern, Wirlhof, Wolframs, Zeltenreuth, Zissenhof

Insgesamt wurden 780 Familien (mehr als 3.500 Personen) umgesiedelt. Die Ortschaften wurden zerstört und abgetragen, einige wenige Reste stehen heute noch als Geisterstädte, z. B. die Ruinen der Kirchen Hopfenohe und Pappenberg. Für militärische Übungen im Häuserkampf wurden spezielle neue Ortschaften aufgebaut.

Während des Zweiten Weltkrieges wurden etwa 300 sowjetische Kriegsgefangene in Arbeitskommandos zur Zwangsarbeit eingesetzt. Dabei wurden durch die Gestapo bei sogenannten „Überprüfungen“ Juden, Kommissare und „Hetzer“ ausgesondert und zur „Sonderbehandlung“ dem KZ Flossenbürg überstellt, wo sie erschossen wurden. Das geschah z.B. am 25. August 1941 mit 41 dieser Kriegsgefangenen. Viele weitere Sowjetbürger kamen durch Krankheit und Hunger ums Leben. Ein Offizier wurde wegen Befehlsverweigerung erschossen. 32 von ihnen sind seit 1987 auf dem Friedhof von Auerbach in der Oberpfalz begraben.[1]

Amerikanische Soldaten bei einer Übung mit einer M777A2-Haubitze auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr, 2009

Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die US Army den Truppenübungsplatz und nutzte ihn in seiner ursprünglichen Bestimmung weiter. Mit Kosten von rund 210 Millionen D-Mark wurden von 1979 bis 1984 computergesteuerte Schießbahnen errichtet. Der Truppenübungsplatz Grafenwöhr galt damals als modernste Schießeinrichtung der NATO.

Seit der Absiedlung und Auflösung der Gemeinden Haag, Höhenberg, Hopfenohe, Kaundorf, Leuzenhof, Nunkas, Oberfrankenohe und Pappenberg 1938/39 waren diese gemeindefrei[2] (nachträglich durch Bekanntmachung des Bayer. Staatsministerium des Innern vom 22. August 1951 verfügt) und bildeten das Kerngebiet des gemeindefreien Gebietes Truppenübungsplatz Grafenwöhr, das am 1. Juli 1978 in die Stadt Grafenwöhr eingegliedert wurde, das gemeindefreie Gebiet war damit aufgelöst.

Zur Geschichte des Truppenübungsplatzes gehört auch ein sechswöchiger Manöveraufenthalt von Elvis Presley, der im Museum dokumentiert ist.

Heutige Nutzung

Der Truppenübungsplatz nennt sich seit 2006 Joint Multinational Command Training Center (JMCTC). Kürzlich wurden die neuen Quartiere des 2nd Stryker Cavalry Regiment bezogen. Nahe dem Truppenübungsplatz entstand die - damals sogenannte - „New Town“, heute die Siedlung "Netzaberg", die als eigener Stadtteil der Stadt Eschenbach in der Oberpfalz untergliedert ist, als neue Heimat für die Soldaten des 2nd SBCT.

In Grafenwöhr üben die Einheiten der United States Army Europe (USAREUR), die United States Air Forces in Europe (USAFE) und andere NATO-Streitkräfte. Am Truppenübungsplatz Grafenwöhr unterhält die US Army den Flugplatz Grafenwöhr, auf dem hauptsächlich Frachtmaschinen landen.

Das Verwaltungs- und Unterkunftsgelände befindet sich im Norden, das Trainingsgelände in der Mitte und die Vilseck Military Community im Süden.

Der Truppenübungsplatz ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor und einer der größten Arbeitgeber in der Region (3.600 lokale Arbeitnehmer direkt).

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Netzaberg Housing Area

Netzaberg Housing Area im Bau, 2008
Eine der 3.000 Wohneinheiten der Netzaberg Housing Area, 2008

Am Truppenübungsplatz in der Nähe der Stadt Eschenbach in der Oberpfalz entstand von 2006 bis 2008 die Netzaberg Housing Area. Im Rahmen der Truppenumsiedlung der amerikanischen Streitkräfte nach Eschenbach wurden 832 Häuser für 3.600 US-Soldaten und ihre Familien gebaut.[3] Dadurch ist eine komplett neue Stadt mitsamt der benötigten Einrichtungen errichtet worden. Die Häuser baute das Bayreuther Bauunternehmen Bayreuther Zapf. Finanziert wurde das 200-Millionen-Euro-Projekt von der dänischen Investorengruppe NORDICA.

Bis zur zweiten Erweiterung des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr im Jahr 1936 befand sich auf dem Höhenzug, wo heute die "New Town" steht, bereits das oben genannte und 1938 aufgelassene Dorf Netzaberg.

Der Standort Netzaberg ist für eine Wohnbebauung geologisch umstritten. Bereits 1960 wurde in der Erläuterung zur Geologischen Karte von Bayern festgestellt: „G. Nutzbare Ablagerungen: Bleiglanz und Weißbleierz in nestartigen bis versprengten Auftreten finden sich in sandigen Muschelkalkschichten am Netzaberg östlich von Eschenbach und nordöstlich von Grafenwöhr“.[4]

Dies bedeutet eine erhöhte Bleibelastung im Boden. Außerdem wurde bei Brunnenbohrungen eine erhöhte natürliche radioaktive Strahlung festgestellt. [5]

Bundeswehr

Wappen des DMV TrÜbPlKdtr Grafenwöhr

Auch die Bundeswehr nutzt den Truppenübungsplatz für die Ausbildung und Manöver. Die Interessen der Bundeswehr nimmt der Deutsche Militärische Vertreter bei der Truppenübungsplatzkommandantur (DMV TrÜbPlKdtr) wahr. Diese Dienststelle hat 130 Dienstposten und wird im Zuge der Neuausrichtung der Bundeswehr auf 110 verkleinert.[6] Sie nimmt aktiv an der Verwaltung des Truppenübungsplatzes teil.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation, Band 1. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1995, ISBN 3-89331-208-0, S. 143
  2. Wilhelm Volkert (Hrsg.): Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799–1980. C.H.Beck’sche Verlagsbuchhandlung, München 1983, ISBN 3-406-09669-7. Seite 459
  3. Firma Zapf; Pressemitteilung vom 24. Oktober 2008 http://www.zapf-gmbh.de/system/web/zapf/netzaberg/presse/PR-Netzaberg-ist-fertig.pdf
  4. Erläuterung zur Geologischen Karte von Bayern, Blatt Nr 6237 Grafenwöhr; H. Hauenschild, B. Schröder, München, 1960
  5. Oberpfalznetz; Zeitungsartikel vom 14. Juli 2007 http://www.oberpfalznetz.de/zeitung/1042159-127,1,0.html
  6. BMVg: Die Stationierung der Bundeswehr in Deutschland

Literatur

  • Eckehart Griesbach: Truppenübungsplatz Grafenwöhr – Geschichte einer Landschaft.
  • Hans-Jürgen Kugler: Hopfenohe – Geschichte einer Pfarrgemeinde [1]
  • Hans-Jürgen Kugler: Nitzlbuch / Bernreuth – Geschichte einer bäuerlichen Region in der nördlichen Oberpfalz [2]
  • Gerhard Müller: Geschichte des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr, Ausstellung zur Militärabteilung
  • Dominikus Kneidl, Olaf Meiler: Truppenübungsplatz Grafenwöhr. Bildband
  • Paul Burckhardt: The Major Training Areas – Grafenwoehr/Vilseck, Hohenfels, Wildflecken (1. und 2. Auflage, Englisch)
  • Paul Burckhardt: Die Truppenübungsplätze – Grafenwöhr, Hohenfels, Wildflecken (3. Auflage, Deutsch)
  • Peter Heigl: Sergeant Elvis Presley in Grafenwöhr, deutsch/englisch, Buch & Kunstverlag Oberpfalz, Amberg 2007
  • Gerald Morgenstern: "Truppenübungsplatz Grafenwöhr" gestern - heute, Grafenwöhr 2010

Weblinks

 Commons: Truppenübungsplatz Grafenwöhr – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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