- Unfall beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1955
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Der Unfall beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1955 am 11. Juni 1955 gilt als bislang schwerste Katastrophe im Motorsport.[1] Infolge einer Kollision der Wagen des Franzosen Pierre Levegh und des Briten Lance Macklin starben insgesamt 84 Menschen.
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte
Pierre Levegh wurde Anfang 1955 als Werksfahrer von Mercedes-Benz engagiert. Einer der Gründe für das Engagement Leveghs war seine Entschlossenheit, die er im Le-Mans-Rennen 1952 zeigte. Obwohl damals ein Ersatzfahrer zur Verfügung stand, nahm sich Levegh nicht die Zeit zum Fahrerwechsel, sondern fuhr 23 Stunden am Stück. Nur ein verpasster Reifenwechsel in der letzten Runde brachte Levegh um den Sieg.
Mercedes stellte Levegh den neuen Sportwagen Mercedes-Benz 300 SLR zur Verfügung, mit dem er in der dritten Sportwagen-Weltmeisterschaft der FIA debütierte. Der Franzose war recht erfolgreich, er gewann unter anderem die Mille Miglia. Der 300 SLR verfügte über ein Ultraleichtgewichts-Chassis mit einer speziellen Legierung (Elektron). Allerdings hatte der Wagen nicht die neuen Scheibenbremsen wie der Konkurrent Jaguar D-Type.
Unfallhergang
Pierre Levegh mit der Startnummer 20 begann das Rennen. Sein Partner war der US-Amerikaner John Fitch, der ihn später ablösen sollte. Favoriten für das Rennen waren neben Mercedes und Jaguar die Autos von Ferrari, Aston Martin und Maserati.
Schon in der Frühphase des Rennens begannen die Positionskämpfe. Um 18.26 Uhr, knapp zwei Stunden nach Rennbeginn, war die 35. Runde fast beendet. Mike Hawthorn führte das Feld mit seinem Jaguar an, ihm folgte der schon überrundete Pierre Levegh. Vor Hawthorn fuhr der Brite Lance Macklin in seinem Austin-Healey 100. Hawthorn überrundete den langsameren Engländer und scherte vor Macklin ein, um doch in die Boxengasse einzufahren. Die Scheibenbremsen des Jaguars bremsten den Wagen schneller ab als die Trommelbremsen der anderen Autos. Um dem nun langsamer werdenden Jaguar Hawthorns auszuweichen, musste Macklin nach links aus der Spur wechseln. Doch er wusste nicht, dass sich von hinten Levegh(2.) und dessen Teamkamerad Juan Manuel Fangio, zu diesem Zeitpunkt Drittplatzierter und auf dem Weg Levegh zu überrunden, näherten.
Levegh, noch vor Fangio, hatte keine Zeit zum Reagieren. Der Mercedes berührte den langsameren Austin Macklins hinten links. Aus aerodynamischen Gründen hatte man dem Austin eine nach hinten abflachende Form gegeben, die nun wie eine Rampe wirkte. Leveghs Mercedes fuhr auf und wurde von Macklins Heck in die Luft katapultiert. Dabei bekam der Mercedes einen Linksdrall, der ihn auf einen Erdwall schleuderte, der zum Schutz für die Zuschauer errichtet worden war.
Der Mercedes schlug mit einer solchen Wucht auf den Erdhügel auf, dass sich der Wagen überschlug. Dabei wurden Wrackteile weiter in Fahrtrichtung geschleudert, darunter die Motorhaube und die Frontachse, die in die Zuschauermenge der Haupttribüne stürzten. Der Motorblock brach durch das ultraleichte Chassis und wurde ebenso in die Zuschauermenge geschleudert. Levegh wurde beim Überschlag aus dem Wagen geschleudert. Der Benzintank, der hinter dem Fahrersitz montiert war, platzte, der Treibstoff geriet in Brand. Dadurch wurde die Legierung des Chassis bis über den Flammpunkt erhitzt. Die Magnesium-Legierung brannte mit weißer Flamme, die Fahrbahn und die Zuschauer wurden mit sengender Asche bedeckt. Helfer versuchten das brennende Wrack freizubekommen, waren aber erfolglos. In ihrer Unwissenheit über die besondere Zusammensetzung der Legierung versuchten sie zudem, das Feuer mit Wasser zu löschen. Diese Löschversuche ließen den Brand nur noch heftiger werden (siehe auch: Gefahren und Schutzmaßnahmen: Magnesium). Der Mercedes brannte noch mehrere Stunden. Mehr als 80 Zuschauer starben durch die herumwirbelnden Wrackteile und durch das Feuer. Levegh erlag noch am Unfallort seinen schweren Verletzungen.
Fangio, gewarnt durch ein Handzeichen Leveghs, konnte Macklins schwer beschädigtem Austin ausweichen, der nun über die rechte Seite der Fahrbahn schlingerte. Der Austin schlug in die Boxenmauer und wurde wieder zurück auf die Fahrbahn geschleudert. Nicht weit vom brennenden Mercedes schlug der Austin in die linke Leitplanke und tötete dadurch einen weiteren Zuschauer. Macklin selbst überlebte den Unfall.
Das weitere Rennen
Das Rennen wurde trotz der Katastrophe fortgesetzt. In der offiziellen Begründung hieß es, man wolle den Rettungskräften die Zufahrtsstraßen freihalten. Hawthorn setzte nach seinem Boxenstopp das Rennen fort, obwohl er Augenzeuge der Katastrophe war.
Als die Zentrale von Mercedes-Benz in der Nacht über die steigende Zahl der Toten und Verletzten informiert wurde, entschloss man sich, die beiden verbleibenden Fahrerteams (Juan Manuel Fangio/Stirling Moss und Karl Kling/André Simon) aus dem laufenden Rennen zu nehmen. Zu dem Zeitpunkt führte Mercedes mit einer Runde Vorsprung vor Jaguar.
Jaguar beließ seine Teams im Rennen, da sie sich nicht für den Unfall verantwortlich fühlten. Mike Hawthorn gewann das Rennen vor seinem Team-Kameraden und Landsmann Ivor Bueb. Aus Respekt vor den Opfern verzichteten sie auf eine Siegesfeier. Am nächsten Tag wurde in der Kathedrale von Le Mans ein Trauergottesdienst für die Toten abgehalten.
Nachwirkungen
In Frankreich, Deutschland, Spanien und in der Schweiz wurden nach dem Vorfall Motorsport-Veranstaltungen abgesagt oder verboten. Andere Länder bauten ihre Strecken um und verbesserten die Sicherheit. Eine offizielle Untersuchungskommission kam zu dem Schluss, dass der Rennstall Jaguar nicht für die Katastrophe verantwortlich sei, es handele sich um einen reinen Rennunfall. Der Tod der 83 Zuschauer sei auf mangelnde Sicherheitsvorkehrungen zurückzuführen.
Die restliche WM-Saison wurde durch zwei weitere Rennen, die International Tourist Trophy in Großbritannien und die Targa Florio in Italien, komplettiert, welche erst einige Monate später abgehalten wurden. Mercedes-Wagen gewannen beide Rennen, so dass Mercedes die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft gewann.
Nach dem letzten Rennen zog sich Mercedes-Benz vom Motorsport zurück. Irrtümlich wurde angenommen, die Katastrophe von Le Mans sei Auslöser für diesen Entschluss gewesen. Der Vorstand hatte die Entscheidung zum Rückzug am Jahresende jedoch schon im Frühjahr 1955, also Monate vor dem Unglücksrennen, getroffen.[2]
Verbot in der Schweiz
Die Schweiz erließ als Folge des Unfalls ein Verbot für Rundstreckenrennen, welches bis heute Bestand hat. Ein parlamentarischer Vorstoß, der das Verbot aufheben wollte, scheiterte 2009 am Nichteintretensbeschluss des Ständerats.
Siehe auch
Film
- Guido Knopp: ZDF-History: Die Katastrophe von Le Mans. Rennen in den Tod. Dokumentation, 2010, 52 Min, Produzent ZDF.[3]
Weblinks
Einzelnachweise
Kategorien:- Sportveranstaltungskatastrophe
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