- Vincenz Brehm
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Vincenz Brehm (* 1. Jänner 1879 in Duppau, Böhmen; † 18. Mai 1971 (nicht 1970) in Lunz) war ein österreichischer Biologe und Tiergeograph.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Sein Vater (dessen Familie aus Chiesch stammte: oft Zuckerbäcker) war Notar in Duppau, Tachau, Bad Königswart, Elbogen. Die Mutter stammte aus Mies (Stříbro). Vincenz maturierte (mit Auszeichnung) in Eger. Danach belegte er ein Studium der Naturwissenschaften und Mathematik in Innsbruck. Die Dissertation schrieb er 1902 über das Plankton des Achensees. Danach war er Gymnasiallehrer in Pettau, Elbogen und Eger (hier 1910–1940 – obwohl ihm diese Stadt unsympathisch war). In seiner Freizeit war er gern in München, Tirol oder Lunz – als freier Mitarbeiter der Biologischen Station bearbeitete er hier ab 1906 (bald weltweit) die Plankton-Krebse (besonders Onychura, Copepoda und Ostracoda). In Wien war er nur einmal – dienstlich, 1922 – und fand es unwirtlich und "kalt".
Wie viele seiner Zeitgenossen vermochte der mechanistische Darwinismus ihn nicht zu befriedigen – er war Vitalist, begeisterter Anhänger Hans Driesch’. Die Ausdehnung des Naturgeschichte- oder Biologie-Unterrichts durch die Nationalsozialisten erfüllten ihn mit Spott und Zorn, da er von deren "Erbbiologie" überhaupt nichts hielt und wegen Mangels an Fachlehrern 1939 nicht endlich in Pension gehen konnte, sondern für ein weiteres Jahr „zwangs“verpflichtet war. Schon lange beabsichtigte er, zur Pension nach Kufstein ("halbwegs" zwischen Innsbruck und München) zu übersiedeln, aber 1940 war dort keine Wohnung mehr aufzutreiben.
Er war – nicht zuletzt durch Vergleiche der Verbreitungsgebiete von Copepoden wie z.B. Boeckella – bald Anhänger der Wegenerschen Kontinentaldrift-Lehre geworden und hatte ein größeres Manuskript dazu ziemlich druckfertig, als er November 1944 Eger zum letzten Mal (Richtung Lunz) verließ. Er ließ dieses Manuskript aber liegen – gleichsam aus Trotz gegen die Nationalsozialisten, die ja diese Situation heraufbeschworen hatten –, zugleich mit seiner wertvollen Briefmarkensammlung, die ihn und seine Frau Grete (1890–1959) vor der nun folgenden Mittellosigkeit bewahrt hätte. Beides ging trotz der Bemühung tschechischer Kollegen verloren. Erst 1953 erhielt er seine Pension nachbezahlt. In den 1960er Jahren erlebte er mit Genugtuung den Beginn der „Plattentektonik“, also z.B. der Akzeptanz der „Gondwana“, für die er seine tiergeografischen „Beweise“ ja längst hatte.
Als Autor schrieb Brehm – ein Neffe des Bruno Brehm, der ihm aber geistig fremd blieb – zwei Mittelschullehrbücher, zwei Limnologie-Einführungen (1925, 1930) und zahlreiche Fachartikel (über 250 sind dokumentiert). Gerne „hervorgetreten“ wäre er mit einer Biographie der Lola Montez und einem „Führer“ durch die Münchner Wirtshaus- und Unterhaltungsszene, aber ersteres Thema wurde ihm weggeschnappt und auf letzteres verging ihm nach 1938 die Lust, wie er in seiner Autobiographie von 1952 mitteilt.
Typenmaterial zu seinen zahlreichen Neu-Beschreibungen von "Entomostraken", also "niedrigen" Crustacea, aufzubewahren war seine Sache nicht. Da aber in Lunz noch Proben vorhanden waren, die mögliche Lectotypen enthalten könnten, veranlasste der Prager Limnologe Vladimir Kořinek 1988 die Überführung dieses Materials an das British Museum of Natural History in London.
Stationen eines Lebensweges
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Am Geburtsort Duppau (Hauptplatz, 1896) (jetzt: Doupov, abgekommen: Truppenübungsgelände) lebte Brehm nur ganz kurz.
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Tachau (j.: Tachov – hier: renovierter Teil der Stadtmauer aus dem 14. Jh), ein Ort der Kindheit.
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Das Windisch-Graetzsche Schloss in Tachau (heute Verwaltungs-Gebäude).
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Zu Brehms Zeiten leitete -
(seit 1896) Prinz Alfred III. zu Windisch-Graetz (mit Gemahlin Gabriele von Auersperg) die Geschicke des Hauses in Böhmen.
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Elbogen (j.: Loket) vom Fluss Eger (Ohře) aus; elterlicher Wohnort. B. war hier 1905 ein Jahr Lehrer an der Realschule.
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Bad Königswart 1903, elterlicher Wohnort (j.: Láznĕ Kynžvart).
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Brehm erwähnt das Platenigl oder den (das) Petergstamm oft als "ersten Gruß der Alpenflora".
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Der Tiroler Patriot, Dichter und Geologe Adolf Pichler stirbt 1900 hochbetagt in Innsbruck. Seinem übertriebenen Nationa-lismus konnte B. aber nichts abgewinnen.
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Pichler hatte das Mineral Köfelsit gefunden; zu seiner Zeit galt es noch als Beweis (?) von "jungem Vulkanismus" in Tirol. B. nahm an solchen Fragen lebhaft Anteil.
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Emil Heinricher, Professor für Botanik in Innsbruck um die Jahrhundertwende, ein Lehrer Brehms.
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Bei dem namhaften Mathematiker Wilhelm Wirtinger schrieb B. 1902 seine Hausarbeit (über Kegelschnitte).
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Für den „rückwärtsge-wandten Pessimisten“ B. war Rattenberg (mit der Hl. Notburga) Inbegriff mittel-alterlichen Lebensgefühls.
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Auch dem Kaisergebirge (südwestlich von Kufstein) stattete Brehm wiederholt Besuche ab.
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Montage "Achensee gegen Pertisau" vor 1900. Brehm arbeitete hier an seiner Dissertation über das Zooplankton des Sees.
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Eine außergewöhnlich schöne Frau fiel 1902 Brehm am Achensee ins Auge: Cléo de Mérode.
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Probejahr in Pettau 1904 (j.: Ptuj). Die Umgebung bot Brehm viel natur-kundlich Interessantes
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Meran an der Passer: Exkursionen (1901) und Naturforscher- Kongress 1905.
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Prof. Carl Chun (Leipzig), den Leiter der Valdivia-Expedition, traf Brehm wiederholt – auf Kon-gressen und nicht zuletzt als Jagdgast bei Carl Kupelwieser in Lunz.
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Brehm besuchte von Inns-bruck und Pettau aus des Öfteren die Zoologische Station der Univ. Wien in Triest (1848–1918), die sein Freund Adolf Steuer leitete.
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Linz war stets einen Zwischenstopp wert – etwa um Hermann von Gilm zu Roseneggs zu gedenken, des gefühlsinnigen Lyrikers. (Photo: 1913)
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Er wollte eine Biographie der Lola Montez vorlegen, doch kam ihm ein Andrer zuvor – noch dazu mit besseren Quellen! (Dreißigerjahre).
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Cheb (2007), Panorama.- Zu Brehms Zeiten "grau, düster, trostlos" – hier in Eger war er 1910-40 Gymnasiallehrer.
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Eger (j.: Cheb) – noch 1985 deprimierend.
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Für Privatbetrachtung und Schule sammelte Brehm (z.B. in Schlaggenwald) -
natürlich auch Mineralien: Hier Struvit (mit “sargförmi-gen” Kristallen), den er oft launig kommentierte (er kommt ja "in der Natur nur sehr selten" vor).
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Kufstein (Burg) 2008. Hierher (halbwegs zwi-schen München und Inns-bruck) wäre er gerne 1940 übersiedelt, bekam aber da keine Wohnung mehr.
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Die blaue Seerose Nymphaea "zanzibarien-sis", auch im Glashaus der Biologischen Station Lunz: für Brehm ein “Geruchsmagnet”.
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Ludwig Steub, neben Heinrich Noë (mit Literatur über österreichische und bayrische Seen) und Viktor von Scheffel ein Lieblings-Autor Brehms.
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Brehm liebte Schifffahrten von Linz (durch die Wachau) nach Ybbs oder Pöchlarn.- Im Bild: Spitz an der Donau.
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Mit der Ybbstalbahn von (Pöchlarn bzw.) Kienberg (oder Waidhofen) nach Lunz. (Hier "Nostalgiefahrt" 2007 mit 'geborgter' Lok.)
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Ab 1906 war der junge Vin-cenz Brehm auch auf Gipfeln der Ybbstaler Alpen unterwegs. Blick vom Dürrnstein auf den Obersee (mit Schwingrasen; 1113 m) im Talboden. Östlich
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Narzissenwiesen gab es zu Zeiten B.s überall im Ybbstal – nicht nur in Lunz.
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vom Gipfel des Scheibling-steins die „Scheibe“ (1602 m). -
Das Mineral Vivianit findet sich auch im Sediment des Lunzer Sees und traf u.a. dank seinen auffal-lend blauen Kristallen B.s Interesse.
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1944–1971 lebte B. (als Heimatvertriebener) an der Biologischen Station Lunz.- Soldanellen wurden als Frühlingsvorboten oft sehnlich erwartet.
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In den 1930erjahren hatte Brehm schon genug tier-geographische Beweise für die (damals noch höchst umstrittene) Kontinentaldrift.- Die einzi-ge Fremdsprache, die B. sehr gut sprach, war Tschechisch.
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”Cladocera”: Leptodora kindtii, ein räuberischer Krallenschwanz (Onychura), der auch im Lunzer Untersee lebt.
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Brehm besuchte gerne Friedhöfe unter kultur-historischem Aspekt. Hier ein Grab, vor dem er sicherlich verweilt hätte (Weiß Ferdl).
Literatur
- Franz Ruttner, Friedrich Kiefer: Prof. Dr. V. Brehm 80. In: Internatl. Rev. ges. Hydrobiol. 44, 1959, S. 133f.
- Heinz Löffler: Prof. Dr. Vinzenz Brehm zum 90. Geburtstag. In: Internatl. Rev. ges. Hydrobiol. 54, 1969, S. 467f. Brehm war Jahrzehnte Mitherausgeber dieser Zeitschrift.
- Agnes Ruttner-Kolisko: Prof. Dr. Vinzenz Brehm †. In: Arch. Hydrobiol. 68, 1971, S. 293–301.
Weblinks
- Literatur von und über Vincenz Brehm im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Autobiographie des V. Brehm (Aus meinem Leben): Website der ehemaligen Biologischen Station Lunz : → Das Institut → Geschichten aus der Gründerzeit.
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