Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie

Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie

Die Wortverbindungen Ur- und Frühgeschichte, Vor- und Frühgeschichte sowie Prähistorische Archäologie werden häufig synonym verwandt und bezeichnen eine archäologische Disziplin, die Urgeschichte und Frühgeschichte gleichermaßen umfasst und sich als ein Zweig der Geschichtswissenschaft versteht, der sich der Kulturentwicklung des Menschen von ihren Anfängen an widmet.

Inhaltsverzeichnis

Erforschter Zeitrahmen

Der älteste Abschnitt der Urgeschichte, die Altsteinzeit (Paläolithikum), wird in Altpaläolithikum, Mittelpaläolithikum und Jungpaläolithikum untergliedert. In Europa beginnt nach der kurzen Übergangsphase der Mittelsteinzeit (Mesolithikum) die Jungsteinzeit (Neolithikum), die Kupfer- und Bronzezeit (nicht in Afrika!), gefolgt von der vorrömischen Eisenzeit (in Mitteleuropa: Hallstatt- und La-Tène-Zeit). Mit dem Einsetzen der ersten Schriftzeugnisse (im Orient ab dem 3. Jahrtausend v. Chr., in Mitteleuropa ab der Zeit um Christi Geburt), die ergänzend zu den archäologischen Quellen herangezogen werden, beginnt die Frühgeschichte, die in Römische Kaiserzeit, Völkerwanderungszeit und frühes Mittelalter (Merowinger- und Karolingerzeit) untergliedert wird.

Jüngere Zeitabschnitte deckt die Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit ab.

Gegenstand der Forschung

Gegenstand der Erforschung sind im Gegensatz zu den anderen historischen Disziplinen gegenständliche Quellen (Keramik, Metall, Holz, Knochen, Glas, Steinartefakte etc.) in ihrem jeweiligen Kontext (Bodendenkmale wie Siedlungen, Grabhügel, Burganlagen). Diese werden durch Ausgrabungen, Prospektionen und Zufallsfunde entdeckt und zugänglich gemacht und mit Hilfe formenkundlich-typologischer, historischer und sozialgeschichtlicher sowie naturwissenschaftlicher (Dendrochronologie, 14C-Datierung und andere) und statistischer Analysemethoden bearbeitet.

Erkenntnispotenzial

Ihr besonderes Erkenntnispotenzial im Konzert der historischen und kulturwissenschaftlichen Disziplinen liegt in zwei Eigenheiten:

  1. Die enorm große untersuchte Zeitspanne: von den Anfängen der Menschheitsgeschichte bis in die Neuzeit. Dies ermöglicht in besonderer Weise Epochen übergreifende Vergleiche und die parallele Beobachtung langfristiger Trends und kurzfristiger Ereignisse (Was ist das Allgemeine, was ist das Besondere?).
  2. Diese Zeittiefe und die Weite der betreuten Räume ermöglichen die Beobachtungen ungemein vieler und sehr unterschiedlicher menschlicher Kulturen.

Abgrenzung zu den anderen archäologischen Fächern

Die Ur- und Frühgeschichte unterscheidet sich von den archäologischen Fächern wie

Einen Grenzfall stellt die Mittelalterarchäologie bzw. Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit dar, die stellenweise als eigenständige Disziplin existiert, stellenweise von Vertretern der Ur- und Frühgeschichte mitbehandelt wird. Als Frühgeschichte bezieht sie zu den archäologischen Methoden in wesentlich stärkerem Maße die Parallelüberlieferung schriftlicher und bildlicher Quellen mit ein.

Auch in der Keltologie, der Assyriologie, der Sinologie und der Altamerikanistik werden zum Teil archäologische Methoden angewendet.

Berufsbild

Nach einem abgeschlossenen Studium der Ur- und Frühgeschichte bilden vor allem die archäologische Denkmalpflege an den Landesdenkmalämtern sowie Museen, Universitäten und private Grabungsfirmen Tätigkeitsfelder. Daneben werden Archäologen auch als Fachjournalisten, bei Verlagen und in verschiedenen Bereichen im Kultursektor beschäftigt.

Urgeschichte oder Vorgeschichte

Am Begriff Vorgeschichte wird kritisiert, dass damit semantisch eine Geschichte vor der eigentlichen Geschichte behauptet wird. Die Bezeichnung Urgeschichte dagegen bezieht diese Epoche in den Geschichtsbegriff ein.

Da die universitäre Forschung zur Vorgeschichte stark durch den Nationalsozialismus kompromittiert wurde, meiden manche Forscher den ihrer Ansicht nach belasteten Begriff. Vielleicht auch deshalb hat sich mittlerweile Urgeschichte stärker durchgesetzt (→ Liste der Institute unten). Im nördlichen Deutschland bezeichnen die sich die akademischen Forschungsstätten häufiger als Institut für Urgeschichte, in Süddeutschland eher als Institut für Vorgeschichte.

Seminare und Institute

Deutschland

Österreich

Schweiz

  • Seminar für Ur- und Frühgeschichte, Universität Basel (Departement Altertumswissenschaften und Orientalistik, Philosophisch-Historische Fakultät)
  • Institut für Prähistorische und Naturwissenschaftliche Archäologie, Universität Basel (Departement Umweltwissenschaften, Philosophisch-Naturwissenschaftliche Fakultät)
  • Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie der Römischen Provinzen, Universität Bern
  • Abteilung Ur- und Frühgeschichte, Historisches Seminar, Universität Zürich

Literatur

Zur Einführung

  • Reinhard Bernbeck: Theorien in der Archäologie (UTB Wissenschaft Band 1964). Francke Verlag, Tübingen, Basel 1997, ISBN 3-8252-1964-X, ISBN 3-7720-2254-5
  • Hans Jürgen Eggers: Einführung in die Vorgeschichte (4. Auflage mit Nachwort von Claudia Theune und aktualisierten Literaturverzeichnis). scrîpvaz-Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-931278-08-5
  • Manfred K. H. Eggert: Prähistorische Archäologie. Konzepte und Methoden. UTB für Wissenschaft, Nr. 2092. Tübingen u.a. 2001, ISBN 3-8252-2092-3.
  • Uta von Freeden, Siegmar von Schnurbein (Hrsg.): Spuren der Jahrtausende. Archäologie und Geschichte in Deutschland. Stuttgart 2002, ISBN 3-8062-1337-2. (zusammen mit dem nächsten Titel: Begleitbücher zur „Leistungsschau der Landesarchäologen“).
  • Wilfried Menghin, Dieter Planck (Hrsg.): Menschen, Zeiten, Räume. Archäologie in Deutschland. Stuttgart 2002, ISBN 3-88609-467-7.
  • Colin Renfrew, Paul Bahn: Archaeology – Theories, Methods and Practice. 5. Auflage, London 2005

Zeitschriften

Deutschsprachige

Englischsprachige

  • Antiquity
  • Journal of European Archaeology
  • Proceedings of the Prehistoric Society
  • World Archaeology

Französische

  • L'Anthropologie
  • Gallia Préhistoire und dazu suppléments

Regionale Jahrbücher/Jahresberichte

In den meisten Bundesländern gibt es regionale Zeitschriften, die über Forschungen zur Ur- und Frühgeschichte, aber auch der Mittelalterarchäologie berichten. Neben Fachzeitschriften gibt es seit einigen Jahren zunehmend etwas populärer angelegte Zeitschriften.

Baden-Württemberg

  • Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, seit 1981
  • Fundberichte aus Baden-Württemberg, Konrad-Theiss Verlag, Nachfolgezeitschrift der Fundberichte aus Schwaben bzw. Badische Fundberichte
  • Archäologische Nachrichten aus Baden

Bayern

  • Das archäologische Jahr in Bayern

Berlin/Brandenburg

  • Archäologie in Berlin und Brandenburg

Hessen

  • HessenArchäologie
  • Fundberichte aus Hessen

Mecklenburg-Vorpommern

  • Archäologische Berichte aus Mecklenburg-Vorpommern
  • Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern, Jahrbuch

Niedersachsen

Rheinland-Pfalz

  • Archäologie in Rheinland-Pfalz, erscheint im Verlag Philipp von Zabern Mainz, erscheint seit 2002 jährlich
  • Funde und Ausgrabungen im Bezirk Trier, erscheint jährlich, Band 36 erschien 2004 (vormals eingebunden als Teil des Kurtrierischen Jahrbuchs)
  • Archäologie in der Pfalz. Jahresbericht (bezogen auf den Wirkungskreises des Amtes in Speyer, leider nach zwei Bänden eingestellt)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Dies ist der erste Lehrstuhl dieser Art weltweit. Er wird mit dem Ausscheiden Johan Callmers aufgelöst.

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