Äußere Ableitung

Äußere Ableitung

Die äußere Ableitung oder Cartan-Ableitung ist eine Funktion aus den Bereichen Differentialgeometrie und Analysis. Die äußere Ableitung verallgemeinert das aus der Analysis bekannte Leibniz'sche Differential auf den Raum der Differentialformen. Man darf diesen Operator jedoch nicht mit der äußeren Ableitung, welche im Zusammenhang mit der Kettenregel steht, verwechseln. Der Name Cartan-Ableitung erklärt sich daher, dass Élie Cartan der Begründer der Theorie der Differentialformen ist.

Inhaltsverzeichnis

Äußere Ableitung

Definition

Sei M eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit und U eine offene Teilmenge. Mit \mathcal{A}^k(M) wird hier der Raum der k-Formen auf der Mannigfaltigkeit M bezeichnet. So gibt es dann für alle k \in \N \cup \{0\} genau eine Funktion \mathrm{d}^k: \mathcal{A}^k(U) \to \mathcal{A}^{k+1}(U), so dass die folgenden Eigenschaften gelten:

  1. d ist eine Antiderivation, das heißt für \alpha \in \mathcal{A}^k(U) und \beta \in \mathcal{A}^l(U) gilt  \mathrm{d}(\alpha \wedge \beta) = \mathrm{d}\alpha \wedge \beta + (-1)^k \alpha \wedge \mathrm{d} \beta .
  2. Sei f \in C^\infty(U), dann ist df definiert als das totale Differential.
  3.  \mathrm{d} \circ \mathrm{d} = 0
  4. Der Operator verhält sich natürlich in Bezug auf Einschränkungen, das heißt: Sind U \subset V \subset M offene Mengen und \alpha \in \mathcal{A}^k(V), so gilt d(α | U) = (dα) | U.

Es muss natürlich bewiesen werden, dass ein solcher Operator existiert und eindeutig ist. Dieser trägt den Namen äußere Ableitung oder Cartan-Ableitung und wird meistens mit d bezeichnet. Man verzichtet also auf den Index, welcher den Grad der Differentialform angibt, auf welchen der Operator angewendet wird.

Formel für die äußere Ableitung

Man kann die äußere Ableitung auch mit Hilfe der Formel

\begin{array}{rcl}
\mathrm d\omega(X_0,\ldots,X_k)
&=&\sum_{i=0}^k(-1)^{i} X_i\omega(X_0,...,\hat X_i,...,X_k)\\[0.5em]
&+&\sum_{0\leq i<j \leq k}(-1)^{i+j}
   \omega([X_i,X_j],X_0,...,\hat X_i,...,\hat X_j,...,X_k)
\end{array}

darstellen, dabei bedeutet das Zirkumflex ^ in \hat X_i, dass das entsprechende Argument wegzulassen ist, [.,.] bezeichnet die Lie-Klammer.

Koordinatendarstellung

Sei p \in M ein Punkt auf einer glatten Mannigfaltigkeit. Die äußere Ableitung von \omega \in \mathcal{A}(M) hat in diesem Punkt die Darstellung

 \mathrm d\omega|_p=\sum_{1\leq i_1<\ldots<i_k\leq n} \sum_{i=1}^n \left. \frac{\partial a_{i_1,\ldots,i_k}}{\partial x_{i}}\right|_p \mathrm d x_{i}\wedge\mathrm dx_{i_1}\wedge\ldots\wedge\mathrm dx_{i_k} ,

dabei hat ω die lokale Darstellung \omega = \sum_{1\leq i_1<\ldots<i_k\leq n} a_{i_1,\ldots,i_k} \mathrm dx_{i_1}\wedge\ldots\wedge\mathrm dx_{i_k} .

Pullback

Seien M,\ N zwei glatte Mannigfaltigkeiten und f: M \to N eine einmal stetig differenzierbare Funktion. Dann ist der Pullbackf^* : \mathcal{A}(N) \to \mathcal{A}(M) ein Homomorphismus, so dass

  1. f^*(\psi \wedge \omega) = f^* \psi \wedge f^* \omega und
  2. f * (dω) = d(f * ω)

gilt.

Adjungierte äußere Ableitung

Mit \star wird im Folgenden der Hodge-Stern-Operator bezeichnet. Der Operator  \delta : \mathcal{A}^{k-1}(M) \to \mathcal{A}^k(M) ist definiert durch \delta (\mathcal{A}^0(M)) = 0 und auf \beta \in \mathcal{A}^{k-1}(M) durch

\delta (\beta) = (-1)^{n(k+1)+1} \star \mathrm{d} \star.

Dieser Operator ist linear und es gilt \delta \circ \delta = 0. Außerdem ist δ der zu d adjungierte Operator. Sei g eine Riemannsche Metrik und \omega, \nu \in \mathcal{A}(M) so gilt

g(dω,ν) = g(ω,δν).

Verallgemeinerung weiterer Differentialoperatoren

Die aus der Vektoranalysis bekannten Differentialoperatoren kann man mit Hilfe der äußeren Ableitung und dem Hodge-Stern-Operator auf Mannigfaltigkeiten erweitern. Insbesondere erhält man für die Rotation eine Formel, welche auf n-dimensionalen Räumen operiert. Im Folgenden sei M immer eine glatte Riemannsche Mannigfaltigkeit.

Flat- und Sharp-Isomorphismus

Diese beiden Isomorphismen werden durch die Riemannsche Metrik induziert. Sie bilden Tangentialvektoren auf Kotangentialvektoren ab und umgekehrt. Zum Verständnis reicht es an dieser Stelle die Wirkung der Isomorphismen im 3-dimensionallen Raum zu demonstrieren. Sei F \in T_p \R^3 \cong \R^3 ein Vektorfeld, so gilt für den Flat-Operator in Standardkoordinaten von F

F^\flat = F^1 \mathrm{d} x_1 + F^2 \mathrm{d} x_2 + F^3 \mathrm{d} x_3 \in T^*_p\R^3 \cong \mathcal{A}^1(\R^3).

Der Flat-Operator bildet also Vektorfelder in ihren Dualraum ab. Der Sharp-Operator ist die dazu inverse Operation. Sei \nu \in T^*_p\R^3 \cong \mathcal{A}^1(\R^3) ein Kovektorfeld (bzw. eine 1-Form), so gilt (ebenfalls Standardkoordinaten)

\nu^\sharp = \nu_1\frac{\partial}{\partial x_1} + \nu_2 \frac{\partial}{\partial x_2} + \nu_3 \frac{\partial}{\partial x_3} \in T_p\R^3.

Kreuzprodukt

Das Kreuzprodukt ist zwar kein Differentialoperator, jedoch wird es in der Vektoranalysis nur für 3-dimensionale Vektorräume definiert. Außerdem ist das Kreuzprodukt wichtig für die Definition der Rotation. Sei V ein Vektorraum und v,w \in \Lambda^k V zwei Elemente einer äußeren Potenz von V, dann ist das verallgemeinerte Kreuzprodukt definiert durch

v \times w = \left(\star(v^\flat \wedge w^\flat )\right)^\sharp.

Für eine Begründung dieser Definition siehe unter äußere Algebra.

Gradient

Es sei f: \R^n \to \R eine differenzierbare Funktion. Der Gradient \nabla f ist ein Funktional, welches Vektoren des \R^n in den Raum der reellen Zahlen abbildet. Auf Differentialformen lautet der Operator

 \nabla f := (\mathrm{d}f)^\sharp.

Da die Menge der 0-Formen nach Definition gleich der Menge der beliebig oft differenzierbaren Funktionen ist, verallgemeinert diese Definition den Gradienten von Funktionen. Dies lässt sich schnell durch eine kurze Rechnung einsehen. Ist  f: \R^3 \to \R eine glatte Funktion, so gilt


(\mathrm{d}f)^\sharp = \begin{pmatrix} f \mathrm{d}x^1 + f\mathrm{d} x^2 + f\mathrm{d} x^3 \end{pmatrix}^\sharp = \frac{\partial f}{\partial x_1} + \frac{\partial f}{\partial x_2} + \frac{\partial f}{\partial x_3}.

In euklidischen Vektorräumen notiert man dies häufig wie folgt:


(\mathrm{d}f)^\sharp = \begin{pmatrix} \frac{\partial f}{\partial x_1}, \frac{\partial f}{\partial x_2}, \frac{\partial f}{\partial x_3} \end{pmatrix}^\sharp = \begin{pmatrix} \frac{\partial f}{\partial x_1}\\ \frac{\partial f}{\partial x_2}\\ \frac{\partial f}{\partial x_3}\end{pmatrix}.

Rotation

In der Vektoranalysis ist die Rotation eine Abbildung \mathrm{rot} : T_p\R^3 \to T_p\R^3. Für allgemeine Vektorfelder gilt

\mathrm{rot}(f) = \nabla \times f = \left(\star\left(\mathrm{d}f^\flat \right) \right)^\sharp.

Folgende Rechnung zeigt, dass man für die Dimension n = 3 den bekannten Ausdruck für die Rotation erhält:

\begin{array}{cl}
&\mathrm d(f_1\cdot\mathrm dx_1+f_2\cdot\mathrm dx_2 + f_3 \cdot \mathrm{d}x_3)\\
=&\mathrm df_1\wedge\mathrm dx_1+\mathrm df_2\wedge\mathrm dx_2 +\mathrm df_3\wedge\mathrm dx_3 \\[0.5em]
=&\frac{\partial f_1}{\partial x_1}\cdot\mathrm dx_1\wedge\mathrm dx_1 +\frac{\partial f_1}{\partial x_2}\cdot\mathrm dx_2\wedge\mathrm dx_1 
+ \frac{\partial f_1}{\partial x_3}\cdot\mathrm dx_3\wedge\mathrm dx_1\\
+&\frac{\partial f_2}{\partial x_1}\cdot\mathrm dx_1\wedge\mathrm dx_2 + \frac{\partial f_2}{\partial x_2}\cdot\mathrm dx_2\wedge\mathrm dx_2
+ \frac{\partial f_2}{\partial x_3}\cdot\mathrm dx_3\wedge\mathrm dx_2\\
+&\frac{\partial f_3}{\partial x_1}\cdot\mathrm dx_1\wedge\mathrm dx_3 + \frac{\partial f_3}{\partial x_2}\cdot\mathrm dx_2\wedge\mathrm dx_3
+ \frac{\partial f_2}{\partial x_3}\cdot\mathrm dx_3\wedge\mathrm dx_3\\[0.5em]
=&\left(\frac{\partial f_3}{\partial x_2} - \frac{\partial f_2}{\partial x_3}\right)\cdot\mathrm dx_2\wedge\mathrm dx_3
+ \left(\frac{\partial f_3}{\partial x_1} - \frac{\partial f_1}{\partial x_3}\right) \cdot\mathrm dx_1\wedge\mathrm dx_3
+ \left(\frac{\partial f_2}{\partial x_1} - \frac{\partial f_1}{\partial x_2}\right)\cdot\mathrm dx_1\wedge\mathrm dx_2
\end{array}

Diese Formel erhält man sofort, indem man die Definition des Gradienten in die des Kreuzproduktes einsetzt.

Divergenz

Ebenso gibt es eine Verallgemeinerung der Divergenz, diese lautet

\mathrm{div}(f) = \nabla \cdot f = \star \mathrm{d}(\star f^\flat).

Laplace-Beltrami-Operator

Der Laplace-Beltrami-Operator ist eine Verallgemeinerung des Laplace-Operators, welcher in der reellen Analysis und in der Theorie der partiellen Differentialgleichungen untersucht wird. Sei M eine glatte Riemannsche Mannigfaltigkeit, so ist der Laplace-Beltrami-Oprator definiert durch

Δ = dδ + δd.

Eine Funktion f : \R^n \to \R heißt harmonisch, wenn sie die Laplace-Gleichung Δf = 0 erfüllt. Analog definiert man die harmonischen Differentialformen. Eine Differentialform \omega \in \mathcal{A}(M) heißt harmonisch, falls die Laplace-Beltrami-Gleichung Δω = 0 erfüllt ist. Mit \mathcal{H}^k(M) wird die Menge aller harmonischen Formen auf M notiert.

Eigenschaften

Der Laplace-Beltrami-Operator hat folgende Eigenschaften:

  1. \star \Delta = \Delta \star , also falls ω harmonisch ist, so ist auch \star \omega harmonisch.
  2. Der Operator Δ ist selbstadjungiert bezüglich einer Riemannschen Metrik g, das heißt für alle \omega, \nu \in \mathcal{A}(M) gilt g(Δω,ν) = g(ω,Δν).
  3. Notwendig und hinreichend für die Gleichung Δω = 0 ist, dass dω = 0 und δω = 0 gilt.

Dolbeault-Operator

Sei nun M eine komplexe Mannigfaltigkeit der (komplexen) Dimension n und für 0 \leq r \leq n sei \mathcal{E}^r(M) := \mathcal{A}^r(M) \oplus i\mathcal{A}^r(M) der Vektorraum der komplexwertigen Differentialformen. Eine komplexe r-Form \omega \in \Omega^r(U) mit U \subset M heißt eine (p,q)-Form, wenn p,q \in \N mit p + q = r und ω in lokalen Koordinaten z_1, \ldots , z_n eindeutig geschrieben werden kann als

\omega = \sum_{1\leq i_1<\ldots<i_p\leq p,\, 1\leq j_1<\ldots<j_q\leq q} f_{i_1, \ldots i_p, j_1, \ldots j_q} \mathrm{d}z_{i_1} \wedge \cdots \wedge \mathrm{d}z_{i_p} \wedge \mathrm{d} \overline{z}_{j_1} \wedge \cdots \wedge \mathrm{d} \overline{z}_{j_q}.

Der Kürze und Übersicht wegen definiere

 \sum_{I,J} f_{I,J} \mathrm{d} z_I \wedge \mathrm{d} \overline{z}_J := \sum_{1\leq i_1<\ldots<i_p\leq p,\, 1\leq j_1<\ldots<j_q\leq q} f_{i_1, \ldots i_p, j_1, \ldots j_q} \mathrm{d}z_{i_1} \wedge \cdots \wedge \mathrm{d}z_{i_p} \wedge \mathrm{d} \overline{z}_{j_1} \wedge \cdots \wedge \mathrm{d} \overline{z}_{j_q}.


Die äußere Ableitung \mathrm{d} : \mathcal{E}^{r-1}(M) \to \mathcal{E}^{r}(M) := \mathcal{E}^{(q,p)}(M) \oplus \mathcal{E}^{(q,p)}(M) kann man aufspalten in \mathrm{d} = \partial + \overline{\partial}, so dass

 \partial \left(\sum_{I,J} f_{I,J} \mathrm{d} z_I \wedge \mathrm{d} \overline{z}_J\right) = \sum_{I,J} \partial f_{I,J} \mathrm{d} z_I \wedge \mathrm{d} \overline{z}_J

und

 \overline{\partial} \left(\sum_{I,J} f_{I,J} \mathrm{d} z_I \wedge \mathrm{d} \overline{z}_J\right) = \sum_{I,J} \overline{\partial} f_{I,J} \mathrm{d} z_I \wedge \mathrm{d} \overline{z}_J

in lokalen Koordinaten gilt. Diese Operatoren heißen Dolbeault- und Dolbeault-Quer-Operator (nach Pierre Dolbeault). Um zu erfahren wie diese auf Funktionen (also auf 0-Formen) operieren, siehe unter Wirtinger-Kalkül nach.

Gilt für eine Differentialform \omega \in \mathcal{E}^r(M) in allen Punkten von M die Gleichung \overline{\partial}\omega = 0, so spricht man von einer holomorphen Differentialform. Diese haben ähnlich wie die holomorphen Funktionen besondere Eigenschaften. Der Vektorraum der holomorphen Differentialformen auf M wird mit Ω(M) notiert. Aus der Identität

\mathrm{d}^2 = \partial^2 + (\overline{\partial} \partial + \partial \overline{\partial}) + \overline{\partial}^2 = 0

folgt \partial^2 = 0 und \overline{\partial}^2 = 0. Diese Operatoren eignen sich also für eine Kohomologietheorie. Diese trägt den Namen Dolbeault-Kohomologie. Außerdem gilt für diese Operatoren eine Leibniz-Regel. Seien \omega \in \mathcal{E}^{p,q} und \nu \in \mathcal{E}^{r,s} dann gilt

\partial(\omega \wedge \nu) = \partial \omega \wedge \nu + (-1)^{p+q}\, \omega \wedge \partial \nu

und

\overline{\partial}(\omega \wedge \nu) = \overline{\partial} \omega \wedge \nu + (-1)^{p+q}\, \omega \wedge \overline{\partial} \nu .

Literatur

  • R. Abraham, J. E. Marsden, T. Ratiu: Manifolds, Tensor Analysis, and Applications. Springer-Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-540-96790-7.
  • S. Morita: Geometry of Differential Forms. American Mathematical Society, ISBN 0-821-81045-6.

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