- Beratende Landesversammlung (Thüringen)
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Die Beratende Landesversammlung Thüringen war ein ernanntes Vorparlament im wieder geschaffenen Land Thüringen, entsprechend den Ernannten Landtagen der anderen Länder.
Um den Wiederaufbau der staatlichen Ordnung nach dem Zweiten Weltkrieg in den Ländern der Sowjetischen Besatzungszone im Sinne eines Aufbaus des Sozialismus zu ermöglichen, wurde am 13. Juni 1946 in Thüringen durch die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) die Beratende Landesversammlung einberufen.
Gemäß dem Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 wurde diese Beratende Versammlung 1946 durch den in der Landtagswahl 1946 gewählten Thüringer Landtag ersetzt.
Inhaltsverzeichnis
Vorgehen und Prinzipien
Eine erste wichtige Grundlage für den Aufbau neuer politischer Strukturen war das Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945. Dieses sah die Wiederherstellung der lokalen Selbstverwaltung, aber auch von Wahlvertretungen auf Gemeinde-, Kreis-, Provinzial- und Landesebene vor.
Der Aufbau der staatlichen Strukturen nach dem Zusammenbruch erfolgte von der kommunalen Ebene über die Landesebene und zuletzt auf Ebene der DDR.
Am 9. Juli 1945 verfügte die SMAD die Gründung der Länder Mecklenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie der Provinzen Brandenburg und Thüringen innerhalb der SBZ. Grundlage der Einrichtung der Beratenden Landesversammlung Thüringens war das Gesetz vom 12. Juni 1946[1].
Die Auswahl der Mitglieder richtet sich nicht nach den Ergebnissen der Kommunalwahlen des Jahre 1946 sondern nahm wesentliche Prinzipien der Landtagswahlen nach Einheitslisten vorweg:
- Der Anspruch der SED auf eine führende Rolle wurde durch die Ernennung einer Mehrheit von SED-Mitgliedern sichergestellt.
- Diese Mitglieder der SED traten formal zum großen Teil nicht namens der SED, sondern der Massenorganisationen in die Beratende Versammlung ein.
- Die Verteilung der 69 Mandate auf Parteien und Massenorganisationen war vorab festgelegt.
- Eine wirksame Oppositionsarbeit sollte verhindert werden[2].
Die Parteien SED, LDPD und CDU konnten je zehn Mitglieder benennen. Die restlichen Mitglieder wurden von den Massenorganisationen FDGB, VdgB, FDJ, Frauenbund, den Industrie und Handelskammern (IHK) sowie Handwerkskammern gestellt. Zwölf Mitglieder konnte Landespräsident Rudolf Paul selbst benennen, darunter auch den künftigen Präsidenten der beratenden Landesversammlung, Prof. Dr. Richard Lange[3].
Im Vergleich zu den anderen Beratenden Versammlungen in den Ländern der SBZ tagte die Beratende Landesversammlung Thüringen mit fünf Sitzungen überdurchschnittlich oft und konnte auch begrenzt Einfluss auf die Politik nehmen[4].
Ab der vierten Sitzung am 15. August 1946 nannte sich die Beratende Landesversammlung "Thüringische Landesversammlung".
Verteilung der Mandate
Der Beratenden Landesversammlung in Thüringen gehörten 69 Mitglieder an: je zehn Angehörige der SED, der CDU, der LDPD und des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes, fünf Mitglieder der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe sowie je drei Vertreter der FDJ, der Frauenausschüsse, der Industrie- und Handelskammer sowie der Handwerkskammer. Darüber hinaus wurden zwölf weitere Mitglieder auf Vorschlag der Parteien vom Landespräsidenten berufen (Einzelpersönlichkeiten). Diese waren herausragende Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben, „die durch ihre bisherige Haltung und Tätigkeit ihre entschieden antifaschistische und demokratische Gesinnung unter Beweis gestellt haben und Gewähr dafür bieten, daß sie den demokratischen Neuaufbau mit allen Kräften fördern werden.“[5]
Partei Sitze SED 10 Mandate CDU 10 Mandate LDPD 10 Mandate FDGB 10 Mandate VdgB 5 Mandate FDJ 3 Mandate Frauenausschüsse 3 Mandate IHK 3 Mandate Handelskammern 3 Mandate Einzelpersönlichkeiten 12 Mandate [6].
Arbeit
Die Beratende Versammlung trat zu fünf Versammlungen zusammen. Auf der konstituierenden Sitzung am 26. Juni 1946 wurde unter der Leitung der Alterspräsidentin Ricarda Huch folgendes Präsidium gewählt:
- Präsident: Prof. Dr. Richard Lange[3] (parteilos)
- Vizepräsident: August Frölich (SED)
Es wurden sechs Ausschüsse eingerichtet (in der vierten Sitzung am 15. August 1946 entstanden noch ein Agrarpolitischer und ein Ernährungswirtschaftlicher Ausschuß[7]):
Ausschuss Mitglied Partei Hauptausschuss Richard Eyermann (SED) Dr. Friederike Mulert LDPD Walther Rücker CDU Willi Albrecht FDGB (auch SED) Georg Lotz VdgB Kurt Gronwald IHK Barthelmös (Erfurt) Handwerkskammern Ernst Horn FdJ (auch SED) Kuhl (Saalfeld)) Frauen Dr. Alphons Gaertner[3] (Weimar) Einzelpersönlichkeit (LDPD) Geschäftsordnungsausschuss Walther CDU August Frölich SED Karl Häser LDPD Kroneberg (Mühlhausen) FDGB Sauerbrei (Hümpfershausen) VdgB Kurt Gronwald IHK Karl Erle[3] (Weimar) Einzelpersönlichkeit (SED) Gesetzgebungsausschuss Otto Möller (Sonneberg) LDPD Herrmann (Sonneberg) SED Karl Häser LDPD Dr. Walter Kröner CDU Kott (Arnstadt) FDGB Kurt Gronwald IHK Barthelmös (Erfurt) Handwerkskammern Prof. Dr. Richard Lange[3] (Jena) Einzelpersönlichkeit Haushalts- und Finanzusschuß Richard Eyermann SED Dr. Friedrich Schomerus Einzelpersönlichkeit[8] (LDPD) Dr. Witschek (Altenburg) CDU Fischer (Merkers) FDGB Bohr (Saalfeld) VdgB Körner (Gera) IHK Schlag (Gera) Handwerkskammern Wirtschafts- und Sozialpolitischer Ausschuß August Kunze FDGB Richard Eyermann SED Dr. Karl Hamann LDPD Hugo Dornhofer CDU Frau Raetke VdgB Körner (Gera) IHK Kulturausschuß Kurator Dr. Max Bense Einzelpersönlichkeit Prof. Hermann Henselmann Einzelpersönlichkeit[8] (SED) Frau von Massow (Weimar) LDPD Pfarrer Johannes Mebus CDU Frau Riemer (Meiningen) FDGB Frau Weise (Frankendorf) VdgB Frau Göpel (Eisenach) FDJ Frau Kuhl (Saalfeld) Frauen Für die Mitglieder der Beratenden Landesversammlung siehe: Liste der Mitglieder der Beratenden Landesversammlung (Thüringen)
Quellen
- Die Mitgliederliste basiert auf der Auswertung der Sitzungprotokolle des Landtags[10]. Diese enthalten jedoch kein Abgeordnetenverzeichnis
- Martin Broszat, Gerhard Braas, Hermann Weber: SBZ-Handbuch, 1993, ISBN 3486552627
- Karl-Heinz Hajna: Die Landtagswahlen 1946 in der SBZ, Frankfurt 2000, Seite 15-17
Literatur
- V. Koch: Vertretungskörperschaften in der SBZ: Die Beratenden Versammlungen (1946) zwischen Repräsentation und Massenmobilisierung; in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, Heft 1/1984
Einzelnachweise
- ↑ Gesetz über die Bildung beratender Körperschaften bei der Selbstverwaltung im Land Thüringen
- ↑ SBZ-Handbuch, Seite 325
- ↑ a b c d e Name der Person aus: Herbert Gottwald (Hrsg.): Der Thüringer Landtag 1946–1952. Ein politischer Abriß. 1. Auflage. Wartburg-Verlag, Jena 1994, ISBN 3-86160-505-8. S. 13.
- ↑ SBZ-Handbuch, Seite 177
- ↑ Herbert Gottwald (Hrsg.): Der Thüringer Landtag 1946–1952. Ein politischer Abriß. 1. Auflage. Wartburg-Verlag, Jena 1994, ISBN 3-86160-505-8. S. 12f.
- ↑ SBZ-Handbuch, Seite 322
- ↑ Herbert Gottwald (Hrsg.): Der Thüringer Landtag 1946–1952. Ein politischer Abriß. 1. Auflage. Wartburg-Verlag, Jena 1994, ISBN 3-86160-505-8. S. 15
- ↑ a b Herbert Gottwald (Hrsg.): Der Thüringer Landtag 1946–1952. Ein politischer Abriß. 1. Auflage. Wartburg-Verlag, Jena 1994, ISBN 3-86160-505-8. S. 13.
- ↑ Stenographischer Bericht der zweiten Sitzung der Beratenden Landesversammlung Thüringens am 24. Juli 1946 in Weimar
- ↑ Akten und Verhandlungen des Thüringer Landtags 1946 - 1952, Reprint 1992, ISBN 3-8051-0090-6
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