Belgische Streitkräfte in Köln

Belgische Streitkräfte in Köln
Coats of arms of Belgium Military Forces.svg

Belgische Streitkräfte waren in Köln jeweils nach den beiden Weltkriegen stationiert. Köln war zeitweise die größte Garnison der Belgier im Ausland.

Inhaltsverzeichnis

Stationierung nach dem Ersten Weltkrieg

Nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandes von Compiègne zum Ende des Ersten Weltkrieges am 11. November 1918 wurden im Rahmen der alliierten Rheinlandbesetzung zum 1. Dezember 1918 belgische Einheiten aus Frankreich kommend über Belgien nach Deutschland verlegt - auch nach Köln, obwohl Köln dem Grund nach ein britischer Brückenkopf war. Am 31. Januar 1926 verließen sie zusammen mit einigen Einheiten der französischen Besatzung wieder Köln.[1]

Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg

Kurze Zeit nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurden in Köln und Umgebung erste Einheiten der belgischen Streitkräfte stationiert.[2] Ab 1951 wurden sie immer weniger als Teil der Besatzungstruppen des Belgischen Korridors im Süden der Britischen Zone angesehen, sondern eher als Alliierte im Sinne der späteren NATO.[3] Dies war Folge der wachsenden Angst in den westlichen Ländern vor einem sowjetischen Angriff in der Nachkriegszeit, insbesondere nach der Berlinblockade und des Februarumsturzes in der Tschechoslowakei 1948, der Zündung der ersten sowjetischen Atombombe 1949 und wegen des sich abzeichnenden, 1950 beginnenden Koreakriegs. Hieraus entstand 1949 die Nato und ab 1951 die allmähliche Aufweichung des Besatzungsstatuts in Deutschland. Die Bundesrepublik Deutschland durfte zu diesem Zeitpunkt noch keine eigenen Streitkräfte haben, bereitete aber ab 1951 mit Unterstützung der Alliierten den Aufbau vor. [4] Im Oktober 1948 wurde das Hauptquartier der belgischen Streitkräfte von Lüdenscheid nach Bonn verlegt unter symbolisch bedeutsamer Nutzung der geschichtsträchtigen Objekte Palais Schaumburg, Villa Hammerschmidt sowie Redoute in Bad Godesberg und dem Hotel Petersberg. Als Bonn als Hauptstadt gewählt wurde, zog das Hauptquartier im November 1949 in die Kaserne Haelen, ehemalige Etzelkaserne der Wehrmacht, in Köln-Junkersdorf um. [5] Parallel nahm Belgien wieder diplomatische Beziehungen zu Deutschland auf[6] und richtete später ein Generalkonsulat im Belgischen Haus, Maison Belge, in der Kölner Innenstadt (Nähe Neumarkt) ein. Dieses war 1948/49 von der belgischen Regierung erbaut worden. In ihm befanden sich ein Hotel, ein Restaurant, ein Luftverkehrsbüro, Versammlungsräume und der Sitz eines Vereins zur Förderung der deutsch-belgischen Beziehung in kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht.[7]

Standorte

Bauwerk der ehemaligen belgischen Kaserne Haelen in Köln-Junkersdorf
Ehemalige belgische Siedlung in Köln-Neuehrenfeld

Im Kölner Raum wurden entweder noch bestehende Einrichtungen der ehemaligen Wehrmacht benutzt oder neue Kasernen gebaut. In der Nähe der Kasernen entstanden Wohnsiedlungen für die Angehörigen der Streitkräfte. Zeitweise war Köln die größte belgische Garnison im Ausland.

In Köln-Ossendorf wurde der Flugplatz Butzweilerhof belgischer Militärflugplatz bis zum 5. Oktober 1995.[8] [9] An der Butzweiler Straße entstand 1947 die Kaserne Klerken, die am 9. November 1995 aufgegeben wurde.

In Dellbrück bezog das 6. Pionier-Bataillon (6 Geniebataljon) vom November 1951 bis Ende 1952 und vom 7. August 1969 bis 1992 die Kaserne Kwartier Becquevort (vorläufiger, nicht amtlicher Name in 1946),[10] später umbenannt in Moorslede, an der Bergisch-Gladbacher Straße. Vom 21. Juni 1951 bis Ende 1952 befanden sich 2 Panzerpionierkompagnien des 6. Pionier-Bataillon in Fühlingen im Camp General Leman, zeitweise auch als Camp Graaf Leman bezeichnet,[11] am Fühlinger See, der zu dieser Zeit allerdings noch nicht ausgebaut war.

In Junkersdorf wurde ab Mai 1946 aus der Etzelkaserne an der Dürener Straße die Kaserne Haelen bis zum 18. Dezember 1996. Im nahegelegenen Camp Schmitz auf dem Gelände der heutigen Sporthochhochschule in Müngersdorf, war für kurze Zeit eine Spezialeinheit, die 1 Cie GVP/ESR-Gespecialiseerde Verkenningsploegen-Equipe Spécial de Recherche, untergebracht. In der Kaserne war lange Zeit auch das Hauptquartier der belgischen Streitkräfte in Deutschland untergebracht.

In Longerich wurde ab Oktober 1951 die Kaserne Knesselaere an der Militärringstraße bezogen.

In Niehl befand sich in Höhe der heutigen Ford-Werke die Kaserne OLT. Holm, nach anderen Quellen lag die Kaserne im Gebiet Geestemünder Straße / Industriestraße in Höhe der Müllverbrennungsanlage.[12][13] Am Niehler Hafenbefand sich ab 1949 bis Ende 1992 ein Treibstoffdepot und am Rhein waren 1953–1960 Boote der Rheinflottille der belgischen Marine, Belgisch Maritiem Rijn Smaldeel, B.M.R.S.[14] [15] stationiert. Die Boote wurden oft zur Sicherung von Übungen auf dem Rhein eingesetzt und patrouillierten zwischen Köln und der Rheinmündung. Kommandoboot war die Liberation. Sie wurde Anfang der neunziger Jahre nach der Verlegung nach Belgien und militärischer Außerdienststellung wieder für Nostalgiefahrten u.a. auch auf dem Rhein reaktiviert. Schwesterschiffe waren Meuse, Schelde und Sambre. Später wurden die Boote auch im Kongo eingesetzt.[16]

In der 1975 nach Köln eingemeindeten Stadt Porz wurden an der Kölner Straße in Westhoven aus den ehemaligen Kasernen Mudra und Unverzagt die Kasernen Nieuwpoort (1953), Brasseur (1951 bis Juli 1995), neu gebaut wurde Passendale (1951 bis 1. Dezember 1998). Am Rhein wurde auch der ehemalige Pionierhafen der Wehrmacht benutzt, der jedoch immer mehr verlandete. Da das Übungsgelände der Kaserne Brasseur bis an den Rhein reichte, wurde dort regelmäßig mit Pontonbrückenbauteilen geübt.[17] Nördlich des Übungsgeländes lag zwischen Westhover Weg, Autobahn und Weidenweg ein großes Munitionsdepot, das bereits in den achtziger Jahren geräumt wurde. Ende der fünfziger Jahre wurde sogar für einen ganzen Tag eine Bailey-Brücke über den Rhein gebaut und die Schifffahrt für einen Tag gesperrt. Zwischen den Kasernen entstand an der Kölner Straße auch eine Garnisonskirche.

In der Wahner Heide an der Stadtgrenze zu Altenrath Kwartier Maj SBH-BEM Legrand.[18] [19] In Troisdorf-Spich wurde das "Kamp Vlaanderen", später umbenannt in Camp Roi Baudouin-Kamp Koning Boudewijn gebaut. In der Wahner Heide und im Königsforst entstand ein Truppenübungsgelände[20] einschließlich Schießplatz und Panzerverladungsanlage.[21]

In attraktiver Lage am Adenauer-Weiher im Kölner Grüngürtel entstand bereits 1948 das Offizierkasino Club Astoria.[22] 1953 zog das Militärgericht der Streitkräfte in die umgebaute Villa Vorster in Marienburg ein. Weitere militärische Einheiten befanden sich in Braunsfeld, Ichendorf, Lindenthal und Klettenberg. Das 1942 von den Nationalsozialisten beschlagnahmte ehemalige Israelitisches Asyl für Kranke und Altersschwache an der Ottostraße in Neuehrenfeld wurde als Militärhospital ausgebaut. Weiterhin entstanden in Köln die erforderlichen Infrastruktur-Einrichtungen einer ausländischen Großgarnison, auch mit belgischen Kaufhäusern und Kinos. Über einen eigenen Sende- und Empfangsmast bei Bachem für das belgische Fernsehen und weitere Relaisstationen wurden die belgischen Einrichtungen und Wohngebiete mit heimatlichen Informationen versorgt. Die Kinder wurden in fünf Grundschulen in Ossendorf, Dellbrück, Weiden, Rodenkirchen und Westhoven/Eil mit angeschlossenen Kindertagesstätten betreut.[23]. Weiterführende Schulen gab es in Form von einem wallonischen Gymnasium in Rösrath,[24] und einem flämischen im Barockschloß Bensberg.[25] [26] Es gab ab 1953 auch eine Militärkantine für belgische Familien außerhalb der Kasernenanlagen in Porz, Helmholtzstraße. [27]

Wappen BSD/FBA

Die in Deutschland von 1946 bis 2003 stationierten Belgischen Streitkräfte in Deutschland, BSD / FBA, stellten einen speziellen Teil der belgischen Armee dar. Daher führten sie nach kurzer Zeit ein eigenes Wappen mit einem goldenen Löwenkopf unter einer Königskrone, vor gekreuzten Schwertern und mit dem Wahlspruch Scutum belgarum (Schild der Belgier).[28] Bei einigen Einheiten enthielt der Wappenschild zusätzlich noch ein Kreuz.

Abzug und Konversion

Früheres Eingangstor der Kaserne Klerken in Köln-Ossendorf, heute Einfahrt zum Wohngebiet „Ossendorfpark“
Früheres Eingangstor der Kaserne Klerken in Köln-Ossendorf, heute Einfahrt zum Wohngebiet „Ossendorfpark“
Ehemaliges Kino der belgischen Wohnsiedlung "Quartier Haelen", Köln-Junkersdorf; heute ein Konzertsaal mit Restaurant

Ab 1988 wurden die Belgischen Streitkräfte umstrukturiert, 1993 wurde die Wehrpflicht in Belgien abgeschafft und ab 1996 das Hauptquartier zurück nach Belgien verlegt. Damit verbunden war eine Verkleinerung der Einheiten in Deutschland bis hin zu deren Auflösung. So reduzierte sich die Anzahl der Soldaten und ihrer Angehörigen von 46.289 im Jahr 1988 auf 8.203 im Jahr 1998[29]. Anfang der fünfziger Jahre sollen bis zu 40.000 belgische Soldaten in Deutschland stationiert gewesen sein. Die offizielle und feierliche Verabschiedung fand am 7. Juni 2002 im «Camp König Baudouin-Kamp Koning Boudewijn » in Spich in Anwesenheit von Belgiens König Albert II., Bundespräsident Johannes Rau und Verteidigungsminister Rudolf Scharping statt. Als letzte Institution verließ 2003 das belgische Militärgericht Köln. [30]

Der vollständige Abzug der außerhalb von Köln liegenden Einheiten in Spich und Altenrath war 2004 abgeschlossen, Camp Vogelsang in der Eifel folgte 2005.[31] Die Kaserne Nieuwpoort wurde wieder umbenannt in Mudra-Kaserne und das Personalamt der Bundeswehr zog ein; Passendale wurde abgerissen und dort eine neue Forensische Klinik gebaut; aus Brasseur wurde ein großes Erholungs- und Freizeitgebiet am Rhein, im restlichen Bereich soll Gewerbe angesiedelt werden. In die Kaserne Moorslede zog das Zollkriminalamt und Kleingewerbe. Außerdem soll dort Autofreies Wohnen verwirklicht werden. Aus Haelen und der angrenzenden belgischen Siedlung entstand das Stadtwaldviertel Junkersdorf mit Einbeziehung der denkmalgeschützen Gebäude. Aus dem belgischen Kino wurde das Kölner Szenelokal Limelight. Aus der Kaserne Kleerken entstanden das Wohngebiet Ossendorfpark und ein Gewerbegebiet.[32]Der Flugplatz Butzweiler Hof wurde bis auf das historische Flughafengebäude, in dem heute eine Luftfahrtausstellung untergebracht ist, abgerissen. Auf dem Gelände entstand ein Gewerbegebiet einschließlich eines Medienzentrums.

Weblinks

 Commons: Belgische Streitkräfte in Köln – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur

  • Adhemar De Bruycker, Belgische Garnison Porz-Westhoven,1951 ff, Unser Porz, Heft 11, Heimatverein Porz in Verbindung mit Stadtarchiv Porz, 1969, Eigenverlag
  • Walther Rotsaert, De Belgische Bezetting in Duitsland, 1945-1949, Eigenverlag Walther Rotsaert
  • Walther Rotsaert, L‘Occupation belge en Allemagne, 1945-1949, Eigenverlag Walther Rotsaert

Einzelnachweise

  1. Die Rheinprovinz, Ereignisse 1918–1933
  2. Heimatverein Attendorn, Heft 27, Die Schließung der belgischen Garnison Attendorn
  3. Historie Camp Spich
  4. Baumaßnahmen für die alliierten Streitkräfte in der BRD, internationale Abkommen, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
  5. Walther Rotsaert: De belgische Bezetting in Duitsland, S.59
  6. Auswärtiges Amt, Aussenpolitik, Belgien
  7. Googleboks, Akten zur auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland, Hans-Peter Schwarz, Institut für Zeitgeschichte, Munich, Germany
  8. Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand, Energie und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, Konversionsbericht Band IV, Bilanz Perspektiven, Zehn Jahre Truppenabzug und Konversion in Nordrhein-Westfalen, 2000
  9. BSD Kazernes, Keulen-Bützweilerhof (Link nicht mehr abrufbar)
  10. BSD Kazernes, Dellbrück (Link nicht mehr abrufbar)
  11. BSD Kazernes, Fühlingen (Link nicht mehr abrufbar)
  12. Tankstelle in der belgischen Kaserne. abracus.de. Abgerufen am 19. November 2011.
  13. Restmüllverbrennungsanlage Köln, Baudokumentation, Sanierungs- und Gründungsarbeiten (Link nicht mehr abrufbar)
  14. Belgisch Maritiem Rijn Smaldeel B.M.R.S. te Nielh. seniorennet.be. Abgerufen am 19. November 2011.
  15. Soest - Standorte ab 1945. museum-bsd.de. Abgerufen am 19. November 2011.
  16. Marinecomponent Eenheden P902 Liberation. mil.be. Abgerufen am 19. November 2011.
  17. Camp Vogelsang, Interactief, Willy, Recour, Nr. 10, Opleiding Vedette Selve te Westhoven. kamp-vogelsang.be. Abgerufen am 19. November 2011.
  18. Geschichtsspuren.de
  19. Museum der belgischen Streitkräfte in Deutschland, Soest
  20. Bündnis Heideterrasse, die militärische Geschichte der Wahner Heide und ihre Bewertung
  21. Pigasus, Relikte in der Heide, Überbleibsel der belgischen Truppen, Natobahnhof
  22. Astoria, Geschichte
  23. Ecoles de la Communauté Française, Zone FBA
  24. Haus Venauen / Athénée Royal (Rösrath). bgv-rhein-berg.de. Abgerufen am 19. November 2011.
  25. Belgier gaben am Freitag Schloß Bensberg an das Land zurück. bgv-rhein-berg.de. Abgerufen am 19. November 2011.
  26. Adhemar De Bruycker, Belgische Garnison Porz-Westhoven,1951 ff, Die belgische Wohngemeinde, Unser Porz, Heft 11, Heimatverein Porz in Verbindung mit Stadtarchiv Porz, 1969, Eigenverlag
  27. Adhemar De Bruycker, Belgische Garnison Porz-Westhoven,1951 ff, Seite 168, Unser Porz, Heft 11, Heimatverein Porz in Verbindung mit Stadtarchiv Porz, 1969, Eigenverlag
  28. Das Wappen. museum-bsd.de. Abgerufen am 19. November 2011.
  29. Museum der Belgischen Streitkräfte in Deutschland Soest, De Belgische Strijdkrachten in Duitsland
  30. Anlage zum Schreiben des Bundesministeriums der Justiz vom 30. April 2003, Übersicht über die Verbindungsstellen nach den Artikeln 19, 32 und 37 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut sowie über Kontaktstellen
  31. Printarchiv der Berliner Morgenpost
  32. Initiative Bauen, Wohnen, Arbeiten

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