Bereicherungsrecht (Deutschland)

Bereicherungsrecht (Deutschland)

Das Bereicherungsrecht ist ein Teilgebiet des Zivilrechts. Es wird auch als Kondiktionsrecht oder Kondiktionenrecht bezeichnet – die condictio war im römischen Recht die Klage zur Herausgabe ungerechtfertigter Bereicherung. Das Bereicherungsrecht befasst sich mit der Rückabwicklung rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen. Das Bereicherungsrecht ist in Deutschland in den §§ 812 ff. Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) normiert.

Das Bereicherungsrecht dient der Rückabwicklung rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen. Im deutschen Recht hat es auf Grund des Trennungs- und des Abstraktionsprinzips eine herausragende Bedeutung. Obwohl es nur 10 Paragrafen umfasst, gilt es als das dogmatisch schwierigste Rechtsgebiet. Dabei regeln die § 812, § 813, § 816, § 817 S. 1, § 822 BGB Ansprüche, die § 814, § 815, § 817 S. 2 BGB Kondiktionssperren, und die §§ 816 bis § 820 BGB bestimmen die Höhe des Anspruchs. § 821 enthält die Bereicherungseinrede.

Inhaltsverzeichnis

Theoriegeschichte

Das Bereicherungsrecht des BGB wurzelt besonders stark im römischen Recht – bis heute ist hier in der Rechtswissenschaft eine deutlich Vorliebe für lateinische Terminologie zu erkennen. Zahlreiche Fragen des römischen Kondiktionenrechts sind jedoch bis heute ungeklärt. Unstreitig ist, dass die condictio als Klageart im 3. Jahrhundert v.Chr. ihren Einzug in die römische Rechtsordnung hielt. Das römische Recht kannte dabei zahlreiche Arten von Kondiktionen und sah nie eine Notwendigkeit ein allgemeines Prinzip hinter diesen zu formulieren. Wichtigste condictio war die condiction indebiti, die auf Rückzahlung einer in entschuldbarem Irrtum geleisteten Nichtschuld gerichtet war. Auf Justinians Corpus iuris civilis geht das Verständnis der condictio als Billigkeitsrecht zurück; das spätrömische Recht entwickelte hieraus eine subsidiäre condictio sine causa (generalis), die die wohldefinierten Einzeltatbestände langfristig zu verdrängen drohte und ihre Legitimation aus dem berühmten Pomponius-Diktum schöpfte:[1]

„Iure naturae aequum est, neminem cum alterius detrimentum et iniuria fieri locupletiorem. “

D 50, 17

Weder Glossatoren noch Naturrechtslehre vermochten es, dem Kondiktionenrecht ein klares dogmatisches Rückgrat zu geben. Bis ins 19. Jahrhundert war „die Kasuistik in Wahrheit Rechtsquelle.“[2] Umso größer ist die Strahlkraft Friedrich Carl von Savignys bis ins 20. Jahrhundert zu bewerten: Ziel seiner Untersuchungen des römischen Rechts war es die Fälle, „worin die condictiones gelten sollen, aus einem einfachen, gemeinschaftlichen Prinzip abzuleiten“.[3] Dieses gemeinschaftliche Prinzip erkannte er unter dem Einfluss Kants in der „grundlosen Bereicherung des Anderen aus unserem Vermögen“[4]; unter Savignys Einfluss entwickelte sich so die pandektistische Doktrin des Bereicherungsrecht bei Albrecht Erxleben, Moritz Voigt, Hermann Witte und Leonard Jacobi.[1]

Das BGB unternimmt in dieser pandektistischen Tradition gegenüber dem klassischen römischen Recht den Versuch einer abstrakten Beschreibung der ungerechtfertigten Bereicherung. Zentralnorm des Bereicherungsrechts ist § 812 Abs. 1 BGB: „Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.“ Bis zur sog. ersten bereicherungsrechtlichen Wende durch Fritz Schulz stand die Rechtslehre auch nach Einführung des BGB in der pandektistischen Tradition Savignys. Schulz gelang mit der „Entdeckung“ der Eingriffskondiktion die Befreiung von römisch-rechtlichem Denken, indem er den Akzent von der rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung auf die widerrechtliche Handlung verlagerte: „Grundsätzlich darf niemand aus einem widerrechtlichen Eingriff Gewinn machen“[5] Mitte des 20. Jahrhunderts vollzog sich im Anschluss darauf die zweite bereicherungsrechtliche Wende: Walter Wilburg öffnete 1934 den Blick der Wissenschaft für die grundlegenden Unterschiede zwischen Leistungs- und Nichtleistungskondiktion und verzichtete in Abkehr von der Savignyschen Kondiktionenlehre auf den Ansatz, alle Bereicherungsfälle auf ein einheitliches Prinzip zurückführen zu wollen. Ernst von Caemmerer unterstützte 1954 Wilburgs Thesen und präzisierte dessen Ansatz, in der Nichtleistungskondiktion ein eigenständiges dogmatisches Institut zu sehen und bereitete so den Weg für die so genannte, heute herrschende, Trennungslehre.[1]

Leistungskondiktion

Eine Leistungskondiktion liegt vor, wenn jemand

  1. etwas
  2. durch eine Leistung erlangt hat, die
  3. ohne Rechtsgrund erfolgt ist.

Das Erlangte

Als „etwas Erlangtes“ kommt grundsätzlich jeder Vorteil in Betracht. Ein Vermögenswert ist nach herrschender Ansicht nicht erforderlich. Typische Fälle sind dingliche (Eigentum, Pfandrechte, Anwartschaftsrechte) oder persönliche (Forderungen, Nutzungsrechte) Rechte und vorteilhafte Rechtsstellungen (Besitz, Grundbuchstellungen) sowie Gebrauchs- und Nutzungsvorteile. Auch ein Bereicherungsanspruch selbst kann Gegenstand eines Bereicherungsanspruches sein (sog. Kondiktion der Kondiktion). Nach herrschender Lehre können ersparte Aufwendungen kein „Erlangtes etwas“ sein.

Leistung und Leistungsbegriff

Unter dem Begriff Leistung verstehen die Rechtsprechung und die herrschende Meinung in der Literatur jede bewusste, zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens aus der Sicht des Leistungsempfängers.

Ohne Rechtsgrund

Weitere Voraussetzung der Leistungskondiktionen ist der fehlende Rechtsgrund. Dabei herrscht Streit darüber, was unter dem Rechtsgrund zu verstehen ist. Die früher herrschende Auffassung versteht diesen Rechtsgrund objektiv, d.h. als das Bestehen des (schuldrechtlichen) Kausalverhältnisses. Im Vordringen begriffene subjektive Auffassungen machen das Bestehen eines Rechtsgrundes davon abhängig, ob der mit der Leistung bezweckte Erfolge eingetreten ist.

Einzelne Leistungskondiktionen

Die einzelnen Leistungskondiktionen des BGB (mit ihren lateinischen Namen) sind:

Nichtleistungskondiktionen

Die einzelnen Nichtleistungskondiktionen des BGB sind:

  • § 812 Abs. 1 S. 1 zweite Alternative BGB: allgemeine Eingriffskondiktion, auch Verwendungskondiktion oder Rückgriffskondiktion, lex generalis zu § 816, § 424 Abs. 1 BGB
  • § 816 Abs. 1 S. 1 BGB: entgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten
  • § 816 Abs. 1 S. 2 BGB: unentgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten
  • § 816 Abs. 2: Annahme einer Leistung durch einen Nichtberechtigten, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, bspw. § 407, § 808, § 793, § 851, § 893, § 2367 BGB
  • § 822 BGB: unentgeltliche Verfügung eines Berechtigten an einen Dritten und in Folge dessen Entreicherung des Berechtigten (die Einordnung als Nichtleistungskondiktion ist str.)

Eingriffskondiktion

Bei den Nichtleistungskondiktionen ist vor allem die Eingriffskondiktion relevant, weiter existieren die Verwendungskondiktion und die Rückgriffskondiktion. Tlw. wird auf diese Kondiktionen verwiesen.

Eine Eingriffskondiktion liegt vor, wenn ein qualifizierter Eingriff in den Zuweisungsgehalt fremden Rechts gegeben ist. Dabei ist im Unterschied zum Deliktsrecht weder eine Handlung noch ein Verschulden notwendig. Klassische Beispiele sind Kühe, die fremdes Gras fressen, der Besitz am Diebesgut oder die Verwendung fremder urheberrechtlich geschützter Werke.

Einen besonderen Fall der Eingriffskondiktion[6] bildet nach hM § 816 Abs. 1 gegen den Verfügenden bei gutgläubigem Erwerb. Im Rahmen von § 816 Abs. 1 S. 2 ist streitig, ob er auch in Fällen einer rechtsgrundlosen, entgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten analog anwendbar ist.

Beispiel: E ist Eigentümer eines Fahrrades und verleiht es an B. B verkauft es unberechtigt aufgrund eines unwirksamen Kaufvertrages an D. Hat E einen Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 2 gegen D?

Der BGH bejaht in diesen Fällen eine analoge Anwendung:[7] Der Empfänger (im Beispiel D) müsse des unwirksamen Vertrages wegen keine Gegenleistung erbringen und entbehre deshalb in gleicher Weise der Schutzwürdigkeit wie ein unentgeltlich Erwerbender. Der Empfänger ist somit einer Direktkondiktion des Berechtigten (im Beispiel E) ausgesetzt, wobei er seine Einwendungen (im Beispiel aus dem gezahlten Kaufpreis) gegen den Verfügenden verliert. Die herrschende Lehre[8] verwirft eine Analogie: Im Gegensatz zum unentgeltlich Erwerbenden hat rechtsgrundlos Erwerbende regelmäßig seine Leistung selbst erbracht. Er trüge somit Insolvenzrisiko des Verfügenden. Darin unterscheide sich die Interessenlage und eine Analogie sei nicht gerechtfertigt. Der Berechtigte wird nach hL auf die Kondiktion der Kondiktion nach § 816 Abs. 1 S. 1 gegen den Verfügenden verwiesen.

Verwendungskondiktion

Eine Verwendungskondiktion liegt vor, wenn Verwendungen auf eine fremde Sache gemacht werden, ohne dass sich der Verwender darüber bewusst ist, dass er gerade den Eigentümer der Sache bereichert. So zum Beispiel im Falle des Hausmeisters, der den fremden Zaun versehentlich mit eigener Farbe streicht. Hier fehlt es für die Leistungskondiktion am Bewusstsein, fremdes Vermögen zu mehren.

Rückgriffskondiktion

Eine Rückgriffskondiktion liegt vor, wenn der Schuldner durch Handlungen des Gläubigers von einer Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten befreit wurde. Voraussetzung ist, dass der Rückgriffsberechtigte obj. und subj. auf eine fremde Schuld gezahlt hat. Aber: Rückgriffskondiktion ist subsidiär; sie greift bspw. nicht ein, wenn der Tatbestand der GoA erfüllt ist.

Subsidiaritätsdogma

Das sog. Subsidiaritätsdogma beschreibt das Verhältnis der Leistungskondiktion zur Nichtleistungskondiktion wie folgt:

  1. Im Zweipersonenverhältnis kann ein Gegenstand nur entweder durch Leistung oder durch Nichtleistung erlangt werden, wie sich aus dem Wortlaut des § 812 Abs. 1 Satz 1 erste Alternative ergibt. Daher stehen Leistung und Nichtleistung im Verhältnis der Alternativität.
  2. Im Mehrpersonenverhältnis liegt die Sache komplizierter. Das verdeutlicht das folgende Beispiel:
Verkäufer V verkauft und übereignet an Käufer K eine Sache. K verkauft und übereignet diese Sache an einen Dritten D weiter. Ist der Kaufvertrag zwischen V und K nichtig, hat V gegen K einen Anspruch aus condictio indebiti. Die Sache selbst kann V von K aus tatsächlichen Gründen indes nicht herausverlangen. Gem. § 818 Abs. 2 BGB muss K Wertersatz leisten, da er auf Grund der Übereignung des Gegenstandes an D die Sache selbst, genauer Besitz und Eigentum daran, nicht mehr an V zurückübertragen kann. Ist K insolvent, erhält V aufgrund der Entreicherung des K gar nichts (§ 818 Abs. 3 BGB). V könnte daher ein Interesse haben, sich an D zu halten. Das ist aber nicht möglich, denn an D ist Besitz und Eigentum von K, nicht von V geleistet worden. V hat also keinen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 erste Alternative BGB. Er hat aber auch keinen Anspruch aus Nichtleistungskondiktion, denn die Nichtleistungskondiktion ist ausgeschlossen, wenn der Bereicherungsgegenstand dem D von einem Dritten geleistet worden ist.

Zu begründen ist dieses Ergebnis mit einem Umkehrschluss aus § 816 Abs. 1 S. 2 BGB, der eine Direktkondiktion bei Unentgeltlichkeit zulässt, weshalb sich ergibt, dass die Direktkondiktion im Mehrpersonenverhältnis grundsätzlich gerade ausgeschlossen ist. Das Ergebnis ist auch aus Wertungsgründen zwingend, wie Claus-Wilhelm Canaris nachwies, denn es berücksichtigt (a) den Einwendungserhalt: Könnte V gegen D durchgreifen, verlöre D eventuelle Einwendungen aus dem Vertrag mit K. Das ist aber nicht billig, denn einen Vertrag hat er nur mit K, nicht mit V. V ist ihm unbekannt. Auf V hat er sich nicht eingelassen. (b) den Einwendungsschutz/ exceptio ex iure tertii: D muss sich wiederum keine Einwendungen aus dem Vertrag V-K entgegenhalten lassen. Das verstieße gegen den Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse. Wiederum gilt, dass V sich K ausgesucht hat, nicht D. D hat mit V keinen Vertrag und muss sich deswegen Einwendungen aus einem fremden Vertrag nicht entgegenhalten lassen. (c) die Insolvenzrisikoverteilung: Das Insolvenzrisiko des K muss V selbst tragen. Er kann es nicht auf D abwälzen. V hat sich K ausgesucht und damit auch das Risiko dessen Zahlungsunfähigkeit.

Aus der Gesetzessystematik sowie den genannten Wertungsgründen ergibt sich also, dass wenn der Dritte den Gegenstand von einem anderen geleistet bekam, die Nichtleistungskondiktion immer dann gesperrt ist, wenn der Bereicherungsgegenstand dem Anspruchsgegener von einem anderen geleistet wurde und damit in diesem Verhältnis eine Leistungskondiktion grundsätzlich denkbar wäre.

In Mehrpersonenverhältnissen ist das Subsidiaritätsdogma äußerst umstritten. Der Bundesgerichtshof (BGH) entscheidet in ständiger Rechtsprechung bei Mehrpersonenverhältnissen mit Hinweis darauf, dass das Bereicherungsrecht "im höchsten Maße Billigkeitsrecht sei" und sich "jede schematische Lösung" verbiete, nach den Umständen des Einzelfalls. Als führende Gegenansicht legt im Versuch, einen methodisch begründeten Ansatz zu entwickeln, das Lehrbuch von Karl Larenz und Claus-Wilhelm Canaris als Kerngegenstand den Begriff des Rechtsgrundes zugrunde und fragt danach, ob es sich bei der Vorschrift, die den Gegenstand des Anspruchs dem Bereicherungsschuldner zuordnet, um einen Behaltensgrund oder lediglich um eine Zuordnungsvorschrift handelt. In ersterem Falle soll dann der Nichtleistungskondiktionsanspruch wegen Vorliegen eines Rechtsgrundes ausgeschlossen sein, in letzterem Fall hingegen fehlt es am Rechtsgrund.

Inhalt des Bereicherungsanspruches

Entreicherung

Die Höhe des Anspruchs aus Kondiktion ist durch § 818 Abs. 3 BGB auf die Bereicherung im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit beschränkt. Der Bereicherte hat nur das ohne Rechtsgrund Erlangte herauszugeben, was noch vorhanden ist oder was ihm ansonsten angefallene eigene Aufwendungen erspart hat. Die Entreicherung ist eine Einrede, sie muss vom Schuldner geltend gemacht werden. Gemäß §§ 819 ff. BGB entfällt sie, wenn der Schuldner bösgläubig bezüglich seines Anspruchs auf das Erlangte ist, und nach Erhebung der Klage.

Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung von gegenseitigen Verträgen

Man kann heute drei verschiedene Ansätze zur Rückabwicklung synallagmatischer Verträge erkennen. 1) Strenge Zweikondiktionenlehre 2) Saldotheorie 3) Modifizierte Zwei-Kondiktionenlehre (Larenz/Canaris)

Nach der strengen Kondiktionenlehre stehen die Leistungskondiktionen nebeneinander. Das führt aber zu unbilligen Ergebnissen: Hat V dem K ein Auto rechtsgrundlos übereignet, das mittlerweile bei K ersatzlos unterging, kann K von V den Kaufpreis verlangen, V hingegen von K wegen § 818 Abs. 3 BGB gar nichts. Sie wird heute nicht mehr vertreten.

Die Saldotheorie schränkt § 818 Abs. 3 BGB ein: Danach stehen die Ansprüche nicht getrennt nebeneinander. Vielmehr setzt sich der nichtige Vertrag und die synallagmatisch verknüpften Pflichten im Bereicherungsrecht als sog. faktisches Synallagma fort. Die Ansprüche werden über die § 273 und § 274 BGB verbunden. Hauptaussage der Saldotheorie ist, dass der Bereicherungsanspruch des K gegen V im obigen Bsp. gekürzt werden muss um die eigene Entreicherung des K. Die Entreicherung des K wird also zum Abzugsposten innerhalb des Anspruchs des K. Es bleibt also nur ein Saldo. Ist er positiv, hat K gegen V einen Anspruch. Das wäre etwa so, wenn das Auto objektiv weniger wert war als K als Preis zahlte. Andernfalls erhält K auch nichts. Das ist auch billig, da die Saldotheorie so besser an die Rechtsfolgen des Rücktritts gem. §§ 346 ff. BGB angepasst wurde. Die Saldotheorie findet keine Anwendung zu Lasten Minderjähriger (Wertung §§ 106 ff. BGB) und zu Gunsten des arglistig Täuschenden.

Die modifizierte Zwei-Kondiktionenlehre schränkt § 818 Abs. 3 BGB nach Wertungs- und Risikogesichtspunkten ein und ist damit strenger an §§ 346 ff. BGB orientiert. Sie würde etwa dem arglistig täuschenden Verkäufer einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB erste Alternative geben, sofern der Untergang der Sache bei K auf einem Verschulden des K beruhte, ohne dass das arglistige Täuschen zum Untergang geführt hätte. Sie ist damit wesentlich flexibler und genauer als die Saldotheorie. Die Wirkungen dieser neueren Lehre sind nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz noch nicht abzusehen. Vgl zu Auswirkungen Mü-Ko Lieb, § 818 Rn. 1 ff.

Mehrpersonenverhältnisse

Besonders problematisch sind im Bereicherungsrecht die Mehrpersonenverhältnisse, weil beispielsweise im Fall der Banküberweisung mehrere Beziehungen der beteiligten Personen (Bank - Kunde; Bank - Überweisungsempfänger; Bankkunde - Überweisungsempfänger) zu betrachten sind und diese Beziehungen in verschiedener Weise (beispielsweise keine wirksame Anweisung vom Kunden an die Bank; Überweisung an den Nichtadressaten; kein Rechtsgrund für Überweisung zwischen Bankkunde und Empfänger) gestört sein können.

Viele Autoren schlagen zur Systematisierung im typischen Anweisungsfall folgende Prüfungsfolge vor:

  • Herausarbeiten der Leistungsbeziehungen
  • Prüfen aller Leistungsbeziehungen auf Mängel; Rückabwicklung immer im fehlerhaften Verhältnis
  • ggf. Korrektur auf Wertungsebene

Dieses "Schema" darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich in Rechtsprechung und Literatur eine umfangreiche Kasuistik herausgebildet hat, die die Rechtsanwendung insbesondere für Studenten ohne Zugriff auf die einschlägige Kommentarliteratur erschwert.

Lassen sich die meisten Mehrpersonenfälle noch durch den Leistungsbegriff und das Dogma des Vorrangs der Leistungskondiktion lösen, versagen sie in den Fällen, in denen Leistung und Eingriff zusammentreffen (Jungbullenfall) oder mehrere Leistungen vorliegen (§ 328 BGB). Dort wird die Lösung nur noch über Wertungen gefunden.

Als Wertungskriterien der dritten Ebene sind insbesondere relevant:

  • Minderjährigenschutz (str., zum Teil wird bereits das Vorliegen einer zurechenbaren Leistung verneint)
  • Geringerer Schutz des unentgeltlichen Erwerbers
  • Einwendungsverlust bzw. Einwendungskumulierung (str., insb. beim Doppelmangel als "Kondiktion der Kondiktion")
  • Liquiditätsrisikos (str., insb. bei der Forderungszession)
  • Wertungen der Gutglaubensvorschriften
  • Leistungsnähe (str., insb. beim echten Vertrag zugunsten Dritter)
  • Veranlassungsprinzip (str., insb. bei § 267 BGB)

Internationales Bereicherungsrecht

Das Internationale Bereicherungsrecht ist in den Art. 38 bis Art. 42 EGBGB geregelt. Anwendungsvorrang hat EG-Recht: → Verordnung (EG) Nr. 864/2007 (Rom II).

Literatur

Einführung

  • Michael Martinek: Das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung und der Geschäftsführung ohne Auftrag. In: Michael Martinek (Hrsg.): Staudinger – Eckpfeiler des Zivilrechts. Sellier de Gruyter, Berlin 2008, ISBN 978-3805911092, S. 809–888.

Lehrbücher

Fallbücher

Monographien

Kommentare

  • Martin Schwab: Münchener Kommentar BGB. 5. Auflage. München 2009, § 812–822.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Michael Martinek: Das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung und der Geschäftsführung ohne Auftrag. In: Michael Martinek (Hrsg.): Staudinger – Eckpfeiler des Zivilrechts. Sellier de Gruyter, Berlin 2008, ISBN 978-3805911092, S. 809–888.
  2. Josef Esser: Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts. 3. Auflage. Mohr Siebeck, Tübingen 1974, S. 269.
  3. Friedrich Carl von Savigny: System des heutigen römischen Rechts. V, 1841, S. 507.
  4. Friedrich Carl von Savigny: System des heutigen römischen Rechts. V, 1841, S. 525.
  5. Fritz Schulz: System der Rechte auf den Eingriffserwerb. In: Archiv für die civilistische Praxis. 105, 1909, S. 1 sqq..
  6. Dieter Reuter und Michael Martinek: Ungerechtfertigte Bereicherung. Mohr Siebeck, Tübingen 1983, ISBN 978-3161460043, § 8 I 1a, S. 282 ff.; aA Manfred Lieb: Münchener Kommentar BGB. 4. Auflage. 2004, § 816 Rn. 6 sqq.
  7. BGHZ 37, 363 (368 ff.).
  8. Dieter Reuter und Michael Martinek: Ungerechtfertigte Bereicherung. Mohr Siebeck, Tübingen 1983, ISBN 978-3161460043, § 8 II 2, S. 337 ff..; Martin Schwab: Münchener Kommentar BGB. 5. Auflage. 2009, § 816 Rn. 59 sq.
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