Friedenskirche zu Radebeul

Friedenskirche zu Radebeul
Friedenskirche Radebeul-Kötzschenbroda im Gegenlicht
Der Turm der Friedenskirche Radebeul-Kötzschenbroda

Die Friedenskirche zu Radebeul, ehemals Kirche zu Kötzschenbroda, ist eine evangelisch-lutherische Kirche am Anger von Altkötzschenbroda im sächsischen Radebeul-West.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Die Kirche besteht aus einem breiten Kirchenschiff mit einem eingezogenen Turm sowie einem Chor mit einem polygonalen Abschluss.

Der untere Teil des Turms stammt noch aus der Zeit des spätgotischen Neubaus, er ist im Turm mit der Jahreszahl „1477“ datiert. Im Chor befinden sich als weitere spätgotische Reste Spitzbogenfenster mit entsprechendem Maßwerk sowie Strebepfeiler mit gekehlten Abdeckungen, dazu ein gotisches Rippennetzgewölbe sowie ein spitzbogiger breiter Triumphbogen als Übergang zu Schiff.

Alle weiteren Merkmale gehen auf den neogotischen Um- und Neubau von 1884 zurück. Der Turm erhielt statt der barocken Haube den auf den achteckigen Turmaufsatz aufgesetzten neogotischen Spitzhelm.

Das Kirchenschiff zeigt außen eng stehende, breite Spitzbogenfenster mit einfachem Maßwerk, zahlreiche Gesimsfialen sowie mit Spitzhelmen versehene Dachgauben. Die niedrigeren Seitenschiffe stehen seitlich aus dem Hauptschiff heraus. Im Inneren wird das Kirchenschiff durch eine flache Holzdecke mit breiten Feldern mit Füllungsbrettern abgeschlossen. Das Mittelschiff hat einen Obergaden über dem Gesims sowie Spitzbogenarkaden zu den Seitenschiffen, in denen sich zwei hölzerne Emporenreihen befinden. Deren untere tritt mit ihrer Brüstung vor die Pfeilerreihe.

In der Kirche gibt es darüber hinaus eine Kanzel von Andreas Schirmer aus dem Jahr 1642 sowie Glasfenster im Chor nach den Entwürfen von Christian Rietschel aus dem Jahr 1964. Im Eingang hängt die Grabplatte von Augustin Prescher, dem langjährigen Pastor der Kirche.

Orgeldisposition

I Hauptwerk C–g3

1. Pommer 16′
2. Prinzipal 8′
3. Konzertflöte 8′
4. Gambe 8′
5. Rohrflöte 8′
6. Gemshorn 8′
7. Oktave 4′
8. Spitzflöte 4′
9. Fugara 4′
10. Quinte 22/3
11. Oktave 2′
12. Cornett III-IV 22/3
13. Mixtur III-IV 2′
14. Cymbel II
15. Trompete 8′
II Schwellwerk C–g3
16. Dulciana 16′
17. Geigenprinzipal 8′
18. Holzflöte 8′
19. Sing. Gedackt 8′
20. Schwebeflöte 8′
21. Violine 8′
22. Vox Celeste 8′
23. Flauto traverso 4′
24. Salicet 4′
25. Rohrquinte 22/3
26. Flachflöte 2′
27. Terz 13/5
28. Quinte 11/3
29. Sifflöte 1′
30. Clarinett 8′
III Oberwerk C–g3
31. Prinzipal 8′
32. Gedackt 8′
33. Quintatön 8′
34. Oktave 4′
35. Rohrflöte 4′
36. Nassat 22/3
37. Oktave 2′
38. Terz 13/5
39. Mixtur III 11/3
40. Oboe 8′
Pedal C–f1
41. Prinzipalbass 16′
42. Subbass 16′
43. Violonbass 16′
44. Echobass 16′
45. Oktavbass 8′
46. Gedacktbass 8′
47. Salicetbass 8′
48. Choralbass 4′
49. Pedalmixtur IV
50. Posaunenbass 16′

Geschichte

Kirche zu Kötzschenbroda, Sepiazeichnung Ende 18. Jahrhundert

Die Friedenskirche ist der älteste Kirchenbau der Lößnitz. Auf einen bereits 1273, zur Zeit der Gründung des Archidiakonats Nisan, erstmals urkundlich erwähnten Vorgängerbau folgte nach dessen Zerstörung durch die Hussiten 1429, der auch der gesamte Ort zum Opfer fiel, ein im Jahre 1477 begonnener und 1510 geweihter spätgotischer Neubau. Dieser wurde unter anderem durch einen vom 16. Mai 1475 stammenden Ablassbrief finanziert. 1532 folgte die Erwähnung eines Orgelbaus und 1536 die der ersten Kirchschule (Altkötzschenbroda 38). 1539 wurde nach dem Tod des Herzogs Georg der Bärtige die Reformation eingeführt; in diesem Zusammenhang wurde Veit Hammer erster evangelischer Pfarrer der Kötzschenbrodaer Kirche und Egidius Lessing wurde Schulmeister und vermutlich auch Kantor.

Kirche zu Kötzschenbroda, links neben der Vorhalle das Betstübchen von C. C. Kober, Lithografie um 1800

Nach schweren Schäden beim Dorfbrand 1598 dauerte es bis 1627, bis die Kirche wiederaufgebaut war. Bereits zehn Jahre später, 1637, erfolgte die Zerstörung der Kirche wie auch des Dorfes im Dreißigjährigen Krieg durch schwedische Truppen, lediglich drei Häuser blieben verschont. Im gleichen Jahr begann der Wiederaufbau im Renaissancestil durch den Landbaumeister Ezechiel Eckhardt, großzügig gefördert durch den Kurfürsten Johann Georg I., der während seiner Aufenthalte auf der Hoflößnitz zur Kötzschenbrodaer Gemeinde gehörte. 1642 wurde die heutige Kanzel in die Kirche eingesetzt, 1651 folgte der Einbau einer Orgel von Tobias Weller.

Am 27. August 1645 wurde unter dem Gastgeber Pfarrer Augustin Prescher im dazugehörigen Pfarrhaus der Waffenstillstand von Kötzschenbroda zwischen dem sächsischen Kurfürsten Johann Georg I. und dem schwedischen General Lennart Torstensson geschlossenen, der für Sachsen den Dreißigjährigen Krieg beendete.

Bei größeren Turmreparaturen im Jahr 1746 erfolgte vermutlich der Umbau auf eine barocke Turmhaube. Der auf Weinarts Ruhe ansässige Privatgelehrte Benjamin Gottfried Weinart spendete im Jahr 1800 der Kirche das noch heute im Fundus existierende Ölbild Der Leichnam Christi.

1812 verhinderte Johann Samuel Gottlob Flemming, Pfarrer am Ort, die Plünderung von Kötzschenbroda durch napoleonische Truppen.[1]

Im Jahr 1861 erfolgte die Weihe einer neuen Orgel von Wilhelm Leberecht Herbrig, die jedoch mangelhaft war und 1884 nach Lohma bei Schmölln in Thüringen umgesetzt wurde.

Das heutige Aussehen erhielt die Kirche durch einen teilweisen Neubau im neogotischen Stil von 1884/1885 durch Karl Weißbach, der das bestehende Schiff großenteils abreißen ließ und zu beiden Seiten verbreiterte. Die Abbrucharbeiten sowie die folgenden Rüst- und Zimmererarbeiten übernahmen die Gebrüder Ziller.[2]

Mit der Einweihung 1885 erhielt die Kirche erneut eine neue Orgel. Sie wurde von dem Dresdner Hoforgelbauer Jehmlich errichtet, der das Instrument in den Jahren 1927-1928 pneumatisierte, um das Schwellwerk erweiterte sowie umdisponiert. Auffallend an diesem Instrument ist der moderne Freipfeifenprospekt.[3]

Seit 1935 wird der Name Friedenskirche verwendet, der sich auf den 1645 geschlossenen Waffenstillstand von Kötzschenbroda bezieht.

Denkmal Chronos und die Trauernde auf dem Kirchhof der Friedenskirche

1949 erfolgte die Weihe der neuen Glocken nach dem Zweiten Weltkrieg. Eine grundlegende Innenrenovierung erfolgte 1961/1962. Zu dieser Gelegenheit wurden die von Christian Rietschel entworfenen 35 farbigen Glasbilder in die Fenster des Altarraums eingesetzt. In den Jahren 1999/2000 erfolgte die Restaurierung der Orgel sowie eine erneute Renovierung des Kircheninneren. Die Flut des Jahres 2002 verschont das Kirchengebäude, die Wasser erreichen lediglich das Galände hinter der Kirche.

Heute ist die Kirche als Baudenkmal[4] eingestuft.

Eines der bedeutendsten Denkmäler Radebeuls steht auf dem Kirchhof der Friedenskirche, das 2005 restaurierte Sandstein-Bildwerk Chronos und die Trauernde oder auch Chronos und klagendes Weib. Es stammt wahrscheinlich aus dem 18. Jahrhundert.

Auf dem Kirchhof liegt unter anderem der Kunsthistoriker und Begründer des sächsischen Inventarisationswerks Franz Richard Steche begraben.

Seit 2004 wird an diesem Ort alle zwei Jahre der internationale Radebeuler Couragepreis verliehen.

Sage „Die sonderbare Stiftung zu Kötzschenbroda.“

Grabplatte von Augustin Prescher
Johann Georg I. mit Hund, Portrait von Frans Luycx, 1652

„Während des 30jährigen Krieges verbrachte Churfürst Johann Georg I. seine Zeit auf dem Churfürstl. Weinberge der Hoflößnitz; in der Zeit seines dortigen Aufenthaltes liebte er es sehr viel Wein zu trinken. Seiner Gemahlin war dies anstößig, doch getrauete sie selbst sich nicht, ihm deshalb Vorstellungen zu machen. Sie ersuchte daher eines Tages den in Kötzschenbroda angestellten Pastor M. Augustin Prescher, doch einmal von der Kanzel herab eine Mahnung an den allergnädigsten Herrn ergehen zu lassen. Obschon derselbe dies sehr bedenklich fand, so ließ er sich doch endlich dazu bereden und sprach eines Sonntags „über die traurigen Folgen der Schwelgerei und Trunksucht“, und schloß mit den Worten: „unser gnädigster Herr trinkt zwar auch, aber er hat es dazu und es bekömmt ihm! Amen.“ Nach der Kirche wird der Pastor zur Churfürstl. Tafel geladen; ihm, so wie seiner Gattin bangte es, wegen der Folgen seiner Ermahnung. Der Churfürst äußert indeß erst am Schluß der Tafel: „Herr Pastor, heut hat Er mir auch Eins auf den Pelz gebrannt.“ „Ei,“ erwiederte der Pastor, „das sollte mir leid thun, wenn es blos den Pelz getroffen hätte und nicht das Herz.“ Auf diese offene Sprache erwiederte der Churfürst: „Herr Pastor! Er ist ein ehrlicher Mann, wären doch alle Geistlichen in meinem Lande der Art; bitte Er sich eine Gnade bei mir aus.“ Als der Pastor Bedenken findet, deshalb sich Etwas zu erbitten, meint der Churfürst: „Er wolle, seine Dienstnachfolger sollten alljährlich 49¾ Kanne Wein aus seiner Kellerei erhalten, 50 Kannen werde zu viel sein.“ Dieses Deputat wurde dem jedesmaligen Pastor zu Kötzschenbroda als Stiftung verabreicht und wird wahrscheinlich erst in der neuesten Zeit abgelöst worden sein, denn Pastor Trautschold erhielt es noch zur Zeit seines Abganges.“

Johann Georg Theodor Grässe: basierend auf einer mündlichen Überlieferung[5]

Johann Gottlob Trautschold (* 1777 in Pößneck; † 1862[6] in Dresden) wurde 1808 Diakon in Dresden-Friedrichstadt, 1814 Pastor in Gröbern und 1824 Pfarrer an der Kirche zu Kötzschenbroda. Er trat 1852 in den Ruhestand. Trautschold schrieb neben seinen Predigten auch geistliche Lieder und Erziehungsschriften.[7]

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Große Kreisstadt Radebeul (Hrsg.): Stadtlexikon Radebeul. Historisches Handbuch für die Lößnitz
  2. Thilo Hänsel; Markus Hänsel: Auf den Spuren der Gebrüder Ziller in Radebeul. Architekturbetrachtungen. Notschriften Verlag, Radebeul 2008. ISBN 978-3-940200-22-8. S. 7
  3. Ev. Friedenskirche zu Radebeul-Kötzschenbroda. Jehmlich Orgelbau Dresden GmbH, abgerufen am 26. Februar 2009.
  4. Verzeichnis der Kulturdenkmale der Stadt Radebeul. Große Kreisstadt Radebeul, 17. April 2008, S. 1, abgerufen am 4. Februar 2009 (PDF).
  5. Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1, Dresden 1874, S. 76–77.
  6. PND-Datensatz über Johann Gottlob Trautschold
  7. Trautschold. In: Heinrich August Pierer, Julius Löbe (Hrsg.): Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit. 4. Auflage. Bd. 17, Altenburg 1863, S. 773 (Online bei zeno.org).
51.103913.633983333333

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