Karl-Friedrich Kolbow

Karl-Friedrich Kolbow

Karl-Friedrich Kolbow (* 20. November 1899 in Schwerin; † 14. September 1945 in Thorée-les-Pins) war ein nationalsozialistischer Politiker. Er war zwischen 1933 und 1944 Landeshauptmann der Provinz Westfalen. Als solcher war er unter anderem für die Umsetzung der nationalsozialistischen Rassenideologie zuständig. Außerdem war er Vorsitzender des Westfälischen Heimatbundes und als solcher einer der Wortführer der Heimatbewegung zur Zeit des Nationalsozialismus.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kolbow, dessen Vater Justizrat war,[1] besuchte das Gymnasium in Schwerin und war beeinflusst von der Jugendbewegung der Zeit. Nach dem Notabitur 1917 leistete er Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg. Seine Einheit bewachte auf der Krim den Hafen von Sewastopol und später ein Kohlebergwerk in der Nähe der georgischen Stadt Kutaissi. Zuletzt nahm er an der Sicherung einer Bahnlinie nördlich von Odessa teil.

Nach dem Krieg begann Kolbow 1919 ein Studium der Geologie, Geografie und Geschichte in Jena und München. In München besuchte er im Februar 1921 erstmals eine Massenveranstaltung der NSDAP mit Adolf Hitler und trat bald darauf der Partei bei (Mitgliedsnummer: 2.900). Damit gehörte er später zur sogenannten „Alten Garde“. Im Mai 1921 schloss sich Kolbow dem Freikorps Oberland an und kämpfte in Oberschlesien. Mitglied der SA wurde er ein Jahr später. In der SA erreichte er den Rang eines Obersturmbannführers.[1] Anschließend nahm er ein Studium des Bergbauwesens an der Bergakademie Freiberg auf, das er 1925 als Diplom-Bergbauingenieur abschloss.

Nach dem Examen arbeitete Kolbow als Betriebsassistent und stellvertretender Betriebsleiter einer Blei- und Silbererzgrube in Erbendorf (Oberpfalz). Danach war er für kurze Zeit Ingenieur und Betriebsleiter einer Grubenlampen- und Akkumulatorenfabrik in Chemnitz und ab 1927 als Betriebsingenieur in Neunkirchen im Siegerland tätig. Kolbow wurde 1929 Kreisleiter der NSDAP für das Siegerland. Außerdem war er seit 1931 Gaufachberater für Fragen des Bergbaus. Seit 1932 war er Mitglied des Provinziallandtages der Provinz Westfalen.

1933 wurde Kolbow Staatskommissar für den Provinzialverband Westfalen und zum Landeshauptmann der Provinz Westfalen gewählt. Vorangegangen war der erzwungene Rücktritt seines Vorgängers Franz Dieckmann. Hinter Kolbows Ernennung durch den Oberpräsidenten Ferdinand Freiherr von Lüninck stand wohl der Gau Westfalen-Süd. Kolbow sollte die Provinzialverwaltung in eine „nationalsozialistische Bastion“ verwandeln. Er hat unmittelbar nach Amtsantritt linke, liberale und andere als „politisch unzuverlässige“ Beschäftigte entfernen lassen. Innerhalb der Provinzialverwaltung stieß er als Nichtjurist und Nichtwestfale zunächst auf Vorbehalte. Lüninck räumte Kolbow, der ihm eigentlich unterstellt war, einen beträchtlichen Handlungsspielraum ein. Beide lehnten eine demokratische Selbstverwaltung zwar ab, haben aber die Interessen der Provinz Westfalen gegenüber staatlichen Stellen und der Partei zu wahren versucht. Dahinter steckte bei Kolbow das Leitbild eines Regionalismus auf „stammeskultureller Basis.“ Er hat etwa die Bildung eines eigenständigen Ruhrbezirk abgelehnt, weil er unter anderem nur in der Anbindung an die Rheinprovinz und an Westfalen eine Assimilierung der aus dem Osten eingewanderten Bevölkerungsgruppen für möglich hielt.[2] Kolbow hat dabei auch Konflikte mit der Führung des Gaus Westfalen-Süd in Kauf genommen, dem er seinen Aufstieg verdankte. Gestützt auf Lüninck wurde er zu einem der einflussreichsten Landeshauptmänner in Preußen.[3]

Kolbow war auch Vorsitzender des Westfälischen Heimatbundes und war einer der führenden Personen der Heimatbewegung in Deutschland. Als solcher hat er sich auch an den Planungen zur Germanisierung des 1939 besetzten Warthegaus beteiligt. Für Kolbow war der von der Wehrmacht besetzte Osten ein zukünftiges Siedlungsareal eines zum bäuerlich-kriegerischen „Grenzkampf“ bestimmten „Deutschtums.“[4] (vgl. Deutscher Grenzkolonialismus).

Kolbow war in seinem eigentlichen Verantwortungsbereich verantwortlich dafür, die Jugendhilfe, die Fürsorgeerziehung und die Psychiatrie im Bereich des Provinzialverbandes der Provinz Westfalen an die nationalsozialistischen Rassegrundsätze anzupassen. Im Zuge der Euthanasieaktionen während des Zweiten Weltkrieges war Kolbow maßgeblich verantwortlich für deren Umsetzung in der Provinz Westfalen. Unter seiner Ägide wurde in den Provinzialanstalten in Niedermarsberg und Aplerbeck die sogenannten Kinderfachabteilungen zur Ermordung behinderter Kinder eingerichtet.[5]

Im Jahr 1944 wurde Kolbow verhaftet, aus der Partei ausgeschlossen und aus seinen öffentlichen Ämtern entlassen. Hintergrund waren Differenzen mit der Parteiführung und die Nähe zu Lüninck, der im Zusammenhang mit dem Attentat vom 20. Juli 1944 verhaftet worden war. Kolbow hat in einem bei Lüninck gefundenen Schreiben Kritik an der „volkstumspolitischen“ Unzulänglichkeit des „vermassten“ und „rebarbarisierenden“ Nationalsozialismus geübt. Der Hinrichtung konnte Kolbow entgehen, weil sich Gauleiter Meyer für ihn einsetzte. Kolbow musste sich zum Kriegsdienst melden, war einfacher Soldat (Baupionier) und geriet im April 1945 in französische Kriegsgefangenschaft, in der er verstarb.

Nach dem Krieg wurde er von ehemaligen Mitarbeitern und Vertretern der westfälischen Heimatbewegung als „anständiger Nazi“ stilisiert, der sich von jugendbewegten Idealen habe leiten lassen und sich für die Natur und den Heimatgedanken in Westfalen engagiert habe. Vergessen wurde dabei indes seine Mitverantwortung für die Verbrechen des Regimes etwa im Rahmen der Euthanasie.[6] Grundlage dieser erst in den 1970er Jahren erschütterten Charakterisierung Kolbows war eine sehr selektive Auswertung seiner Tagebücher.

In der Sowjetischen Besatzungszone wurden seine Schriften Die Kulturpflege der preußischen Provinzen (Kohlhammer, Stuttgart 1937) und Kulturpflege der Gemeinden und Gemeindeverbände, beigefügt Helmut Bojungas Das Schulwesen (= Die Gemeindeverwaltungs- und Sparkassenschule, Bd. 12; Eher, München 1937) auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[7][8]

Einzelnachweise

  1. a b Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Frankfurt am Main 2007, S. 328.
  2. Oberkrome, Deutsche Heimat, S. 153.
  3. Christoph Schmidt: Nationalsozialistische Kulturpolitik im Gau Westfalen-Nord. Paderborn, 2006 S. 53f.
  4. Oberkrome, Deutsche Heimat, S. 10.
  5. Borkener Zeitung 4. März 2010 Digitalisat
  6. Mitteilung auf westfaelische-geschichte.de
  7. http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-k.html
  8. http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-b.html

Schriften

  • Die Kulturpflege der preussischen Provinzen. Stuttgart, 1937
  • Fragen der Binnenschiffahrt zwischen Rhein und Elbe. Münster, 1937
  • Geschichte Westfalens. Bochum, 1941
  • Natur und Heimat. Wolfshagen-Scharzbeutz,1939

Literatur

  • Martin Dröge (Hrsg.): Die Tagebücher Karl Friedrich Kolbows (1899-1945): Nationalsozialist der ersten Stunde und Landeshauptmann der Provinz Westfalen. Paderborn, 2010.
  • Bernd Walter: Karl Friedrich Kolbow (1899-1945). In: Westfälische Lebensbilder, Bd. 17, Münster 2005, S. 203-240.
  • Willi Oberkrome: „Deutsche Heimat.“ Nationale Konzeption und regionale Praxis von Naturschutz, Landschaftsgestaltung und Kulturpolitik in Westfalen-Lippe und Thüringen (1900-1960). Paderborn, 2004 ISBN 3-506-71693-X.
  • Rainer Bookhagen: Die evangelische Kinderpflege und die Innere Mission in der Zeit des Nationalsozialismus. Bd.2 Göttingen, 2002 ISBN 3-525-55730-2 S. 1018.
  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Fischer, Frankfurt am Main 2007. ISBN 978-3-596-16048-8. (Aktualisierte 2. Auflage)

Weblinks


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