Landeshauptmann

Landeshauptmann

Der Landeshauptmann ist entweder Vorsitzender eines Landtages oder einer Landesregierung oder oberster Beamter eines Landes. Heute werden insbesondere die Vorsitzenden der Landesregierungen in Österreich und in Südtirol als Landeshauptmann oder Landeshauptfrau (Plural: Landeshauptfrauen, Landeshauptmänner oder Landeshauptleute) bezeichnet. In Deutschland wird diese Bezeichnung heute nicht mehr verwendet. Das Gegenstück zum „Landeshauptmann“ ist hier der „Ministerpräsident“.

Im kaiserlichen Österreich war Landeshauptmann von 1861 bis 1918 der Titel des Landtagspräsidenten eines Kronlandes (ausgenommen Niederösterreich, Böhmen und Galizien, wo der Titel Landmarschall verwendet wurde). Er führte auch den Vorsitz im Landesausschuss, dem Exekutivorgan des Landtages und Vorläufer der heutigen Landesregierungen. Er wurde vom Kaiser ernannt.

Inhaltsverzeichnis

Ursprünge

In der frühen Neuzeit war der Landeshauptmann ein Vertreter des Kaisers oder eines Landesfürsten. Die Befugnisse der Landeshauptleute wiesen von Land zu Land gewisse Unterschiede auf. Im Allgemeinen waren sie mit Aufgaben in der Finanzverwaltung befasst. Deshalb waren sie nicht nur dem Landesherren, sondern auch den Landständen gegenüber zur Rechenschaft verpflichtet. Später wurden neben den Landeshauptleuten Statthalter oder Gouverneure als rein kaiserliche Beamte berufen. Das politische Amt der Landeshauptmannschaft gab es im gesamten Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, zum Beispiel in Böhmen und Mähren, in Schlesien, in der Grafschaft Glatz und in der Ober- und Niederlausitz, in Preußen usw.

Österreich

Siehe auch:

Habsburgermonarchie

In Cisleithanien, der westlichen Reichshälfte Österreich-Ungarns, bildete sich mit der Reichsverfassung 1861 eine auf der historischen Entwicklung beruhende Doppelstruktur aus: mit dem Landeshauptmann als Leiter der Landespolitik und dem k.k. Statthalter (in manchen Kronländern Landespräsident genannt) als Vertreter des Kaisers als Landesfürst und der Wiener Zentralregierung.

Republik Österreich

Diese Doppelstruktur wurde bei der Gründung der Ersten Republik 1918 beseitigt: Mit dem Gesetz vom 14. November 1918 betreffend die Übernahme der Staatsgewalt in den Ländern[1] wurden am 20. November Statthalter und bisherige Landtage abgeschafft und provisorische Landesversammlungen sowie Landesregierungen mit einem Landeshauptmann als Vorsitzendem eingesetzt. Die Landesregierungen waren dem deutschösterreichischen Staatsrat weisungsgebunden.

Mit der Bundesverfassung von 1920 vereinigt der Landeshauptmann in seiner Funktion die Ämter des Vertreters der Bundesregierung im Land (er ist de jure monokratisch für die mittelbare Bundesverwaltung verantwortlich) und des Vorsitzenden des Kollegialorgans Landesregierung gemäß der jeweiligen Landesverfassung. Das Amt ist mit dem eines Ministerpräsidenten eines Bundeslandes bzw. des Regierenden Bürgermeisters eines Stadtstaates in Deutschland vergleichbar.

Das Bundes-Verfassungsgesetz räumt dem Landeshauptmann eine besondere Stellung ein. Demnach ist er der wichtigste Vertreter des Staates (des Bundes) auf Landesebene. Der Landeshauptmann wird vom Landtag gewählt (Ausnahme: Wien, s.u.) und vom Bundespräsidenten angelobt. In seiner Eigenschaft als Träger der mittelbaren Bundesverwaltung ist er der Bundesregierung verantwortlich. In der Ausübung der mittelbaren Bundesverwaltung wird er in der Regel aber durch das mit dem jeweiligen Ressort betraute Mitglied der Landesregierung (Landesrat) vertreten. In Wien ist der Bürgermeister gleichzeitig Landeshauptmann und wird vom Gemeinderat gewählt.

Zu den Aufgaben des Landeshauptmannes gehören:

  • Vertretung des Landes nach außen, gegenüber der Bundesregierung, gegenüber den anderen Ländern und gegenüber Privaten
  • Vorsitz der Landesregierung, Einberufung und Leitung der Sitzungen der Landesregierung
  • Angelobung der Mitglieder der Landesregierung (Landesräte)
  • Kundmachung der Gesetzesbeschlüsse im Landesgesetzblatt
  • Ausübung der Bundesverwaltung auf Landesebene als gegenüber dem jeweiligen Bundesminister weisungsgebundenes Organ (mittelbare Bundesverwaltung), dazu gehören u. a. Gewerbe-, Wasser- und Forstrecht.
  • in Krisenfällen Koordinator sämtlicher Behörden im Landesgebiet, einschließlich der Sicherheits- und Militärbehörden
  • Vertretung des Landes in internationalen Belangen (z. B. Ausschuss der Regionen im Rahmen der EU bzw. Arge Alp)

In Österreich nicht gesetzlich verankert, aber realpolitisch einflussreich ist die Landeshauptleutekonferenz, in der der Landeshauptmann sein Bundesland vertritt. Weiters vertritt er in der Integrationskonferenz der Länder gemeinsam mit dem Landtagspräsidenten sein Bundesland.

Sein Stellvertreter ist der Landeshauptmannstellvertreter. In Vorarlberg wird dieser als Landesstatthalter bezeichnet.

Landeshauptmann oder Landeshauptfrau?

Ob weibliche Landeshauptleute als Landeshauptmann oder Landeshauptfrau zu bezeichnen sind,[2][3] ist bislang (2010) nicht eindeutig festgelegt. Diese Frage stellte sich erstmals mit dem Amtsantritt von Waltraud Klasnic (ÖVP) in der Steiermark am 23. Jänner (Januar) 1996, die sich als Frau Klasnic oder Frau Landeshauptmann ansprechen ließ. Gabriele Burgstaller (SPÖ) hingegen, seit 7. März 2004 Amtsinhaberin in Salzburg, bevorzugt den Titel Landeshauptfrau.

Die österreichische Verfassung sieht seit 1. Juli 1988 vor, dass Amtsbezeichnungen in geschlechtsspezifischer Form verwendet werden können (Art. 7 Absatz 3 B-VG).

Alt-österreichischen Gepflogenheiten entsprechend wird manchmal die Ehegattin des Amtsinhabers mit Frau Landeshauptmann angeredet; derartige titelbezogene Anrede für Gattinnen von Amtsinhabern oder Akademikern kam bis gut Mitte des 20. Jahrhunderts auch im übrigen deutschen Sprachraum vor. Die umgekehrte Form – Herr Landeshauptfrau – war jedoch nie ernstgemeint. Stellvertreter der Salzburger Landeshauptfrau bevorzugen bislang die Bezeichnung Landeshauptmannstellvertreter.

Preußen

In Preußen war der Landeshauptmann (früher Landesdirektor) der seit 1875 vom Provinziallandtag gewählte höchste Beamte eines Provinzialverbandes.[4] Er leitete die provinziale Selbstverwaltung, während der vom König ernannte Oberpräsident die Prärogative der Zentralregierung wahrnahm.

Nach der preußischen Provinzialordnung war der Landesdirektor in jeder Provinz auf mindestens sechs und höchstens zwölf Jahre zu wählen. Es standen ihm als Hilfsorgane der Landesrat und technische Beamte, insbesondere für das Bauwesen, zur Seite.

Deutsch-Neuguinea

Während der Verwaltung der späteren Kolonie Deutsch-Neuguinea durch die Neuguinea-Kompagnie von 1885 bis 1899 übte ein Landeshauptmann in dem so genannten „Schutzgebiet“ Hoheitsrechte aus.

Am 16. Mai 1885 erteilte das Deutsche Reich der Neuguinea-Kompagnie einen „Kaiserlichen Schutzbrief“, durch den ihr die Landeshoheit über das „Schutzgebiet Deutsch-Neuguinea“ übertragen wurde. Die Neuguinea-Kompagnie verwaltete die deutsche Kolonie mit kurzen Unterbrechungen bis zum Jahre 1899.

Zum ersten Landeshauptmann wurde Georg von Schleinitz, ein hoher Marineoffizier bestellt. Nach Schleinitz wurde die Landesverwaltung der Neuguinea-Kompagnie fast nur noch durch kommissarisch bestellte Landeshauptmänner wahrgenommen. Am 1. November 1889 gab die Kompanie die Verwaltung vorübergehend in die Hand von Reichsbeamten ab. Am 1. September 1892 wurde noch einmal kurzfristig mit Georg Schmiele ein ordentlicher Landeshauptmann berufen.

Den Aufgaben in der Kolonie war die Neuguinea-Kompagnie auf die Dauer jedoch nicht gewachsen. Wirtschaftlich und politisch gescheitert, trat die Neuguinea-Kompagnie unter Löschung des Schutzbriefes die landeshoheitlichen Rechte und damit die Verwaltung der Kolonie am 1. April 1899 endgültig an das Deutsche Reich ab.

Südtirol und Trentino

In Südtirol und im Trentino wird im Deutschen die Bezeichnung Landeshauptmann für die Vorsitzenden der Landesregierung genannten Provinzregierungen (Presidente della Giunta provinciale) verwendet.

Der Landeshauptmann von Südtirol vertritt das Land nach außen und nimmt an der Staat-Regionen- und der Autonome-Provinzen-Konferenz in Rom teil. Außerdem kann er an den Sitzungen der italienischen Regierung (Ministerrat) teilnehmen, soweit Fragen des Landes Südtirol betroffen sind. Ihm werden zwei Stellvertreter zur Seite gestellt, von denen jeweils einer der deutschen und einer der italienischen Sprachgruppe angehören muss. Der Landeshauptmann wird vom Landtag gewählt. Die Wahlgesetzgebung fällt in die Zuständigkeit des Landes. Siehe auch Südtiroler Landesregierung.

Die Begrifflichkeiten Landeshauptmann und Land Südtirol wurden in Anlehnung an Österreich eingeführt; aus italienischer Sicht handelt es sich bei Südtirol (und Trentino) um die Provinzen Bozen und Trient, die mit umfangreichen Autonomierechten ausgestattet sind. Für die übrigen Provinzen in Italien wird der Begriff „Landeshauptmann“ nicht verwendet; meist wird in deutschen Texten die Amtsbezeichnung mit „Präsident der Provinz“ übersetzt. Ebenso wird die deutsche Bezeichnung „Land“ allein für die beiden autonomen, mit Sonderrechten ausgestatteten Provinzen Südtirol und Trentino angewandt und nicht für die übrigen Provinzen.

Schweiz

Die Verwendung des Begriffs in der Alten Eidgenossenschaft ist nicht einheitlich. Die Amtsbezeichnung (oft auch als Landshauptmann) wurde vor allem in den Länderorten verwendet, wobei in der Regel der militärische Aspekt des Amtes überwog.[5] Es ist nicht mit jenem des Landammanns identisch.

In der Republik Wallis (heute Kanton Wallis) wurde das Staatsoberhaupt von 1288 bis 1798 als Landeshauptmann bezeichnet, ebenfalls gebräuchlich war zumindest zeitweise die Bezeichnung Zendenbannerherr. Bekannte Landeshauptmänner entstammten vor allem den Familien In-Albon und aus dem Geschlecht der Schiner. 1388 wurde der erste Landeshauptmann Simon Murmann ab Wyler auf dem Landestag von den sieben Zehnden von Wallis sowie durch den Bischof und das Domkapitel von Sitten gewählt. Der Landeshauptmann agierte zudem vor allem als weltlicher Vertreter des Bischofs. Die Amtszeit betrug zunächst ein Jahr, wurde im 15. Jahrhundert auf zwei Jahre ausgedehnt, und variierte ab dem 16. Jahrhundert. Als Vertreter dienten dem Landeshauptmann anfänglich Familiaren, ab der Mitte des 16. Jahrhunderts der Vize-Landeshauptmann. Die Zuständigkeit des Landeshauptmannes umfasste ab 1631 die Einberufung des Landrates, die diplomatische Vertretung, bis 1571 den Vorsitz des Gerichts auf der großen Brücke von Sitten. Das Amt des Landeshauptmannes wurde 1798 durch das Ancien Regime abgeschafft, Landeshauptmann war zu diesem Zeitpunkt Jost Sigristen.

Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts trägt der Präsident des Walliser Großen Rates den Titel Landeshauptmann.

Im Kanton Appenzell Innerrhoden wird die Bezeichnung Landeshauptmann immer noch vom Minister für Land- und Forstwirtschaft (Vorsteher des Land- und Forstwirtschaftsdepartements der Standeskommission) getragen.

Finnland

In Finnland wird vom Staatspräsidenten ein Landeshauptmann bestellt, der die Regierungsgewalt über eine Provinz innehat. In der teilautonomen Provinz Åland wird vom Volk ein Landtag gewählt, der als Exekutivorgan den Landschaftsrat bestellt, dessen Vorsitzender dem finnischen Landeshauptmann ähnlich ist.

Schweden

Den schwedischen Verwaltungsbezirken (Län) steht ein sogenannter Landshövding vor, das im Prinzip auch als Landeshauptmann übersetzt werden kann. Ein Landshövding wird von der Staatsregierung in Stockholm ernannt und hat eine Art Vermittler- und Koordinationsfunktion – er vertritt die Interessen des Gesamtstaates auf Bezirksebene, bzw. umgekehrt die Interessen des Bezirkes gegenüber der Regierung.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. StGBl. Nr. 24 / 1918 (= S. 29)
  2. Hermann Möcker: Landeshauptmann – Landeshauptfrau – Landesnebenfrau – Landeshauptmännin. Ein „Problem“ geschlechtsspezifischer Sprache. In: Friedbert Aspetsberger, Konstanze Fliedl (Hrsg.): Geschlechter. Essays zur Gegenwartsliteratur. (= Schriftenreihe Literatur des Institutes für Österreichkunde Bd. 12). StudienVerlag, Innsbruck 2001, S. 89.
  3. Institut für Österreichkunde (Hrsg.): Frauen[und/als Männer-]Konstruktionen. Tagungsbericht 40. Literaturtagung, Bildungshaus St. Hippolyt, St. Pölten, 7. bis 10. Dezember 2000. In: Österreich in Geschichte und Literatur. 45. Jg., Wien 2001, S. 79–88 (Publiziert ebenfalls in: Aspetsberger, Fliedl (Hrsg.): Geschlechter. Innsbruck 2001.).
  4. Nach 1918 war die Bezeichnung meist Landeshauptmann, aber Brandenburg behielt den alten Titel bei. Vgl. Artikel: "Landesdirektor", in: Der Große Brockhaus: Handbuch des Wissens in zwanzig Bänden: 21 Bde.; Leipzig: Brockhaus, 151928–1935; Bd. 11 (1932), S. 71.
  5. Zu den Landeshauptmännern in Unterwalden im 18. Jahrhundert siehe etwa: Niklaus von Flüe: Obwalden im 18. Jahrhundert. Verlag des Historischen Vereins Obwalden, Sarnen 2009 (= Obwaldner Geschichtsblätter, Heft 26), S. 117–120

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