Michael Vermehren

Michael Vermehren
Michael Vermehren in Brasilien 1965

Michael Vermehren (* 25. Juni 1915 in Lübeck; † 3. November 2010 in Marbella[1]) war ein deutscher Journalist und langjähriger Auslandskorrespondent des ZDF.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Herkunft

Kindheit, Jugend und Schulzeit verbrachte Michael Vermehren in seiner Heimatstadt Lübeck, wo sein Großvater Julius Vermehren Senator war.[2] Sein Vater war der Rechtsanwalt Kurt Vermehren, unter anderem Syndikus der HaFraBa und der Hamburg-Amerika Linie, der nach dem Zweiten Weltkrieg als Anwalt von Anna Anderson (Anastasia) bekannt wurde; seine Mutter, die Journalistin Petra Vermehren war die Tochter des Possehl-Teilhabers Johannes Schwabroch. Michael war der älteste von vier Geschwistern; seine Schwester war die spätere bekannte Schauspielerin, Kabarettistin und Ordensfrau Isa Vermehren; sein Bruder der spätere Abwehr-Agent und Versicherungsmakler Erich Vermehren. 1953 heiratete sein Vater Elisabeth Michelsen, verwitw. von Lilie, mit der er eine weitere Tochter, Beate (* 11. Februar 1954 in Hamburg), hatte.

Ausbildung und Kriegsjahre

Michael Vermehren versuchte Volkswirtschaft an der Universität Freiburg zu studieren, wo er Peter von Zahn kennenlernte, mit dem ihn fortan eine lebenslange Freundschaft verknüpft[e][3], musste aber wegen Studienverbots an die London School of Economics nach England ausweichen, wo er zudem eine Wirtschaftsprüferlehre bei Price Waterhouse machte.[4] Nach seiner Rückkehr nach Deutschland Ende 1938 wurde er journalistisch tätig. Seine Mutter Petra war ab 1937 Korrespondentin der Deutschen Allgemeinen Zeitung in Athen[5]; später ging sie nach Lissabon für das Berliner Tageblatt und schrieb unter anderem für Das Reich. Ab 1939 war Michael Vermehren als Redakteur bei der für das Reichspropagandaministerium tätigen Transocean Nachrichtenagentur angestellt. Im Winter 1941 befreundete er sich mit P. G. Wodehouse, der zu diesem Zeitpunkt mit seiner Frau im Berliner Hotel Adlon einquartiert war[6], und hielt den naiven Autor davon ab, sich mit dem Nazi-Regime weiter einzulassen. 1942 veröffentlichte Das Reich Vermehrens ganzseitigen Artikel Lübeck - Nach 14 Tagen. Die Stadt meisterte alle Lebensfragen[7], in dem er die Situation in Lübeck nach dem britischen Bombenangriff vom Palmsonntag 1942 in beschönigender Weise beschrieb.[8] Am 28. März 1943 heiratete er in Salzburg Elisabeth Gräfin de Rességuier de Miremont (* 20. Juli 1916 auf Schloss Tannenmühle; † 12. April 1997 in Madrid).

Nachdem Michael Vermehrens Bruder Erich, der als Diplomat, aber eigentlich als Agent der Abwehr, in Istanbul stationiert war, Anfang 1944 mit seiner Frau Elisabeth, geb. Gräfin Plettenberg, aus ideologischen Gründen zu den Briten übergelaufen war, wurden die Familien Vermehren und Plettenberg unter einem Vorwand nach Potsdam gelockt, wo sie zunächst in einem Hotel unter Hausarrest gestellt und dann im Zuge der „Sippenhaft“ interniert wurden. Kurt, Petra und Michael Vermehren wurden am 15. April 1944 in das KZ Sachsenhausen eingeliefert. Isa Vermehren überlebte den Aufenthalt in den Konzentrationslagern Ravensbrück, Buchenwald und Dachau. Als Mitglied des Geiseltransports von prominenten KZ-Häftlingen und Sippenhäftlingen wurde sie nach Südtirol verschleppt und dort am 4. Mai 1945 befreit.[9] Die Erlebnisse dieser Zeit beschrieb Isa Vermehren 1946 in dem Buch Reise durch den letzten Akt.[10] Kurt, Petra und Michael Vermehren wurden am 15. April 1945, einen Tag vor Auflösung des Lagers, auf Weisung des Reichssicherheitshauptamtes aus dem KZ Sachsenhausen entlassen.

Journalist und Auslandskorrespondent

1947 wanderte Vermehren nach Kolumbien aus, wo er zunächst als Wirtschaftsprüfer und später als Bauer und Viehzüchter arbeitete. Zwölf Jahre später rief ihn Peter von Zahn zur Windrose, dem ersten Auslandskorrespondentennetz für Fernsehen in Deutschland, um aus Lateinamerika zu berichten. Etwas später wurde er der erste Lateinamerika-Korrepondent des ZDF mit Sitz in Rio de Janeiro.[11]

Schon aus Südamerika konnte Vermehren mehrere exklusive Reportagen verbuchen, so zum Beispiel seine ersten ausführlichen Dokumentationen aus dem Kuba Castros sowie seinen Bericht über das Studentenmassaker an der Plaza de las Tres Culturas in Mexiko-Stadt, das er zusammen mit Oriana Fallaci als einziger ausländischer Journalist miterlebte. In dieser Zeit schrieb er auch für die politische Zeitschrift Der Monat. 1969 wurde er mit der Errichtung des Auslandsstudios in Madrid[12] der erste ständige Spanien-Korrespondent des ZDF und blieb dies über viele Jahre bis zu seiner Pensionierung 1981, obwohl er noch bis 1987 Reportagen sendete. Er berichtete für die Nachrichtensendungen des ZDF, vor allem für das heute-journal und das Auslandsjournal, über die letzten Jahre der franquistischen Diktatur, den Tod Francisco Francos 1975 und die ersten Jahre des Demokratisierungsprozesses (span. Transición) unter König Juan Carlos sowie im Februar 1981 über den Putschversuch („23-F“) rechter Militärs und Teile der paramilitärischen Guardia Civil gegen die demokratische Regierung.

Seine frühe Erkenntnis, dass der damalige Thronanwärter Juan Carlos ein ernstzunehmender Demokrat sei, bezeugte er in mehreren Dokumentationen, die den Ruf des seit 1975 amtierenden Königs Juan Carlos I stützten und zu dessen Vorhaben beitrugen, die franquisitsche Diktatur zur parlamentarischen Demokratie zu wandeln. Vermehren verstand sich ebenso gut mit dem Sozialistenführer Felipe González wie mit anderen Politikern und Persönlichkeiten. Diese persönlichere Perspektive zeichnete er später in seinem Buch Der König und andere Spanier auf.

Vermehrens Bildmaterial aus dem Spanien dieser Jahre (zum größten Teil seinem Kameramann Peter Schumann zu verdanken) bildeten später den Kern für die Serie La Transición von Victoria Prego im Spanischen Fernsehen RTVE, bei der er mitwirkte.[13]

„Wohl kaum ein anderer Auslandskorrespondent des ZDF hat seinen Posten so lange bekleidet wie Vermehren.[14]

„Als “Gentleman der Auslandsberichterstattung” war er beim deutschen Fernsehpublikum sehr beliebt. [15]

Ruhestand

Castellar de la Frontera

Den Ruhestand verlebte Michael Vermehren als Autor in seiner Wahlheimat Spanien. Sein Sohn Johannes Gottfried (* 1944) starb schon 1989. Dessen Sohn Michael heiratete Leticia de Silva y Allende, Duquesa de Lécera.

1995 konvertierte Vermehren, als letzter der drei Geschwister, zum katholischen Glauben unter der Führung seines langjährigen Freundes, dem in Oldenburg geborenen Bonaventura Kloppenburg, Bischof von Novo Hamburgo im brasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul.

Michael Vermehren starb am 3. November 2010 in Marbella. Er wurde in Castellar de la Frontera (Cadiz), dem andalusischen Wohnort seines Sohnes Miguel Antonio Vermehren, beigesetzt.

Ehrungen

Zitate

„Michael Vermehren ist nach dem Schnitt seines Gesichtes und seinem Umgang mit der deutschen Sprache unverkennbar Lübecker.“

Der Monat 1970

„Michael Vermehren formulierte glänzend, ließ aber seinen "Lübschen" Heimatdialekt oft die Oberhand gewinnen.“

Peter von Zahn: Reporter der Windrose: Erinnerungen 1951-1964. 1994, S. 363

Schriften

  • Der König und andere Spanier : Begegnungen und Beobachtungen. Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt 1991 ISBN 3-421-06617-5
  • Grandezza : Häuser und Menschen in Spanien und Portugal. Düsseldorf, Wien, New York, ECON 1991 ISBN 3-430-19356-7
  • Arrest im Potsdamer Palast-Hotel und Haft im KZ Sachsenhausen, in: Winfried Meyer(Hrsg.): Verschwörer im KZ. Hans von Dohnanyi und die Häftlinge des 20. Juli 1 944 im KZ Sachsenhausen. (Schriftenreihe der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Band 5) Berlin: Edition Hentrich 1999 ISBN 3-89468-251-5, S. 371-373

Literatur

  • Winfried Meyer: Kurt, Petra und Michael Vermehren, in: Winfried Meyer (Hrsg.), Verschwörer im KZ. Hans von Dohnanyi und die Häftlinge des 20. Juli 1 944 im KZ Sachsenhausen. (Schriftenreihe der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Band 5) Berlin: Edition Hentrich 1999 ISBN 3-89468-251-5, S. 365-371
  • Ute Waffenschmidt: Spanische Kontraste: zum Verhältnis von Zeitgeschichte und Fernsehen in der Auslandsberichterstattung des ZDF. Frankfurt am Main; Bern; New York; Paris: Lang 1989 (Europäische Hochschulschriften: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 407) ISBN 9783631422014 (Zugl.: Köln, Univ., Diss., 1988)
  • Peter von Zahn: Stimme der ersten Stunde: Erinnerungen 1913-1951. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1991 ISBN 3-421-06593-4
  • Peter von Zahn: Reporter der Windrose: Erinnerungen 1951-1964. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1994 ISBN 3-421-06667-1
  • Matthias Wegner: Ein weites Herz: Die zwei Leben der Isa Vermehren. Berlin 2004. ISBN 978-3-548-60516-6

Einzelnachweise

  1. Todesanzeige in den Lübecker Nachrichten vom 9. November 2010
  2. Jan Zimmermann: St. Gertrud 1860-1945. Ein photographischer Streifzug. Bremen 2007, S. 112-113 (zum Sommerhaus der Familie am Jerusalemsberg 6) ISBN 978-3-86108-891-2
  3. Peter von Zahn: Stimme der ersten Stunde: Erinnerungen 1913-1951. 1991, S. 128.
  4. Nach Robert McCrum: Wodehouse: the truth of his years in Nazi Berlin. In: The Guardian vom 17. Juni 2001, abgerufen am 12. November 2010
  5. Der britische Geheimdienst, der eine Akte über sie anlegte, hielt sie für eine Abwehr-Agentin, siehe den Eintrag zu ihrer Akte in The National Archives, abgerufen am 13. November 2010
  6. Robert McCrum: Wodehouse. A Life. Norton, New York 2004, ISBN 0-393-05159-5, S. 330ff. Siehe auch Haft de luxe in: Der Tagesspiegel vom 21. Oktober 2007, abgerufen am 22. November 2010
  7. Das Reich Nr. 21 vom 17. Mai 1942
  8. Dietrich Schmidt-Hackenberg: 8. Mai 1945: Die Frage nach der politischen Verantwortung. BoD – Books on Demand 2005 ISBN 9783833427930, S. 168, nennt den Artikel eine einzige Apologie für das Regime.
  9. Peter Koblank: Die Befreiung der Sonder- und Sippenhäftlinge in Südtirol
  10. Peter Koblank: Vierzigtausend Mark für eine Zeitbombe
  11. Peter von Zahn: Reporter der Windrose: Erinnerungen 1951-1964. 1994, S. 325
  12. Deutscher Botschafter in Spanien war zu diesem Zeitpunkt Hermann Meyer-Lindenberg, der mit Vermehrens Schwägerin Marie Rosa Gräfin de Rességuier de Miremont verheiratet war.
  13. La Transición
  14. Waffenschmidt (Lit.), S. 136
  15. Nachruf der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von Walter Haubrich, 7. November 2010



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