- Methylisocyanat
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Strukturformel Allgemeines Name Methylisocyanat Andere Namen - MIC
- Isocyanatomethan
- Isocyansäuremethylester
Summenformel C2H3NO CAS-Nummer 624-83-9 PubChem 12228 Kurzbeschreibung farblose, tränenreizende Flüssigkeit mit stechendem Geruch[1]
Eigenschaften Molare Masse 57,05 g·mol−1 Aggregatzustand flüssig
Dichte Schmelzpunkt Siedepunkt 38 °C[2]
Dampfdruck Löslichkeit zersetzt sich in Wasser und Alkoholen[1]
Brechungsindex 1,3637[1]
Sicherheitshinweise GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [3] Gefahr
H- und P-Sätze H: 225-361d-330-311-301-334-317-335-315-318 EUH: keine EUH-Sätze P: ? EU-Gefahrstoffkennzeichnung aus RL 67/548/EWG, Anh. I [3] Leicht-
entzündlichSehr giftig (F) (T+) R- und S-Sätze R: 11-24/25-26-37/38-41-42/43-63 S: (1/2)-16-26-27/28-36/37/39-45-63 MAK 0,024 mg·m−3[2]
LD50 71 mg·kg−1 (Ratte, peroral)[1]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C Methylisocyanat (kurz MIC) ist der einfachste Ester der Isocyansäure. Es ist eine sehr reaktive chemische Verbindung, die z. B. bei der Herstellung von Insektiziden verwendet wird. Wie die Isocyansäure und die anderen Isocyanate ist es sehr giftig.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Im indischen Bhopal ereignete sich am 3. Dezember 1984 ein schwerer Chemieunfall mit Methylisocyanat. Dabei entwichen aus einem defekten Tank einer Pestizidfabrik des amerikanischen Chemiekonzerns Union Carbide Corporation in der Nähe der Stadt zwischen 25 und 40 Tonnen Methylisocyanat. Infolge dieses Chemieunfalls kamen nach Schätzungen 3.800 bis 25.000 Menschen ums Leben. Zudem kam es zu einer immensen Vergiftung der Umwelt.[4]
Gewinnung und Darstellung
Technisch wird Methylisocyanat durch Reaktion von Methylamin und Phosgen hergestellt. Nach Abspaltung von Chlorwasserstoff (HCl) wird das Zwischenprodukt N-Methylcarbamoylchlorid in Methylisocyanat umgewandelt:
Methylamin reagiert im ersten Schritt bei −20 °C bis 60 °C mit Phosgen unter HCl-Abspaltung zu N-Methylcarbamoylchlorid. Im zweiten Schritt bei 100–200 °C entsteht unter erneuter Eliminierung von HCl Methylisocyanat.
Eigenschaften
Methylisocyanat ist eine flüchtige, farblose Flüssigkeit, die stark tränenerregend ist und konzentriert einen stechenden Geruch aufweist. Sie ist leicht entflammbar (Flammpunkt bei −7 °C). Bei leicht erhöhten Temperaturen (38 °C) geht sie in den gasförmigen Aggregatzustand über, in welchem sie schwerer als Luft ist und mit dieser leicht explosive Gemische bildet (Explosionsgrenzen: 5,3–26 Volumenprozent Methylisocyanat). Gasförmiges Methylisocyanat entzündet sich selbstständig bei 535 °C.
Verwendung
Methylisocyanat wird vor allem zur Herstellung von Carbamaten durch Umsetzung mit einem Alkohol (1) oder zur Herstellung von speziellen Harnstoffen durch Umsetzung mit Aminen (2) verwendet:
In der Pestizidfabrik des amerikanischen Chemiekonzerns Union Carbide Corporation in der Nähe der Stadt Bhopal wurden seinerzeit die Wirkstoffe Carbaryl und Aldicarb (2-Methyl-2-(methylthio)propionaldehyd-O-methylcarbamoyloxim) produziert.
Bis Januar 2011 wurden diese Stoffe auch im Werk des BAYER-Konzerns in Institute (USA) produziert. Am 11. Januar 2011 kündigte BAYER an, in diesem Werk, das als „Schwester-Fabrik“ von Bhopal galt, die MIC-Produktion bis zum Sommer 2012 zu beenden. [5] Ein Gericht in Charleston im US-Bundesstaat West Virginia hat am 10. Februar 2011 einer Klage von 16 Anwohnern des BAYER-Werks in Institute vorläufig Recht gegeben und eine Produktion der hochgiftigen Chemikalie untersagt. Da die Klage „große Aussicht auf Erfolg“ habe, entschied der zuständige Richter Joseph Goodwin, ein Wieder-Anfahren der Anlage für zunächst 14 Tage zu untersagen. In einer Verhandlung am 25. Februar sollen die Bedenken der Kläger dann ausführlich erörtert werden.[6]
Physiologie
Die direkte Toxizität von Methylisocyanat resultiert aus der Fähigkeit, zahlreiche nukleophile Gruppen stoffwechselaktiver Biomoleküle anzugreifen. Der Mechanismus für den Transport wurde 1992 entdeckt. Demnach kann Glutathion, ein Tripeptid, dessen Aufgabe es eigentlich ist, den Organismus vor der Schädigung durch toxische Substanzen zu schützen, Methylisocyanat reversibel an die Thiolgruppe addieren und damit im Körper transportieren.
Sicherheitshinweise
Methylisocyanat verursacht bei Exposition Verätzungen der Schleimhäute, Augen und Lungen, jedoch wurden bei Opfern des Bhopalunglücks vielfach auch schwere Verätzungen innerer Organe festgestellt. Dieser Befund war insofern überraschend, als Methylisocyanat zu reaktiv ist, um unverändert in den Kreislauf zu gelangen.
Methylisocyanat ist möglicherweise fruchtschädigend.
Einzelnachweise
- ↑ a b c d Thieme Chemistry (Hrsg.): RÖMPP Online - Version 3.5. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart 2009.
- ↑ a b c d e Eintrag zu Methylisocyanat in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 25. April 2008 (JavaScript erforderlich).
- ↑ a b Eintrag zu CAS-Nr. 624-83-9 im European chemical Substances Information System ESIS (ergänzender Eintrag)
- ↑ Stadt unterm Leichentuch, einestages Zeitgeschichten auf SPIEGEL-Online.
- ↑ BAYER stellt Produktion von Bhopal-Chemikalie MIC ein.
- ↑ Associated Press: Judge: Bayer can't produce toxic chemical in W.Va.
Weblinks
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