Reformation im Kraichgau

Reformation im Kraichgau
Zum Gedenken an Martin Luther in Heidelberg

Für die Anfänge der Reformation im Kraichgau war Martin Luthers Heidelberger Disputation 1518 von größter Bedeutung. Viele der von Luther beeindruckten jungen Theologen warben in Predigten und in persönlichen Gesprächen für seine neue Lehre. Die Ritter im Kraichgau waren deshalb schon früh mit den neuen Gedanken konfrontiert. Bald waren es die Flugschriften, durch die sie sich informierten. Luthers Schrift „An den christlichen Adel“ 1520 fand aufmerksame Leser. Ritter Hans III. Landschad von Steinach (1465–1531) fühlte sich aufgerufen, auch Fürsten an ihre Schutzpflicht zu erinnern. 1520 appellierte er in einem Brief an Kurfürst Friedrich den Weisen, sich auf dem bevorstehenden Reichstag zu Worms schützend vor den geächteten Martin Luther zu stellen. 1522 forderte er Kurfürst Ludwig V., seinen Dienstherrn, in einer Flugschrift auf, den Weg der evangelischen Bewegung auch künftig zu fördern.

Viele reichsunmittelbare Familien im Kraichgau haben in ihren Territorien frühzeitig die Reformation eingeführt: die Herren von Gemmingen, die Herren von Neipperg, von Helmstatt, von Sickingen, von Venningen und die Göler von Ravensburg.

Ausgelöst durch Ulrich Zwingli in Zürich begann zwischen den reformatorischen Theologen 1524 die Diskussion über das richtige Verständnis des Abendmahls. Ab 1526 kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Martin Luther und Zwingli, wobei die Richtung Zwinglis ab 1528 in Südwestdeutschland an Boden gewann. 1536 fand mit der Wittenberger Konkordie der Streit auch im Kraichgau ein Ende.

Inhaltsverzeichnis

Herren von Gemmingen-Guttenberg

Die Entscheidung der Herren von Gemmingen für Luther und die neue Lehre hatte weder politische noch wirtschaftliche Gründe. Zwischen der Kurpfalz, dem Herzogtum Württemberg und der Markgrafschaft Baden konnten sie ihre politische Unabhängigkeit bewahren, und ihr jährliches Einkommen war sehr viel höher als das ihrer Standesgenossen am mittleren Neckar. Ihre Entscheidung war durch religiöse Motive bestimmt. Ihr Patronatsrecht gab ihnen die Möglichkeit, lutherische Prediger und Pfarrer zu bestellen. Dietrich gewährte ihnen Schutz auf seiner Burg, und Wolf scheute nicht den Streit mit dem Domkapitel zu Speyer. Bald waren die Herren von Gemmingen auch mit theologischen Fragen beschäftigt; Johannes Brenz in Schwäbisch Hall war ihnen der maßgebliche Berater. Im Abendmahlsstreit und bei den Auseinandersetzungen der sich herausbildenden Konfessionen waren sie um Ausgleich bemüht.

Dietrich von Gemmingen († 1526)

Erhard Schnepf, der 1518 bei der Heidelberger Disputation mit Martin Luther zusammengetroffen war, übernahm 1520 die Prädikatur im württembergischen Weinsberg und predigte dort die neue Lehre. Das erste württembergische Mandat gegen Luther und seine Anhänger im November 1522 brachte ihn in Bedrängnis. Er musste Weinsberg verlassen und Dietrich von Gemmingen nahm ihn bei sich auf. In der unterhalb der Burg Guttenberg gelegenen Burgkapelle und Pfarrkirche von Neckarmühlbach versah er den Pfarrdienst. Über Erhard Schnepf wurde Johannes Brenz mit Dietrich bekannt. Nach Erhard Schnepf fanden noch andere lutherische Geistliche bei Dietrich Schutz. Einmal habe er über dreißig vertriebene Pfarrer bei sich auf Guttenberg gehabt, berichtet die Familienchronik der Freiherren von Gemmingen.

Johannes Walz, der 1525 als Pfarrer nach Neckarmühlbach gekommen war, gehörte zu den im Syngramma genannten Teilnehmern an den Beratungen der Theologen im Abendmahlsstreit. Auch Dietrich von Gemmingen war schon früh mit theologischen Fragen befasst. Er hat Johannes Brenz gebeten, ihn in der Abendmahlsfrage zu informieren, und dieser kam mit seinem Antwortschreiben im Oktober 1525 Dietrichs Bitte nach. Unter der Schirmherrschaft Dietrichs fand im Dezember 1525 auf Burg Guttenberg eine Zusammenkunft der im Streit um das Abendmahl getrennten Parteien statt, an der auf lutherischer Seite Johannes Brenz mit einigen Freunden teilnahm. Eine Annäherung der unterschiedlichen Positionen gab es nicht.

Wolf von Gemminngen († 1555)

Wolf von Gemmingen erlebte im Gefolge Kurfürst Ludwigs von der Pfalz Martin Luther 1521 auf dem Reichstag zu Worms. (Sein Vetter Dietrich aus Tiefenbronn erscheint im Gefolge Markgraf Philipps von Baden.)

Der Gemminger Prediger Bernhard Griebler war 1521 in Gemmingen Pfarrer. Wegen Schwierigkeiten mit dem Domkapitel in Speyer gab er das Amt 1523 auf und übernahm wieder die Gemminger Prädikatur. Das Recht zur Besetzung der Pfarrstelle lag beim Domkapitel, die Stelle des Predigers wurde durch Wolf von Gemmingen vergeben. 1524 beklagte sich der am alten Glauben festhaltende Pfarrer beim Domkapitel über Grieblers reformatorische Predigt. 1525 musste sich das Domkapitel wieder mit der Situation in Gemmingen befassen: Wolf von Gemmingen hatte einen Teil des dem Pfarrer zustehenden Kirchenzehnts für die Besoldung des Predigers verwendet. Zu einer Lösung des Problems kam es nicht.

Wegen des Streits in der Abendmahlsfrage hat Wolf von Gemmingen im November 1525 die Straßburger Prediger zu einem Treffen mit Johannes Brenz nach Gemmingen eingeladen. Wolfgang Capito und Martin Bucer dankten für die Einladung, schlugen als Treffpunkt aber Straßburg vor. Ihren Brief adressierten sie an die drei Brüder.

Gegen den Widerstand Wolfs waren der vom Domkapitel bestellte Pfarrer und der Inhaber der Frühmesskaplanei 1527 noch immer im Amt, aber die durch die Herren von Gemmingen berufenen Kapläne hatten den Ort verlassen. Den Kirchenzehnt lieferten die Bauern jetzt nur noch mangelhaft ab, und auch durch das Domkapitel erhielt der Pfarrer keine wirtschaftliche Unterstützung. Ende 1531 bestellte Wolf von Gemmingen mit Wolfgang Buss einen evangelischen Pfarrer, nachdem der katholische Gemmingen verlassen hatte. Neue Auseinandersetzungen mit dem Domkapitel blieben nicht aus. 1534 forderte Wolf das zur Pfarrei gehörende Gemminger Pfarrhaus als Wohnung für den neuen Pfarrer.

Philipp von Gemmingen († 1544)

1521 wurde die alte Bonfelder Kaplanei in Fürfeld zur selbstständigen Pfarrei erhoben. Martin Germanus aus Cleebronn war ihr erster Pfarrer. Philipp von Gemmingen hatte den jungen lutherischen Pfarrer berufen, 1522 schickte er ihn zum Studium an die Universität in Wittenberg. Mit Martin Germanus sind die Anfänge der reformatorischen Predigt in Fürfeld für das Jahr 1521 bezeugt.

Germanus nahm 1525 in Schwäbisch Hall an den Gesprächen zum Abendmahlsstreit teil und an der abschließenden Beratung des Syngramma. Dennoch bekannte er sich 1528 zum Standpunkt des Züricher Reformators Zwingli, nicht ohne die Zustimmung seines Patronatsherrn.

Wie sein Vetter Weirich in Michelfeld und seine Nachbarn in Neipperg und Massenbach stand auch Philipp von Gemmingen in Verbindung mit den Täufern in Heilbronn. 1529 und 1530 suchten einige der aus der Reichsstadt vertriebenen in Fürfeld Rat und Hilfe.

Martin Germanus und Johann Walz, der 1530 von Neckarmühlbach nach Gemmingen gekommen war, bemühten sich um ein Gespräch zwischen den Parteien im Kraichgau. Die Zusammenkunft fand 1532 in Fürfeld statt. Franciscus Irenicus, seit 1531 Prediger in Gemmingen, und Pfarrer Wurzelmann, der Neipperger Pfarrer in Schwaigern, nahmen als Vertreter der lutherischen Seite teil. Als Anhänger Zwinglis erschienen neben Germanus und Walz auch Melchior Ambach,Pfarrer in Neckarsteinach, und Johann Gallus, Pfarrer der Göler von Ravensburg in Sulzfeld. Das Treffen endete mit der Aussicht auf eine Einigung. Doch das Bemühen scheiterte an der nicht zu Konzessionen bereiten Haltung von Johannes Brenz. Auf seiner Rückreise von Schweinfurt kam Martin Bucer 1532 nach Fürfeld und Gemmingen, um seine Kollegen im Kraichgau über die Verhandlungen zwischen den oberdeutschen Städten und der lutherischen Seite zu informieren. Im Mai 1536 trafen sich die Anhänger Zwinglis aus Süddeutschland mit den Wittenberger Theologen. Auf ihrer Reise nach Wittenberg kamen Bucer und die Prediger aus Augsburg, Memmingen, Ulm und Esslingen nach Fürfeld, wo sich Martin Germanus der Gruppe anschloss.

Literatur

  • Gerhard Kiesow: Von Rittern und Predigern. Die Herren von Gemmingen und die Reformation im Kraichgau. Verlag Regionalkultur, Ubstadt-Weiher 1997, ISBN 3-929366-57-6

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