Christian Pfeiffer

Christian Pfeiffer
Christian Pfeiffer (2011)

Christian Pfeiffer (* 20. Februar 1944 in Frankfurt an der Oder) ist ein deutscher Kriminologe und derzeitiger Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN). Von 2000 bis 2003 war Pfeiffer für die SPD Justizminister des Landes Niedersachsen.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Christian Pfeiffer kam 1952 nach Westdeutschland, wo er in Kirchweihdach aufwuchs. Nach dem Abitur am Ruperti-Gymnasium Mühldorf am Inn 1963 und Abschluss des Wehrdienstes studierte er von 1965 bis 1971 Rechtswissenschaften und Sozialpsychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie an der London School of Economics and Political Science.

Er promovierte 1984 mit dem Thema „Kriminalprävention im Jugendgerichtsverfahren“. Von 1985 war er stellvertretender Direktor, ab 1988 Direktor des KFN. Im Jahr 1985 wurde er zudem auf eine Professur für Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzugsrecht an der Universität Hannover berufen.

Von 1985 bis 1997 war Christian Pfeiffer Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen.

Von Dezember 2000 bis zum Februar 2003 war Pfeiffer, der seit 1969 SPD-Mitglied ist, Justizminister des Landes Niedersachsen. Er löste Wolf Weber (SPD) ab. Mit dem Regierungswechsel folgte Elisabeth Heister-Neumann (CDU) auf Christian Pfeiffer.

Wissenschaftliche Arbeit

Christian Pfeiffer ist Inhaber eines Lehrstuhls für Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzug an der Juristischen Fakultät der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover. Wegen seiner Tätigkeit als Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen ist er in dieser Funktion beurlaubt.

Pfeiffer engagierte sich bereits frühzeitig für den Täter-Opfer-Ausgleich als außergerichtliche Streitbeilegung. Weitere Forschungsschwerpunkte waren Viktimisierungserfahrungen, soziale Kontrolltheorien und Medienverwahrlosung.

Rechtsextremismus unter Jugendlichen

Im Jahr 1999 geriet Pfeiffer in das Zentrum einer erbitterten Debatte, nachdem die Magdeburger Volksstimme ein Interview mit ihm veröffentlicht hatte, in dem er einen Zusammenhang zwischen der seiner Auffassung nach autoritären Erziehung in den Kindergärten der DDR und den in Ostdeutschland um ein Vielfaches häufigeren ausländerfeindlichen Gewalttaten herstellte.[1]

2009 veröffentlichte Pfeiffer eine Studie über die Verbreitung rechtsextremistischer Einstellungen unter Jugendlichen. Die Studie geriet aufgrund methodischer Mängel, die zu einer deutlichen Aufblähung der Zahlen führten, in die Kritik.[2]

Der „Fall Sebnitz“

Im Jahre 2000 trug ein Gutachten Pfeiffers maßgeblich dazu bei, dass der so genannte Joseph-Fall um den über drei Jahre zurückliegenden Tod des sechsjährigen Joseph Kantelberg-Abdullah in der sächsischen Kleinstadt Sebnitz als vermeintliche Tat von Neonazis Schlagzeilen machte. Pfeiffer attestierte die Glaubhaftigkeit der Aussage der Mutter, die bis zu diesem Zeitpunkt kein Gehör gefunden hatte.[3] Nach dieser Aussage hätten über 200 Einwohner der Stadt zugesehen, als ihr Sohn von rechtsradikalen Jugendlichen im örtlichen Freibad im Rahmen einer so bezeichneten „Hinrichtung“ ertränkt worden sei. In den nächsten Tagen übernahmen zunächst die Bild, aber auch viele andere Tageszeitungen das Gutachten ohne weitere Prüfung und lösten eine Welle der Entrüstung aus. Erst nach einer Woche erhärtete sich die gegenteilige Annahme, dass das Kind in Wahrheit verunglückt sei. Pfeiffers Gutachten hatte bis dahin weltweite publizistische Resonanz gefunden, tiefe Betroffenheit über die scheinbar noch immer virulenten rechtsradikalen Aktivitäten in Deutschland hervorgerufen und zum Empfang der Mutter durch den SPD-Vorsitzenden und Bundeskanzler Schröder geführt.[4]

Medienkonsum und Gewalttätigkeit

In einem neuen Gutachten des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen wurde der Zusammenhang zwischen Medienkonsum und Gewalttätigkeit bei 5- bis 15-jährigen Kindern untersucht. Eine Hypothese, die in dem Gutachten bestätigt wurde, ist unter anderem: „Hartz-IV-Empfänger besitzen die meisten Fernsehgeräte im Haushalt“.

In Interviews äußerte sich Pfeiffer mehrfach gegen unkontrollierten Medienkonsum von Kindern und bemängelte die unzureichende Versorgung der Kinder mit Ganztagsschul- und Kindergartenplätzen. Dies steht nach Ansicht von Kritikern im Gegensatz zu seinen Aussagen zum Thema „Erziehung in der DDR“, mit denen er die frühe Trennung von Kind und Eltern kritisierte.

Pfeiffer gilt neben dem Neurologen Manfred Spitzer als einer der schärfsten Kritiker von digitalen Unterhaltungsmedien. Im Zusammenhang mit der Diskussion um „Killerspiele“ sagte Pfeiffer, dass insbesondere Jungen viele Stunden mit diesen Spielen vor dem Computer verbrächten. Eine Korrelation zwischen Videospielen und einer damit zusammenhängenden Gewaltbereitschaft der User konnte nicht nachgewiesen werden, allerdings konstatierte Pfeiffer einen direkten Zusammenhang zwischen zu zeitaufwändigem Videospiel-Konsum und nachlassenden Leistungen in der Schule: „Je brutaler die Spiele sind und je häufiger man sie spielt, desto schlechter sind die Noten.“ Zudem vertritt er die Position „Man wird nicht Amokläufer, weil man ein brutales Computerspiel gespielt hat. […] Aber, […]: Das Spielen von gewalthaltigen Spielen erhöht bei Gefährdeten, die ohnehin schon auf dem Weg Richtung Gewalt sind, das Risiko, dass sie tatsächlich gewalttätig werden.“[5] Pfeiffer trat zu diesem Thema auch häufig in den Medien auf. Er wurde jedoch des Öfteren wegen seiner Art und Weise der Argumentation kritisiert, die viele als polemisch und verkürzt empfinden. Pfeiffers Aussagen und Schlussfolgerungen sind umstritten, nicht zuletzt, da die den Studien zugrundeliegenden Quellen in vielen Fällen nicht veröffentlicht wurden.

Pfeiffer ist einer der Unterzeichner des Kölner Aufrufs gegen Computergewalt.[6], der aufgrund Passagen wie folgender vor allem unter Spielern sehr umstritten ist:

„Killerspiele entstammen den professionellen Trainingsprogrammen der US-Armee, mit denen Schusstechnik, Zielgenauigkeit und direktes Reagieren auf auftauchende Gegner trainiert werden. Die Soldaten werden desensibilisiert und fürs Töten konditioniert, die Tötungshemmung wird abgebaut. Genauso werden durch Killerspiele Kindern und Jugendlichen Spezialkenntnisse über Waffen und militärische Taktik vermittelt […].“

Kölner Aufruf gegen Computergewalt[7]

Um Jugendgewalt entgegenzuwirken, vertrat Pfeiffer die Position, die offene Kinder- und Jugendarbeit in Jugendhäusern aufzulösen und die Beschäftigten in Ganztagsschulen zu verschieben. Daraufhin entstand 2006 ein Konflikt mit den Fachkräften der Jugendhilfe.[8]

Mediennutzung und schulische Misserfolge

Pfeiffer analysierte die PISA-Studie und kam zu dem Ergebnis, dass diejenigen Gruppen bei PISA am schlechtesten abschnitten, die sich durch den höchsten Medienkonsum auszeichnen[9]. Siehe dazu auch: Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland

Katholische Kirche

Am 20. Juni 2011 fasste die Deutsche Bischofskonferenz einstimmig den Beschluss, dass Kirchenmitarbeiter unter Aufsicht eines Teams des KFN (Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen), bestehend aus pensionierten Staatsanwälten und Richtern, sämtliche Personalakten der vergangenen zehn Jahre (zusätzlich in neun der 27 Bistümer sogar bis ins Jahr 1945 zurück) auf Hinweise zu sexuellen Übergriffen durchsuchen sollen bzw. werden.[10]

Pfeiffer als Leiter der KFN ist an dem Projekt maßgeblich beteiligt.[11]

Schon zuvor hatte er sich zum Thema Sexueller Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche öffentlich geäußert.

Werk (Auszug)

  • Die Kriminalisierung junger Ausländer. Befunde und Reaktionen sozialer Kontrollinstanzen. München 1979 (mit Peter-Alexis Albrecht).
  • Kriminalprävention im Jugendgerichtsverfahren. 2. Auflage, Köln 1983.
  • Fremdenfeindliche Gewalt im Osten – Folge der autoritären DDR-Erziehung? 1999. Weblink
  • Gefährdet die Dominanz der Männer das Überleben der Menschheit? In: Der Rotarier 4/2000, S. 17–22. Weblink
  • Studie: Mediennutzung, Schulerfolg, Jugendgewalt und die Krise der Jungen, von Thomas Mößle, Matthias Kleimann, Florian Rehbein und Christian Pfeiffer. In: Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe, 3/2006. Verfügbar auf der Homepage des KFN: Weblink
  • Studie: Die PISA-Verlierer – Opfer ihres Medienkonsums: eine Analyse auf der Basis verschiedener empirischer Untersuchungen, von Christian Pfeiffer, Thomas Mößle, Matthias Kleimann und Florian Rehbein. Hannover 2007. Verfügbar auf der Homepage des KFN: Weblink
  • Studie: Jugendliche in Deutschland als Opfer und Täter von Gewalt, von Dirk Baier, Christian Pfeiffer, Julia Simonson & Susann Rabold: Weblink

Auszeichnungen

  • Die Dissertation (summa cum laude) wird 1983 mit dem Fakultätspreis (Jur. Fakultät der Universität München) sowie dem Hermine-Albers-Preis der Bundesjugendministerkonferenz ausgezeichnet.
  • 1993 Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande.
  • 1995 Verleihung des pro Jahr einmal vergebenen Bul-le-mérite (Bullenorden) durch den Bund Deutscher Kriminalbeamter.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. RBB, Sendung Kontraste vom 18. März 1999: Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit: Ist die DDR-Erziehung schuld?
  2. Süddeutsche Zeitung: Rechtsextremismus unter Jugendlichen [1]
  3. Ermittler zum Fall Joseph – Kein rechtsradikaler Hintergrund. Spiegel.de, 28. November 2000, abgerufen am 25. Februar 2009.
  4. Sebnitz, eine Stadt unter Verdacht. MDR Figaro, 9. Juni 2007, abgerufen am 25. Februar 2009.
  5. Mediennutzung: "Man wird nicht Amokläufer, weil man ein brutales Computerspiel gespielt hat". In: Spiegel Online. 16. Januar 2011, S. 5, abgerufen am 17. Januar 2011.
  6. Radikale Spielegegner wollen Anerkennung als Kulturgut verhindern., 20. Dezember 2008, unter heise.de
  7. 14. Dezember 2008, online unter nrhz.de.
  8. Jugendarbeit ausbauen, statt an Ganztagsschule verlegen! [2]
  9. [3] Christian Pfeiffer et al.: Die PISA-Verlierer - Opfer des Medienkonsums KFN Hannover
  10. spiegel.de 9. Juli 2011: Katholische Kirche öffnet Personalakten
  11. zeit.de 14. Juli 2011: Interview Männer schämen sich mehr

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