Wilhelm Studemund

Wilhelm Studemund
Wilhelm Studemund

Wilhelm Studemund (* 3. Juli 1843 in Stettin; † 8. August 1889 in Breslau) war ein deutscher Klassischer Philologe.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jugend und Studium in Berlin und Halle

Wilhelm Studemund, der Sohn des Kaufmanns August, besuchte zunächst die Realschule, dann das Marienstiftsgymnasium, wo ihn Albert Gustav Heydemann und Karl Ernst August Schmidt prägten. Nach der Reifeprüfung (Herbst 1860) studierte Studemund Klassische Philologie an der Berliner Universität bei August Boeckh und Moriz Haupt, der ihn zur Beschäftigung mit den römischen Historikern anregte. Nach drei Semestern wechselte Studemund nach Halle. Hier trat er in enge Beziehung zu Theodor Bergk, der Studemund wissenschaftlich prägte und der ihm bis zu seinem Tod verbunden blieb. Während einer kurzen Rückkehr nach Berlin (1862/1863) hörte Studemund historische, germanistische und philosophische Vorlesungen.

Seinen Studienabschluss machte er in Halle, wo er am 4. Februar 1864 mit der Dissertation De canticis Plautinis promoviert wurde. In seiner Doktorarbeit stellte er die These auf, dass die umstrittene Metrik der plautinischen Stücke durch Sichtung des Ambrosianischen Palimpsestes sicher festzustellen sei.

Vier Jahre in Italien (1864–1868)

Um dieser Vermutung nachzugehen, begab sich Studemund nach dem Lehramtsexamen (30. Juli 1864) auf eine mehrjährige Reise nach Italien, wo er lateinische Handschriften in verschiedenen Bibliotheken sichtete. Ein Ergebnis seiner Arbeit war die Erstausgabe der Komödie Vidularia (erschienen Greifswald 1870), die nur im schwer lesbaren Ambrosianischen Palimpsest in der Mailänder Bibliothek überliefert ist. Im Auftrag Theodor Mommsens untersuchte Studemund in Verona von 1867 bis 1868 den Palimpest des Juristen Gaius. Die Abschrift veröffentlichte er 1874. Damit stellte er die Beschäftigung mit dem Juristen erstmals auf eine sichere Grundlage. In Anerkennung dieser Leistung verlieh ihm die Universität Greifswald im selben Jahr die Ehrendoktorwürde der Juristischen Fakultät.

Erste Professuren in Würzburg und Greifswald (1868–1872)

Durch seine paläographischen und editorischen Leistungen erwarb sich Studemund hohes Ansehen. Darum wurde er – ohne habilitiert zu sein – im Sommer 1868 auf Veranlassung Karl Felix Halms als außerordentlicher Professor an die Universität Würzburg berufen. Studemund folgte dem Ruf, begann seine Vorlesungstätigkeit im Herbst 1868 und wurde schon im April 1869 zum ordentlichen Professor ernannt. Im März 1870 wechselte er als Nachfolger Franz Büchelers an die Universität Greifswald.

Professur in Straßburg (1872–1885)

Zwei Jahre später (im März 1872) ging er an die neu gegründete Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg, wo er dreizehn Jahre lang blieb. Als Direktor des Philologischen Seminars und Mitglied der wissenschaftlichen Prüfungskommission trieb er die Ausbildung der elsässischen Gymnasiallehrer voran und betreute Dutzende Dissertationen. Allein von der Reihe Dissertationes philologicae Argentoratenses selectae (1879–1886) erschienen zehn Bände. In Straßburg beschäftigte sich Studemund weiterhin mit der Auswertung seiner Funde in den italienischen Bibliotheken, veröffentlichte Studien zur plautinischen Metrik und Textkritik und zur Grammatik des Altlateins. Er förderte die Wissenschaft jedoch auch durch seine Mitarbeit an der Prüfungsordnung für die Schulamtskandidaten und durch seine Bemühungen, die badischen Prüfungszeugnisse an preußischen Universitäten anerkennen zu lassen. Einen Ruf an die Universität Heidelberg schlug er 1877 aus.

Späte Jahre in Breslau (1885–1889)

Bei seiner rastlosen Tätigkeit erwarb sich Studemund große Verdienste. Im Kollegium war er jedoch aufgrund seines Temperaments isoliert. Als sein vertrauter Kollege Rudolf Schöll 1885 nach München wechselte, nahm Studemund im Herbst desselben Jahres den Ruf an die Universität Breslau an und verließ Straßburg. In Breslau wirkte er noch vier Jahre lang als Mitdirektor des Philologischen Seminars, Kurator der Studentenbibliothek und Professor der Eloquenz. Im Herbst 1888 erkrankte er und ließ mehrere Operationen über sich ergehen. Als sich im Frühjahr 1889 abzeichnete, dass sein Leiden unheilbar war, begab er sich zur weiteren Behandlung nach Berlin und arbeitete energisch am Abschluss seiner Arbeiten. In dieser Zeit wurde er zum Geheimen Regierungsrat ernannt und zum korrespondierenden Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften ernannt. Zu seinem 25-jährigen Doktorjubiläum veröffentlichten seine ehemaligen Kollegen und Schüler eine Festschrift. Am 8. August 1889 starb Studemund in Breslau. Die von ihm begründete Reihe Breslauer philologische Abhandlungen wurde von seinem Kollegen Richard Foerster fortgesetzt.

Literatur

Weblinks

 Commons: Wilhelm Studemund – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Wikisource: Wilhelm Studemund – Quellen und Volltexte

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