Corps Curonia Goettingensis

Corps Curonia Goettingensis
Conventsquartier des Corps Curonia Goettingensis

Das Corps Curonia Goettingensis ist ein Corps (Studentenverbindung) im Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV), dem ältesten Dachverband deutscher Studentenverbindungen, und aufgrund seiner Geschichte und seiner Tradition eine baltische Studentenverbindung. Das Corps ist pflichtschlagend und farbentragend. Es vereint Studenten und ehemalige Studenten der Georg-August-Universität Göttingen sowie ehemalige Studenten verschiedener Hochschulen aus dem Baltikum und Russland.

Die Corpsmitglieder werden „Göttinger Curonen“ oder „Göttinger Kurländer“ genannt.

Inhaltsverzeichnis

Bedeutung

Curonia Goettingensis ist eine von vier heute noch existierenden Studentenverbindungen, die die speziellen Traditionen der deutsch-baltischen Studentenverbindungen weiterführen. Im Gegensatz zu den Verbindungen in München (Fraternitas Dorpatensis) und Hamburg (Corps Concordia Rigensis), die jeweils nur eine Einzelverbindung weiterführen, wurde Curonia von elf Gründungsverbindungen gestiftet, die an vier Universitätsorten im Baltikum und Russland, Dorpat, Riga, Moskau und Sankt Petersburg, angesiedelt waren. Das vierte Corps (Baltica-Borussia Danzig zu Bielefeld) führt ebenso mehrere Traditionen deutsch-baltischer Studentenverbindungen fort. Curonia repräsentiert damit den Großteil der deutschbaltischen akademischen Traditionen, auf denen das heute wieder florierende Verbindungswesen einheimischer Studenten in Estland und Lettland basiert.

In Göttingen konnte Curonia bei seiner Gründung nach dem Zweiten Weltkrieg bereits auf eine lange Tradition kurländischer Studentenverbindungen aufbauen, die im Laufe des 19. Jahrhunderts am Ort existiert hatten.

Couleur

Seit dem 19. Jahrhundert sind die Farben der Kurländer an deutschen Universitäten „grün-blau-weiß“.

Curonia hat die Farben „grün-blau-weiß“ mit silberner Perkussion. Dazu wird eine kleine grüne Mütze („Deckel“) mit „grün-blau-weißem“ Rand und einem silbern gesticktem Stern auf dem Deckel (Baltenstern) getragen.

Wie bei allen Göttinger Corps und bei allen baltischen Verbindungen tragen auch die Curonenfüchse kein Fuchsenband, sondern einen Deckel, ohne den „grün-blau-weißen“ Rand.

Der Wappenspruch lautet in lettischer Sprache „Draugs tam draugam!“ (deutsch: „Dem Freunde Freund!“), der Wahlspruch „In Treuen fest!“.

Curonia ist ein Lebenscorps.

Die Farben grün-blau-weiß wurden von allen Corps Curonia, die an deutschen Universitäten im 19. Jahrhundert existierten, getragen. Sie stammten von der Uniform der Kurländischen Ritterschaft und der Landesbeamten der Provinz Kurland, die von der Zarin Katharina II. eingeführt worden war. Die Uniform bestand aus einem grünen Rock mit hellblauem Kragen sowie silbernen Stickereien und Knöpfen. Es war damals üblich, dass die Söhne dieser Funktionsträger bereits an der Universität in der Uniform ihrer Väter auftraten.

Baltische Besonderheiten

Das Corps Curonia Goettingensis weist im Vergleich zu anderen in Deutschland ansässigen Studentenverbindungen deutliche Unterschiede auf, die auf der baltischen Tradition beruhen. So bezeichnet man z. B. den Fuchsmajor als Oldermann, wohl begrifflich angelehnt an den Ältermann der Gilden der Hansestädte. Es wird sehr viel Wert auf die Erhaltung des Liedgutes gelegt, die Verbindung orientiert sich am im Baltikum stärker konservierten Brauchtum der deutschen Corps vom Anfang des 19. Jahrhunderts und versucht, diese ihre Eigenständigkeiten zu pflegen. So gilt es aus russischem Einfluss herrührend vor allem Wodka statt Bier zu trinken, dies im Gegensatz zu den deutschen Corps verbunden mit gleichzeitigem Genuss baltischer Spezialitäten (Sakuski, Piroggen).

Die Kneipe der Balten kennt nicht den formalen Ablauf, wie er sich im Deutschen Reich des ausgehenden 19. Jahrhunderts herausgebildet hat.

Vorgeschichte

Göttinger Kurländer von 1773
G. v. Buddenbrock, Senior der Landsmannschaft der Kurländer und Mitglied des Ordens ZN (1779)

In Göttingen ist bereits für 1772, 1777 und 1781 eine „Landsmannschaft der Kurländer“ nachweisbar. Bereits damals zeichneten sich die Kurländer als Landsmannschafter durch eine farblich gekennzeichnete Uniform aus. Sie trugen nach dem Siebenjährigen Krieg einen blauen Rock mit roten Unterkleidern, wobei Kragen, Rock und Weste gelb abgesetzt waren. Die Kokarde war weiß.[1] Für die Zeit von 1777-1779 werden Mitglieder der Landsmannschaft in den erhaltenen Conventsprotokollen der Hannoverschen Landsmannschaft namentlich benannt.[2] 1779 entstand in Göttingen die Silhouetten-Sammlung Schubert des Mitglieds der hannoverschen Landsmannschaft stud. jur. Carl Schubert aus Ratzeburg. In ihr sind die Schattenrisse einiger Chargierter der Kurländischen Landsmannschaft und ihrer Mitglieder wie dem späteren Adelsmarschall Johann Jakob von Patkul enthalten, bei denen teilweise auch deren Doppelmitgliedschaft im damals sehr einflussreichen Studentenorden ZN[3] vermerkt ist. Auch das aus Hamburg stammende ZN-Mitglied Piter Poel berichtet in seinen Erinnerungen an die Studentenzeit ab 1780 ausführlich von persönlichen Begegnungen mit Angehörigen der Landsmannschaft der Kurländer um ihren Senior von Stackelberg und ihren Auseinandersetzungen und Duellen in Göttingen.[4] Wegen ihrer Duellfreudigkeit sind die Kurländer auch in den Göttinger Universitätsgerichtsakten des 18. Jahrhunderts häufiger verzeichnet.[5] 1798 verlangte Zar Paul I. von Russland die Heimkehr aller studentischen Untertanen von den deutschen Hochschulen, so dass der erste Balte in Göttingen erst wieder 1802 durch Eintragung des stud. E. von Budberg aus Kurland auf einem Stammbuchblatt mit Kurländerzirkel nachgewiesen ist.[6]

19. Jahrhundert

Mensur der Curonia Dorpat (rechts, in grün-blau-weiß) aus den 1820er Jahren

Als im Jahre 1802 die deutschsprachige Universität Dorpat (Estland) als damals einzige Hochschule im Baltikum gegründet wurde, setzten auch viele in Göttingen studierende Kurländer ihr Studium in der Heimat fort. Diese traditionelle Verbindung zu Göttingen führte dazu, dass die Göttinger Fechtweise des beginnenden 19. Jahrhunderts weitgehend in das Baltikum übernommen und dort konserviert wurde. So wurde auch im Baltikum mit dem Korbschläger und nicht wie sonst in ostelbischen Gebieten mit dem Glockenschläger gefochten. Das Corps Curonia Dorpat („Kurland“) wurde schließlich 1808 in Dorpat gegründet.

Aber auch in Göttingen setzte sich die kurische Tradition fort. Später gab es hier im 19. Jahrhundert nacheinander sechs verschiedene Corps mit Namen Curonia, die von 1804 bis 1807, von 1810 bis 1812, von 1816 bis 1818, von 1820 bis 1821, von 1823 bis 1827 sowie im Jahre 1829 bestanden. Vom Sommersemester 1805 bis zum März 1806 hatte die erste Curonia den Curonischen Krieg in Göttingen durchzustehen, bei dem ihre Mitglieder aus der Studentenschaft 1400 Forderungen erhielten, die allerdings nicht alle ausgetragen wurden.[7] Alle diese Corps Curonia hatten die Farben grün-blau-weiß. Danach gab es für 130 Jahre kein Corps Curonia in Göttingen mehr. Denn Zar Nikolaus I. von Russland hatte nach seiner Krönung 1825 die Studienmöglichkeiten in Deutschland für Studierwillige aus den Ostseegouvernements wiederum rigide eingeschränkt. Dagegen blühte das Verbindungsleben im Baltikum auf.

Graf Medem, Göttinger Kurländer von 1822–1825

In Dorpat wurden die Zeiten gegen Ende des 19. Jahrhunderts schwerer. Aufgrund des russischen Nationalismus durfte ab den 1890er Jahren nur noch auf Russisch gelehrt werden. Viele berühmte deutsche Professoren verließen die Universität. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Estland unabhängig und die Universität Dorpat ab 1921 estnischsprachig. Viele Kurländer waren des Deutschen, Lettischen und Russischen mächtig, beherrschten aber kein Estnisch. Deshalb spaltete sich die Curonia Dorpat 1921 auf und verlegte ihren Sitz nach Riga und Jena. Auch in Berlin bestand zwischen den beiden Weltkriegen eine Curonia. Beide Curonias in Jena wie in Berlin waren dem KSCV assoziiert.[8] In Riga wurde Curonia 1938 durch die Zwangsumsiedlung der Baltendeutschen aufgelöst.

Geschichte des heutigen Corps Curonia

Das Corps Curonia Goettingensis wurde am 1. August 1959 von 210 Alten Herren (Philistern) elf verschiedener deutsch-baltischer Corps in Göttingen gestiftet:

  • Curonia Dorpat (gegründet 8. September 1808),
  • Estonia Dorpat (gegründet 7. September 1821),
  • Livonia Dorpat (gegründet 20. September 1822),
  • Fraternitas Rigensis Dorpat (gegründet 21. Januar 1823),
  • Fraternitas Baltica Riga (gegründet 13. November 1865),
  • Baltonia-Gotonia Dorpat und Riga (gegründet 24. März 1872),
  • Rubonia Riga (gegründet 18. Mai 1875),
  • Neobaltia Dorpat (gegründet 28. Mai 1879),
  • Fraternitas Academica Dorpat (gegründet 27. Mai 1881),
  • Fraternitas Marcomannia Riga später Moskau (gegründet 2. März 1902),
  • Fraternitas Normannia St. Petersburg später Dorpat (gegründet 23. November 1909).

Curonia Goettingensis wurde am 8. Dezember 1959 in den Kösener Senioren-Convents-Verband aufgenommen. Es gehört seither dem Göttinger Senioren-Convent an, der zur Zeit aus sechs Kösener Corps besteht.

Das Corps ist heute einer der turnusmäßigen Ausrichter des Gesamtbaltischen Völkerkommerses, der abwechselnd in Deutschland, Estland und Lettland von Verbindungen aus diesen Ländern gemeinsam gefeiert wird.

Bekannte Mitglieder der Corps Curonia in Göttingen

William Backhouse Astor, Sr.
Alexander Arkadjewitsch Suwórow

Curonia III in Göttingen (1813-1815)

Curonia V in Göttingen (1816-1818)

Curonia VII in Göttingen (1823-1829)

Curonia Goettingensis

Literatur

  • Rainer Assmann: „Grüße und Küsse Dein Jettchen“ Der Curone Ernst Seraphim als Student in Dorpat, Berlin, Göttingen und Heidelberg 1815–1818. In: Einst und Jetzt. 1974, S. 168ff.
  • Otto Deneke: Alte Göttinger Landsmannschaften - Urkunden zu ihrer frühesten Geschichte 1737-1813. Göttingen 1937.
  • H. D. Handrack: 200 Jahre Curonia in Göttingen 1804–2004. Göttingen 2004.
  • Herbert Kater: Curonen an den Universitäten Deutschlands von 1801 - 1831. In: Einst und Jetzt. 33. Band, Jahrbuch 1988 des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung, S. 185-212.
  • Dietrich G. Kraus, "Baltisches Burschentum in Dorpat und Riga", in "Jahrbuch des baltischen Deutschtums", Band XLV - 1998
  • Otto Kraus: Deutsch-baltische Corps. In: Vorstand des Verbandes Alter Corpsstudenten e.V. (VAC) (Hrsg.): Handbuch des Kösener Corpsstudenten. Band I, Würzburg 1985.
  • Tiina Metso: German Influence on Estonian and Baltic German Corps Traditions in Tartu. In: Acta Historica Tallinnensia. 8/2004, S. 20–36, Tallinn 2004.
  • Wilhelm Raeder: Curonen an den Universitäten Deutschlands 1801-1831. 1935
  • Johannes von Raison: Erinnerungen an das Dorpater Burschenleben. In: Einst und Jetzt. 33. Band, Jahrbuch 1988 des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung, S. 67-91.
  • Schack-Steffenhagen: Die Convente der Curonia an den Universitäten Deutschlands 1801 - 1803. In: Festschrift der Curonia. Bonn 1958
  • Harald Seewann: „Dem Freunde Freund!“ Ein Göttinger Stammbuchblatt aus dem Jahre 1825. In: Einst und Jetzt. 39. Band, Jahrbuch 1994 des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung.

Einzelnachweise

  1. Hans Becker von Sothen: Die Göttinger Verbindungen und ihre Farben 1800 bis 1833. Dargestellt anhand zweier Stammbuchblätter.. In: Einst und Jetzt. Jahrbuch 1994 des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung, Stamsried 1994, Seite 191.
  2. Als Dukumente abgedruckt bei Otto Deneke: Alte Göttinger Landsmannschaften - Urkunden zu ihrer frühesten Geschichte 1737-1813. Göttingen 1937
  3. Walter Richter: Der Esperance- und ZN-Orden. In: Einst und Jetzt. Jahrbuch 1974 des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung, S. 30-54
  4. Gustav Poel (Hrsg.): Bilder aus vergangener Zeit. I. Teil Piter Poel und seine Freunde, Hamburg 1884
  5. Stefan Brüdermann: Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1990 (Digitalisat)
  6. Deneke, Alte Göttinger Landsmannschaften (1937), S. 54.
  7. Deneke, Alte Göttinger Landsmannschaften (1937), S. 54ff.
  8. [1]

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Corps Curonia Goettingensis – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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